Die Heliosphäre (aus dem Griechischen: Sonnenkugel) ist die Astrosphäre der Sonne. Sie bezeichnet im Weltraum einen weiträumigen Bereich um die Sonne, der das gesamte Sonnensystem einschließt und in dem der Sonnenwind mit seinen mitgeführten Magnetfeldern wirksam ist. In diesem Bereich verdrängt der Teilchenstrom der Sonne die interstellare Materie bis hinaus zur Heliopause. Für elektrisch neutrale Atome aus dem interstellaren Medium besteht die Möglichkeit, weit in die Heliosphäre eindringen zu können. Neben den wenigen Partikeln, die das schaffen, stammt fast die gesamte Teilchenmenge in der Heliosphäre von der Sonne.
Die Sonne, und mit ihr die Heliosphäre, fliegt mit einer Geschwindigkeit von etwa 23 km/s durch das interstellare Medium[1] aus der Richtung des Sternbilds Stier kommend in die Richtung des Sternbilds Skorpion.[2] Diese Bewegung hat eine andere Richtung als die, die der Sonnenapex (die Bewegungsrichtung der Sonne relativ zum Mittel der benachbarten hellen Sterne) angibt.
Der Sonnenwind ist ein Partikelstrom aus elektrisch geladenen Teilchen, ein sogenanntes Plasma, das aus Protonen, Elektronen und Alphateilchen besteht. Der Ursprung des Sonnenwindes sind die äußeren Schichten der Sonne. Er besteht aus zwei verschiedenen Komponenten: dem schnellen Sonnenwind (engl. high-speed streams) und dem langsamen Sonnenwind (engl. low-speed streams).[3] Während der schnelle Sonnenwind hauptsächlich an koronalen Löchern (vgl. koronaler Massenauswurf) austritt, deren Häufigkeit in den Polregionen zunimmt, emittieren die anderen Regionen den langsamen Sonnenwind. Durch die Rotation der Sonne entsteht ein dipolähnliches Magnetfeld, das seine Polarität ungefähr alle elf Jahre ändert. Es wird mit dem abströmenden Sonnenwind mitgeführt. In der Nähe der Ekliptik liegen sich dadurch einander entgegengerichete Magnetfeldlinien gegenüber. Sie werden den Maxwellschen Gesetzen entsprechend durch eine heliosphärische Stromschicht (engl. heliospheric current sheet) voneinander getrennt gehalten.
Durch den Strahlungsdruck des Sonnenwindes hat dieser den inneren Bereich der Heliosphäre gründlich von interstellarem Gas bereinigt, indem er dieses einfach ins interstellare Medium zurückdrückt bzw. mitreißt. In einem Abstand von 1 AE von der Sonne beträgt die Teilchendichte des Sonnenwindes außerhalb koronaler Massenauswürfe ein bis zehn Millionen Teilchen pro Kubikmeter.[4] Aufgrund von Massenauswürfen kann die Teilchendichte des Sonnenwindes in diesem Abstand um mehr als das Hundertfache ansteigen.[5]
Während die sonnennahe Region durch den Sonnenwind selbst und durch die heliosphärische Stromschicht geprägt ist, zeigen sich ab einem Abstand von ca. 90 AE auf Grund von Wechselwirkung des Sonnenwindes mit dem interstellaren Gas andere Phänomene. Da sich die Sonnenwinde mit einer Geschwindigkeit von mehreren hundert Kilometern in der Sekunde (langsamer Sonnenwind ca. 350–400 km/s, schneller Sonnenwind ca. 800–900 km/s) von der Sonne wegbewegen, muss es Grenzen geben, bei denen der Sonnenwind durch das interstellare Medium abgebremst wird und sich mit geringen Geschwindigkeiten in das interstellare Medium einfügt.
Dies geschieht in mehreren Phasen: Die erste Grenze des Sonnensystems ist der Termination Shock, bei dem der starke Einflussbereich des Sonnenwindes endet. Hier wird die Strömung der Partikel unter die im Plasma vorherrschende Schallgeschwindigkeit abgestoppt und etwaige Störungen im Plasma, die sich mit Schallgeschwindigkeit fortpflanzen, haben nun, anders als zuvor, Einfluss auf den abgebremsten Sonnenwind.
Der danach folgende Bereich wird Heliosheath genannt und kann vom interstellaren Medium gestört werden, jedoch ist hier immer noch der Sonnenwind die vorherrschende Eigenschaft, die mit größer werdender Entfernung zur Sonne immer mehr abnimmt.
Die letzte Grenze, bei der der Sonnenwind keine materiellen Einflüsse auf das interstellare Gas ausübt, wird Heliopause genannt und beschreibt die äußerste Grenze der Heliosphäre. Diese liegt in einer Entfernung von rund 120 AE. Es wurde angenommen, dass die Heliosphäre in Bewegungsrichtung des Sonnensystems eingedrückt und auf der abgewandten Seite verlängert ist – ähnlich einem Kometenschweif. Neue Messungen deuten aber auf eine fast kugelförmige Heliosphäre hin.
Lange wurde spekuliert, dass noch weiter außen im interstellaren Medium eine Stoßfront auftritt, Bow Shock genannt. Nach neueren Erkenntnissen existiert diese nicht.[6][7]
Der Termination Shock bezeichnet eine der äußeren Grenzen des Sonnensystems. Bis zu dieser Stelle bewegt sich der Sonnenwind unbeeinflusst durch den Raum, da sich Störungen der Dichte bzw. des Druckes im Plasma langsamer fortbewegen als die Strömung selbst. Die Geschwindigkeit der Dichtestörungen kann als Schallgeschwindigkeit interpretiert werden, da eine Ausbreitung von Schallwellen auch bei Gasen solch geringer Dichte wie im Falle des Sonnenwindes möglich ist. An der Stelle des Termination Shock sinkt die Strömungsgeschwindigkeit unter die zugeordnete Schallgeschwindigkeit, so dass zum ersten Mal eine Beeinflussung durch das interstellare Medium auftritt. Die Partikel des Sonnenwindes werden durch die Wechselwirkung mit dem interstellaren Gas abrupt abgebremst.
Durch das Abbremsen von ca. 350 km/s auf ca. 130 km/s[8] in niedrigen Breiten und das weitere Nachströmen von Materie verdichtet und erhitzt sich das Medium des Sonnenwindes. Als Folge kommt es weiterhin zu einem deutlichen Anstieg des Magnetfeldes. Messungen ergaben allerdings, dass sich die Temperatur bei weitem nicht so stark erhöht, wie es Modelle vorhersagten. Es wird angenommen, dass die Energie teilweise in die Beschleunigung der angetroffenen Materie übergeht. Das könnten beispielsweise elektrisch neutrale Wasserstoffatome sein, die mit einer Geschwindigkeit von etwa 25 km/s in die Heliosheath eingedrungen und bis zum Termination Shock vorgestoßen sind.[8][9] Die Voyager-Sonden erreichten den Termination Shock, als sie 94 AE bzw. 84 AE von der Sonne entfernt waren.[10]
Außerhalb des Termination Shock befindet sich das Heliosheath (deutsch etwa: Sonnenumhüllung), in dessen Bereich weiterhin Sonnenwindteilchen vorkommen, nun jedoch mit einer reduzierten Strömungsgeschwindigkeit bei höherer Dichte und Temperatur. In diesem Bereich mischen sich Sonnenwindteilchen und Partikel des lokalen interstellaren Mediums. Diese Zone ist vermutlich mehrere 10 AE groß. Aufgrund von Modellrechnungen und Beobachtungen an anderen Sternen wurde angenommen, dass sie in Richtung der Eigenbewegung der Sonne nur 10 AE dick sei, während sie in entgegengesetzter Richtung vom interstellaren „Fahrtwind“ zu einem langen „Schweif“ von bis zu 100 AE verformt werde.[11] Langzeitmessungen mit den Raumsonden Voyager 1 und 2, Cassini und IBEX legen jedoch nahe, dass das Heliosheath eher kugelförmig ist.[12] Grund ist das mit etwa 0,5 Nanotesla unerwartet starke interstellare Magnetfeld, das die Heliosphäre in Form hält.
Gegenüber der Lage der übrigen Zonen des Sonnensystems befindet sich das Heliosheath somit zwischen dem sonnennäheren Kuipergürtel und der Oortschen Wolke ganz außen. Der äußere Rand des Heliosheath bildet die Heliopause.
Die theoretische Grenze der letzten materiellen Einwirkung des Sonnenwindes auf das interstellare Gas wird Heliopause genannt, da dort alle direkte solare Einwirkung endet. Hier vermischen sich die Partikel des Sonnenwindes mit dem interstellaren Gas und haben keine erkennbare herausstechende Strömungsrichtung im Vergleich mit dem die Heliosphäre umgebenden Gas. Jenseits der Heliopause beginnt definitionsgemäß der interstellare Raum. Voyager 1 erreichte die Heliopause in einem Abstand von 121 AE von der Sonne.
Die Erforschung mit Sonden erweist sich als schwierig, da die Entfernungen derart groß sind, dass eine Sonde rund 30 Jahre brauchen würde, um eine Entfernung von 100 AE zur Sonne zu erreichen. Die einzigen von Menschen gebauten Objekte, die nachweislich jemals in die Heliosheath eingedrungen sind, also den Termination Shock passiert haben, sind die beiden Sonden des Voyager-Programms: Voyager 1 und Voyager 2. Außerdem befinden sich die Sonden Pioneer 10 und 11 in einer vergleichbaren Distanz zur Sonne, jedoch besteht kein Kontakt mehr zu ihnen. Voyager 1 erreichte den Termination Shock am 16. Dezember 2004 bei 94 AE Entfernung von der Sonne. Voyager 2 dagegen erreichte am 30. August 2007 den Termination Shock schon bei 84 AE Entfernung. Von der Erde aus betrachtet befindet sich Voyager 1 im Sternbild Schlangenträger, Voyager 2 im Sternbild Teleskop. Eduard Stone vom Goddard Space Flight Center der NASA erklärt die unterschiedlichen Entfernungen damit, dass das interstellare magnetische Feld offenbar an der Stelle, an der sich Voyager 2 befindet, stärker ist als an anderen Stellen.
Ebenso zeigte sich am Beispiel von Voyager 2, dass der Termination Shock keine konsistente feste Grenze, sondern ein dynamisches Ereignis ist, das sich ähnlich der Brandung an einem Strand verhält. So gibt es Dichteschwankungen im Sonnenwind, hervorgerufen durch koronale Massenausbrüche oder Überlagerung der schnellen und langsamen Sonnenwinde,[13] die mit den Wellen im Meer vergleichbar sind und somit weiter in die Heliosheath hinausreichen. Durch die differentielle Rotation der Sonne und die große Entfernung von der Sonne können so in relativ kurzen Abständen große Sprünge in der absoluten Entfernung von der Sonne möglich sein. Voyager 2 passierte den Termination Shock innerhalb einiger Tage fünf Mal, bevor er am 30. August 2007 endgültig durchschritten war.[14]
Außerdem übermittelte Voyager 2 Daten zur Temperatur in der Heliosheath, direkt nach dem Termination Shock. Diese war mit durchschnittlich rund 180.000 Kelvin weitaus geringer als dies Modelle vorhersagten, die von einigen Millionen Kelvin ausgingen.[15] Die Bewegungsenergie werde nicht vollständig in Wärme umgewandelt, sondern gehe in die Ionisierung der dort angetroffenen Partikel, was die niedrigere Temperatur erklären würde. Dies wurde durch das Solar Terrestrial Relations Observatory indirekt nachgewiesen.
Ende 2012 passierte Voyager 1 die Heliopause bei 121 AE Entfernung von der Sonne und erreichte damit den interstellaren Raum. Voyager 2 soll die Heliopause um 2019 oder 2020 erreichen.
Eigentlich dafür ausgelegt, die Magnetosphäre der Erde in Verbindung mit Ausbrüchen der Sonne zu untersuchen, detektierte das Solar Terrestrial Relations Observatory energetische neutrale Atome des interstellaren Gases aus derselben Richtung, in die sich die Sonne im interstellaren Medium bewegt. Laut Robert Lin von der University of California in Berkeley sei dies eine „neue Art der astronomischen Beobachtungen“, vor allem, da die Region der Heliosheath durch normale Teleskope nicht untersucht werden kann. So sei die Intensität der detektierten Atome aus der Richtung, in die sich die Sonne bewegt, um einiges größer als aus anderen Regionen (siehe Bild). Ihr Ursprung seien energetische Ionen, die in der Region des Termination Shock ihre Ladung an Atome der interstellaren Materie verloren haben und sich nun ungehindert des magnetischen Feldes der Sonne bewegen können.
In Korrelation mit den Messergebnissen von Voyager 2, die eine niedrigere Temperatur als erwartet lieferten, kann sicher gesagt werden, dass die Energie des Sonnenwindes in die Ionisation der angetroffenen Atome geht. Rund 70 Prozent der Energie des Sonnenwindes, also genau die Menge, die nicht in die Erhöhung der Temperatur übergeht, gehe in die Ionisation, die durch die Instrumente des Solar Terrestrial Relations Observatory nachgewiesen wurden.[16]
Der Forschungssatellit Interstellar Boundary Explorer (zu deutsch etwa: Erforscher der interstellaren Grenze), der am 19. Oktober 2008 mit einer Pegasus-XL-Trägerrakete in den Erdorbit gebracht wurde, ist das erste Instrument, das ausschließlich zur Kartierung der neutralen Atome aus den Bereichen des Termination Shock gestartet wurde. Er befindet sich in einer extrem exzentrischen Umlaufbahn um die Erde und besitzt zwei Instrumente zur Detektion der energetischen neutralen Atome: IBEX-Hi für die hochenergetischen und IBEX-Lo für die niederenergetischen Partikel. Im Laufe eines Jahres wird IBEX den gesamten Himmel kartografiert haben.
Als Bow Shock bezeichnet man die Auswirkungen der Dichteveränderungen im interstellaren Medium aufgrund der Einwirkung der Heliosphäre auf das interstellare Gas.[17] Durch die Eigenbewegung der Sonne durch das im Vergleich zur Sonnenbewegung ruhende Gas trifft unaufhörlich interstellare Materie auf die Heliosphäre. Dadurch erhöht sich der Druck in der Frontalregion, wodurch sich, ähnlich einer Bugwelle eines Schiffes, eine Dichtewelle formt. Nach neuesten Forschungsergebnissen bewegt sich die Sonne so langsam durch das interstellare Gas, dass es keine Stoßwelle gibt.[6][7]
Durch die Verdichtung der interstellaren Materie erhitzt sich diese, was durch Infrarot-Teleskope nachweisbar ist. So zeigte sich um den Stern R Hydrae in den Aufnahmen des Spitzer-Weltraumteleskops ein deutlich erkennbarer Bow Shock (siehe Bild). Das zweite Bild zeigt einen Bow Shock im sichtbaren Licht: Er wird hervorgerufen durch einen Materiestrom, der auf einen Stern im Sternbild Orion trifft und eine gut zu sehende Bugwelle formt.
Es gibt Theorien, dass durch den Sonnenwind eine das Sonnensystem umfassende Magnetosphäre gebildet wird, die das Sonnensystem vor der kosmischen Strahlung schützt.[18] Durch die Bewegung der Sonne im interstellaren Raum, genauer gesagt in der Lokalen Blase, bestehend aus zwei Komponenten: zum einen aus neutralem Wasserstoff mit einer Dichte von 0,05 bis 0,07 Atomen pro Kubikzentimeter, zum anderen aus einem sehr dünnen und heißen Plasma mit einer Dichte von 0,001 bis 0,005 Atomen pro Kubikzentimeter und einer Temperatur von 1,4 Millionen Kelvin, hat die Heliosphäre eine relativ große Ausdehnung. Würde die Sonne einen Bereich mit einer weitaus höheren Dichte, wie beispielsweise eine Wasserstoffwolke, durchqueren, könnte die Heliosphäre an der Front weiter zurückgedrückt werden. Theoretisch ist es möglich, dass dichte Molekülwolken die Heliosphäre in die Bereiche innerhalb der Erdumlaufbahn zurückdrängen, und die Erde dadurch der kosmischen Strahlung ausgesetzt wäre.[19] Diesen Umstand, wäre er jemals in den 4,5 Milliarden Jahren während des Bestehens des Sonnensystems vorgekommen, könnte man durch Untersuchung von Sedimenten nachweisen. Allerdings gibt es keine Anzeichen dafür, dass die Sonne in ihrer bisherigen Lebensspanne eine Molekülwolke durchquert hat. Ebenso ist es nicht zu erwarten, dass die Sonne in den nächsten Jahrmillionen in eine Region mit größerer Dichte eintauchen wird.[20]