Polytypie ist ein Begriff aus der Kristallographie und bezeichnet das Phänomen, dass eine Substanz in zwei oder mehreren verschiedenen Kombinationen schichtartiger Struktureinheiten vorliegt.
Die Strukturen von Polytypen unterscheiden sich nur in der Abfolge und Orientierung der einzelnen Schichten, nicht aber in deren Aufbau und Zusammensetzung. Abweichungen in den Zusammensetzungen verschiedener Polytype einer Verbindung dürfen 0,25 apfu (Atome pro Formeleinheit) nicht überschreiten. Bei größeren Unterschieden spricht man von Polytypoiden.
Die Baueinheiten der verschiedenen Polytype einer Verbindung sind sich strukturell und in ihrer Zusammensetzung sehr ähnlich, brauchen aber nicht absolut identisch zu sein. Sie unterscheiden sich lediglich in ihrer Ausrichtung zu den kristallographischen Achsen.
Polytype haben in Richtung der Stapelung der schichtförmigen Baugruppen Gitterkonstanten, die ganzzahlige Vielfache der Dicke der einzelnen Einheiten sind. Die übrigen Elementarzellkanten verschiedener Polytype sind nahezu gleich.
Da sich Polytype nur in der Abfolge unterschiedlich orientierter aber ansonsten nahezu gleicher Baugruppen unterscheiden, sind ihre thermodynamischen Eigenschaften ebenfalls fast gleich. Infolgedessen können verschiedene Polytype einer Verbindung bei gleichen Bedingungen nebeneinander gebildet werden, z.B. 3T- und 2M-Phengit oder 2O- und 1M-Phlogopit. Vermutlich spielen hierbei aber auch geringe Unterschiede in den Zusammensetzungen und Prozesse beim Kristallwachstum (Kinetik) eine Rolle.
In Gegensatz hierzu brauchen verschiedene Polymorphe einer Verbindung keine strukturell ähnlichen Baueinheiten aufzuweisen. Polymorphe haben im Allgemeinen klar voneinander abgegrenzte Stabilitätsbereiche und ihre Gitterkonstanten stehen nicht notwendigerweise in einfachen ganzzahligen Verhältnis zueinander.
Eine Kommission der International Mineralogical Association (IMA) und International Union of Crystallography (IUCr) erarbeitete ein Notationssystem für polytype Verbindungen. Demnach setzt sie die Bezeichnung einer polytypen Verbindung zusammen aus dem Mineralnamen gefolgt von einem Bindestrich und einem Suffix. Der Suffix setzt sich aus vier Teilen zusammen:
Für die Kristallsysteme werden folgende Großbuchstaben verwendet:
Wenn die wahre Symmetrie nicht bekannt oder die Pseudosymmetrie von besonderem Interesse ist, kann der Kristallsystembezeichnung der Buchstabe P für pseudo vorangestellt werden.
Die vollständigen Namen der polymorphen Verbindung Al(OH)3 lauteten z.B.:
Diese ausführliche Benennung der Polytype wird zumeist abgekürzt. Bei einer Periodizität von 1 wird die Ziffer weggelassen. Bei tetragonalen und hexagonalen Verbindungen sind die ersten beiden Achsen identisch und können ganz weggelassen werden. Der Bezeichner der Periodizität wird dann vor das Symbol für die Symmetrie geschrieben. Graphit-Haa2c kann so zu der allgemein gebräuchlichen Bezeichnung Graphit-2H abgekürzt werden. Gleiches gilt auch für pseudo-Hexagonale Verbindungen, z.B. Cordierit-1PH.
Bei vielen Verbindungen mit geringerer Symmetrie sind ebenfalls diese abgekürzten Schreibweisen gebräuchlich, auch wenn sie in diesem System streng genommen nicht korrekt sind. So kann Muskovit-Mab2c (Muskovit-PHab2c) noch problemlos zu Muskovit-2M (Muskovit-2M1) abgekürzt werden, während beim Muskovit-Mba2c die Abkürzung zu Muskovit-2M2 die Regeln dieses Systems streng genommen bereits verletzt. Dennoch sind diese weit verbreiteten Bezeichnungen weiterhin gültig, ebenso wie unterschiedliche Mineralnamen für verschiedene Polytype einer Verbindung.