Die Wellengleichung, auch D’Alembert-Gleichung nach Jean-Baptiste le Rond d’Alembert, bestimmt die Ausbreitung von Wellen wie etwa Schall oder Licht. Sie zählt zu den hyperbolischen Differentialgleichungen.
Wenn das Medium oder Vakuum die Welle nur durchleitet und nicht selbst Wellen erzeugt, handelt es sich genauer um die homogene Wellengleichung, die lineare partielle Differentialgleichung zweiter Ordnung
für eine reelle Funktion $ u(t,x_{1},\dots ,x_{n}) $ der Raumzeit. Hierbei ist $ n $ die Dimension des Raumes. Der Parameter $ c $ ist die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Welle, also bei Schall (im homogenen und isotropen Medium) die Schallgeschwindigkeit und bei Licht die Lichtgeschwindigkeit.
Der Differentialoperator der Wellengleichung wird D’Alembert-Operator genannt und mit dem Formelzeichen $ \Box $ notiert.
Die Lösungen der Wellengleichung heißen Wellen. Weil die Gleichung linear ist, überlagern sich Wellen, ohne sich gegenseitig zu beeinflussen. Da die Koeffizienten der Wellengleichung nicht vom Ort oder der Zeit abhängen, verhalten sich Wellen unabhängig davon, wo oder wann und in welche Richtung man sie anregt. Verschobene, verspätete oder gedrehte Wellen sind ebenfalls Lösungen der Wellengleichung.
Unter der inhomogenen Wellengleichung versteht man die inhomogene lineare partielle Differentialgleichung
Sie beschreibt die zeitliche Entwicklung von Wellen in einem Medium, das selbst Wellen erzeugt. Die Inhomogenität $ v $ heißt auch Quelle der Welle $ u $.
Der D’Alembert-Operator in einer räumlichen Dimension
zerfällt aufgrund des Satzes von Schwarz wie in der binomischen Formel $ (a^{2}-b^{2})=(a-b)(a+b) $ in das Produkt
Daher hat die Wellengleichung in einer räumlichen Dimension die allgemeine Lösung
mit beliebigen zweifach differenzierbaren Funktionen $ f(x) $ und $ g(x) $. Der erste Summand $ f(x+ct) $ ist eine nach links und der zweite Summand $ g(x-ct) $ eine nach rechts mit unveränderter Form laufende Welle. Die Geraden $ x\pm ct={\text{konstant}} $ sind die Charakteristiken der Wellengleichung.
Seien
der anfängliche Wert und
die anfängliche Zeitableitung der Welle. Diese Funktionen des Raumes heißen zusammenfassend Anfangswerte der Welle.
Die Integration der letzten Gleichung ergibt
Durch Auflösen erhält man
Ausgedrückt durch ihre Anfangswerte lautet daher die Lösung der Wellengleichung
Das ist auch als D’Alembert-Lösung der Wellengleichung bekannt (d'Alembert, 1740er Jahre).[1]
Die allgemeine Lösung der Wellengleichung lässt sich als Linearkombination von ebenen Wellen
schreiben. Die Delta-Distribution trägt dafür Sorge, dass die Dispersionsrelation $ \omega =c|{\vec {k}}| $ gewahrt bleibt. Solch eine ebene Welle bewegt sich in Richtung von $ {\vec {k}} $. Bei der Superposition solcher Lösungen ist allerdings nicht offensichtlich, wie ihre Anfangswerte mit der späteren Lösung zusammenhängen.
In drei Raumdimensionen lässt sich die allgemeine Lösung der homogenen Wellengleichung durch Mittelwerte der Anfangswerte darstellen. Sei die Funktion $ u(t,{\vec {x}}) $ und ihre Zeitableitung zur Anfangszeit $ t=0 $ durch Funktionen $ \phi $ und $ \psi $ gegeben,
dann ist die Linearkombination von Mittelwerten
die zugehörige Lösung der homogenen Wellengleichung. Dabei bezeichnet
den Mittelwert der Funktion $ \chi \,, $ gemittelt über eine Kugelschale um den Punkt $ {\vec {x}} $ mit Radius $ c|t|. $ Insbesondere ist $ M_{0,{\vec {x}}}[\chi ]=\chi ({\vec {x}}). $
Wie diese Darstellung der Lösung durch die Anfangswerte zeigt, hängt die Lösung stetig von den Anfangswerten ab und hängt zur Zeit $ t $ am Ort $ {\vec {x}} $ nur von den Anfangswerten an den Orten $ {\vec {y}} $ ab, von denen man $ {\vec {x}} $ in der Laufzeit $ |t| $ mit Geschwindigkeit $ c $ erreichen kann. Sie genügt damit dem Huygensschen Prinzip.
Für eindimensionale Systeme und in geraden Raumdimensionen gilt dieses Prinzip nicht. Dort hängen die Lösungen zur Zeit $ t $ auch von Anfangswerten an näheren Punkten $ {\vec {y}} $ ab, von denen aus man $ {\vec {x}} $ mit geringerer Geschwindigkeit erreicht.
Die Lösung der inhomogenen Wellengleichung in drei Raumdimensionen
hängt am Ort $ {\vec {x}} $ zur Zeit $ t>0 $ nur von der Inhomogenität auf dem Rückwärtslichtkegel von $ {\vec {x}} $ ab, zu negativen Zeiten nur von der Inhomogenität auf dem Vorwärtslichtkegel. Die Inhomogenität und die Anfangswerte wirken sich auf die Lösung mit Lichtgeschwindigkeit aus.
ist eine Lösung der inhomogenen Wellengleichung, die voraussetzt, dass die Inhomogenität $ v $ auf allen Rückwärtslichtkegeln schneller als $ 1/r^{2} $ abfällt. Es ist die Welle, die vollständig vom Medium erzeugt ist ohne eine durchlaufende Welle.
In der Elektrodynamik schränkt die Kontinuitätsgleichung die Inhomogenität ein. So kann die Ladungsdichte einer nichtverschwindenden Gesamtladung zu keiner Zeit überall verschwinden. In der Störungstheorie treten Inhomogenitäten auf, die räumlich nicht genügend schnell abfallen. Dann divergiert das zugehörige retardierte Integral und hat eine sogenannte Infrarotdivergenz.
Die etwas aufwendigere Darstellung der Lösung durch ihre Anfangswerte zu endlicher Zeit und durch Integrale über endliche Abschnitte des Lichtkegels ist frei von solchen Infrarotdivergenzen.
Der D’Alembert-Operator $ \Box $ ist invariant unter Translationen und Lorentztransformationen $ \Lambda $ in dem Sinne, dass er angewendet auf Lorentzverkettete Funktionen $ f\circ \Lambda ^{-1} $ dasselbe ergibt, wie die lorentzverkettete abgeleitete Funktion
Entsprechend ist der Laplace-Operator invariant unter Translationen und Drehungen.
Die homogene Wellengleichung ist sogar unter konformen Transformationen, insbesondere unter Streckungen invariant.