Strukturfunktion

Strukturfunktion

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In der Kern- und Teilchenphysik treten die Strukturfunktionen W1 und W2 bzw. dimensionslos F1, F2 (und F3) in tiefinelastischen Streuprozessen an Kernen und Nukleonen (Proton und Neutron) auf. Sie geben an, wie stark die Streuung ist, in Abhängigkeit von der dabei zwischen den Streupartnern übertragenen Energie und dem Impuls. Durch ihre Messung lassen sich Rückschlüsse auf die innere Struktur der Stoßpartner ziehen, insbesondere auf die Impulsverteilungen der in den Nukleonen enthaltenen Quarks.

Mithilfe der Strukturfunktionen bei der tief-inelastischen Elektron-Nukleon-Streuung wurde das Partonmodell entwickelt und überprüft, d. h. das Modell für aus Quarks zusammengesetzte Protonen und Neutronen. Außerdem lassen sich der Spin und die elektrische Ladung der Quarks mittels der Strukturfunktionen experimentell bestimmen.

Bei elastischen Streuprozessen sind die elektrischen und magnetischen Formfaktoren die Analoga der Strukturfunktionen.

Experimentelle Bestimmung

Analog zur Rosenbluth-Formel für elastische Streuprozesse gilt für den doppelt differentiellen Wirkungsquerschnitt:

d2σdΩdE=(dσdΩ)Mott[2W1(Q2,ν)tan2(θ/2)+W2(Q2,ν)]

dabei sind

  • (dσdΩ)Mott der Mott-Wirkungsquerschnitt
  • Q2 der übertragene Viererimpuls, im Beispiel der Elektronstreuung Q2=q2=(pepe)2 mit pe dem Viererimpuls des Elektrons vor und pe nach der Streuung
  • ν=EE die übertragene Energie im Laborsystem
  • θ der Streuwinkel
  • W1(Q2,ν) und W2(Q2,ν) die Strukturfunktionen.

Misst man nun den Wirkungsquerschnitt bei festen Q2 und ν für verschiedene Streuwinkel und trägt in Analogie zum Rosenbluth-Plot tan2(θ/2) auf der x-Achse und d2σdΩdE/(dσdΩ)Mott=2W1(Q2,ν)tan2(θ/2)+W2(Q2,ν) auf der y-Achse auf, so nimmt der doppelt differentielle Wirkungsquerschnitt folgende lineare Form an:

y(x)=2W1x+W2

mit

  • der Steigung 2W1
  • dem y-Achsenabschnitt W2.

Das muss man für viele Werte von Q2 und ν wiederholen, um die Strukturfunktionen zu bestimmen.

Dimensionslose Strukturfunktionen

Häufig gibt man statt W1 und W2 die dimensionslosen Strukturfunktionen an:

F1(x,Q2)=Mc2W1(Q2,ν)F2(x,Q2)=νW2(Q2,ν)

welche von der Bjorken-Skala x=Q22Pq=Q22Mν (auch Bjorken’sche Skalenvariable) abhängen (M ist die Masse des Targets – zum Beispiel eines Protons – und P der Viererimpuls des Targets). Diese ist ein Maß für die Inelastizität.

Bei der inelastischen Streuung von Neutrinos an Nukleonen tritt noch eine dritte Strukturfunktion F3νN auf, die explizit die Paritätsverletzung der Neutrinos berücksichtigt.

Strukturfunktionen und Partonmodell

Die dimensionslosen Strukturfunktionen F1 und F2 hängen von der Bjorken-Skala x ab, aber nur sehr schwach vom Viererimpulsübertrag Q2 (Skaleninvarianz). Daraus folgt, dass die Nukleonen aus kleineren punktförmigen Teilchen (Partonen) bestehen.

Bestimmung des Quark-Spins

Die dimensionslosen Strukturfunktionen erfüllen die Callan-Gross-Beziehung F2(x)=2xF1(x). Das bedeutet, dass die Partonen Teilchen mit Spin 1/2 sind.

Hätten die Partonen Spin 0, so wäre F1(x)=0, da diese Strukturfunktion dem magnetischen Formfaktor entspricht.

Bestimmung der elektrischen Ladung der Quarks

Um die drittelzahlige elektrische Ladung der Quarks zu bestimmen, vergleicht man die gemessenen Strukturfunktionen F2eN(x) aus der Elektron-Nukleon-Streuung und F2νN(x) aus der Neutrino-Nukleon-Streuung miteinander.

  • Elektron-Nukleon-Streuung: Da Elektronen nicht an der starken Wechselwirkung teilnehmen, kann die Streuung von Elektronen an Nukleonen nur an der elektrischen Ladung z der Quarks erfolgen. Die Strukturfunktion muss deshalb von z abhängen:
F2eN(x)=xfzf2(qf(x)+q¯f(x))

Die Summe läuft über alle relevanten Quarktypen, also u-, d- und s-Quarks. Alle anderen Quarktypen sind zu schwer um beizutragen. zf gibt die elektrische Ladung des jeweiligen Quarktyps in Einheiten der Elementarladung an. qf(x) und q¯f(x) bezeichnen die Impulsverteilungen der Quarks und Antiquarks.

  • Neutrino-Nukleon-Streuung: Da Neutrinos weder an der starken Wechselwirkung, noch an der elektromagnetischen Kraft teilnehmen, geht die elektrische Ladung der Quarks an dieser Stelle nicht in die Strukturfunktion ein:
F2νN(x)=xf(qf(x)+q¯f(x))

Durch Vergleich der Messergebnisse dieser beiden Strukturfunktionen lässt sich die Quarkladung bestimmen. Sie stimmt mit den vorhergesagten drittelzahligen Werten überein.