Als Linsen bezeichnet man in der Optik transparente Scheiben, von deren zwei Oberflächen wenigstens eine – meistens kugelig bzw. sphärisch – gekrümmt ist. Durchgehendes Licht wird an den Oberflächen gebrochen und zur Mitte des Lichtbündels abgelenkt (gesammelt, Sammellinse) oder nach außen gestreut (Zerstreuungslinse). Eine konvexe Oberfläche sammelt, eine konkave Oberfläche zerstreut das Licht.
Der Manginspiegel ist eine Kombination aus einer Linse und einem Spiegel. Die zweite Oberfläche ist verspiegelt, wodurch das Licht zurückgeworfen wird. Die zusätzliche Ablenkung (Sammeln/Zerstreuen) durch Spiegeln entspricht dem Brechen an der unverspiegelten zweiten Fläche.
Zur Korrektur von Abbildungsfehlern werden einzelne Linsen miteinander kombiniert. Dabei werden oft zwei oder mehrere Linsen miteinander verkittet (die entsprechenden Kontaktstellen haben die gleiche Krümmung), so dass wie Einzellinsen zu behandelnde Linsengruppen entstehen.
Laut den Archäologen George Sines und Yannis A. Sakellarakis[1] wurden bereits viele von Menschenhand geschliffene Linsen der Antike entdeckt, die aus Kristall (meist Quarz) gefertigt wurden, jedoch ist mangels schriftlicher Quellen nicht überliefert, ob diese jeweils als Sehhilfe oder lediglich als Brennglas zum Feuermachen verwendet wurden. Bei dem ältesten solchen Artefakt handelt sich dabei um die sogenannte Nimrud-Linse, die aus dem Assyrien des 7. vorchristlichen Jahrhunderts stammt. Bei archäologischen Ausgrabungen wurden darüber hinaus ägyptische Wandmalereien aus dem 8. vorchristlichen Jahrhundert entdeckt, die möglicherweise die vergrößernde Eigenschaft von Linsen darstellen, jedoch ist diese Deutung umstritten.[2]
Die älteste eindeutige schriftliche Beschreibung von Brenngläsern, über die wir verfügen, ist das Theaterstück Die Wolken des griechischen Dichters Aristophanes, das 423 v. Chr. uraufgeführt wurde. Plinius der Ältere berichtet, dass Kaiser Nero zur Korrektur seiner Kurzsichtigkeit einen Smaragd benutzte, durch den er die Gladiatorenspiele in der Arena von seiner Loge aus betrachtete. Sowohl Plinius als auch Seneca beschrieben das Phänomen, wonach Gegenstände, die durch mit Wasser gefüllte Glaskugeln betrachtet werden, vergrößert erscheinen.
Allerdings gingen die meisten antiken Philosophen nicht davon aus, dass Licht von Objekten ins Auge fällt, sondern sie folgten noch der aus dem fünften vorchristlichen Jahrhundert stammenden Lehre des Empedokles, wonach das Auge aktiv die Gegenstände fixieren und abtasten würde, so dass noch kein adäquates Verständnis der Brechungsoptik entwickelt werden konnte. Euklid stellte zwar keine eigene Lichttheorie auf, kritisierte aber die Lehre des Empedokles mit der Frage, wie das Auge nahezu unmittelbar die weit entfernten Sterne erreichen könne, und entwickelte erste brauchbare Grundsätze der geometrischen Optik beim natürlichen Sehen, indem er von geraden Linien zwischen Auge und Objekt ausging. Dadurch wurde zwar in der antiken Malerei bereits die realistische dreidimensionale, mit Fluchtpunkten arbeitende Perspektive samt mathematisch exakter perspektivischer Verkürzung möglich, die in der griechischen Kulissenmalerei für das Theater und in der römischen Wandmalerei eingesetzt wurde, zur Analyse und Beschreibung des von Linsen gebrochenen Lichts taugte diese Theorie jedoch nicht.
Zwar entwickelte in der Folge Lukrez in seinem Werk De rerum natura, das 55 v. Chr. erschien, eine vom menschlichen Auge unabhängige Lichtteilchentheorie, konnte sich damit vor Ende der Antike aber nicht durchsetzen. Heron von Alexandria studierte im ersten nachchristlichen Jahrhundert auf der Grundlage der einfachen euklidischen Optik die Spiegelung und Claudius Ptolemäus wiederum vermaß davon ausgehend rund einhundert Jahre später den genauen Brechungsindex verschiedener durchsichtiger Materialien wie Wasser, verschiedener Kristalle und Glas, letztere beide auch in Form gekrümmter Linsen. Obwohl Ptolemäus auf diese Weise einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Brechungswinkel und Krümmungsgrad feststellte, konnte er seine empirischen Messergebnisse nicht theoretisch erklären, da auch er noch von der Lehre des Empedokles vom aktiv abtastenden Auge ausging. Allerdings erweiterte er als erster den vermeintlichen dünnen Abtaststrahl des Auges zum kegelförmigen Blickwinkel des gesamten Gesichtsfeldes, den er als eigenständigen Faktor von Optik und Perspektive erkannte und der später in Form des von Aufnahmeformat und Brennweite bestimmten Bildwinkels in der gebrochenen Optik von Linsen wichtig werden sollte.
Um 1050 vergruben Wikinger auf Gotland einen Schatz, unter dem sich die eingefassten, reichverzierten, aus Bergkristall gefertigten asphärischen sog. Visby-Linsen befanden, deren Alter selber bis heute nicht bestimmt wurde und die eine mit Mitte des 20. Jahrhunderts industriell hergestellten Hochpräzisionslinsen vergleichbare Verarbeitungs- und Abbildungsqualität besitzen. Es wird angenommen, dass die Visby-Linsen über Handelsverbindungen der Waräger aus Byzanz stammen könnten. Rodenstock fertigte 1989 Replikate der Visby-Linsen.
Die moderne Optik beginnt mit dem arabischen Philosophen al-Kindī, der im 9. Jahrhundert die heute gültige Theorie entwickelte, wonach nicht das Auge die Gegenstände abtastet, sondern umgekehrt das Licht ins Auge fällt. Darauf aufbauend entdeckte der persische Mathematiker Ibn Sahl im 10. Jahrhundert das snelliussche Brechungsgesetz, das erstmals die exakte Berechnung des Brennpunktes wie der für eine bestimmte optische Funktion nötigen Linsenform ermöglichte.
Ein weiterer Schüler al-Kindis war Alhazen, der im 11. Jahrhundert in seinem siebenbändigen Schatz der Optik schließlich alle überlieferten antiken griechisch-römischen, aber auch neuere arabische Erkenntnisse zur Optik zusammenfasste und darüber hinaus die einfache geometrische Optik des Euklid mit al-Kindis Theorie der einfallenden Lichtstrahlen kombinierte. Durch Übersetzung dieses Grundlagenwerks ins Lateinische als De aspectibus bzw. Perspectiva ab dem mittleren 13. Jahrhundert erfuhr das mittelalterliche Europa erstmals von der Theorie einfallender Lichtstrahlen und der exakten Berechnung optischer Linsen.
Nach der Übersetzung des Werks von Alhazen wurde der Inhalt von europäischen Mönchen neu aufgegriffen (unter den ersten befand sich der Franziskaner Roger Bacon, der das von den Gegenständen zurückgeworfene Licht unter der Bezeichnung species als diesen inhärente Kraft auffasste) und der Lesestein konstruiert, eine überhalbkugelige Plankonvexlinse, mit der es möglich war, Schrift vergrößert zu betrachten. Diese Linse bestand meist aus Beryll, worauf das Wort Brille zurückgeht. Ende des 13. Jahrhunderts wurden erstmals Sammellinsen in Lesebrillen zur Korrektur von Weit- oder Alterssichtigkeit gebraucht. Zentrum dieser Linsenfertigung war zunächst Italien, später auch Frankreich und Holland.
Die ersten optischen Apparate, die mehrere Linsen hintereinander kombinierten, waren das Mikroskop und das Fernrohr, die Ende des 16. Jahrhunderts bzw. Anfang des 17. Jahrhunderts erfunden wurden.
Dünne sphärische Linsen lassen sich durch folgende geometrische und Material-Eigenschaften beschreiben:
Dies ist die sogenannte Linsenschleiferformel, die in guter Näherung für dünne Linsen gilt (d. h. die Dicke der Linse ist wesentlich kleiner als beide Kugelradien). Die untenstehende, exakte Variante berücksichtigt auch die Linsendicke, falls diese nicht mehr vernachlässigbar ist.
Dicke Linsen – das sind insbesondere Linsen, die an ihrer dünnsten Stelle eine endliche Dicke haben – erfordern zusätzlich die Angabe:
Weiterhin ergibt sich aus den Krümmungsradien die äußere Erscheinungsform der Linse, d. h. ob es sich um eine (bi)konkave oder (bi)konvexe Linse oder um eine der anderen Formen handelt.
Genauere Betrachtungen führen zum Thema der prinzipiell unvermeidbaren Abbildungsfehler und weiterer Fehler durch Fehler und Ungenauigkeiten bei der Herstellung (Materialfehler, Toleranzen beim Schliff, Montagefehler).
Linsen zur Verwendung im sichtbaren Spektralbereich werden aus optischen Gläsern oder Kunststoffen wie Polycarbonaten, Polymethylmethacrylaten oder Cyclo-Olefin-(Co)polymeren hergestellt. Weiterhin ist im Gegensatz zu diesen amorphen auch die Verwendung von kristallinen Materialien möglich, wie Calciumfluorid[3] oder Saphir.[4]
Rohlinge für Glaslinsen werden je nach Größe und Qualitätsanforderungen unterschiedlich hergestellt:
Daran schließt sich das Schleifen und Polieren an:
Bei geringeren Qualitätsanforderungen können die bei hohen Temperaturen gepressten Rohlinge direkt verwendet werden. Kunststofflinsen können durch Spritzgießen oder Spritzprägen wie auch durch klassisches Schleifen und Polieren hergestellt werden.
Mit Hilfe der geometrischen Größen Durchmesser, Linsenradien, Mittendicke, ergänzt mit Herstelltoleranzen (z. B. Passfehlertoleranz einschließlich durchschnittlicher Wellenfrontfehler), und der Materialeigenschaften Brechungsindex, Abbe-Zahl und Spannungsdoppelbrechung, ergänzt durch Materialtoleranzen (z. B. Homogenität), werden die optischen Eigenschaften einer sphärischen Linse vollständig beschrieben. Die wesentlichste Kenngröße einer Linse für ihre abbildende Funktion ist die Brennweite (Einheit: Meter), d. h. die Distanz zwischen Brennpunkt oder Brennebene und Hauptebenen. Der Kehrwert der Brennweite wird als Brechwert (Einheit: Dioptrien) angegeben. Der Durchmesser der nutzbaren Fläche einer Linse wird Öffnung oder Apertur genannt.
Eine wichtige Eigenschaft aller durch Strahlenoptik beschreibbaren Systeme ist das Prinzip der Umkehrung des Lichtweges: Wenn ein von einer Seite einfallender Lichtstrahl entlang seines Weges verfolgt wird, so wird ein entgegengesetzt einfallender Lichtstrahl diesen Weg genau umgekehrt durchlaufen.
Bei den einfachsten Linsen sind die beiden optisch aktiven Flächen sphärisch. Das heißt, sie sind Oberflächenausschnitte einer Kugel. Man unterscheidet:
In beiden Gruppen gibt es Linsen, die sowohl eine konkave als auch eine konvexe Fläche besitzen. Solche Linsen dienen oft zur Korrektur von Abbildungsfehlern in optischen Systemen mit mehreren Linsen. Es sind Sammellinsen, falls die konvexe Fläche stärker gekrümmt ist, oder Zerstreuungslinsen, falls die konkave Fläche stärker gekrümmt ist. Ursprünglich hießen nur erstere[5] Meniskuslinsen (von griech. μηνίσκος mēnískos, Möndchen), während letztere heute als negative Menisken bezeichnet werden.
Ein Bauelement mit zwei planen und parallelen optisch wirksamen Flächen heißt Planplatte oder planparallele Platte.
Für das Rechnen nach den Regeln der geometrischen Optik werden nach DIN 1335 die in Lichtrichtung aufeinander folgenden Radien mit R1 und R2 (mit R3 und R4) bezeichnet. Das zugehörige Vorzeichen unterscheidet nicht direkt zwischen konvexer und konkaver Fläche. Der Radius einer Fläche ist positiv definiert, wenn das Licht zuerst die Fläche, dann ihren Krümmungsmittelpunkt passiert. Bei umgekehrter Reihenfolge ist der Radius negativ definiert. In graphischen Darstellungen kommt das Licht konventionell von links (oder von oben).
Für die drei Flächen konvex, plan (eben) oder konkav ergeben sich folgende Vorzeichen:
Die durch die Krümmungsmittelpunkte verlaufende Gerade wird als optische Achse O bezeichnet. Ist eine der beiden Linsenflächen plan, so steht die optische Achse senkrecht auf ihr.
Sphärische Linsen führen prinzipbedingt zu sphärischer Aberration, weil der Brennpunkt der Randstrahlen nicht mit dem Brennpunkt der achsnahen Strahlen übereinstimmt, gegebenenfalls auch abhängig von der Wellenlänge des Lichts. Um diese Fehler zu verringern, werden Linsensysteme (Anastigmate, Cooke-Triplet, Tessar) verwendet, die die Fehler weitgehend kompensieren.
Asphärische Linsen weisen weitere Freiheitsgrade beim Design auf und ermöglichen eine bessere Korrektur eines optischen Systems als eine sphärische Linse. Viele Asphären haben nur geringe Abweichungen gegenüber einer Kugeloberfläche. Auf der anderen Seite gibt es auch Freiformlinsen mit komplexen nicht-rotationssymmetrischen Oberflächen. Nachteile asphärischer Linsen sind erhöhte Fertigungskosten und eine geringere Oberflächenqualität. Ein typischer Effekt sind Riefen (die man immer deutlich im Bokeh sieht), die entweder beim Schleifen selbst oder bei der Herstellung des Presswerkzeugs entstehen.
Eine weitere Kategorie sind Gradientenlinsen, in denen sich der Brechungsindex stetig räumlich ändert. Licht wird hier nicht nur an Grenzflächen, sondern auch im Glas selbst gebrochen. Mit ihnen können ähnliche Effekte wie mit Asphären erreicht werden.
Für zwei eingeschränkte Zwecke gibt es Linsenformen, die für monochromatisches Licht keinen Abbildungsfehler haben.
Astigmatische Linsen haben in zwei senkrecht zueinander stehenden radialen Richtungen verschieden große Brennweiten. Grenzfall ist die Zylinderlinse, die in einer der beiden Richtungen planparallele Oberflächenkonturen hat und in ihrer typischen Form tatsächlich ein Zylinderabschnitt ist: eine zylindrische und eine plane Oberfläche. Sie bündelt parallel einfallendes Licht auf einer Brennlinie.
Astigmatische Linsen werden in folgenden Fällen eingesetzt:
Elastische Linse bezeichnet ein Linse, die die Brechkraft durch die Verformung eines elastischen Festkörpers ändert. Es ergeben sich aus dem Funktionsprinzip folgende Vorteile[6]:
Dieses Wirkungsprinzip nutzt das Auge, wird aber auch gelegentlich in der Technik verwendet.
Die für eine optische Abbildung benutzte lichtbrechende Eigenschaft einer Linse hängt vom Brechungsindex ihres Materials und von der Form ihrer Grenzflächen ab. Beides zusammen drückt die Brennweite aus. Zusätzlich sind zwei Hauptebenen anzugeben, je eine gegenstands- und eine bildseitige als Bezugsebene für die gegenstands- bzw. die bildseitige Brennweite. Die beiden Brennweiten unterscheiden sich aber nur, wenn das optische Medium vor der Linse nicht mit dem nach der Linse identisch ist.
Sowohl die Brennweiten als auch die Hauptebenen sind ideale Größen, die sich beim Arbeiten nach dem Konzept der paraxialen Optik ergeben. Innerhalb dieses Konzeptes lassen sie sich aus den Material- und den geometrischen Eigenschaften theoretisch angeben, das heißt errechnen. Die Brechung wird an jeder der beiden Grenzflächen getrennt untersucht. Anschließend werden die Ergebnisse und die gegenseitige Lage der Flächen zu Gleichungen für die Größe der Brennweiten und die Lage der Hauptebenen zusammengefasst.
Die Brennweiten einer einzelnen sphärischen Grenzfläche sind in der Abbeschen Invariante, einer Grundgleichung der paraxialen Optik, mit enthalten. Eine der beiden Schnittweiten ist Brennweite, wenn die andere im Unendlichen liegt, aus dem parallel einfallendes Licht im Brennpunkt gesammelt wird.
Liegt die Schnittweite $ s $ im Unendlichen, so wird $ s' $ zu $ f' $, und aus der Abbeschen Invariante
wird:
Bei umgekehrter Strahlrichtung liegt die Schnittweite $ s' $ im Unendlichen, $ s $ wird zu $ f $, und aus der Abbeschen Invariante wird:
Die Hauptebene geht durch den Scheitelpunkt $ S $ der sphärischen Fläche.
Bei einer Linse erfolgt die Brechung an zwei in der Regel sphärischen Grenzflächen. Die gemeinsame Brennweite lässt sich unter Beachtung folgender Vorgaben finden:[7]
Ein Grundzusammenhang in der optischen Abbildung ist im Winkelverhältnis $ \gamma ' $ enthalten:
Damit lässt sich der Punkt P finden, durch den der rote Linienzug führen muss.
Die Gleichung für die bildseitige Brennweite der Linse lautet mit den Brennweiten $ f'_{2},f_{2} $ und $ f'_{1} $ der beiden Flächen und ihrem gegenseitigen Abstand $ d $:
Der Brechungsindex vor und nach der Linse sei gleich und betrage $ n $ . Der Brechungsindex des Linsenmaterials ist $ n' $ .
Die Brennweiten einer Fläche sind oben hergeleitet und lauten:
$ f_{1}'=r_{1}{\frac {n'}{n'-n}} $ , $ f_{2}'=r_{2}{\frac {n}{n-n'}}=-r_{2}{\frac {n}{n'-n}} $ , $ f_{2}=r_{2}{\frac {n'}{n'-n}} $ .
Mit diesen Angaben lautet das Schlussergebnis für die Brennweiten:
Die Brennweiten sind Funktionen des Linsenmaterials ($ n'/n $) und der Linsengeometrie (Radien der Grenzflächen und Dicke).
Wenn die Linse relativ dünn ist ($ d\ll r_{1},r_{2} $ ; bei der dünnen Linse ist definitionsgemäß $ d=0 $ ), verkürzt sich obige Gleichung zu
Mit den oben genannten Vorgaben ist auch die Lage der Hauptebenen bestimmt.
Die Entfernung der bildseitigen Hauptebene $ H' $ vom Scheitelpunkt $ H_{2} $ ( $ S_{2} $ in nebenstehender Abbildung) der bildseitigen Fläche ist
Analoges gilt auf der Gegenstandsseite:
Wenn die Linse relativ dünn ist ($ d\ll f'_{1},f_{2} $ ), werden diese Abstände zu null. Die Hauptebenen verbleiben auf den Scheiteln der Flächen.
Nebenstehende Abbildung enthält die Ergebnisse, nachdem die oben angegebenen Ausdrücke für die Brennweiten der Flächen eingesetzt worden sind (Gleichungen (3) und (2); mit $ n=1 $ und $ n'=n $ ).
Die Lagen der Hauptebenen sind wie die Brennweiten Funktionen des Linsenmaterials ($ n'/n $) und der Linsengeometrie (Radien der Grenzflächen und Dicke).
Optische Systeme wie Mikroskope, Fernrohre und Objektive enthalten mehrere Linsen. Ihnen können als Einheit jeweils eine äquivalente Brennweiten und Hauptebenen zugeordnet werden. Die Berechnung von Brennweite und Hauptebenen kann unter der Annahme der paraxialen Näherung sehr effizient mittels der Matrizenoptik erfolgen.
Um Abbildungsfehler zu vermindern, werden häufig auch theoretisch als Einzellinsen denkbare Komponenten aus mehreren Linsen zusammengesetzt. Wenn zwei Berührungsflächen die gleiche Krümmung besitzen, können diese zwei Einzellinsen miteinander verkittet werden. Wenn die Einzellinsen dünn sind, ist auch der Abstand zwischen ihnen klein, so dass die Kombination selbst wie eine dünne Linse behandelt werden kann.
Abweichungen von der optischen Abbildung einer idealen Linse oder Linsensystems bewirken ein unscharfes oder verzerrtes Bild des abgebildeten Objektes.
Die wichtigsten Abbildungsfehler sind
Die erstgenannten Fehler entstehen durch den üblicherweise kugelförmigen Linsenschliff und die Dispersion des Glases. Beide lassen sich durch Kombination zweier oder mehrerer Linsen reduzieren (siehe Achromat und Apochromat).
Hingegen erfordern Astigmatismus, Koma und Verzeichnungen kompliziertere Maßnahmen, wie asphärische Schliffformen, die Kombination mehrerer Linsengruppen (Anastigmat-Optiken, Weitwinkelobjektive) oder einfach die Beschränkung auf achsnahe Strahlen, durch Verringerung der Apertur oder ein kleineres Sichtfeld.
Bei einer realen Linse wird immer ein Teil des Lichtes an der Oberfläche reflektiert. Bei einer Luft-Glas-Grenzfläche (Brechungsindex des Glases: n = 1,5) sind dies etwa 4 Prozent der einfallenden Intensität, d. h. bei einer Linse etwa 8 Prozent. In optischen Baugruppen, die aus mehreren Linsen aufgebaut sind, wie Objektiven, steigen die Verluste weiter fast linear an. So würden die Streuverluste eines fünflinsigen Objektivs auf 34 Prozent, die eines zehnlinsigen Objektivs auf 56 Prozent steigen.
Weiterhin kann mehrfach an den Grenzflächen reflektiertes Licht zusätzlich zum Nutzsignal aus dem System austreten und zu Verfälschungen der Abbildung führen. Um dieses zu vermeiden, werden die Linsenoberflächen in der Regel mit einer Antireflexbeschichtung versehen, man spricht auch von Oberflächenvergütung. Die Vermeidung bzw. Verringerung der beschriebenen Effekte wird dabei durch destruktive Interferenz der reflektierten Strahlen in den Antireflexionsschichten erreicht. (Siehe auch: Anwendung von dünnen Schichten in der Optik.)
Nicht nur transparente Bauelemente mit lichtbrechenden Oberflächen können Linseneffekte – also die Sammlung oder die Zerstreuung von Strahlung – erzeugen. So nutzen Elektronenmikroskope speziell angeordnete elektrische und magnetische Felder, um Elektronen zu fokussieren. Das Gleiche geschieht auch in Teilchenbeschleunigern in der Kern- und Hochenergiephysik. Von einer Gravitationslinse wird gesprochen, wenn durch ein massereiches astronomisches Objekt, wie etwa ein Schwarzes Loch, Linseneffekte hervorgerufen werden. Vereinzelt werden dadurch ferne Galaxien als Kreisbögen oder in mehrere Punkte verzerrt.