Simon Marius (latinisierte Form von Simon Mayr; * 10. Januar 1573jul. in Gunzenhausen, damals Markgrafschaft Ansbach, heute Bayern; † 26. Dezember 1624jul./ 5. Januar 1625greg. in Ansbach) war ein deutscher Mathematiker, Astronom und Arzt.
Fast gleichzeitig mit Galileo Galilei setzte Marius als einer der ersten das damals gerade neu entwickelte Fernrohr zur Himmelsbeobachtung ein und entdeckte die vier größten Monde des Planeten Jupiter. Obwohl Marius noch eine Spielart des geozentrischen Weltbildes vertrat, ebnete seine Entdeckung doch letztlich der Auffassung des Nicolaus Copernicus den Weg: Da das Jupitersystem offensichtlich nicht die Erde, sondern ein eigenes Zentralgestirn zum Mittelpunkt hatte, lieferten die Erkenntnisse des Simon Marius wenn nicht Beweise, so doch Argumente für die Richtigkeit der heliozentrischen Lehre.[1]
Marius, geboren als achtes Kind des Büttners und Bürgermeisters von 1576, Reichart Mayr[2], wurde von dem Ansbacher Fürsten Joachim Ernst von Brandenburg-Ansbach gefördert; durch ihn erhielt er auch Gelegenheit, von 1586 bis 1601 die Fürstenschule Heilsbronn zu besuchen. Dort zeigte sich sein großes Talent für Mathematik und Astronomie.
Durch die Veröffentlichung seiner Beobachtungen des Kometen von 1596 (C/1596 N1) und seiner astronomischen Tabellen (Tabulae Directionum Novae, 1599) machte er sich einen Namen und wurde 1601 zum Hofmathematikus der Markgrafschaft Ansbach berufen. Er reiste nach Prag, um die neuen Beobachtungstechniken Tycho Brahes kennenzulernen. Dieser starb jedoch vier Monate nach seinem Eintreffen. Danach studierte Marius bis 1605 Medizin an der Universität Padua und wurde Arzt.
Das Porträt in seinem Hauptwerk Mundus Iovialis zeigt Marius im Jahr der Veröffentlichung; als Zeichen seiner ärztlichen Tätigkeit hält er ein Destillationsgerät in der linken Hand, bestehend aus einem gläsernen Destillierkolben (Cucurbita) und einem aufgesetzten Destillierhelm oder -kopf in retortenförmiger Gestalt (Alembic)[3]; der Zirkel in seiner Rechten verweist auf seine Position als Mathematiker und Astrologe am Ansbacher Hof; vor ihm liegt ein Fernrohr (lat. perspicillum), das er als einer der ersten zur Himmelsbeobachtung eingesetzt hat, sowie sein Werk Mundus Iovialis; links neben ihm sind das Jupitersystem mit den von ihm entdeckten vier Monden und rechts seine erste astronomische Beobachtung, der Komet von 1596 abgebildet.
Marius gehörte damals dem Kreis um Galileo Galilei an. 1604 beobachtete er erneut einen Kometen. Sein Schüler Baldessar Capra veröffentlichte die Beobachtungen.
Von 1606 an lebte Marius in Ansbach, wo er als fürstlicher Hofastronom mit einem Jahresgehalt von 150 Talern angestellt war. Zu seinen Pflichten als Hofmathematikus (Astrologe) gehörten auch jährliche „Prognostica“. Er heiratete Felicitas Lauer, die Tochter seines Nürnberger Verlegers Johann Lauer, bei dem seit 1601 seine Kalender und Vorhersagen erschienen waren.[4]
1610 veröffentlichte er eine Übersetzung der ersten sechs Bücher der Elemente des Euklid direkt aus dem griechischen Urtext ins Deutsche.
Nach vergeblichen Versuchen, selbst ein brauchbares Fernrohr zu bauen, wozu er durch Berichte im Jahr 1608 angeregt wurde, erhielt Marius 1609 ein Exemplar des gerade in Flandern neu entwickelten Instruments; damit entdeckte er im Jahre 1610 unabhängig von Galilei (7. Januar) nur einen Tag später (8. Januar) ebenfalls die vier großen Monde des Jupiter (Gregorianischer Kalender):
„Tunc primum aspexi Iovem, qui versabatur in opposito Solis, et deprehendi stellulas exiguas, modo post, modo ante Iovem in linea recta cum Iove.“
„Damals sah ich den Jupiter zum ersten Mal, der sich in Opposition zur Sonne befand; und ich entdeckte winzige Sternchen bald hinter, bald vor dem Jupiter, in gerader Linie mit dem Jupiter.“[5]
Galileo Galilei bezichtigte ihn daraufhin des Plagiats[6]. Schon 1607 hatte nämlich der Mariusschüler Baldessar Capra (1580–1626) ein Manuskript Galileis über den Proportionalzirkel unter seinem Namen drucken lassen, wobei Marius nicht unbeteiligt gewesen sein soll.
Der sog. Prioritätsstreit um die Erstentdeckung der Monde löst sich auf, wenn man in Rechnung stellt, dass Marius den Termin, nämlich den 29. Dezember 1609, nach dem alten, julianischen Kalender angegeben hat; dieses entspricht dem gregorianischen Datum 8. Januar 1610. Somit liegt die Beobachtung des Simon Marius – nach seinen eigenen Angaben! – einen Tag nach der des Galilei (7. Januar 1610). Die Verwendung der beiden Kalender war Marius bewusst, wie eine julianisch/ gregorianische Doppelangabe eines Datums im Mundus Jovialis belegt.[7]
Sehr detaillierte Untersuchungen von Oudemans und Bosscha[8] haben außerdem nicht nur ergeben, dass Marius seine recht exakten Ergebnisse mit selbständigen Beobachtungen erhalten hat, sondern dass diese sogar genauer waren als die von Galilei bis 1614 veröffentlichten.[9]
Aus Dankbarkeit gegenüber den Brandenburg-Ansbacher Fürsten schlug Simon Marius vor, die neu entdeckten Monde Brandenburgische Gestirne zu nennen. Galilei wollte sie nach der Familie der Medici benennen. Ihre heutigen Namen Io, Europa, Ganymed und Kallisto hatte Johannes Kepler im Oktober 1613 angeregt; Simon Marius propagierte diese mythologische Benennung in seinem Hauptwerk Mundus Iovialis:
„Io, Europa, Ganymed atque Callisto lascivo nimium perplacuere Iovi.“
„Io, Europa, Ganymed und Callisto haben dem wollüstigen Jupiter allzu sehr gefallen.“[10]
Die Entdeckung der vier Monde war eine gewaltige Sensation, weil diese sich um ein eigenes Zentralgestirn drehen und damit wie ein Sonnensystem im Kleinen aussehen; außerdem erkannte Marius, dass sich das Jupitersystem nicht um die Erde, sondern um die Sonne dreht. Die Entdeckung ebnete letztlich den Weg für das heliozentrische Weltbild:
„Post plurimas observationes factas atque post deprehensas cuiuslibet quam proxime periodos evolutionum, animadverti etiam aliud phaenomenum: Nimirum quod inaequalitate motus sui principaliter quidem Iovem, cum Iove autem non terram sed solem respiciant.“
„Nachdem ich sehr viele Beobachtungen angestellt und die periodischen Umlaufzeiten eines jeden Trabanten möglichst genau erhalten hatte, bemerkte ich noch ein anderes Phänomen, nämlich dass sie (die Monde) im Gleichmaß ihrer Bewegung auf den Jupiter als Zentrum ausgerichtet sind; zusammen mit dem Jupiter aber sind sie nicht auf die Erde, sondern auf die Sonne als Mittelpunkt gerichtet.“[11]
Allerdings gelangte Marius durch seine Beobachtungen nicht zu dem Weltsystem, wie es Nicolaus Copernicus schon ein halbes Jahrhundert zuvor vertreten hatte; vielmehr entwickelte er ein zwischen dem geozentrischen und dem heliozentrischen Weltbild vermittelndes Planetenmodell, wie es auch der dänische Astronom Tycho Brahe vertrat:
„Solem autem ipsum quasi in concentrico circa terram moveri suppono.“
„Ich vermute, dass sich die Sonne aber selbst gleichsam auf einer konzentrischen Bahn um die Erde bewegt.“[12]
Der Hauptzweck des Mundus Iovialis bestand in der Veröffentlichung der Tabellen mit den Umlaufzeiten der Monde; die aus sehr sorgfältigen Beobachtungen im Jahr 1614 stammenden Werte weichen nur noch um maximal 0,3 ‰ von den heute bekannten Werten ab; auch die Überprüfung mit Computerrechnungen beweist ihre Exaktheit.[13] Bei allem Beobachtungseifer begnügte sich Marius nicht mit der Beobachtung, sondern suchte auch nach Erklärungen.
Die Beobachtungen von 1610 konnte Marius erst im Jahre 1614 in seinem Werk Mundus Iovialis veröffentlichen, vier Jahre nach dem Erscheinen des Galileischen Berichtes Sidereus Nuncius schon im Jahre 1610.
Wenn auch Galilei mit seinen heftigen Angriffen wohl verhinderte, dass Marius den ihm gebührenden Ruhm errang, genoss dieser doch in seiner fränkischen Heimat offensichtlich großes Ansehen. Seine Vaterstadt Gunzenhausen schenkte ihm 1612 einen kleinen Becher zu 6 1/2 Gulden – vermutlich für seine Entdeckung der Jupitermonde.[4] Er wurde in Ansbach von Gelehrten seiner Zeit wie Petrus Saxonius und Lukas Brunn besucht und stand mit anderen Wissenschaftlern wie David Fabricius, Johannes Kepler, Michael Maestlin und Odontius in Kontakt.
Mayr entdeckte weiterhin – ebenfalls unabhängig von anderen Astronomen – die Sonnenflecken. Im Jahr 1612 beobachtete er als erster den Andromedanebel durch das Fernrohr (Messier-Nummer M31), die unserer Sonne nächstliegende große Galaxie. Da ihm anscheinend bekannt war, dass sie schon im 10. Jahrhundert n. Chr. vom persischen Astronomen Al Sufi beschrieben worden war, erhob er keinen Prioritätsanspruch. Ihren Status als eigenständiges Sternsystem wie unsere Milchstraße konnte aber erst 1923 Edwin Hubble am 2,5-Meter-Teleskop des Mount-Wilson-Observatoriums nachweisen.
Simon Marius starb am 26. Dezember 1624 nach kurzer Krankheit in Ansbach.
Die Internationale Astronomische Union (IAU) ehrte ihn mit der Benennung des Mondkraters Marius. Nach ihm ist auch das Simon-Marius-Gymnasium in seiner Geburtsstadt Gunzenhausen benannt sowie der Asteroid (7984) Marius.
Die sehr seltenen Druckschriften des Simon Marius werden aufbewahrt im Stadtmuseum Gunzenhausen, dem Stadtarchiv von Rothenburg ob der Tauber, der Staatsbibliothek in München, in der Preußischen Staatsbibliothek in Berlin, in der Landesbibliothek in Stuttgart, der Universitätsbibliothek Erlangen, der Nürnberger Stadtbibliothek, dem Nürnberger Germanischen Nationalmuseum und dem bayerischen Staatsarchiv in Nürnberg. Von den Handschriften sind außer einigen erhaltenen Briefen alle anderen Schriften wie sein Beobachtungsbuch und einige kleinere Schriften verschollen.[14]
chronologisch. Neueste zuerst.
Personendaten | |
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NAME | Marius, Simon |
ALTERNATIVNAMEN | Mayr, Simon |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Astronom |
GEBURTSDATUM | 10. Januar 1573 |
GEBURTSORT | Gunzenhausen, Bayern |
STERBEDATUM | 5. Januar 1625 |
STERBEORT | Ansbach |