Ähnlichkeitstheorie oder Ähnlichkeitsphysik ist ein Fachbegriff der Physik und bezeichnet eine Theorie, bei der mit Hilfe dimensionsloser Kennzahlen ein physikalischer Vorgang (Original) auf einen Modellvorgang (Modell) zurückgeführt wird. Diese Theorie wird vielfach sowohl vor dem Hintergrund theoretischer Betrachtungen als auch von Experimenten angewandt. Klassische Anwendungsgebiete sind die Strömungslehre und die Wärmeübertragung.
Ein bekanntes Beispiel aus der Ähnlichkeitstheorie ist das Reynolds'sche Ähnlichkeitsgesetz, welches 1883 von Osborne Reynolds aufgestellt wurde und besagt, dass die Strömungen am Original und am Modell mechanisch ähnlich verlaufen, wenn die Reynolds-Zahlen (Re) übereinstimmen.
Schon Aristoteles hat das Verhalten von geometrisch ähnlichen Holzstäben gegen Biegung betrachtet. Galileo Galilei untersuchte die Bruchfestigkeit geometrisch ähnlicher Zylinder und spekulierte über die mögliche Größe von Tieren. Isaac Newton verwendete den Begriff der mechanischen Ähnlichkeit bei der Bewegung von Körpern in Flüssigkeiten, aber erst J. Bertrand hat 1847 das Prinzip der mechanischen Ähnlichkeit in voller Strenge und Allgemeinheit ausgesprochen.[1]
Die Ähnlichkeitstheorie beschäftigt sich damit, aus einem bekannten und zugänglichen (Modell)-System Rückschlüsse auf ein geplantes und experimentell unzugängliches (Real)-System zu bilden, das z. B. größer oder kleiner, schneller oder langsamer oder sich in anderen Dimensionen nur quantitativ vom bekannten System unterscheidet. Dabei müssen gegebenenfalls weitere Randbedingungen eingehalten werden, damit Rückschlüsse möglich sind. Angewendet wird die Theorie z. B. in folgenden Fällen:
Da heutzutage sehr leistungsfähige Computer zur Verfügung stehen, können viele auch sehr komplexe Zusammenhänge direkt berechnet werden. Die Ähnlichkeit-Theorie hat damit etwas an Bedeutung verloren. Vor ca. 50 Jahren, als solche Berechnungen in diesem Umfang noch nicht möglich waren, stellte die Ähnlichkeitstheorie vielfach die einzige Möglichkeit dar, z. B. ein Verkehrsflugzeug zu entwickeln. Dies geschah, indem an einem Modell empirische Daten ermittelt und diese dann mit Hilfe der Ähnlichkeitstheorie auf das Zielsystem hochgerechnet wurden.
Auch heute hat die Ähnlichkeitstheorie noch Bedeutung, um ohne aufwändige Berechnungen Tendenzen und Grenzen abschätzen zu können oder ein Gefühl für Dimensionen und Quantitäten zu entwickeln. Auch bei der Äquivalenten Geschwindigkeit in der Fliegerei war die Ähnlichkeitstheorie ein wichtiger Bestandteil.
Bleiben alle dimensionslosen Kennzahlen, die ein physikalisches System beschreiben, zwischen Original und Modell gleich, so ist sichergestellt, dass die beiden Systeme bei den ablaufenden Vorgängen physikalisch ähnlich sind. Ergebnisse aus dem Modell können dann ohne Einschränkung auf das Original übertragen werden. Aus der Gleichheit der dimensionslosen Kennzahlen ergeben sich Anforderungen an das Modell, zu denen stets auch die geometrische Ähnlichkeit zwischen Original und Modell gehört.
Schwierigkeiten treten zunächst bei der Auswahl geeigneter Kennzahlen auf. Zusätzlich können häufig nicht alle dimensionslosen Kennzahlen konstant gehalten werden. In diesem Fall ist die Übertragbarkeit der Ergebnisse eingeschränkt. Dennoch kann die Ähnlichkeitstheorie ein wichtiges Hilfsmittel zur Vereinfachung von Experimenten und der Herleitung physikalischer Zusammenhänge sein.
Für einen Actionfilm soll eine Szene gedreht werden, in der ein Zug entgleist und von einer Brücke stürzt. Wegen des begrenzten Budgets soll die Szene mit Hilfe einer Modelleisenbahn der Nenngröße H0 im Maßstab 1:87 nachgestellt werden.
Würde die Szene einfach nur in Makro-Einstellung gedreht werden, um eine reale Größe vorzutäuschen, dann würde der Zug unrealistisch schnell von der Brücke fallen, da die Schwerebeschleunigung nicht mit dem Modell skaliert – sie ist konstant. Die Szene muss also zusätzlich in Zeitlupe gedreht werden, um einen realistischeren Eindruck zu vermitteln.
Die Ähnlichkeitstheorie liefert eine Antwort auf die Frage, wie stark die Zeitlupe sein muss.
Die physikalische Formel, die für die Fallgesetze gilt, lautet:
Wobei, wie allgemein üblich, s für Strecken, also räumliche Ausdehnung steht, und t für die Zeit und g für die Erdbeschleunigung.
Setzen wir nun diese Formel für Realität und Modell miteinander in Beziehung.
Der Index r soll dabei für Realität stehen, der Index m für das Modell. Dann ergibt sich:
entsprechend dem Maßstab von 1:87.
Eine Umformung ergibt:
bzw.
Eine Sekunde im Modell entspricht also 9,3 Sekunden in der Realität. Die Szene muss also in rund 9- bis 10-facher Zeitlupe aufgenommen werden, um einen realistischen Eindruck von der Fallgeschwindigkeit des Zuges zu vermitteln.
Bei dieser Modellierung haben wir vorausgesetzt, dass es nur auf die Fallgeschwindigkeit ankommt, und z. B. Einflüsse durch die Luftreibung beim Fallen vernachlässigt werden können. Für dieses Beispiel eine zulässige Annahme. Bei einem anderen Szenario, z. B. einem Fallschirmsprung dagegen, würde die Luftreibung eine zentrale Rolle spielen. Deshalb müssten dann weitere Formeln berücksichtigt werden. Die Modellierung mit Hilfe der Ähnlichkeitstheorie ist also kein Verfahren, das nach einem festen Schema abgearbeitet werden kann, sondern erfordert ein grundlegendes Verständnis der Abläufe und ihrer physikalischen Modellierung, sowie Erfahrung mit den zu erwartenden Quantitäten.
Die Ähnlichkeitstheorie ist kein Verfahren, das nach Schema F angewendet werden kann. Die Modellierung hängt stark von der Fragestellung ab und erfordert Wissen und Erfahrung bei der Beurteilung, welche Größen vernachlässigt werden können und welche modelliert werden müssen. Im Einzelnen können z. B. folgende Probleme auftauchen:
In der Physik gibt es ganz unterschiedliche Phänomene, die mit denselben mathematischen Mitteln beschrieben werden können, z. B.
Man spricht in diesem Fall von Analogien. So, wie in der Philosophie, kann man auch in der Physik die physikalische Ähnlichkeit als einen Spezialfall der physikalischen Analogie ansehen.