Hamilton-Funktion

Hamilton-Funktion

Version vom 25. September 2017, 09:23 Uhr von imported>FranzR
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Die Hamilton-Funktion $ {\mathcal {H}}(\mathbf {q} ,\mathbf {p} ,t) $ (auch Hamiltonian, nach William Rowan Hamilton) eines Systems von Teilchen ist eine Legendre-Transformierte der Lagrange-Funktion, die, wenn keine rheonomen, also zeitabhängigen, Zwangsbedingungen vorliegen, mit der Gesamtenergie als Funktion der Orte und Impulse der Teilchen korrespondiert. Einfach ausgedrückt:

Die Hamilton-Funktion $ {\mathcal {H}}(q,p,t) $ eines Systems von Teilchen ist i. d. R. ihre Energie als Funktion des Phasenraumes. Sie hängt also von den (verallgemeinerten) Ortskoordinaten $ q=(q_{1},q_{2},\dotsc ,q_{n}) $ und von den (verallgemeinerten) Impulskoordinaten $ p=(p_{1},p_{2},\dotsc ,p_{n}) $ der Teilchen ab und kann auch von der Zeit $ t $ abhängen.

Definition

Die Hamilton-Funktion ist definiert durch

$ {\mathcal {H}}(q,p,t):=\left\{\sum _{i=1}^{n}{\dot {q}}_{i}p_{i}\right\}-{\mathcal {L}}(q,{\dot {q}},t),{\text{ mit }}{\dot {q}}={\dot {q}}(q,p,t) $

und hängt ab von

Sie geht hervor aus einer Legendre-Transformation der Lagrange-Funktion $ {\mathcal {L}}(t,q,{\dot {q}}) $ bezüglich der generalisierten Geschwindigkeiten, die von den generalisierten Koordinaten und ihren Geschwindigkeiten $ {\dot {q}}=({\dot {q}}_{1},{\dot {q}}_{2},\dotsc ,{\dot {q}}_{n}) $ abhängt:

$ {\mathcal {H}}(t,q,p)=\left\{\sum _{i=1}^{n}{\dot {q}}_{i}\,p_{i}\right\}-{\mathcal {L}}(t,q,{\dot {q}}) $

Dabei sind auf der rechten Seite mit den Geschwindigkeiten $ {\dot {q}} $ diejenigen Funktionen

$ {\dot {q}}(t,q,p) $

gemeint, die man erhält, wenn man die Definition der generalisierten Impulse

$ p_{i}:={\frac {\partial {\mathcal {L}}}{\partial {\dot {q}}_{i}}} $

nach den Geschwindigkeiten auflöst.

Eigenschaften

Ableitung

Das totale Differential der Hamilton-Funktion lautet:

$ \mathrm {d} {\mathcal {H}}=\sum _{i=1}^{n}{\frac {\partial {\mathcal {H}}}{\partial q_{i}}}\mathrm {d} q_{i}+\sum _{i=1}^{n}{\frac {\partial {\mathcal {H}}}{\partial p_{i}}}\mathrm {d} p_{i}+{\frac {\partial {\mathcal {H}}}{\partial t}}\mathrm {d} t $

Aufgrund der Produktregel erhält man

$ \mathrm {d} {\mathcal {H}}=\sum _{i=1}^{n}\left(p_{i}\mathrm {d} {\dot {q}}_{i}+{\dot {q}}_{i}\mathrm {d} p_{i}-{\frac {\partial {\mathcal {L}}}{\partial q_{i}}}\mathrm {d} q_{i}-{\frac {\partial {\mathcal {L}}}{\partial {\dot {q}}_{i}}}\mathrm {d} {\dot {q}}_{i}\right)-{\frac {\partial {\mathcal {L}}}{\partial t}}\mathrm {d} t, $

wobei wegen der Definition des verallgemeinerten Impulses $ {\frac {\partial {\mathcal {L}}}{\partial {\dot {q}}_{i}}}=p_{i} $ die ersten und letzten Terme in den Klammern die Summe 0 haben, sodass gilt:

$ \mathrm {d} {\mathcal {H}}=\sum _{i=1}^{n}\left({\dot {q}}_{i}\mathrm {d} p_{i}-{\frac {\partial {\mathcal {L}}}{\partial q_{i}}}\mathrm {d} q_{i}\right)-{\frac {\partial {\mathcal {L}}}{\partial t}}\mathrm {d} t $

Mit der obigen Schreibweise des totalen Differentials folgen hieraus die partiellen Ableitungen der Hamilton-Funktion:

$ {\frac {\partial {\mathcal {H}}}{\partial p_{i}}}={\dot {q}}_{i} $
$ {\frac {\partial {\mathcal {H}}}{\partial q_{i}}}=-{\frac {\partial {\mathcal {L}}}{\partial q_{i}}}=-{\dot {p}}_{i} $
$ {\frac {\partial {\mathcal {H}}}{\partial t}}=-{\frac {\partial {\mathcal {L}}}{\partial t}} $

Erhaltungsgröße

Die totale Ableitung der Hamilton-Funktion nach der Zeit ist identisch mit der partiellen:

$ {\begin{aligned}{\frac {\mathrm {d} {\mathcal {H}}}{\mathrm {d} t}}&=\sum _{i=1}^{f}\left({\frac {\partial {\mathcal {H}}}{\partial p_{i}}}{\dot {p}}_{i}+{\frac {\partial {\mathcal {H}}}{\partial q_{i}}}{\dot {q}}_{i}\right)+{\frac {\partial {\mathcal {H}}}{\partial t}}\\&=\sum _{i=1}^{f}\left({\dot {q}}_{i}{\dot {p}}_{i}-{\dot {p}}_{i}{\dot {q}}_{i}\right)+{\frac {\partial {\mathcal {H}}}{\partial t}}\\&={\frac {\partial {\mathcal {H}}}{\partial t}}\end{aligned}} $

Wenn die Hamilton-Funktion also nicht explizit von der Zeit $ t $ abhängt, ist ihr Wert eine Erhaltungsgröße:

$ {\mathcal {H}}\neq {\mathcal {H}}(t)\Rightarrow {\frac {\mathrm {d} {\mathcal {H}}}{\mathrm {d} t}}={\frac {\partial {\mathcal {H}}}{\partial t}}=0\Rightarrow {\mathcal {H}}=konst. $

Implikationen

Die Hamilton-Funktion bestimmt die zeitliche Entwicklung der Teilchenorte und -impulse durch die Hamiltonschen Bewegungsgleichungen:

$ {\dot {q}}_{k}={\frac {\partial {\mathcal {H}}}{\partial p_{k}}} $
$ {\dot {p}}_{k}=-{\frac {\partial {\mathcal {H}}}{\partial q_{k}}} $

Ebenso bestimmt der Hamiltonoperator die Zeitentwicklung in der Quantenmechanik. Man erhält ihn in vielen Fällen aus der Hamiltonfunktion durch kanonische Quantisierung, indem man den algebraischen Ausdruck für $ {\mathcal {H}}(t,q,p) $ als Funktion von Operatoren $ q $ und $ p $ liest, die den kanonischen Vertauschungsrelationen genügen.

Beispiele

Massenpunkt

Bei einem Teilchen der Masse $ m $, das sich nichtrelativistisch in einem Potential $ V $ bewegt, setzt sich die Hamilton-Funktion aus kinetischer und potentieller Energie zusammen:

$ {\mathcal {H}}(t,\mathbf {q} ,\mathbf {p} )={\frac {\mathbf {p} ^{2}}{2\,m}}+V(\mathbf {q} ) $

Für ein relativistisches, freies Teilchen mit der Energie-Impuls-Beziehung

$ E^{2}-\mathbf {p} ^{2}\,c^{2}=m^{2}\,c^{4} $

gilt für die Hamilton-Funktion

$ {\mathcal {H}}(t,\mathbf {q} ,\mathbf {p} )={\sqrt {m^{2}\,c^{4}+\mathbf {p} ^{2}\,c^{2}}}. $

Beim freien relativistischen Teilchen mit der Lagrangefunktion

$ {\mathcal {L}}=-m\,c^{2}{\sqrt {1-{\dot {\mathbf {q} }}^{2}/c^{2}}} $

hängt der generalisierte Impuls $ p={\frac {\partial {\mathcal {L}}}{\partial {\dot {q}}}} $ gemäß

$ \mathbf {p} ={\frac {m{\dot {\mathbf {q} }}}{\sqrt {1-{\dot {\mathbf {q} }}^{2}/c^{2}}}} $

von der Geschwindigkeit ab. Umgekehrt ist die Geschwindigkeit daher die Funktion

$ {\dot {\mathbf {q} }}={\frac {\mathbf {p} \,c^{2}}{\sqrt {m^{2}\,c^{4}+\mathbf {p} ^{2}\,c^{2}}}} $

des Impulses.

Harmonischer Oszillator

Die Hamilton-Funktion eines eindimensionalen harmonischen Oszillators ist gegeben durch:

$ {\mathcal {H}}(x,p)={\dot {x}}p-{\mathcal {L}}(x,{\dot {x}})={\frac {p^{2}}{2m}}+{\frac {m}{2}}\omega _{0}^{2}x^{2}=T+V=E $

Literatur

  • Herbert Goldstein, Charles P. Poole, Jr., John L. Safko: Klassische Mechanik. 3. Auflage. Wiley-VCH, Weinheim 2006, ISBN 3-527-40589-5.
  • Wolfgang Nolting: Grundkurs Theoretische Physik 2. Analytische Mechanik. 7. Auflage. Springer, Heidelberg 2006, ISBN 3-540-30660-9.