Spitzer-Weltraumteleskop

Spitzer-Weltraumteleskop

Spitzer Space Telescope (SIRTF)
Spitzer bei den Startvorbereitungen
Start von SIRTF mit einer Delta II 7920H-9.5

Das Spitzer-Weltraumteleskop (engl. Spitzer Space Telescope, SST), früher SIRTF (von engl. Space Infrared Telescope Facility) genannt, ist ein nach dem Astrophysiker Lyman Spitzer[1] benanntes Infrarotteleskop. Es wurde am 25. August 2003 noch unter dem Namen SIRTF mit einer Delta II-7920H-9.5-Rakete von Cape Canaveral aus gestartet und dann umbenannt. Es ist neben dem Hubble Space Telescope, dem Chandra X-Ray Observatory und dem Compton Gamma Ray Observatory Teil des Great Observatory Program der NASA. Spitzer war für eine Lebensdauer von fünf Jahren konzipiert und sollte mindestens zweieinhalb Jahre funktionieren. Die Hauptmission des Weltraumteleskops endete Mitte Mai 2009, als das Kühlmittel für die ursprünglich auf 2 K (−271 °C) heruntergekühlten Detektoren aufgebraucht war. Nach dem Anstieg der Temperatur auf 31 K (−242 °C) können nur noch die beiden kurzwelligen Kanäle der Infrarotkamera IRAC genutzt werden.

Aufbau und Mission

In dem vom Spitzer-Teleskop untersuchten Infrarotbereich werden u. a. astrophysikalische Erkenntnisse zu protoplanetaren Scheiben und Vorgängen bei der Entstehung von Planetensystemen gewonnen. Auch das Verständnis von Braunen Zwergen, Infrarotgalaxien, aktiven galaktischen Kernen sowie der Vorgänge im frühen Universum soll von der Mission profitieren.

Der vom Spitzer-Weltraumteleskop abgedeckte Infrarotbereich liegt zwischen 3 und 180 µm. Dieser Teil der elektromagnetischen Strahlung ermöglicht Einblicke in Regionen, durch welche kein sichtbares Licht dringen kann. Jedoch verhindert die Erdatmosphäre ihrerseits größtenteils das Durchdringen der Infrarotstrahlung und daher ist diese mit erdgebundenen Teleskopen nicht zu beobachten. Das Teleskop besteht aus einem 0,85 m großen Hauptspiegel und einem kleineren zweiten Spiegel aus Beryllium. Als Detektoren befinden sich drei Instrumente an Bord:

  • IRAC (von engl. Infrared Array Camera), vier Infrarotkameras, die simultan vier Kanäle mit den Wellenlängen 3,6 µm, 4,5 µm, 5,8 µm und 8 µm aufnehmen können. Das Gesichtsfeld beträgt 5,12′ × 5,12′ und die Auflösung liegt bei 256 × 256 Pixel.
  • IRS (von engl. Infrared Spectrograph),ein Infrarot-Spektrometer mit vier Untermodulen, die die Wellenlängenbereiche 5,3 bis 14 µm (niedrig auflösend), 10 bis 19,5 µm (hoch auflösend), 14 bis 40 µm (niedrig auflösend) und 19 bis 37 µm (hoch auflösend) abdecken.
  • MIPS (von engl. Multiband Imaging Photometer for Spitzer) besteht aus drei Detektorfeldern im fernen Infrarotbereich (128 × 128 Pixel bei 24 µm, 32 × 32 Pixel bei 70 µm, 2 × 20 Pixel bei 160 µm), die neben Bildern auch spektroskopische Daten liefern sollen. Das Gesichtsfeld variiert dabei zwischen 5′ × 5′ bei kürzeren Wellenlängen und 5′ × 0,5′ bei längeren Wellenlängen.

Um störende Wärmeeinstrahlung auf die Infrarot-Detektoren zu verhindern, wurde das Teleskop und die Instrumente mit einem Helium-Kryostaten auf eine Temperatur möglichst nahe dem absoluten Nullpunkt gekühlt (5,5 K). Um störende Wärmeeinstrahlung von der Erde zu vermeiden, bewegt sich das Teleskop nicht in einer Erdumlaufbahn, sondern in einem heliozentrischen, der Erdbahn folgenden Orbit, es ist also kein Erdsatellit. Dadurch entfernt sich das Teleskop langsam von der Erde. Das Solarmodul und Hitzeschilde schirmen das Teleskop vor Wärmestrahlung der Sonne und den wärmeren Teilen der Raumsonde ab.

Am 15. Mai 2009 war das flüssige Helium aufgebraucht, wodurch die Temperatur auf 30 K anstieg. Dadurch endete die cold mission und die warm mission begann, was eine eingeschränkte Funktionstüchtigkeit bedeutete. Nur noch der Betrieb von zwei der vier IRAC-Kameras war möglich.

Mit der unerwartet langen Missionsdauer des Spitzer-Teleskops vergrößert sich der Abstand zur Erde, sodass die Verbindung immer schlechter wird. Zur Kommunikation muss Spitzers „Rückseite“ zur Erde zeigen. Da aus Spitzers Sicht die Sonne jedoch in dieser Position nicht mehr neben Spitzer steht, ist der Hitzeschutz nicht optimal ausgerichtet. Zugleich wird auch der Winkel für die Solarpanele ungünstiger. Zur Aufrechterhaltung der Kommunikation richtet Spitzer ein bis zwei mal in 24 Stunden die Antennen zur Erde und sendet Daten an das Deep Space Network. Die Kommunikationszeiten können so möglichst kurz gehalten werden. Einmal pro Woche wird der Beobachtungsplan aktualisiert.[2]

Seit 1. Oktober 2016 läuft die Beyond phase. Spitzer sucht Objekte für eine nähere Beobachtung und bereitet in dieser Phase den Weg für seinen Nachfolger das James Webb Space Telescope. Es werden zahlreiche Objekte beobachtet, die zu Beginn der Mission noch nicht geplant waren und für die das Teleskop ursprünglich nicht gebaut war. So sollen Exoplaneten beobachtet werden und das supermassereiche schwarze Loch Sagittarius A* im Zentrum der Milchstraße. Diese Phase der Mission soll bis Oktober 2018 gehen, wenn das James Webb Space Telescope in Betrieb genommen wird.[3]

Erfolge

Michael Werner von der NASA sagte, dass ein Betrieb 13 Jahre nach dem Start nie geplant gewesen war und Entdeckungen gemacht wurden, für die das Teleskop nie gedacht war.[3]

  • Im Herbst 2005 erhielt man aus einer Aufnahme im Sternbild Drache nach Ausfilterung der Störsignale von nahen Galaxien ein Bild des frühen Universums, das – in Übereinstimmung mit den gängigen Theorien – die Clusterbildung früher Sterne zeigt (siehe hierzu Urknall, Millennium-Simulation).
  • Anfang 2006 erhielt man durch die Kombinationen von mehreren tausend Einzelaufnahmen einen bisher nicht da gewesenen Einblick in das Zentrum unserer Milchstraße, welches im sichtbaren Licht (Hubble Space Telescope) durch interstellaren Staub verdeckt ist.[4]
  • Mit Hilfe von Aufnahmen vom Oktober 2006 konnte man in den Monaten darauf eine relativ detaillierte Temperaturkarte (ähnlich dem Bild einer Wärmebildkamera) von HD 189733b erstellen.[5]
  • Mai 2007: Innerhalb kürzester Zeit hat Spitzer viele Tausend bislang unbekannte Zwerggalaxien aufgespürt. Der Fund gelang im Coma-Galaxienhaufen in 320 Millionen Lichtjahren Entfernung.[6]
  • Anfang 2008 wurde bei AA Tauri eine protoplanetare Scheibe aus organischem Material sowie in der Atmosphäre des Exoplaneten HD 189733b Methangas gefunden.[7] Solche für die Astronomie und Kosmochemie überaus wertvolle Nachweise organischen Materials auf astronomischen Objekten gelingen mit Hilfe der IR-Spektroskopie, ähnlich wie in der Analytik und der Chemie.
  • Nachdem man im Februar 2007 noch kein Wasser in der Atmosphäre von HD 189733b nachweisen konnte,[8] fand man kurz darauf im Juli 2007 doch Wasserdampf.[9] Im Dezember 2008 lieferte Spitzer den „bislang besten Beweis“ für Wasser außerhalb unseres Sonnensystems auf diesem Planeten.[10]
  • Im Dezember 2008 zeigte eine eindrucksvolle Aufnahme die Zerstörung protoplanetarer Scheiben neu entstandener Sterne durch die Sonnenwinde anderer massereicher Sterne.[11]
  • Im Oktober 2009 wurde bekannt, dass bereits im Mai 2009 ein neuer, riesiger, extrem dünner Ring aus Eis- und Staub-Teilen um den Planet Saturn entdeckt wurde.[12]
  • Im März 2010 wurden zwei urtümliche, primitive Schwarze Löcher entdeckt, die 12,7 Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt sind. Eine Theorie besagt, dass urtümliche Schwarze Löcher bzw. Quasare nicht von einem Staubtorus umgeben sind, wie es bei viel später nach dem Urknall entstandenen Quasaren der Fall ist. Diese Entdeckung stützt somit die Theorie, da die beiden Schwarzen Löcher nicht von Staub umgeben sind.[13]
  • Im Juli 2010 wurden durch das Teleskop erstmals Fullerene im Weltraum nachgewiesen.[14] Dies geschah durch Infrarotaufnahmen im planetarischen Nebel Tc 1. Diese sind somit die größten nachgewiesenen Moleküle im Weltraum.[15]
  • Im Juli 2012 entdeckten US-amerikanische Forscher durch das Teleskop den 33 Lichtjahre entfernten Planeten UCF-1.01. Seine Größe soll zwei Drittel der Erde und seine Oberflächentemperatur 600 °C betragen.[16]
Falschfarbenaufnahmen des Spitzer-Weltraumteleskops

Siehe auch

Weitere Weltraumteleskope aus dem „Great Observatory Programm“ (alles Erdsatelliten):

Weitere Infrarot-Weltraumteleskope:

Literatur

  • L. Armus, W. T. Reach: The Spitzer Space Telescope: New Views of the Cosmos. Astronomical Society of the Pacific, San Francisco 2006, ISBN 978-1-58381-225-9.
  • George H. Rieke: The Last of the Great Observatories - Spitzer and the Era of Faster, Better, Cheaper at NASA. The University Of Arizona Press, Tucson 2006, ISBN 978-0-8165-2558-4.

Weblinks

Commons: Spitzer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Lyman Spitzer Jr. Denise Applewhite, Princeton University, abgerufen am 20. August 2014
  2. Store-and-Dump Telemetry - NASA Spitzer Space Telescope. In: NASA Spitzer Space Telescope. (caltech.edu [abgerufen am 2. Mai 2017]).
  3. 3,0 3,1 NASA: Spitzer Space Telescope Begins 'Beyond' Phase
  4. Whitney Clavin: Spitzer Captures Our Galaxy’s Bustling Center. Abgerufen am 26. Januar 2009.
  5. Stefan Deiters: Stürmische Winde auf HD 189733b. Abgerufen am 26. Januar 2009.
  6. Stefan Deiters: Viele Tausend Galaxien auf einen Streich. Abgerufen am 28. Mai 2007.
  7. FAZ, 26. März 2008, S. N1
  8. Stefan Deiters: Trockener und staubiger als gedacht. Abgerufen am 26. Januar 2009.
  9. Stefan Deiters: Wasserdampf in ferner Atmosphäre. Abgerufen am 26. Januar 2009.
  10. Rainer Kayser: Wasser in der Atmosphäre von HD 189733b. Abgerufen am 26. Januar 2009.
  11. Stefan Deiters: Planetenembryos leben gefährlich. Abgerufen am 26. Januar 2009.
  12. Whitney Clavin: NASA Space Telescope Discovers Largest Ring Around Saturn. Abgerufen am 7. Oktober 2009.
  13. Blick auf die urtümlichsten Schwarzen Löcher, astronews.com
  14. http://www.jpl.nasa.gov/news/news.cfm?release=2010-243
  15. „We found what are now the largest molecules known to exist in space,“ said astronomer Jan Cami of the University of Western Ontario, Canada.
  16. http://www.nasa.gov/mission_pages/spitzer/news/spitzer20120718.html