Tscherenkow-Strahlung (manchmal auch Čerenkov- oder, nach der englischen Schreibweise, Cherenkov- geschrieben), benannt nach ihrem Entdecker Pawel Alexejewitsch Tscherenkow, ist im engeren Sinn eine bläuliche Leuchterscheinung, die beim Durchgang schneller, geladener Teilchen (z. B. Elektronen) durch ein lichtdurchlässiges Dielektrikum hervorgerufen wird. Sie ist beispielsweise in Schwimmbadreaktoren und in Abklingbecken von Kernkraftwerken zu beobachten; die schnellen Elektronen sind hier teils durch Betastrahlung, teils durch Stöße von Gammaquanten aus Atomhüllen freigesetzt.
In Russland wird die Strahlung nach ihrem Mitentdecker Sergei Iwanowitsch Wawilow auch Wawilow-Tscherenkow-Strahlung genannt.
Im weiteren Sinn ist Tscherenkowstrahlung die elektromagnetische Strahlung, die entsteht, wenn sich geladene Teilchen in Materie mit höherer Geschwindigkeit als der Phasengeschwindigkeit elektromagnetischer Wellen in diesem Medium bewegen. Allgemein wird dabei vom Tscherenkow-Effekt gesprochen. Beispielsweise beträgt die Lichtgeschwindigkeit in Wasser nur 225.000.000 m/s im Vergleich zu 299.792.458 m/s im Vakuum.
Wenn sich ein geladenes Teilchen durch ein dielektrisches (nichtleitendes) Medium bewegt, werden die Atome längs der Flugbahn durch dessen Ladung kurzzeitig polarisiert und erzeugen dabei elektromagnetische Wellen. Im Normalfall interferieren die Wellen von benachbarten Atomen destruktiv (sie löschen sich aus), so dass makroskopisch keine Strahlung auftritt. Wenn sich jedoch geladene Teilchen in einem Medium schneller bewegen als es Licht darin kann, können sich die Wellen von benachbarten Atomen nicht mehr auslöschen, da sich immer eine gemeinsame kegelförmige Wellenfront ergibt. Diese elektromagnetischen Wellen sind die Tscherenkowstrahlung.
Die Richtung der ausgesandten Strahlung entlang der Flugbahn beschreibt einen sogenannten Mach-Kegel. Der Winkel $ \theta $ zwischen Teilchenbahn und Strahlungsrichtung hängt von dem Verhältnis der Geschwindigkeit $ v=\beta c $ des Teilchens und der Lichtgeschwindigkeit $ c'=c/n $ im Medium mit Brechungsindex $ n $ ab:
Das Tscherenkow-Licht ist somit das optische Analogon zum Überschallkegel, der entsteht, wenn Flugzeuge oder andere Körper sich schneller als der Schall fortbewegen.
Die Zahl der entstehenden Photonen N ist pro Kreisfrequenz $ \omega $ und Wegstrecke x für ein Teilchen der Ladung z ($ \alpha $ Feinstrukturkonstante und c Lichtgeschwindigkeit) gemäß der Frank-Tamm-Formel
Die minimale kinetische Energie eines Elektrons, die zur Emission von Tscherenkow-Strahlung in Wasser nötig ist, beträgt 263 keV.
2001 wurde jedoch beim Stuttgarter Max-Planck-Institut für Festkörperforschung und bei der University of Michigan experimentell entdeckt, dass kegelförmige Tscherenkow-Strahlung auch bei Unterlichtgeschwindigkeit auftreten kann.[1]
Das Tscherenkow-Licht wird zum Nachweis von hochenergetischen geladenen Teilchen verwendet, insbesondere in der Teilchenphysik, Kernphysik und Astrophysik. In der Teilchenphysik dient die Tscherenkow-Strahlung einzelner geladener Teilchen auch zur Messung ihrer Geschwindigkeit. Für verschiedene Geschwindigkeitsbereiche kommen dafür verschiedene Medien wie Glas, Wasser oder auch Luft in Frage.
In wassermoderierten und -gekühlten Kernreaktoren ist die Intensität der Tscherenkow-Strahlung ein Maß für die augenblickliche Radioaktivität der Spaltprodukte im Kernbrennstoff (und damit für die Reaktorleistung), da energiereiche Beta-Elektronen aus dem Brennstoff in das Wasser gelangen. Nach Entfernen der Brennelemente aus dem Reaktorkern und Unterbringung in einem Abklingbecken ist die Intensität ein Maß der verbleibenden Radioaktivität.
Treffen sehr energiereiche kosmische Teilchen auf die Erdatmosphäre, werden je nach Art des Teilchens durch verschiedene Prozesse neue Elementarteilchen gebildet, welche Tscherenkow-Licht erzeugen können. Es entstehen dabei Lichtblitze (Tscherenkow-Blitze) mit einer Dauer von Milliardstel Sekunden, aus denen man die Herkunftsrichtung der kosmischen Teilchen bestimmen kann. Dieser Effekt ist für die Beobachtung wichtig, weil z. B. Gammastrahlung von kosmischen Explosionen die Erdatmosphäre nicht durchdringt und deshalb von Teleskopen auf der Erde nicht direkt wahrgenommen werden kann. Erst der aus den Gammaquanten (hochenergetischen Photonen) entstehende elektromagnetische Schauer (bestehend aus Elektronen, Positronen und niederenergetischeren Photonen) kann von erdgebundenen Messgeräten (Tscherenkow-Teleskopen) analysiert werden.
In den Experimenten Super-Kamiokande, IceCube und ANTARES werden kosmische Neutrinos detektiert, indem Photomultiplier das Tscherenkow-Licht von Sekundärteilchen (Elektronen und Myonen) nachweisen, die bei der äußerst seltenen Wechselwirkung der Neutrinos mit Wasser bzw. Eis entstehen.
Im Falle von Lichtausbreitung in Metamaterialien kann der Brechungsindex negativ werden. Dies hat dann (neben anderen Effekten wie einem umgekehrten Dopplereffekt) zur Folge, dass auftretende Tscherenkow-Strahlung nicht in Richtung der Teilchenbewegung, sondern dieser entgegen ausgesandt wird.[2]
Igor Jewgenjewitsch Tamm, Pawel Alexejewitsch Tscherenkow und Ilja Michailowitsch Frank erhielten 1958 zusammen den Physik-Nobelpreis „für die Entdeckung und Interpretation des Tscherenkow-Effekts“.