Die Matrizenoptik ist eine Rechenmethode in der paraxialen Optik, bei der die Veränderung von Lichtstrahlen durch optische Bauelemente mit Hilfe von Matrizen dargestellt wird. Diese nennt man (Strahl-)Transfermatrizen oder auch, nach ihren vier Einträgen, ABCD-Matrizen.
Man betrachtet die Lichtausbreitung entlang der optischen Achse, hier als $ z $-Achse definiert. Der Zustand eines Lichtstrahles an einem Punkt (also bei einem bestimmten $ z $) kann durch zwei Werte beschrieben werden: seinen Abstand $ r $ von der optischen Achse und den Winkel $ \alpha $, den er mit ihr einschließt. Man kann den Strahl also als Vektor aus diesen beiden Komponenten darstellen:
Der Winkel $ \alpha $ gibt dabei, da er die Neigung des Strahls darstellt, die Änderung von $ r $ mit $ z $ an. Im Rahmen der paraxialen Näherung, also nach dem Grenzübergang, mit dem $ r $ und $ \alpha $ gegen Null gehen, gilt $ \sin \alpha =\tan \alpha =\alpha $.
Betrachtet man $ r $ und $ \alpha $ nicht als infinitesimale, sondern endliche Größen (im Sinne der Gaußschen Optik), muss man die zweite Vektorkomponente $ \alpha $ als Tangens des Winkels zwischen Strahl und Achse auffassen, also als Steigung des Strahls, damit zwischen $ \alpha $ und der Änderung von $ r $ mit $ z $ ein linearer Zusammenhang besteht.
Wenn ein Strahl einen Weg in $ z $-Richtung zurücklegt und dabei evtl. auch abbildende Elemente (Linsen, Spiegel) durchläuft, kann die Änderung des Strahlvektors mit einer Transformationsmatrix beschrieben werden, die sich nach der Differenz der $ z $-Koordinaten und den Eigenschaften der durchlaufenen Elemente richtet. Man multipliziert die Transformationsmatrix von links an den Strahlvektor, und der resultierende Vektor beschreibt die Eigenschaften des Strahles nach Durchlaufen des Weges:
Die übliche Konvention ist, dass die Strahlrichtung (also die positive $ z $-Achse) von links nach rechts verläuft. r wird oberhalb der Achse positiv, unterhalb negativ gezählt. $ \alpha $ ist positiv, wenn der Strahl nach oben zeigt, und negativ, wenn er nach unten zeigt.
Breitet sich ein Lichtstrahl ungehindert über die Distanz $ d=z_{2}-z_{1} $ entlang der optischen Achse aus, ohne abbildende Elemente zu durchlaufen, beschreibt man dies mit der folgenden Matrix des optischen Weges, die nur von der Entfernung und nicht vom durchlaufenen Medium abhängt:
Ein sich einfach ausbreitender Strahl ändert also seine Neigung zur Achse nicht, sondern nur gemäß seiner Neigung seinen Abstand zu ihr.
Wird ein Lichtstrahl an einer Fläche gebrochen, wobei sich nur die Strahlrichtung und nicht die $ z $-Koordinate ändert, so lautet die Transfermatrix gemäß dem Brechungsgesetz
Dabei sind $ n_{1} $ und $ n_{2} $ die Brechungsindizes der optischen Medien vor und nach der Grenzfläche, und $ \rho $ ist die Krümmung der Fläche in ihrem Scheitel (Flächenmitte). $ \rho $ ist positiv, wenn der Krümmungsmittelpunkt hinter der Fläche liegt (konvexe Fläche, in positiver $ z $-Richtung gesehen). Bei einer sphärischen Fläche mit Radius $ r $ ist $ \rho =1/r $, und $ \rho =0 $ ist der Fall einer ebenen Fläche.
Durch Multiplikation zweier Flächen-Brechungsmatrizen und Anwendung der Linsenschleiferformel erhält man für den Durchgang durch eine dünne Linse die Transfermatrix
wobei $ {\mathit {f}} $ die Brennweite der Linse ist. $ {\mathit {f}} $ ist größer 0, wenn die Linse fokussierend wirkt (Sammellinse), und kleiner 0 für eine defokussierende Linse (Zerstreuungslinse).
Für einen Spiegel der Scheitelkrümmung $ \rho $ erhält man mit dem Reflexionsgesetz die Matrix
wobei $ \rho =0 $ einen ebenen Spiegel beschreibt. $ \rho $ ist positiv für einen Hohlspiegel und negativ für einen konvexen Spiegel. Bei einem sphärischen Spiegel ist der Radius $ r=1/\rho $.
Durchläuft ein Strahl mehrere optische Elemente hintereinander, so werden nacheinander die entsprechenden Transfermatrizen auf den Strahlvektor angewandt, was äquivalent dazu ist, sie zu multiplizieren und dann die Produktmatrix auf den Vektor anzuwenden. Dabei gelten die Regeln der Matrizenmultiplikation: durchläuft der Strahl drei Elemente in der Reihenfolge $ T_{1},T_{2},T_{3} $, so wird das Produkt in der Reihenfolge $ T_{3}\cdot T_{2}\cdot T_{1} $ gebildet.
So ergeben sich die Matrizen komplizierterer Systeme als Produkt der Matrizen der elementaren Systemteile, etwa die einer dicken Linse aus denen einer Linsenoberfläche, einer Translation durch das Linsenglas und einer weiteren Fläche, oder die eines Linsensystems aus einer Abfolge von Linse, Translation, Linse, ... bzw. Fläche, Translation, Fläche, ....
Von einigen Autoren wird abweichend zur hier verwendeten Konvention der Strahlvektor definiert als $ {\vec {r}}(z)={\begin{pmatrix}r(z)\\n\alpha (z)\end{pmatrix}} $, wobei n der Brechungsindex des Mediums am Ort $ (r,z) $ ist. Dies hat zur Folge, dass etwa in der Matrix für Translation durch ein Medium für dieses zusätzliche n korrigiert werden muss, sie lautet in dieser Konvention $ T={\begin{bmatrix}1&{\frac {d}{n}}\\0&1\end{bmatrix}} $ und ist somit selbst explizit vom Medium abhängig. Der Vorteil dieser Konvention ist, dass die Matrix für Brechung an einer ebenen Fläche zur Einheitsmatrix wird.
Manche Autoren vertauschen auch die beiden Einträge des Strahlenvektors, sodass er folgendermaßen definiert ist:
Die Matrizen verändern sich entsprechend.[1][2]
Die Anwendung der Matrizenoptik ist nicht auf die geometrische Optik beschränkt, sie lässt sich durch den Übergang von Matrizen zu Möbius-Abbildungen auch auf das Konzept der Gauß-Strahlen übertragen. Hierzu bleiben die ABCD-Matrizen und ihre Multiplikationsregeln komplett erhalten, man wendet sie aber nicht mehr per Multiplikation auf einen Strahlvektor an, sondern auf den Strahlparameter $ q $ gemäß folgender Vorschrift:
Der Strahlparameter berechnet sich hierbei nach $ {1 \over q}={1 \over R}-{i\lambda \over \pi w^{2}} $ mit dem Krümmungsradius $ R $ des Gaußschen Strahls, der Wellenlänge $ \lambda $ und dem Radius $ w $ des Gauß-Strahls (alternativ $ q(z)=z+iz_{0} $).
Ein zur geometrischen Matrizenoptik analoges Verfahren wird verwendet, um die Veränderung der Polarisation beim Durchgang durch optische Elemente zu berechnen. Der Polarisationszustand wird durch Jones-Vektoren ausgedrückt und mit Jones-Matrizen manipuliert.
Neben der mathematischen Anwendung des Verfahrens mit z.B. Programmen wie MATLAB zur Berechnung von Strahlengängen, werden Adaptionen desselben dazu herangezogen, um Strahlengänge bewegter Linsensystem zu antizipieren und zu erwartende Abbildungen vorauszuberechnen, wie z.B. bei der Echtzeit-Objektverfolgung oder der Justage von verbundenen Linsensystemen zur Fokussierung, wie astronomischen Spiegeln.