Baryon

Baryon

Baryonen sind subatomare Teilchen mit relativ großer Masse. Zu ihnen gehören das Proton und das Neutron (Sammelbegriff: Nukleonen) sowie eine Reihe weiterer, noch schwererer Teilchen, beispielsweise die Hyperonen. Die Bezeichnung Baryon kommt von altgriechisch {{Modul:Vorlage:lang}} Modul:Multilingual:149: attempt to index field 'data' (a nil value) barýs ‚schwer‘, ‚gewichtig‘[1] (als Gegensatz zu den „leichten“ Leptonen und den „mittelschweren“ Mesonen). Stabil gegen Zerfall ist nur das leichteste Baryon, das Proton. Seine Masse beträgt das rund 2000-Fache der Elektronenmasse.

Baryonen bestehen aus jeweils drei Valenzquarks (oder als Antibaryonen aus jeweils drei Antiquarks). Daher unterliegen sie der starken Wechselwirkung, d. h., sie gehören zu den Hadronen. Baryonen unterliegen auch der schwachen Wechselwirkung, der Gravitation und, sofern sie geladen sind, der elektromagnetischen Kraft.

Baryonen sind Fermionen, d. h., sie haben halbzahligen Spin und unterliegen dem Paulischen Ausschließungsprinzip (Pauli-Prinzip). Sie werden durch die Fermi-Dirac-Statistik beschrieben.

Baryon-Multipletts

Allgemeines

Im Jahr 1964 gelang es Murray Gell-Mann und Yuval Ne’eman, die bekannten Baryonen aufgrund gruppentheoretischer Überlegungen in bestimmten Schemata (den Achtfachen Weg, engl.: Eightfold way) anzuordnen. In diesen ist die x-Achse durch die dritte Komponente des Isospins und die y-Achse durch die Strangeness gegeben; diagonal dazu kann man die Achsen elektrische Ladung und Hyperladung legen. An der Lage der Achsen lässt sich die experimentell bestätigte Gell-Mann-Nishijima-Formel ablesen.

Aus dem Modell wurde ein zusätzliches, damals noch unbekanntes Baryon mit dem Quark-Inhalt sss postuliert. Die spätere Entdeckung des Omega-Baryons bei der vorhergesagten Masse und mit den vorhergesagten Eigenschaften war einer der frühen Erfolge des Quark-Modells.

Die Baryonen sind aus jeweils drei fundamentalen Teilchen aufgebaut, die Gell-Mann Quarks nannte. Alle Quarks sind Fermionen mit Spin 12. Die ursprüngliche Quark-Hypothese ging von drei verschiedenen Quarks aus, dem up-, dem down- und dem strange-Quark (u-, d- und s-Quarks). Das up- und das down-Quark werden aufgrund ihrer ähnlichen Massen zu einem Isospindublett zusammengefasst. Von ihnen unterscheidet sich das strange-Quark vorrangig durch seine größere Masse und eine Eigenschaft, die Strangeness genannt wird. Die Ladung des u-Quarks ist das 23-fache der Elementarladung, die Ladung von d- und s-Quark das (−13)-fache der Elementarladung.

Die Idee ist jetzt, dass jede Möglichkeit, drei Quarks zusammenzusetzen, einem Baryon entspricht, wobei die Eigenschaften der Quarks die Eigenschaften des Baryons bestimmen. Zunächst lassen sich die Spins der drei Quarks zu einem Gesamtspin $ J\!\, $ von 12 oder von 32 koppeln. Im ersten Fall gibt es begrenzt durch das Pauli-Prinzip acht Möglichkeiten (Baryonoktett), im zweiten Fall sind es zehn (Baryondekuplett). Da davon ausgegangen wird, dass die Quarks im Grundzustand keinen relativen Gesamt-Bahndrehimpuls haben, ist die Parität $ P\!\, $ aller Baryonen positiv.

Das Baryon-Oktett (JP = 12+)

Das Baryonoktett (jeweils Spin12)

u- und d-Quarks können wir zusammenschließen zu den Kombinationen uud und udd (die Kombinationen uuu und ddd sind durch das Pauliprinzip verboten). Tatsächlich gibt es in der Natur zwei nicht-strange Spin-12-Baryonen, das Proton und das Neutron. Die Kombination uud hat eine Gesamtladung von 1, daher ordnen wir sie dem Proton zu, entsprechend ist das Neutron das udd-Teilchen. Die Isospins der drei Quarks koppeln jeweils zu ±12, daher bilden Proton und Neutron ein Isospindublett (anschaulich: da beide Kombinationen ud enthalten, vererbt sich der Isospin direkt aus dem überzähligen dritten Quark).

Für die strangen Baryonen stehen die Kombinationen uus, uds und dds zur Verfügung. Die Isospins der beiden nicht-strangen Quarks koppeln dabei zu einem Triplett, den Sigma-Baryon, und einem Singulett, dem Lambda-Baryon.

Das Baryon-Dekuplett (JP = 32+)

Das Baryondekuplett (jeweils Spin32)

Ähnlich lässt sich auch das Dekuplett erklären, wobei hier auch symmetrische Quark-Kombinationen erlaubt sind, z. B. das Δ++ mit uuu.

Das Pauli-Prinzip verlangt hierfür allerdings die Einführung eines weiteren Freiheitsgrades, der sogenannten Farbe. Es postuliert nämlich, dass Wellenfunktionen von Fermionen antisymmetrisch sein müssen. Dies bedeutet im Fall des Baryons, dass die Wellenfunktion ein Minuszeichen erhält, sobald man die Quantenzahlen zweier der drei beteiligten Teilchen vertauscht.

Die Wellenfunktion eines Baryons hat Anteile im Ortsraum, im Spinraum und im Isospinraum:

  • die Ortswellenfunktion ist für das Δ++ symmetrisch, da die drei up-Quarks ununterscheidbar sind;
  • die Spins 12 der drei beteiligten Quarks koppeln zu einem Gesamtspin 32, die Spinwellenfunktion ist demnach ebenfalls symmetrisch;
  • dies gilt analog für die Isospin-Wellenfunktion.

Die bisher zusammengesetzte Wellenfunktion des Δ++ wäre also symmetrisch.

Um das Pauli-Prinzip zu erfüllen, muss daher eine weitere Quantenzahl für die Quarks postuliert werden, die Farbe: sie kann die Zustände „rot“, „grün“ und „blau“ annehmen. Ferner wird postuliert, dass sich die Quarks im Farbraum stets zu einer antisymmetrischen Wellenfunktion zusammenschließen, d. h. anschaulich, dass das entstehende Teilchen stets „weiß“ ist, z. B. im Baryon durch Zusammenschluss eines „roten“, eines „grünen“ und eines „blauen“ Quarks.

Massenaufspaltung

Da sich die verschiedenen Zeilen der Multipletts durch die Anzahl der strange-Quarks unterscheiden (die Strangeness nimmt jeweils nach unten hin zu), liefert der Massenunterschied zwischen dem strange- und den nicht-strange-Quarks ein Maß für die Massenaufspaltung der einzelnen Isospinmultipletts.

Ferner existiert eine grundlegende Aufspaltung zwischen den Massen in Oktett und Dekuplett, die auf die (farbmagnetische) Spin-Spin-Wechselwirkung zurückzuführen ist. So hat z. B. die Quarkkombination (uus) je nach Spin unterschiedliche Massen (Σ+ mit Spin 12 hat m = 1189,37 MeV/c2 und Σ*+ mit Spin 32 hat m = 1382,8 MeV/c2); in der nebenstehenden Abbildung des Dekupletts wird diese Unterscheidung nicht dargestellt.

Die geringe Massenaufspaltung innerhalb der Isospinmultipletts (z. B. Proton-Neutron-Aufspaltung etwa 1,3 MeV/c2) lässt sich teilweise über die unterschiedliche Ladung der beteiligten Quarks erklären.

Weitere Baryonen

Neben den bisher erwähnten leichten Quarks gibt es noch drei weitere, schwerere Quarks: charm, bottom und top. Auch das Charm- und das Bottom-Quark können Bestandteile von Baryonen sein, z. B. hat das Λc die Zusammensetzung udc. Das Top-Quark hingegen kann keine gebundenen Zustände bilden, weil es zu schnell zerfällt.

Neben den beschriebenen Grundzuständen der Baryonen gibt es noch eine große Zahl an Anregungszuständen, die sogenannten Baryonresonanzen.

Nomenklatur

Baryon N Δ Λ Σ Ξ Ω
Anzahl d-, u-Quarks 3 2 1 0
Anzahl s-, c-, b-Quarks 0 1 2 3
Isospin $ I $ 12 32 0 1 12 0
Ladungszustände $ (=2I+1) $ 2 4 1 3 2 1
  • Baryonen werden abhängig von der Zahl der leichten Quarks (d, u) und dem Isospin mit den Buchstaben N (Nukleon), Δ (Delta), Λ (Lambda), Σ (Sigma), Ξ (Xi) und Ω (Omega) bezeichnet.
    • ein Baryon aus drei u- und/oder d-Quarks heißt Nukleon (N), wenn es den Isospin 12 hat, und Δ, wenn es den Isospin 32 hat. Für die beiden Ladungszustände des Nukleons im Grundzustand gelten die Bezeichnungen Proton (p) und Neutron (n).
    • ein Baryon mit zwei u- und/oder d-Quarks ist ein Λ (Isospin 0) oder Σ (Isospin 1). Wenn das dritte Quark ein c oder b ist, wird dies als Index angegeben.
    • ein Baryon mit einem u- oder d-Quark ist ein Ξ. Quarks schwerer als s werden wiederum als Index angegeben. (Beispiel: ein Baryon der Zusammensetzung usc ist ein Ξc; ein Baryon der Zusammensetzung ucc ist ein Ξcc.)
    • ein Baryon ohne u- und d-Quark ist ein Ω. Quarks schwerer als s werden wiederum als Index angegeben.
  • Zur weiteren Unterscheidung wird die Masse des Baryons (in MeV/c2) in Klammern angegeben. Beim niedrigsten Zustand kann diese Angabe entfallen.
  • Bei Baryonen mit Isospin > 0 (also N, Δ, Σ, Ξ) gibt es mehrere Ladungszustände, je nachdem, wie viele u- oder d-Quarks involviert sind. Daher wird dort zusätzlich die elektrische Ladung angegeben. (Beispiel: ein Baryon mit der Zusammensetzung uss ist ein Ξ0.)
  • Λ, Σ und Ξ mit Spin 32 werden mitunter zusätzlich mit einem Stern gekennzeichnet.

Baryonenzahl

Experimentell beobachtet man, dass die Anzahl der Baryonen minus der Anzahl der Antibaryonen erhalten bleibt. Beim Zerfall eines Baryons entsteht immer ein anderes Baryon; das Proton als leichtestes Baryon zerfällt nicht. Umgekehrt können Baryonen nur entweder durch Umwandlung eines vorhandenen Baryons erzeugt werden oder paarweise neu als Baryon und Antibaryon.

Daher ordnet man den Baryonen die Baryonenzahl B=+1 zu und den Antibaryonen B=−1, entsprechend den Quarks B=+13 und den Antiquarks B=−13. Die Baryonenzahl ist eine additive Quantenzahl, d. h., für Systeme mehrerer Teilchen addieren sich die Quantenzahlen der einzelnen Konstituenten zur Quantenzahl des Gesamtsystems. Sie ist nach heutigem Kenntnisstand eine absolute Erhaltungsgröße. Im Unterschied zu anderen erhaltenen Quantenzahlen ist für die Baryonenzahl keine zugehörige Symmetrie bekannt.

In Theorien, die über das Standardmodell der Teilchenphysik hinausgehen, ist die Baryonenzahl im Allgemeinen nicht erhalten. Prozesse, die die Baryonenzahlerhaltung verletzen, müssen in solchen Theorien aber extrem selten sein, um nicht in Widerspruch zu experimentellen Resultaten zu geraten, insbesondere zur mittleren Lebensdauer des Protons von mehr als 2,1·1029 Jahren.

Stand der Forschung

Das oben ausgeführte Modell für die Baryonzusammensetzung ist nach dem aktuellen Stand der Forschung unvollständig. Man vermutet heute, dass Masse, Spin und andere Eigenschaften der Baryonen sich nicht direkt aus den Eigenschaften der beteiligten Quarks ablesen lassen; so macht z. B. der Spin der drei Quarks im Proton nur etwa ein Viertel seines Gesamtspins aus („Spinrätsel“, „Spinkrise“).[2][3]

Seit den 1970er Jahren existiert mit der Quantenchromodynamik (QCD) eine Quantenfeldtheorie für die starke Wechselwirkung, also die Wechselwirkung zwischen den Quarks. Diese Theorie ist allerdings schwierig zu handhaben und insbesondere in niedrigen Energiebereichen nicht störungstheoretisch behandelbar. Stattdessen finden hier möglichst feinmaschige diskrete Gitter Verwendung (Gittereichtheorie). Ein Beispiel ist die Berechnung der Baryonenmassen im Verhältnis zueinander.[4][5]

Die größte ungelöste Frage ist immer noch, wie sich aus den Grundlagen der QCD der bisher nur postulierbare Farbeinschluss (engl.: Confinement) herleiten lässt. Dies ist die oben beschriebene Tatsache, dass in der Natur beobachtbare Teilchen stets „weiß“ sind, was insbesondere die Unbeobachtbarkeit freier Quarks zur Folge hat.

Zur theoretischen Behandlung ist man daher auf effektive Theorien oder Quark-Modelle angewiesen. Eine häufig beobachtete Eigenart solcher Quark-Modelle ist die Vorhersage von weit mehr Baryonzuständen als den bisher beobachteten. Die Suche nach solchen fehlenden Resonanzen (engl.: missing resonances) ist eines der Hauptbetätigungsfelder der experimentellen Forschung an Baryonen. Daneben findet Forschung an den elektroschwachen Eigenschaften (z. B. Formfaktoren) und den Zerfällen von Baryonen statt.

Baryonische Materie in der Kosmologie

Als Baryonische Materie bezeichnet man in der Kosmologie und der Astrophysik die aus Atomen aufgebaute Materie, um diese von dunkler Materie, dunkler Energie und elektromagnetischer Strahlung zu unterscheiden. Im sichtbaren Universum gibt es mehr Baryonen als Antibaryonen, diese Asymmetrie nennt man Baryonenasymmetrie.

Siehe auch

Literatur

  • Bogdan Povh u. a.: Teilchen und Kerne. 6. Auflage. Springer, Berlin 2004, ISBN 3-540-21065-2.

Weblinks

Wiktionary: Baryon – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons: Baryons – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Wilhelm Gemoll: Griechisch-Deutsches Schul- und Handwörterbuch. München/Wien 1965.
  2. Ilka Flegel: HERMES und das Spinrätsel. 2004.
  3. Steven D. Bass, Gerhard Samulat: Die Suche nach dem fehlenden Spin. In: Spektrum der Wissenschaft. Band 12, 2008, S. 38–45.
  4. S. Dürr et al.: Ab Initio Determination of Light Hadron Masses. In: Science. 2008 (Abstract).
  5. Rainer Scharf: Das Farbenspiel der Protonenmasse. In: FAZ. 26. November 2008 (online).

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