Das Morse-Potential (blau) im Vergleich zum quadratischen Potential des
harmonischen Oszillators (grün).
Eingezeichnet sind auch die Energiestufen, die beim Harmonischen Oszillator äquidistant sind (
$ \hbar \omega $), beim Morsepotential hingegen mit zunehmender Energie immer weniger Abstand haben, bis zur Bindungsenergie
$ D_{e} $, die größer als die tatsächlich benötigte Energie
$ D_{0} $ zur Flucht aus der Potentialmulde ist, da die Nullpunktenergie
$ \left(\nu =0\right) $ größer Null ist.
Das Morse-Potential $ V $ ist ein Begriff aus der Molekülphysik. Der 1929 vom US-amerikanischen Physiker Philip McCord Morse[1] vorgeschlagene Zusammenhang beschreibt den Verlauf des elektronischen Potentials eines zweiatomigen Moleküls in Abhängigkeit vom Kernbindungsabstand $ R $ durch eine exponentielle Näherung:
- $ V(R)=D_{\text{e}}\cdot \left(1-e^{-a\cdot (R-R_{\text{e}})}\right)^{2} $
mit
- $ D_{\text{e}} $ die (spektroskopische) Dissoziationsenergie
- $ R_{\text{e}} $ der Kernabstand mit der geringsten potentiellen Energie und
- $ a $ eine Konstante (manchmal als „Steifigkeit des Potentials“[2] bezeichnet)
Diese Größen sind für das betrachtete Molekül charakteristisch.
Da man üblicherweise das Potential im Unendlichen als null definiert:
- $ V(\infty )=0 $
wird das Morse-Potential häufig in der alternativen Form angegeben:
- $ V(R)-D_{\text{e}}=D_{\text{e}}\cdot \left(e^{-2a\cdot (R-R_{\text{e}})}-2e^{-a\cdot (R-R_{\text{e}})}\right) $
Dadurch verschiebt sich das Nullpunktpotential um $ -D_{\text{e}} $. Diese Verschiebung ermöglicht die Definition eines cutoff-Radiuses, ab dem das Potential nicht mehr berücksichtigt wird.
Die Schrödinger-Gleichung ist mit dem Morsepotential analytisch lösbar. So können die Schwingungsenergien $ E_{\nu } $ berechnet werden:
- $ E_{\nu }=h\omega _{0}\cdot \left(\nu +{\frac {1}{2}}\right)-{\frac {h^{2}\omega _{0}^{2}}{4D_{\text{e}}}}\cdot \left(\nu +{\frac {1}{2}}\right)^{2} $
mit
- $ \omega _{0}={\frac {a}{2\pi }}{\sqrt {\frac {2D_{\text{e}}}{m}}} $
Heutzutage wird für die Berechnung von Schwingungsenergien eher das RKR-Potential (RKR steht hierbei für Ragnar Rydberg, Oskar Klein und Lloyd Rees) oder das Lennard-Jones-Potential angewendet.
Literatur
- Wolfgang Demtröder: Molekülphysik: Theoretische Grundlagen und experimentelle Methoden. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 2003, ISBN 978-3-486-24974-3, S. 93–94.
- Ludwig Bergmann, Clemens Schaefer, Wilhelm Raith, Mit Beitragen Von H. Kleinpoppen, M. Fink, N. Risch: Bestandteile der Materie: Atome, Moleküle, Atomkerne, Elementarteilchen. Walter de Gruyter, 2003, ISBN 978-3-11-016800-6, S. 460–462.
- Gerd Otter, Raimund Honecker: Atome – Moleküle – Kerne: Molekül- und Kernphysik. Vieweg +Teubner, 1996, ISBN 978-3-519-03220-5, S. 152–154.
Einzelnachweise
- ↑ Philip M. Morse: Diatomic Molecules According to the Wave Mechanics. II. Vibrational Levels. In: Physical Review. Band 34, Nr. 1, 1. Juni 1929, S. 57, doi:10.1103/PhysRev.34.57.
- ↑ Ingolf V. Hertel, C.-P. Schulz: Atome, Moleküle und Optische Physik 2: Moleküle und Photonen-Spektroskopie und Streuphysik. Springer, 2011, ISBN 978-3-642-11972-9, S. 13.