Astronomische Refraktion ist die Richtungsänderung eines von außen auf die Erde fallenden Lichtstrahls durch Brechung an der Atmosphäre. Ursache ist der Anstieg des Brechungsindex von n=1 im Vakuum des Weltalls auf etwa n=1,00029 am Erdboden. Die astronomische Refraktion ist ein Spezialfall der terrestrischen Refraktion.
Die Krümmung der Lichtstrahlen erfolgt nach unten – im selben Sinn wie die Erdkrümmung, aber wesentlich weniger. Die stärkste Krümmung tritt in Bodennähe auf und macht bei sehr flachen Visuren maximal 10–15 % der Erdkrümmung aus.
Auf Meereshöhe und ausgedrückt im Winkelmaß beträgt die astronomische Refraktion je nach Temperatur
Die astronomische Refraktion biegt jeden Lichtstrahl nach unten – für einen Beobachter auf der Erde erscheinen demnach alle Gestirne höher, als es ohne die irdische Lufthülle der Fall wäre. Ihr Betrag hängt hauptsächlich vom Tangens der Zenitdistanz sowie von Temperatur und Luftdruck am Ort des Beobachters ab. In 5 km Höhe sinkt sie auf etwa 50 % ihres Wertes vom Meeresniveau.
Die Ursache der astronomischen Refraktion ist die Brechung zum Lot, die jeder Lichtstrahl beim Übertritt aus einem optisch dünneren Medium in ein dichteres erfährt. Sie tritt in differentiell kleinen Schritten zwischen benachbarten Luftschichten auf (Snelliussches Brechungsgesetz) und muss über den gesamten Lichtweg integriert werden.
Hierfür ist ein geeigneter Ansatz des Temperatur- und Druckverlaufs nach der Höhe notwendig – eine sogenannte Norm- oder Standardatmosphäre (bodennah: 15 °C Temperatur und 1013,25 hPa Luftdruck, vertikaler Temperaturgradient −6 bis 7 K/km). Genähert kann man sie berechnen, indem man die Atmosphäre als 8 km dicke planparallele Platte aus Luft ansetzt („Höhe der homogenen Atmosphäre“).
Tatsächlich weicht die astronomische Refraktion von diesem Standardwert ab, wenn die Luftschichten nicht regulär gelagert sind. Liegen sie geringfügig schräg – was über jedem Gebirgszug wegen der Sonnen- und Schattenseite der Fall ist – tritt im Zenit statt des Wertes 0 die sogenannte Zenitrefraktion auf.[1]
Solche Refraktionsanomalien können 0,2″[1] und mehr erreichen und sind der Grund, warum in der Astronomie und Geodäsie ausgeklügelte Messverfahren erforderlich sind, wenn eine Messgenauigkeit von besser als 1″ gewünscht wird. Sie sind auch ein wesentlicher Grund, warum sich durch Astrometriesatelliten wie Hipparcos die Genauigkeit der Astrometrie von 0,01″ bis 0,1″ auf 0,001″ steigern lässt.
Kleine Temperatur-Änderungen innerhalb des optischen Systems von Fernrohr, Kuppel der Sternwarte oder Kamera bzw. Sensor oder durch Abkühlung während der Nacht bewirken ebenfalls kleine Anomalien. Um sie unter der Messgenauigkeit zu halten, muss man die Instrumente vor Gebrauch an die Umgebungstemperatur angleichen bzw. die Saalrefraktion der Kuppel oder der Fernrohröffnung modellieren. Dies ist besser möglich, wenn die Einstrahlung verringert wird, etwa durch einen weißen Anstrich der Kuppel oder durch Temperaturregelung im Innern von Fernrohr oder Satellit.
Verläuft ein Lichtstrahl zur Gänze innerhalb der Atmosphäre, so spricht man von „terrestrischer Refraktion“. Sie tritt bei jeder geodätischen Messung an der Erdoberfläche auf und wirkt der Erdkrümmung um etwa ein Siebentel entgegen. Dieser Faktor heißt Refraktionskoeffizient (übliches Formelzeichen k) und wurde bereits um 1800 von Carl Friedrich Gauß genau bestimmt. Bei der Hannover’schen Landesvermessung erhielt Gauß als Durchschnittswert 13 % der Erdkrümmung (k = 0,13).
Man kann die terrestrische Refraktion auf ähnliche Art modellieren bzw. berechnen wie die astronomische Refraktion, doch spielen lokale Temperaturänderungen der Luft eine größere Rolle. Nimmt die Lufttemperatur nach oben nicht wie bei der Normalatmosphäre mit 0,6 °C pro 100 Meter ab, krümmt sich ein Lichtstrahl stärker oder schwächer als normal. Bekannt ist der Spiegeleffekt über heißem Asphalt, wenn man – etwa auf der Autobahn – in flachem Winkel daraufblickt. Hier ist der Refraktionskoeffizient der bodennahen Luftschichten sogar negativ (Refraktionskoeffizient bis −2,0). Verlaufen die Messstrahlen in größerer Höhe über dem Gelände, kann k immer noch zwischen 0,10 und 0,15 variieren. Diese Anomalien (Abweichungen der Luftschichten von der Kugelform) begrenzen die Genauigkeit, mit der die Höhe von Vermessungspunkten bestimmt werden kann, auf einige Millimeter bis Zentimeter.
Bei der Messung zu Satelliten wiederum beginnt bzw. endet der Lichtstrahl nicht in völligem Vakuum, und das Ziel ist auch nicht „unendlich“ weit entfernt wie ein Gestirn. Dadurch tritt ein parallaktischer Effekt auf, der einige Prozent der astronomischen Refraktion ausmachen kann (kleiner Winkel s im obigen Bild), bei Satelliten in sehr tiefen Umlaufbahnen (englisch {{Modul:Vorlage:lang}} Modul:Multilingual:149: attempt to index field 'data' (a nil value), LEO) jedoch auch mehr.
Manchmal wird der Begriff Refraktion auch für die atmosphärischen Effekte in der Entfernungsmessung verwendet, wo nicht die Änderung des Winkels, sondern der Wellenlänge entscheidend ist. Auch hier sind für eine präzise Reduktion von Messwerten relativ komplizierte Formeln nötig, von denen jene des finnischen Geodäten Juhani Saastamoinen[2] (1972) für Änderung einer EDM-Messstrecke durch die Atmosphäre die bekannteste ist:
Darin ist z die Zenitdistanz, $ \varphi $ die geografische Breite, H die mittlere Höhe der Punkte, p der mittlere Luftdruck, T die integrale Lufttemperatur (in Kelvin) und e der Dampfdruck sowie den weiteren Parametern B und δ.
Turbulenzen in der Erdatmosphäre vergrößern und verkleinern das Bild eines Sternes, so dass er mehrmals in der Sekunde heller und blasser erscheint. Dieses vom Auge wahrgenommene Blinken wird Szintillation genannt.
Zudem treten Bildunschärfe und Bildbewegungen auf. Alle drei Effekte werden unter dem Begriff Seeing zusammengefasst.
Dazu kommt noch der Einfluss der Saalrefraktion – eine geringfügige Lichtablenkung am Spalt der Sternwartekuppel, wenn zwischen Innen- und Außentemperatur noch ein kleiner Unterschied besteht.