imported>Alturand (→Eigenschaften: Wikilink) |
imported>Rdengler K (Verweis auf Peierls-Instabilität entfernt, das hat mit Phononen zu tun und ist eine andere Geschichte.) |
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Eine '''Tomonaga-Luttinger-Flüssigkeit''' (benannt nach [[Shin’ichirō Tomonaga]] und [[Joaquin Mazdak Luttinger]]), häufig auch einfach als '''Luttinger-Flüssigkeit''' bezeichnet, ist ein theoretisches Modell zur Beschreibung von wechselwirkenden [[Elektron]]en (oder anderen [[Fermion]]en) in einem eindimensionalen [[Elektrischer Leiter|elektrischen Leiter]] (z. B. [[Quantendraht|Quantendrähte]] wie [[Kohlenstoffnanoröhre]]n). Ein solches Modell ist nötig, da das gewöhnlich benutzte Modell der [[Fermi-Flüssigkeit]] in einer Dimension versagt | Eine '''Tomonaga-Luttinger-Flüssigkeit''' (benannt nach [[Shin’ichirō Tomonaga]] und [[Joaquin Mazdak Luttinger]]), häufig auch einfach als '''Luttinger-Flüssigkeit''' bezeichnet, ist ein theoretisches Modell zur Beschreibung von wechselwirkenden [[Elektron]]en (oder anderen [[Fermion]]en) in einem eindimensionalen [[Elektrischer Leiter|elektrischen Leiter]] (z. B. [[Quantendraht|Quantendrähte]] wie [[Kohlenstoffnanoröhre]]n). Ein solches Modell ist nötig, da das gewöhnlich benutzte Modell der [[Fermi-Flüssigkeit]] in einer Dimension versagt. | ||
Man nimmt an, dass das Luttinger-Modell das universelle Verhalten bei niedrigen [[Frequenz]]en | Man nimmt an, dass das Luttinger-Modell das universelle Verhalten bei niedrigen [[Frequenz]]en (langen [[Wellenlänge]]n) eines jeden eindimensionalen Systems wechselwirkender Fermionen beschreibt (sofern dieses nicht einen [[Phasenübergang]] in einen anderen Zustand ausgeführt hat). | ||
Tomonaga studierte 1950 eindimensionale Systeme geladener Fermionen<ref name="Tomonaga" /> und sagte deren Beschreibung durch | Tomonaga studierte 1950 eindimensionale Systeme geladener Fermionen<ref name="Tomonaga" /> und sagte deren Beschreibung durch [[Boson]]en voraus (wie schon, wie sich später erwies, [[Pascual Jordan]] in den 1930er Jahren im Versuch einer [[Neutrino]]-Theorie des Lichts).<ref name="Lieb" /> Luttinger stellte 1963 (ohne die Arbeit von Tomonaga zu kennen) ein spezielles exakt lösbares Modell vor<ref name="Luttinger" /> und [[Elliott Lieb]] und [[Daniel Mattis]] klärten dessen exakte Lösbarkeit durch Bosonisierung.<ref name="Lieb" /> Der Name Luttinger-Flüssigkeit wurde 1981 durch [[F. Duncan M. Haldane]] geprägt.<ref name="Haldane" /> | ||
== Eigenschaften == | == Eigenschaften == | ||
Zu den wesentlichen Eigenschaften einer Luttinger-Flüssigkeit zählen: | Zu den wesentlichen Eigenschaften einer Luttinger-Flüssigkeit zählen: | ||
* Die Antwort der [[Ladungsdichte|Ladungs-]] oder [[Teilchendichte]] auf eine äußere Störung sind ''Dichtewellen'' (''[[Plasmon (Physik)|Plasmonen]]''), deren Geschwindigkeit durch die Stärke der Wechselwirkung und die mittlere Dichte bestimmt wird. Für nichtwechselwirkende Systeme ist diese Ausbreitungsgeschwindigkeit gleich der [[Fermi-Geschwindigkeit]], während sie bei abstoßender (anziehender) Wechselwirkung zwischen Fermionen größer (kleiner) als diese ist. | * Die Antwort der [[Ladungsdichte|Ladungs-]] oder [[Teilchendichte]] auf eine äußere Störung sind ''Dichtewellen'' (''[[Plasmon (Physik)|Plasmonen]]''), deren Geschwindigkeit durch die Stärke der Wechselwirkung und die mittlere Dichte bestimmt wird. Für nichtwechselwirkende Systeme ist diese Ausbreitungsgeschwindigkeit gleich der [[Fermi-Geschwindigkeit]], während sie bei abstoßender (anziehender) Wechselwirkung zwischen Fermionen größer (kleiner) als diese ist. | ||
* Ebenso gibt es ''[[Spindichtewelle]]n'', deren Geschwindigkeit in erster Näherung der Fermi-Geschwindigkeit entspricht. Diese pflanzen sich unabhängig von den [[Ladungsdichtewelle]]n fort. Man spricht daher von [[Spin-Ladungs-Trennung]]. | * Ebenso gibt es ''[[Spindichtewelle]]n'', deren Geschwindigkeit in erster Näherung der Fermi-Geschwindigkeit entspricht. Diese pflanzen sich unabhängig von den [[Ladungsdichtewelle]]n fort. Man spricht daher von [[Spin-Ladungs-Trennung]]. | ||
* Ladungs- und [[Spin]]wellen sind also separate elementare Anregungen der Luttinger-Flüssigkeit, im Gegensatz zu den [[Quasiteilchen]] der [[Fermi-Flüssigkeit]], die sowohl Spin als auch Ladung besitzen. Die mathematische Beschreibung geschieht am einfachsten mittels dieser Wellen. Man löst die eindimensionale [[Wellengleichung]], und ein Großteil der Arbeit besteht darin, zurück zu transformieren um die Eigenschaften der Teilchen zu erhalten. Eine weitere Schwierigkeit besteht in der Behandlung von Störstellen und anderen Fällen, in denen die [[Rückstreuung]] (engl. {{lang|en|backscattering}}) eine wesentliche Rolle spielt. | |||
* Ladungs- und [[Spin]]wellen sind | |||
* Selbst am [[Absoluter Nullpunkt|absoluten Nullpunkt]] ändert sich die Impulsverteilung der Teilchen nirgends abrupt, im Gegensatz zur Fermi-Flüssigkeit, wo deren Unstetigkeit die [[Fermi-Fläche]] definiert. | * Selbst am [[Absoluter Nullpunkt|absoluten Nullpunkt]] ändert sich die Impulsverteilung der Teilchen nirgends abrupt, im Gegensatz zur Fermi-Flüssigkeit, wo deren Unstetigkeit die [[Fermi-Fläche]] definiert. | ||
* Die impulsabhängige Spektralfunktion weist keinen Quasiteilchen-Peak auf (also keinen Scheitel, dessen Breite oberhalb des Fermi-Niveaus viel kleiner wird als die Anregungsenergie). Stattdessen gibt es eine algebraische Singularität mit einem nicht-universellen Exponenten, der von der Stärke der Wechselwirkung abhängt. | * Die impulsabhängige Spektralfunktion weist keinen Quasiteilchen-Peak auf (also keinen Scheitel, dessen Breite oberhalb des Fermi-Niveaus viel kleiner wird als die Anregungsenergie). Stattdessen gibt es eine algebraische Singularität mit einem nicht-universellen Exponenten, der von der Stärke der Wechselwirkung abhängt. | ||
* In der Nähe von Störstellen treten die üblichen [[Friedel-Oszillation]]en der Ladungsdichte mit einem [[Wellenvektor]] von <math>2 k_F</math> auf. Für große Abstände <math>x</math> von der Störstelle verschwinden diese <math>\sim 1/|x|^g</math>, wobei der Exponent <math>g</math> von der Wechselwirkung abhängt (<math>g=1</math> für eine Fermi-Flüssigkeit). | * In der Nähe von Störstellen treten die üblichen [[Friedel-Oszillation]]en der Ladungsdichte mit einem [[Wellenvektor]] von <math>2 k_F</math> auf. Für große Abstände <math>x</math> von der Störstelle verschwinden diese <math>\sim 1/|x|^g</math>, wobei der Exponent <math>g</math> von der Wechselwirkung abhängt (<math>g=1</math> für eine Fermi-Flüssigkeit). | ||
* Bei niedrigen Temperaturen ist die Streuung an diesen Friedel-Oszillationen so stark, dass die renormierte effektive Stärke der Störstelle unendlich wird und damit den Quantendraht abschnürt. Genauer gesagt: die Leitfähigkeit geht mit abnehmender Temperatur und angelegter Spannung gegen Null (und folgt dabei einem Potenzgesetz, dessen Exponent von der Wechselwirkung abhängt) | |||
* Bei niedrigen Temperaturen ist die Streuung an diesen Friedel-Oszillationen so stark, dass die renormierte effektive Stärke der Störstelle unendlich wird und damit den Quantendraht abschnürt. Genauer gesagt: die Leitfähigkeit geht | |||
* Ebenso ist bei kleinen Spannungen und Temperaturen die Tunnelrate in die Luttinger-Flüssigkeit unterdrückt. | * Ebenso ist bei kleinen Spannungen und Temperaturen die Tunnelrate in die Luttinger-Flüssigkeit unterdrückt. | ||
== Anwendungen == | == Anwendungen == | ||
Zu den physikalischen Systemen von denen man glaubt, dass sie sich mit dem Luttinger-Modell beschreiben lassen, zählen: | Zu den physikalischen Systemen von denen man glaubt, dass sie sich mit dem Luttinger-Modell beschreiben lassen, zählen: | ||
* künstliche Quantendrähte (eindimensionale Elektronenstreifen), die zum Beispiel mit Hilfe einer Gate-Spannung in einem zweidimensionalen [[Elektronengas]] erzeugt werden (oder auch [[Lithografie|lithographisch]], oder [[Rasterkraftmikroskop]] etc.) | |||
* künstliche Quantendrähte (eindimensionale Elektronenstreifen), die zum Beispiel mit Hilfe einer Gate-Spannung in einem zweidimensionalen [[Elektronengas]] erzeugt werden (oder auch [[Lithografie|lithographisch]], oder [[Rasterkraftmikroskop]] | |||
* Elektronen in [[Kohlenstoffnanoröhre]]n | * Elektronen in [[Kohlenstoffnanoröhre]]n | ||
* Elektronen in Randzuständen des [[Quanten-Hall-Effekt]]s (und dessen gebrochenzahliger Variante) | * Elektronen in Randzuständen des [[Quanten-Hall-Effekt]]s (und dessen gebrochenzahliger Variante) | ||
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== Literatur == | == Literatur == | ||
* {{Literatur |Autor=Vieri Mastropietro, [[Daniel Mattis|Daniel Charles Mattis]] |Titel=Luttinger Model | * {{Literatur | ||
* {{Literatur |Autor=Mietke | |Autor=Vieri Mastropietro, [[Daniel Mattis|Daniel Charles Mattis]] | ||
* {{Literatur |Autor=H.J. Schulz, G. Cuniberti, P. Pieri |Hrsg=G. Morandi et al. Eds. |Titel=Fermi liquids and Luttinger liquids |Sammelwerk=Field Theories for Low-Dimensional Condensed Matter Systems |Verlag=Springer |Datum=2000 |ISBN=3-540-67177-3 | | |Titel=Luttinger Model. The First 50 Years and Some New Directions | ||
* {{Literatur |Autor=Johannes Voit |Titel=One-dimensional Fermi liquids |Sammelwerk=Rep. Prog. Phys |Band=58 |Datum=1995 |Seiten=977–1116 |DOI=10.1088/0034-4885/58/9/002}} | |Verlag=World Scientific | ||
* {{Literatur |Autor=Johannes Voit |Titel=A brief introduction to Luttinger liquids |Sammelwerk=Proceedings of the International Winterschool on Electronic Properties of Novel Materials |Ort=Kirchberg |Datum= | |Datum=2013 | ||
* {{Literatur |Autor=K. Schonhammer |Titel=Physics in one dimension: theoretical concepts for quantum many-body systems |Sammelwerk=J. Phys |Band=Condens. Matter 25 |Datum=2013 |Seiten=25 | | |ISBN=978-981-4520-71-3 | ||
|Online=[http://www.worldscientific.com/worldscibooks/10.1142/8875 Zusammenfassung bei World Scientific]}} | |||
* {{Literatur | |||
|Autor=Sebastian Mietke | |||
|Titel=Rastertunnelmikroskopie und -spektroskopie an Au/Ge(001)-Nanodrähten | |||
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|Autor=H.J. Schulz, G. Cuniberti, P. Pieri | |||
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|Titel=Fermi liquids and Luttinger liquids | |||
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* {{Internetquelle |url=http://web.mit.edu/redingtn/www/netadv/Xluttinger.html |titel=The Net Advance of Physics | * {{Internetquelle | ||
* {{Internetquelle |url=http://guava.physics.uiuc.edu/~nigel/courses/569/Essays_Fall2007/files/bronn.pdf |titel=Luttinger Liquids | |url=http://web.mit.edu/redingtn/www/netadv/Xluttinger.html | ||
* {{Literatur |Autor=K. Schönhammer |Titel=Interacting fermions in one dimension |TitelErg=The Tomonaga-Luttinger model |Datum=1998 |Kommentar=nicht veröffentlichtes Preprint | | |titel=The Net Advance of Physics. Luttinger Liquids | ||
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Eine Tomonaga-Luttinger-Flüssigkeit (benannt nach Shin’ichirō Tomonaga und Joaquin Mazdak Luttinger), häufig auch einfach als Luttinger-Flüssigkeit bezeichnet, ist ein theoretisches Modell zur Beschreibung von wechselwirkenden Elektronen (oder anderen Fermionen) in einem eindimensionalen elektrischen Leiter (z. B. Quantendrähte wie Kohlenstoffnanoröhren). Ein solches Modell ist nötig, da das gewöhnlich benutzte Modell der Fermi-Flüssigkeit in einer Dimension versagt.
Man nimmt an, dass das Luttinger-Modell das universelle Verhalten bei niedrigen Frequenzen (langen Wellenlängen) eines jeden eindimensionalen Systems wechselwirkender Fermionen beschreibt (sofern dieses nicht einen Phasenübergang in einen anderen Zustand ausgeführt hat).
Tomonaga studierte 1950 eindimensionale Systeme geladener Fermionen[1] und sagte deren Beschreibung durch Bosonen voraus (wie schon, wie sich später erwies, Pascual Jordan in den 1930er Jahren im Versuch einer Neutrino-Theorie des Lichts).[2] Luttinger stellte 1963 (ohne die Arbeit von Tomonaga zu kennen) ein spezielles exakt lösbares Modell vor[3] und Elliott Lieb und Daniel Mattis klärten dessen exakte Lösbarkeit durch Bosonisierung.[2] Der Name Luttinger-Flüssigkeit wurde 1981 durch F. Duncan M. Haldane geprägt.[4]
Zu den wesentlichen Eigenschaften einer Luttinger-Flüssigkeit zählen:
Zu den physikalischen Systemen von denen man glaubt, dass sie sich mit dem Luttinger-Modell beschreiben lassen, zählen:
Der Nachweis der charakteristischen Eigenschaften einer Luttinger-Flüssigkeit in diesen Systemen ist ein aktuelles Forschungsgebiet der experimentellen Festkörperphysik.