Das Brechungsgesetz, auch Snelliussches Brechungsgesetz, Snelliussches Gesetz oder Snellius-Gesetz beschreibt die Richtungsänderung der Ausbreitungsrichtung einer ebenen Welle beim Übergang in ein anderes Medium. Ursache der Brechung genannten Richtungsänderung ist die Änderung der materialabhängigen Phasengeschwindigkeit, die als Brechungsindex in das Brechungsgesetz eingeht. Das bekannteste Phänomen, welches durch das Brechungsgesetz beschrieben wird, ist die Richtungsablenkung eines Lichtstrahls beim Durchgang einer Mediengrenze. Das Gesetz ist aber nicht auf optische Phänomene begrenzt, sondern gültig für beliebige Wellen, insbesondere Ultraschallwellen.
Das Brechungsgesetz ist nach dem niederländischen Astronomen und Mathematiker Willebrord van Roijen Snell benannt, in einigen Sprachen nach der latinisierten Form „Snellius“, der es 1621 zwar nicht als Erster fand, aber als Erster veröffentlichte.
Die Richtung des einfallenden Strahls und das Lot auf die Grenzfläche bestimmen die Einfallsebene. In dieser Ebene liegen auch der gebrochene und der reflektierte Strahl. Die Winkel werden zum Lot hin gemessen. Das Brechungsgesetz ist folgende Beziehung zwischen dem Einfallswinkel $ \delta _{1} $ und dem Winkel $ \delta _{2} $ des gebrochenen Strahls:
Darin sind $ n_{1} $ und $ n_{2} $ die Brechungsindizes der jeweiligen Medien. Luft hat einen Brechungsindex, der sehr nahe an $ n=1 $ liegt. Beim Übergang von Luft zu Glas kann daher das Brechungsgesetz genähert werden als:
Der Brechungsindex eines optischen Mediums ist im Allgemeinen abhängig von der Wellenlänge. Diese Dispersion geht in das Brechungsgesetz ein. Unterschiedliche Wellenlängen werden unterschiedlich stark gebrochen. Dies wird bei Dispersionsprismen zur Auftrennung des Lichts nach Farben ausgenutzt.
Das Brechungsgesetz gilt nur für schwach absorbierende Medien.[1]
Brechung wurde von Ptolemäus in seinem Werk „Optik“ beschrieben. Sein lineares Gesetz gilt aber nur für kleine Winkel.[2] Korrekt angegeben wurde das Brechungsgesetz zum ersten Mal im 10. Jahrhundert von Ibn Sahl[3]. Das Gesetz wurde 1601 durch Thomas Harriot und um 1621 durch Willebrord van Roijen Snell wiederentdeckt, aber nicht veröffentlicht. Während Harriots Entdeckung erst 350 Jahre später publik wurde, wurde Snellius' Beitrag 1632 durch Jacob Golius bekannt gemacht.[4][5] Fast zur gleichen Zeit und vermutlich unabhängig von Snellius[5] veröffentlichte René Descartes 1637 in seiner Dioptrique einen ähnlichen Zusammenhang. Seine Ableitung war allerdings falsch, da er von einer höheren Lichtgeschwindigkeit im optisch dichteren Medium ausging (korrekt leitete es erst Pierre de Fermat ab).[6]
Der Brechungsindex $ n $ eines Mediums gibt an, um wie viel dort die Phasengeschwindigkeit $ c $ und die Wellenlänge $ \lambda $ geringer bzw. kürzer sind als im Vakuum:
Von einem Medium in ein anderes ändert sich die Wellenlänge um den Faktor $ n_{1}/n_{2} $, beim rechts dargestellten Übergang in ein optisch dichteres Medium ($ n_{2}>n_{1} $) wird die Welle also gestaucht. Diese Stauchung führt zur Ablenkung.
Im 2. Bild ist der gleiche Vorgang schematisch dargestellt. Zwischen zwei parallel verlaufenden Strahlen ist an zwei besonderen Stellen eine Wellenfront eingezeichnet: Die Wellenfront hat auf dem einen Strahl die Grenzfläche gerade erreicht (A) und muss auf dem anderen Strahl noch die Strecke L1 (= |BB'|) im Medium 1 zurücklegen, bis sie die Grenzfläche (bei B') berührt. Dazu benötigt der zweite Strahl im Medium 1 die Zeit $ t $:
Analog dazu durchläuft in dieser Zeit der erste Strahl die Strecke L2 (= |AA'|) im Medium 2. Durch Umstellung und Gleichsetzung nach c ergibt sich, dass die Strecke $ L_{2} $ um obigen Stauchungsfaktor $ n_{1}/n_{2} $ kürzer ist als $ L_{1} $.
Zwischen der Grenzfläche und den beiden Wellenfronten treten die gleichen Winkel $ \delta _{1} $ und $ \delta _{2} $ auf, wie zwischen dem Lot und den einfallenden bzw. gebrochenen Strahlen. Die Gegenkatheten dieser Winkel sind L1 bzw. L2, die in der Grenzfläche liegende Hypotenuse der Länge |AB'| haben sie gemeinsam. Folglich gilt
und
Durch Umstellung und Gleichsetzung nach |AB'| ergibt sich daraus
bzw. mit der oben genannten Beziehung zwischen Brechungsindex und den Strecken $ L_{1} $ und $ L_{2} $
was zum Brechungsgesetz äquivalent ist.[7]
Das Brechungsgesetz kann auch aus dem fermatschen Prinzip gefolgert werden, das besagt, dass kleine Änderungen des Weges, den das Licht zwischen zwei Punkten P und Q nimmt, die optische Weglänge nicht ändern. Im Fall der Brechung wäre eine systematische Variation die Verschiebung des Knickpunktes innerhalb der Grenzfläche, etwa von A nach B' im vorstehenden Bild. Bei der Verschiebung, die so klein ist im Vergleich zur Entfernung zu den Punkten P und Q, dass sich dabei die Winkel nicht ändern, vergrößert sich der geometrische Weg im Medium 1 um L1, während im Medium 2 L2 hinzukommt. Wegen der verschiedenen Phasengeschwindigkeit ändert sich insgesamt die Phase nicht.
Für $ n_{1}>n_{2} $ und genügend große $ \delta _{1} $ ist
und damit durch kein (reelles) $ \delta _{2} $ erfüllbar. In diesen Fällen tritt Totalreflexion auf, bei der das Licht vollständig reflektiert wird.
Für den Grenzwinkel der Totalreflexion $ \delta _{g} $ gilt Gleichheit, also
Totalreflexion wird zum Beispiel in Umkehrprismen von Ferngläsern genutzt.
Betrachtet man von außerhalb des Wassers Gegenstände, die sich unter Wasser befinden, so erscheinen sie in senkrechter Richtung gestaucht. Der Boden des Gefäßes erscheint höher als bei einem Bild derselben Szene ohne Wasser. Diese Erscheinung wird daher auch optische Hebung genannt. An einem geraden Stab, der schräg ins Wasser eintaucht, sieht man einen Knick an der Wasseroberfläche. Aufgrund unterschiedlicher Brechungsindizes von Wasser und Luft entsteht ein anderer Brechungswinkel der vom Stab ins Auge kommenden Lichtstrahlen über und unter der Wasseroberfläche an der Grenzfläche zum Glas. Das menschliche Gehirn berücksichtigt diese unterschiedlichen Brechungswinkel nicht und verlängert die Strahlen geradlinig nach hinten, so dass der Stab unter Wasser flacher erscheint als der Stab über Wasser.
Auch für mechanische Wellen, das heißt Druck- oder Scherwellen, gilt das Brechungsgesetz. Im Rahmen der Akustik bzw. Ultraschalltechnik wird das Snelliussche Brechungsgesetz aber ohne Brechungsindizes formuliert, sondern mit Hilfe der Wellenzahl $ k $. Es gilt (siehe nebenstehendes Bild für die Winkelbezeichnungen):
Mit der Definition $ k_{i}={\frac {2\pi }{\lambda _{i}}}={\frac {2\pi f}{c_{i}}} $ mit $ i=\{S1,S2,P1,P2\} $ erhält man das Brechungsgesetz in der Formulierung mit den Phasengeschwindigkeiten der betreffenden Wellentypen im betreffenden Medium und somit die gleiche Formulierung wie in der Optik (falls man dort die Vakuumlichtgeschwindigkeit herauskürzen würde). Die Herleitung des Gesetzes in der Akustik geschieht über die Forderung nach der Erfüllung der Kontinuitätsgleichung für mechanische Spannungen und Verschiebungen an der Mediengrenze.[8] Das nebenstehende Bild zeigt eine einfallende Longitudinalwelle in einem Festkörper, die an einer Grenzfläche zu einem zweiten Festkörper teilweise reflektiert und transmittiert wird. Im Allgemeinen entstehen an der Grenzfläche aus der einfallenden Longitudinalwelle (P-Welle) neue Wellentypen, so dass zwei verschiedene Wellentypen reflektiert und transmittiert werden: P-Wellen und S-Wellen (Scherwelle). Beide Wellentypen breiten sich mit unterschiedlichen Phasengeschwindigkeiten in den beiden Medien aus, daher werden sie auch unter unterschiedlichen Winkeln gebrochen. Diese Winkel können mit obigem Gesetz berechnet werden, falls die einzelnen Phasengeschwindigkeiten $ c_{P1},\,c_{S1},\,c_{P2},\,c_{S2} $ sowie der Einfallswinkel der Primärwelle $ \theta _{P1} $ bekannt sind. Im Falle von schubspannungsfreien Medien (Flüssigkeiten und Gase) treten keine Scherwellen auf, so dass die einfallende P-Welle nur eine reflektierte und eine transmittierte P-Welle erzeugen würde.