Langevin-Gleichung: Unterschied zwischen den Versionen

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Eine '''Langevin-Gleichung''' (nach [[Paul Langevin]]) ist eine [[stochastische Differentialgleichung]], welche die Dynamik einer Teilmenge der Freiheitsgrade eines physikalischen Systems beschreibt. Dabei handelt es sich typischerweise um 'langsame' (makroskopische) Freiheitsgrade, die 'schnellen' (mikroskopischen) Freiheitsgrade sind verantwortlich für die stochastische Natur der Differentialgleichung.
Eine '''Langevin-Gleichung''' (nach [[Paul Langevin]]) ist eine [[stochastische Differentialgleichung]], welche die Dynamik einer Teilmenge der Freiheitsgrade eines physikalischen Systems beschreibt. Dabei handelt es sich typischerweise um „langsame“ (makroskopische) Freiheitsgrade, die „schnellen“ (mikroskopischen) Freiheitsgrade sind verantwortlich für die stochastische Natur der Differentialgleichung.


== Konventionelle Langevin-Gleichung ==
== Brownsche Bewegung als Prototyp ==
Die folgende Gleichung für die Geschwindigkeit <math>v(t)</math> eines in einer Flüssigkeit schwebenden Teilchens geht auf einen heuristischen Ansatz von [[Paul Langevin]] zurück:
Die ursprüngliche Langevingleichung beschreibt die Bewegung eines in einer Flüssigkeit schwebenden Teilchens infolge von Zusammenstößen mit Flüssigkeitsmolekülen,
:<math>m \dot v(t) = -\gamma v(t) + F(x,t)+ f(t).</math>
:<math>m\frac{\mathrm d\mathbf{v}\left(t\right)}{\mathrm dt} = -\lambda \mathbf{v}\left(t\right) + \boldsymbol{\eta}\left( t\right).</math>
Die Gleichung wurde aufgrund heuristischer Überlegungen von [[Paul Langevin]] aufgestellt. Die langsame Variable ist hier die Geschwindigkeit <math>\mathbf{v}(t)</math> des Teilchens, <math>m</math> ist die Teilchenmasse, die Konstante <math>\lambda</math> ist der [[Reibungskoeffizient]]. Die Größe <math>\boldsymbol{\eta}(t)</math> ist die sogenannte ''fluktuierende Kraft'', in diesem Fall ein [[weißes gaußsches Rauschen|Gauß'sches weißes Rauschen]] mit [[Korrelation]]sfunktion
:<math>\left\langle \eta_{i}\left( t\right)\eta_{j}\left( t^{\prime}\right) \right\rangle =2\lambda k_\text{B}T\delta_{i,j}\delta \left(t-t^{\prime }\right).</math>


Hierbei ist <math>\gamma</math> ein [[Reibungskoeffizient]] und <math>F(x,t)</math> eine externe Kraft, hervorgerufen z.&nbsp;B. durch ein externes Potential. Die Größe <math>f(t)</math> ist die sogenannte ''fluktuierende Kraft'', typischerweise ein Gauß'sches weißes Rauschen. Die Dynamik welche durch die Langevin-Gleichung beschrieben wird, geht bei Überdämpfung in die Brownsche Dynamik über (<math>\lim_{m \to 0}</math>). Dann fehlt der Beschleunigungsterm in obiger Gleichung, d.&nbsp;h. <math>m \dot v(t)=0</math>.
Hierbei ist <math>k_\text{B}</math> die [[Boltzmannkonstante]], <math>T</math> die Temperatur und <math>\eta_i\left( t\right)</math> die i-te Komponente des Vektors <math>\boldsymbol{\eta}\left( t\right)</math>. Die [[Delta-Distribution|<math>\delta</math>-Distribution]] für die Korrelation in der Zeit bedeutet, dass die Kraft zur Zeit <math>t</math> völlig unkorreliert ist mit der Kraft zu einer anderen Zeit. Das ist natürlich eine Näherung. Die tatsächliche fluktuierende Kraft ist zumindest über ein Zeitintervall das der Stoßdauer entspricht korreliert. Jedoch wird die Langevingleichung zur Beschreibung der Bewegung eines „makroskopischen“ Teilchens über viel größere Zeitskalen verwendet, und in diesem Grenzfall ergeben die <math>\delta</math>-Korrelation und die Langevingleichung den korrekten stochastischen Prozess.


Die Langevin-Gleichung kann als Beschreibung eines [[Itō-Prozess]]es aufgefasst werden, der einen mathematischen Rahmen zur Lösung bietet.
Eine weitere prototypische Eigenschaft der Langevingleichung ist das Auftreten des Dämpfungskoeffizienten
<math>\lambda</math> in der Korrelationsfunktion der fluktuierenden Kraft.
Der technische Terminus dafür ist [[Einstein-Smoluchowski-Beziehung]].


== Allgemeine Langevin-Gleichung ==
== Mathematische Aspekte ==
Die folgende Gleichung ist eine formale Verallgemeinerung der konventionellen Langevin-Gleichung:
Eine in der Zeit exakt <math>\delta</math>-korrelierte fluktuierende Kraft <math>\boldsymbol{\eta}\left( t\right)</math>
:<math>\dot x_i(t) = h_i \left(\{x_i(t)\},t\right) + \sum_{j=1}^M D_{ij}(\{x_i(t)\},t) \cdot f_j(t).</math>
ist keine mathematische Funktion im üblichen Sinn und auch die Ableitung <math>\mathrm d\mathbf{v}/\mathrm dt</math>
ist in diesem Fall nicht definiert. Dieses Problem verschwindet wenn die Langevingleichung in integraler Form
:<math>m\mathbf{v}=\int^t\left( -\lambda \mathbf{v}+\boldsymbol{\eta}\left( t\right)\right)\mathrm dt</math>
geschrieben wird, und eine Langevingleichung sollte im einfachsten Fall immer als Abkürzung für ihr Zeitintegral interpretiert werden.
Die mathematische Bezeichnung für Gleichungen dieser Art ist [[stochastische Differentialgleichung]].


Der Satz der langsamen Variablen besteht hier aus den <math>M</math> Größen <math>\{x_i(t), 1 \leqq M \leqq N\}</math>.
Ein anderes mathematisches Problem tritt auf für (ziemlich spezielle<ref name="Stochastic Processes in Physics and Chemistry 2007 p.">{{cite book | title=Stochastic Processes in Physics and Chemistry | publisher=Elsevier | last=Van Kampen| first=N. G.| year=2007 | isbn=978-0-444-52965-7 | doi=10.1016/b978-0-444-52965-7.x5000-4 | page=}}</ref>) Langevingleichungen mit einer multiplikativen fluktuierenden Kraft, d.&nbsp;h. Termen wie <math>|\boldsymbol{v}(t)|\boldsymbol{\eta}(t)</math> auf der rechten Seite.
Solche Gleichungen können nach Ito- oder Stratonovich-Schema interpretiert werden (nach Itō Kiyoshi, Ruslan Stratonovich), und wenn die Herleitung der Langevingleichung hierzu keine Information liefert, ist die Herleitung sowieso fragwürdig.


Ferner wird <math>h_i</math> als eine deterministische Funktion angenommen, sie enthält die Reibung.
== Generische Langevingleichung ==
Eine generische Langevingleichung lässt sich mit Projektionsoperator-Methoden aus der klassischen Mechanik herleiten.<ref name="Kawasaki1973">{{cite journal|last=Kawasaki|first=K.|year=1973|title=Simple derivations of generalized linear and nonlinear Langevin equations|journal=J. Phys. A: Math. Nucl. Gen.|volume=6|pages=1289|bibcode=1973JPhA....6.1289K|doi=10.1088/0305-4470/6/9/004|id=}}<!--| accessdate = 2014-05-30 --></ref><ref>{{arXiv|1506.02650v2}}</ref>
Diese generische Langevingleichung spielt eine zentrale Rolle in der Theorie der [[Kritisches Phänomen|kritischen Dynamik]]<ref name="HH1977">{{cite journal |title=Theory of dynamic critical phenomena |journal=[[Reviews of Modern Physics]] |year=1977 |first=P. C. |last=Hohenberg |first2=B. I. |last2=Halperin |volume=49 |issue=3 |pages=435?479 |doi=10.1103/RevModPhys.49.435 |bibcode = 1977RvMP...49..435H }}</ref>
und in anderen Bereichen der Nicht-Gleichgewichts-Thermodynamik. Die Gleichung für [[Brownsche Bewegung]] weiter oben ist ein Spezialfall.


Die Größe <math>D_{ij}</math> ist eine Kopplungsmatrix und beschreibt die Korrelationen der verschiedenen Komponenten des stochastischen Rauschens.
Eine wesentliche Voraussetzung der Herleitung ist ein Kriterium zur Aufteilung der Freiheitsgrade in die Kategorien langsam und schnell. Z.&nbsp;B. wird in einer Flüssigkeit lokales thermisches Gleichgewicht innerhalb weniger Stoßzeiten erreicht. Es dauert dagegen viel länger, bis Dichten von Erhaltungsgrößen wie Masse oder Energie zum Gleichgewichtswert relaxieren. Dichten von Erhaltungsgrößen und insbesondere deren Anteile mit großen Wellenlängen sind also Kandidaten für langsame Variablen. Technisch wird die Unterteilung mit dem [[Zwanzig-Projektionsoperator]]<ref>{{cite journal |title=Memory effects in irreversible thermodynamics |journal=[[Physical Review|Phys. Rev.]] |year=1961 |first=R. |last=Zwanzig |volume=124 |issue=4 |pages=983?992 |doi=10.1103/PhysRev.124.983 |bibcode = 1961PhRv..124..983Z }}</ref>
realisiert, dem wesentlichen Werkzeug der Herleitung.
Die Herleitung verwendet wenige (plausible) Annahmen welche in ähnlicher Weise auch anderswo in der statistischen Physik benötigt werden und ist daher nicht streng mathematisch.


Man unterscheidet dabei zwei Fälle:
Es bezeichne <math>A=\{A_i\}</math> die langsamen Variablen. Die generische Langevingleichung lautet dann
# Bei den meisten physikalischen Anwendungen sind die Größen <math>D_{ij}</math> Konstanten. Man spricht dann von „additivem Rauschen“ (kein rauschinduzierter Drift).
:<math>\frac{\mathrm dA_{i}}{\mathrm dt}=k_\text{B}T\sum\limits_{j}{\left[ {A_{i},A_{j}}\right] \frac{{\mathrm d}\mathcal{H}}{{\mathrm dA_{j}}}}-\sum\limits_{j}{\lambda _{i,j}\left( A\right) \frac{\mathrm d\mathcal{H}}{{\mathrm dA_{j}}}+}\sum\limits_{j}{\frac{\mathrm d{\lambda_{i,j}\left(A\right) }}{{\mathrm dA_{j}}}}+\eta_{i}\left( t\right).</math>
# Falls <math>D_{ij}</math> von den <math>x_{i}</math> abhängt, spricht man von „multiplikativem Rauschen“. Dies führt auf das sogenannte [[Ito-Stratonovich-Dilemma]] (nach [[Itō Kiyoshi]], [[Ruslan Stratonovich]]). Die Langevingleichung ergibt hier mathematisch erst einen Sinn, wenn eine Entscheidung für einen Typ [[Stochastisches Integral|stochastischer Integrale]] getroffen wird.


== Allgemeines Schema ==
Die fluktuierende Kraft <math>\eta_i\left( t\right)</math> gehorcht einer [[Gauß-Verteilung|Normalverteilung]] mit Korrelationsfunktion
Grundlegender Ansatz ist hierbei die Addition eines Fluktuationsterms zu einer im Mittelwert gültigen Beziehung:
:<math>\left\langle \eta_{i}\left( t\right) \eta_{j} \left( t^{\prime }\right) \right\rangle = 2\lambda_{i,j}\left( A\right) \delta \left( t-t^{\prime}\right).</math>
:<math>\dot y=A(y)</math> wird so zu <math>\dot y=A(y)+L(t)</math>.
Für das Rauschen <math>L(t)</math> wird angenommen:
# <math>L(t)</math> ist als stochastischer Prozess modellierbar.
# <math>\langle L(t)\rangle = 0</math>, d.&nbsp;h. die Fluktuationen zeigen keine Tendenz und geben im Mittel 0.
# <math>\langle L(t)L(t')\rangle = \Gamma\delta(t-t')</math> mit <math>\delta</math> als der [[Delta-Funktion]], sodass überhaupt keine [[Korrelation]] über die Zeit stattfindet.
Zusammen mit einer üblicherweise unterstellten [[Normalverteilung]] ist <math>L(t)</math> dann ein [[weißes gaußsches Rauschen]].


== Beziehung zur Fokker-Planck-Gleichung ==
Dies impliziert die [[Onsagersche Reziprozitätsbeziehungen]] <math>\lambda_{i,j}=\lambda_{j,i}</math> für die Dämpfungskoeffizienten <math>\lambda</math>. Die Abhängigkeit <math>\mathrm d\lambda_{i,j}/\mathrm dA_j</math> von <math>\lambda</math> von <math>A</math> ist in den meisten Fällen vernachlässigbar.
In der Regel ist eine Lösung einer Langevingleichung zu einer bestimmten Realisierung der fluktuierenden Kraft uninteressant. Stattdessen interessiert man sich für Korrelationsfunktionen der langsamen Variablen '''nach''' Mittelung über die fluktuierende Kraft. Solche Mittelwerte lassen sich auch auf anderem Weg erhalten, z.&nbsp;B. mit Hilfe der der Langevingleichung entsprechenden [[Fokker-Planck-Gleichung]].
Das Symbol <math>\mathcal{H}=-\ln\left(p_0\right)</math> bezeichnet die Hamiltonian des Systems,
Eine Fokker-Planck-Gleichung ist eine deterministische Gleichung für die zeitabhängige Wahrscheinlichkeitsverteilung einer stochastischen Variablen <math>y</math>. Z.&nbsp;B. ist die Fokker-Planck-Gleichung
<math>p_0\left(A\right)</math> ist die Gleichgewichts-Wahrscheinlichkeitsverteilung der Variablen <math>A</math>.
Die Klammer <math>[A_i,A_j]</math> schließlich ist die Projektion der [[Poissonklammer]] der langsamen Variablen <math>A_i</math> und <math>A_j</math> in den Raum der langsamen Variablen.


:<math>\frac{\partial}{\partial t}P(y,t)=-\frac{\partial}{\partial y}\Big[ A(y,t)P(y,t)\Big] +\frac{\Gamma}{2}\frac{\partial^2}{\partial y^2}\Big[ P(y,t)\Big] </math>
Im Fall der Brownschen Bewegung hätte man <math>\mathcal{H}=\mathbf{p}^2/\left(2mk_\text{B}T\right)</math>, <math>A=\{\mathbf{p}\}</math> oder <math>A=\{\mathbf{x}, \mathbf{p}\}</math> und <math>[x_i, p_j]=\delta_{i,j}</math>. Die Bewegungsgleichung <math>\mathrm d\mathbf{x}/\mathrm dt=\mathbf{p}/m</math> für <math>\mathbf{x}</math> ist exakt, es gibt keine fluktuierende Kraft <math>\eta_x</math> und keinen Dämpfungskoeffizienten <math>\lambda_{x,p}</math>.


äquivalent zu obiger Langevin-Gleichung.
== Beispiele ==
[[Datei:ResistorCapacitance.png|rechts|250px|mini|Ein elektrischer Stromkreis mit einem Widerstand und einem Kondensator.]]
=== Widerstandsrauschen ===
Die Abbildung rechts zeigt einen elektrischen Stromkreis bestehend aus einem [[Elektrischer Widerstand|Widerstand]] mit elektrischem Widerstand <math>R</math> und einem [[Kondensator (Elektrotechnik)|Kondensator]] mit Kapazität <math>C</math>. Die langsame Variable ist die Spannung <math>U</math> am Kondensator oder Widerstand. Die Hamiltonian lautet <math>\mathcal{H} = E/(k_\text{B}T) = CU^2/(2k_BT)</math>, und die Langevingleichung wird
 
:<math>\frac{\mathrm dU}{\mathrm dt} =-\frac{U}{RC}+\eta \left( t\right),\;\;
\left\langle \eta \left( t\right) \eta \left( t^{\prime }\right)\right\rangle = \frac{2k_\text{B}T}{RC^{2}}\delta \left(t-t^{\prime }\right).</math>
Die daraus folgende Korrelationsfunktion
:<math>\left\langle U\left(t\right) U\left(t^{\prime }\right) \right\rangle
=\left( k_\text{B}T/C\right) \exp \left( -\left\vert t-t^{\prime }\right\vert
/RC\right) \approx 2Rk_\text{B}T\delta \left( t-t^{\prime }\right),</math>
wird zu einem weißen Rauschen ([[Wärmerauschen|Nyquist-Rauschen, Johnson-Rauschen]]) wenn die Kapazität klein wird.
 
=== Überdämpfte Brownsche Bewegung ===
Ein Grenzfall der klassischen Langevingleichung ist der Fall starker Reibung (oder kleiner Masse <math>m</math>). In diesem Fall ist der Trägheitsterm <math>m\mathrm d\mathbf{v}/\mathrm dt</math> vernachlässigbar und man spricht von Überdämpfung. Die Langevingleichung erhält die Form
:<math> \lambda \frac{\mathrm d\mathbf{x}}{\mathrm dt} = \boldsymbol{\eta}\left( t\right).</math>
Integration und Mittelung des Quadrats über die fluktuierende Kraft liefert <math>\left\langle\mathbf{x}(t)^2\right\rangle = 2k_\text{B}TDt/\lambda,</math> wo <math>D</math> die Raumdimension ist. Mit Hilfe dieser Gleichung kann bei bekanntem Reibungskoeffizienten aus experimentell gemessener Diffusion die [[Boltzmannkonstante]] <math>k_\text{B}</math> bestimmt werden. Die nicht überdämpfte Langevingleichung liefert übrigens dasselbe Diffusionsgesetz.
 
=== Mikrodrehwaage (harmonischer Oszillator) ===
Hierbei handelt es sich um einen an einem Quartzfaden hängenden Spiegel. Ein am Spiegel reflektierter Lichtstrahl ermöglicht genaue Messungen. Die langsamen Variablen sind Drehimpuls <math>j</math> und Auslenkungswinkel <math>\phi</math> mit Hamiltonian
:<math>\mathcal{H} = \frac{1}{k_\text{B}T}\left(\frac{j^2}{2N}+\frac{w\phi^2}{2}\right).</math>
Die Dämpfungskonstante ist über den Luftdruck adjustierbar. Mit Hilfe der entsprechenden Langevingleichung und Experimenten erhält man einen genauen Wert für die Boltzmannkonstante. Umgekehrt beschreibt die Langevingleichung, wie thermische Fluktuationen der Empfindlichkeit von Zeigerinstrumenten eine Grenze setzen.
 
=== Kritische Dynamik ===
Der [[Ordnungsparameter]] eines kontinuierlichen Phasenübergangs ändert sich in der Nähe des [[Kritisches Phänomen|kritischen Punktes]] nur mehr langsam und seine Dynamik ist mit einer i.&nbsp;A. nichtlinearen Langevingleichung beschreibbar.<ref name="HH1977"/>
Der einfachste Fall ist die [[Universalität (Physik)|Universalitätsklasse]] „Modell A“ mit einem nicht erhaltenen skalaren Ordnungsparameter <math>\varphi</math>, realisiert z.&nbsp;B. in einem axialen Ferromagneten. Die Langevingleichung lautet
:<math>\begin{align}
\frac{\partial\varphi\left(\mathbf{x},t\right)}{\partial t}&=-\lambda\frac{\delta\mathcal{H}}{\delta\varphi}+\eta\left(\mathbf{x},t\right),\\
\mathcal{H}&=\int \mathrm d^{d}x\left\{ \frac{1}{2}\varphi\left[r_{0}-\nabla^{2}\right]\varphi+u\varphi^{4}\right\} ,\\
\left\langle \eta\left(\mathbf{x},t\right)\eta\left(\mathbf{x}',t'\right)\right\rangle &=2\lambda\delta\left(\mathbf{x}-\mathbf{x}'\right)\delta\left(t-t'\right).
\end{align}</math>
 
Andere Universalitätsklassen (die Nomenklatur ist „Modell A“, …, „Modell J“)<ref name="HH1977"/> haben einen diffundierenden Ordnungsparameter, Ordnungsparameter mit mehreren Komponenten, zusätzliche andere langsame Variable und meistens auch Beiträge von Poissonklammern.
 
=== Anderson-Lokalisierung in einer Dimension ===
Langevingleichungen treten manchmal in unerwartetem anderem Zusammenhang auf. Ein Beispiel ist die [[Anderson-Lokalisierung]]. Die zeitunabhängige [[Schrödingergleichung]] für ein Teilchen der Masse <math>m</math> in einem Potential <math>V</math> in einer Dimension lässt sich schreiben
:<math>\psi''/\psi=\left(2m/\hbar^{2}\right)\left(V-E\right).</math>
Hierbei ist <math>\psi</math> die [[Wellenfunktion]], <math>\hbar</math> das Wirkungsquantum und <math>E</math> ein Energie-Eigenwert. Mit <math>f=\psi'/\psi</math> wird die Schrödingergleichung zu<ref name="Halperin1965">{{cite journal|last=Halperin|first=B. I.|year=1965|title=Green's Functions for a Particle in a One-Dimensional Random Potential|journal=Phys. Rev.|issue=1A|volume=139|pages=A104|bibcode=|doi=10.1103/PhysRev.139.A104|id=}}</ref>
:<math>f'=-f^{2}+\left(2m/\hbar^{2}\right)\left(V-E\right).</math>
Wenn nun das Potential von zufällig verteilten Verunreinigungen herrührt, so dass es mit einem Gaußschen weißen Rauschen mit <math>\left\langle V\left(x\right)\right\rangle =0</math> und <math>\left\langle V\left(x\right)\left\langle V\left(x'\right)\right\rangle \right\rangle =\delta\left(x-x'\right)</math> beschreibbar ist, dann ist die Gleichung für <math>f</math> eine Langevingleichung, wobei die Koordinate <math>x</math> die Rolle der Zeit spielt.
 
== Äquivalente Techniken ==
In der Regel ist eine Lösung einer Langevingleichung zu einer bestimmten Realisierung der fluktuierenden Kraft uninteressant. Stattdessen interessiert man sich für Korrelationsfunktionen der langsamen Variablen '''nach''' Mittelung über die fluktuierende Kraft. Solche Mittelwerte lassen sich auch auf anderem Weg erhalten.
 
=== Fokker-Planck-Gleichung ===
Eine [[Fokker-Planck-Gleichung]] ist eine deterministische Gleichung für die zeitabhängige Wahrscheinlichkeitsverteilung <math>P\left(A,t\right)</math> der langsamen Variablen <math>A</math>. Die der generischen Langevingleichung weiter oben entsprechende Fokker-Planck-Gleichung lässt sich mit Standard-Techniken erhalten (z.&nbsp;B. Ref.<ref>S. Ichimaru: ''Basic Principles of Plasma Physics.'' Benjamin, 1973, ISBN 3-540-61236-X.</ref>),
:<math>\frac{\partial P\left(A,t\right)}{\partial t}=\sum_{i,j}\frac{\partial}{\partial A_{i}}\left(-k_\text{B}T\left[A_{i}, A_{j}\right]\frac{\partial\mathcal{H}}{\partial A_{j}} + \lambda_{i,j}\frac{\partial\mathcal{H}}{\partial A_{j}} + \lambda_{i,j}\frac{\partial}{\partial A_{j}}\right)P\left(A,t\right).</math>
Die Gleichgewichtsverteilung <math>P(A,t) = p_0(A) = \text{const}\times\exp(-\mathcal{H})</math> ist eine stationäre Lösung.
 
=== Pfadintegral ===
Ein zu einer Langevingleichung äquivalentes [[Pfadintegral]] kann man aus der entsprechenden Fokker-Planck-Gleichung oder direkt aus der Langevingleichung<ref name="Janssen1976">{{cite journal | title = Lagrangean for Classical Field Dynamics and Renormalization Group Calculations of Dynamical Critical Properties | journal = Z. Phys. B | year = 1976 | first = H. K. | last = Janssen | volume = 23 | pages = 377|bibcode = 1976ZPhyB..23..377J |doi = 10.1007/BF01316547 }}</ref>
erhalten. Das der generischen Langevingleichung entsprechende Pfadintegral ist


== Beispiele ==
:<math>\int P(A,\tilde{A})\,\mathrm dA\,\mathrm d\tilde{A} = N\int \exp \left( L(A,\tilde{A})\right) \mathrm dA\,\mathrm d\tilde{A},</math>
=== Brownsche Bewegung ===
wo <math>N</math> ein Normierungsfaktor ist und
Der klassische Fall für die [[Brownsche Bewegung]] eines Teilchens in einem [[Fluid]] hat nach [[Stokes-Gesetz]] und [[Einstein-Smoluchowski-Beziehung]] die Gleichung
:<math>L(A,\tilde{A}) = \int \sum_{i,j}\left\{ \tilde{A}_{i}\lambda_{i,j}\tilde{A}_{j}-\widetilde{A}_{i}\left\{\delta_{i,j}\frac{\mathrm dA_{j}}{\mathrm dt}-k_\text{B}T\left[A_{i},A_{j}\right]\frac{\mathrm d\mathcal{H}}{\mathrm dA_{j}}+\lambda_{i,j}\frac{\mathrm d\mathcal{H}}{\mathrm dA_{j}}-\frac{\mathrm d\lambda_{i,j}}{\mathrm dA_{j}}\right\}\right\} \mathrm dt.</math>
:<math>m\frac{d^{2}\mathbf{x}}{dt^{2}}=-\lambda \frac{d\mathbf{x}}{dt}+L(t) </math>
 
mit Dämpfungskoeffizient <math>\lambda</math> und <math>\Gamma=2\lambda k_{\mathrm{B}} T</math>.
Die Hilfsvariablen <math>\tilde A</math> heißen ''Antwort-Variablen''. Die Pfadintegraldarstellung vereinfacht die Anwendung von Techniken der [[Quantenfeldtheorie]], wie etwa der Störungsrechnung und der [[Renormierung|Renormierungsgruppe.]]
=== Thermisches Rauschen ===
 
[[Thermisches Rauschen]] über einem [[Kondensator (Elektrotechnik)|Kondensator]] folgt
== Simulationen ==
:<math>\frac{dU}{dt} =-\frac{U}{RC}+L(t)</math>
Simulationen der Langevin-Gleichung sind eine Art von [[Monte-Carlo-Simulation]]<ref>{{Cite book|last=Namiki|first=Mikio|url=https://books.google.com/books?id=MVryCAAAQBAJ&newbks=0&printsec=frontcover&pg=PA176&dq=langevin+simulations+a+kind+of+monte+carlo&q=langevin+simulations+a+kind+of+monte+carlo&hl=de|title=Stochastic Quantization|date=2008-10-04|publisher=Springer Science & Business Media|isbn=978-3-540-47217-9|language=en|pages=176}}</ref>
mit <math>\Gamma = 2 k_{\mathrm{B}} T/RC^2</math>.


== Literatur ==
== Literatur ==
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*Huang, Kerson: ''Statistical Mechanics''. Wiley, ISBN 978-81-265-1849-4
*Huang, Kerson: ''Statistical Mechanics''. Wiley, ISBN 978-81-265-1849-4
*Huang, Kerson: ''Introduction to Statistical Physics''. CRC Press, ISBN 0-7484-0942-4
*Huang, Kerson: ''Introduction to Statistical Physics''. CRC Press, ISBN 0-7484-0942-4
== Einzelnachweise ==
<references />


[[Kategorie:Statistische Physik]]
[[Kategorie:Statistische Physik]]
[[Kategorie:Stochastische Differentialgleichung]]
[[Kategorie:Stochastische Differentialgleichung]]

Aktuelle Version vom 23. Februar 2022, 20:41 Uhr

Eine Langevin-Gleichung (nach Paul Langevin) ist eine stochastische Differentialgleichung, welche die Dynamik einer Teilmenge der Freiheitsgrade eines physikalischen Systems beschreibt. Dabei handelt es sich typischerweise um „langsame“ (makroskopische) Freiheitsgrade, die „schnellen“ (mikroskopischen) Freiheitsgrade sind verantwortlich für die stochastische Natur der Differentialgleichung.

Brownsche Bewegung als Prototyp

Die ursprüngliche Langevingleichung beschreibt die Bewegung eines in einer Flüssigkeit schwebenden Teilchens infolge von Zusammenstößen mit Flüssigkeitsmolekülen,

$ m{\frac {\mathrm {d} \mathbf {v} \left(t\right)}{\mathrm {d} t}}=-\lambda \mathbf {v} \left(t\right)+{\boldsymbol {\eta }}\left(t\right). $

Die Gleichung wurde aufgrund heuristischer Überlegungen von Paul Langevin aufgestellt. Die langsame Variable ist hier die Geschwindigkeit $ \mathbf {v} (t) $ des Teilchens, $ m $ ist die Teilchenmasse, die Konstante $ \lambda $ ist der Reibungskoeffizient. Die Größe $ {\boldsymbol {\eta }}(t) $ ist die sogenannte fluktuierende Kraft, in diesem Fall ein Gauß'sches weißes Rauschen mit Korrelationsfunktion

$ \left\langle \eta _{i}\left(t\right)\eta _{j}\left(t^{\prime }\right)\right\rangle =2\lambda k_{\text{B}}T\delta _{i,j}\delta \left(t-t^{\prime }\right). $

Hierbei ist $ k_{\text{B}} $ die Boltzmannkonstante, $ T $ die Temperatur und $ \eta _{i}\left(t\right) $ die i-te Komponente des Vektors $ {\boldsymbol {\eta }}\left(t\right) $. Die $ \delta $-Distribution für die Korrelation in der Zeit bedeutet, dass die Kraft zur Zeit $ t $ völlig unkorreliert ist mit der Kraft zu einer anderen Zeit. Das ist natürlich eine Näherung. Die tatsächliche fluktuierende Kraft ist zumindest über ein Zeitintervall das der Stoßdauer entspricht korreliert. Jedoch wird die Langevingleichung zur Beschreibung der Bewegung eines „makroskopischen“ Teilchens über viel größere Zeitskalen verwendet, und in diesem Grenzfall ergeben die $ \delta $-Korrelation und die Langevingleichung den korrekten stochastischen Prozess.

Eine weitere prototypische Eigenschaft der Langevingleichung ist das Auftreten des Dämpfungskoeffizienten $ \lambda $ in der Korrelationsfunktion der fluktuierenden Kraft. Der technische Terminus dafür ist Einstein-Smoluchowski-Beziehung.

Mathematische Aspekte

Eine in der Zeit exakt $ \delta $-korrelierte fluktuierende Kraft $ {\boldsymbol {\eta }}\left(t\right) $ ist keine mathematische Funktion im üblichen Sinn und auch die Ableitung $ \mathrm {d} \mathbf {v} /\mathrm {d} t $ ist in diesem Fall nicht definiert. Dieses Problem verschwindet wenn die Langevingleichung in integraler Form

$ m\mathbf {v} =\int ^{t}\left(-\lambda \mathbf {v} +{\boldsymbol {\eta }}\left(t\right)\right)\mathrm {d} t $

geschrieben wird, und eine Langevingleichung sollte im einfachsten Fall immer als Abkürzung für ihr Zeitintegral interpretiert werden. Die mathematische Bezeichnung für Gleichungen dieser Art ist stochastische Differentialgleichung.

Ein anderes mathematisches Problem tritt auf für (ziemlich spezielle[1]) Langevingleichungen mit einer multiplikativen fluktuierenden Kraft, d. h. Termen wie $ |{\boldsymbol {v}}(t)|{\boldsymbol {\eta }}(t) $ auf der rechten Seite. Solche Gleichungen können nach Ito- oder Stratonovich-Schema interpretiert werden (nach Itō Kiyoshi, Ruslan Stratonovich), und wenn die Herleitung der Langevingleichung hierzu keine Information liefert, ist die Herleitung sowieso fragwürdig.

Generische Langevingleichung

Eine generische Langevingleichung lässt sich mit Projektionsoperator-Methoden aus der klassischen Mechanik herleiten.[2][3] Diese generische Langevingleichung spielt eine zentrale Rolle in der Theorie der kritischen Dynamik[4] und in anderen Bereichen der Nicht-Gleichgewichts-Thermodynamik. Die Gleichung für Brownsche Bewegung weiter oben ist ein Spezialfall.

Eine wesentliche Voraussetzung der Herleitung ist ein Kriterium zur Aufteilung der Freiheitsgrade in die Kategorien langsam und schnell. Z. B. wird in einer Flüssigkeit lokales thermisches Gleichgewicht innerhalb weniger Stoßzeiten erreicht. Es dauert dagegen viel länger, bis Dichten von Erhaltungsgrößen wie Masse oder Energie zum Gleichgewichtswert relaxieren. Dichten von Erhaltungsgrößen und insbesondere deren Anteile mit großen Wellenlängen sind also Kandidaten für langsame Variablen. Technisch wird die Unterteilung mit dem Zwanzig-Projektionsoperator[5] realisiert, dem wesentlichen Werkzeug der Herleitung. Die Herleitung verwendet wenige (plausible) Annahmen welche in ähnlicher Weise auch anderswo in der statistischen Physik benötigt werden und ist daher nicht streng mathematisch.

Es bezeichne $ A=\{A_{i}\} $ die langsamen Variablen. Die generische Langevingleichung lautet dann

$ {\frac {\mathrm {d} A_{i}}{\mathrm {d} t}}=k_{\text{B}}T\sum \limits _{j}{\left[{A_{i},A_{j}}\right]{\frac {{\mathrm {d} }{\mathcal {H}}}{\mathrm {d} A_{j}}}}-\sum \limits _{j}{\lambda _{i,j}\left(A\right){\frac {\mathrm {d} {\mathcal {H}}}{\mathrm {d} A_{j}}}+}\sum \limits _{j}{\frac {\mathrm {d} {\lambda _{i,j}\left(A\right)}}{\mathrm {d} A_{j}}}+\eta _{i}\left(t\right). $

Die fluktuierende Kraft $ \eta _{i}\left(t\right) $ gehorcht einer Normalverteilung mit Korrelationsfunktion

$ \left\langle \eta _{i}\left(t\right)\eta _{j}\left(t^{\prime }\right)\right\rangle =2\lambda _{i,j}\left(A\right)\delta \left(t-t^{\prime }\right). $

Dies impliziert die Onsagersche Reziprozitätsbeziehungen $ \lambda _{i,j}=\lambda _{j,i} $ für die Dämpfungskoeffizienten $ \lambda $. Die Abhängigkeit $ \mathrm {d} \lambda _{i,j}/\mathrm {d} A_{j} $ von $ \lambda $ von $ A $ ist in den meisten Fällen vernachlässigbar. Das Symbol $ {\mathcal {H}}=-\ln \left(p_{0}\right) $ bezeichnet die Hamiltonian des Systems, $ p_{0}\left(A\right) $ ist die Gleichgewichts-Wahrscheinlichkeitsverteilung der Variablen $ A $. Die Klammer $ [A_{i},A_{j}] $ schließlich ist die Projektion der Poissonklammer der langsamen Variablen $ A_{i} $ und $ A_{j} $ in den Raum der langsamen Variablen.

Im Fall der Brownschen Bewegung hätte man $ {\mathcal {H}}=\mathbf {p} ^{2}/\left(2mk_{\text{B}}T\right) $, $ A=\{\mathbf {p} \} $ oder $ A=\{\mathbf {x} ,\mathbf {p} \} $ und $ [x_{i},p_{j}]=\delta _{i,j} $. Die Bewegungsgleichung $ \mathrm {d} \mathbf {x} /\mathrm {d} t=\mathbf {p} /m $ für $ \mathbf {x} $ ist exakt, es gibt keine fluktuierende Kraft $ \eta _{x} $ und keinen Dämpfungskoeffizienten $ \lambda _{x,p} $.

Beispiele

Ein elektrischer Stromkreis mit einem Widerstand und einem Kondensator.

Widerstandsrauschen

Die Abbildung rechts zeigt einen elektrischen Stromkreis bestehend aus einem Widerstand mit elektrischem Widerstand $ R $ und einem Kondensator mit Kapazität $ C $. Die langsame Variable ist die Spannung $ U $ am Kondensator oder Widerstand. Die Hamiltonian lautet $ {\mathcal {H}}=E/(k_{\text{B}}T)=CU^{2}/(2k_{B}T) $, und die Langevingleichung wird

$ {\frac {\mathrm {d} U}{\mathrm {d} t}}=-{\frac {U}{RC}}+\eta \left(t\right),\;\;\left\langle \eta \left(t\right)\eta \left(t^{\prime }\right)\right\rangle ={\frac {2k_{\text{B}}T}{RC^{2}}}\delta \left(t-t^{\prime }\right). $

Die daraus folgende Korrelationsfunktion

$ \left\langle U\left(t\right)U\left(t^{\prime }\right)\right\rangle =\left(k_{\text{B}}T/C\right)\exp \left(-\left\vert t-t^{\prime }\right\vert /RC\right)\approx 2Rk_{\text{B}}T\delta \left(t-t^{\prime }\right), $

wird zu einem weißen Rauschen (Nyquist-Rauschen, Johnson-Rauschen) wenn die Kapazität klein wird.

Überdämpfte Brownsche Bewegung

Ein Grenzfall der klassischen Langevingleichung ist der Fall starker Reibung (oder kleiner Masse $ m $). In diesem Fall ist der Trägheitsterm $ m\mathrm {d} \mathbf {v} /\mathrm {d} t $ vernachlässigbar und man spricht von Überdämpfung. Die Langevingleichung erhält die Form

$ \lambda {\frac {\mathrm {d} \mathbf {x} }{\mathrm {d} t}}={\boldsymbol {\eta }}\left(t\right). $

Integration und Mittelung des Quadrats über die fluktuierende Kraft liefert $ \left\langle \mathbf {x} (t)^{2}\right\rangle =2k_{\text{B}}TDt/\lambda , $ wo $ D $ die Raumdimension ist. Mit Hilfe dieser Gleichung kann bei bekanntem Reibungskoeffizienten aus experimentell gemessener Diffusion die Boltzmannkonstante $ k_{\text{B}} $ bestimmt werden. Die nicht überdämpfte Langevingleichung liefert übrigens dasselbe Diffusionsgesetz.

Mikrodrehwaage (harmonischer Oszillator)

Hierbei handelt es sich um einen an einem Quartzfaden hängenden Spiegel. Ein am Spiegel reflektierter Lichtstrahl ermöglicht genaue Messungen. Die langsamen Variablen sind Drehimpuls $ j $ und Auslenkungswinkel $ \phi $ mit Hamiltonian

$ {\mathcal {H}}={\frac {1}{k_{\text{B}}T}}\left({\frac {j^{2}}{2N}}+{\frac {w\phi ^{2}}{2}}\right). $

Die Dämpfungskonstante ist über den Luftdruck adjustierbar. Mit Hilfe der entsprechenden Langevingleichung und Experimenten erhält man einen genauen Wert für die Boltzmannkonstante. Umgekehrt beschreibt die Langevingleichung, wie thermische Fluktuationen der Empfindlichkeit von Zeigerinstrumenten eine Grenze setzen.

Kritische Dynamik

Der Ordnungsparameter eines kontinuierlichen Phasenübergangs ändert sich in der Nähe des kritischen Punktes nur mehr langsam und seine Dynamik ist mit einer i. A. nichtlinearen Langevingleichung beschreibbar.[4] Der einfachste Fall ist die Universalitätsklasse „Modell A“ mit einem nicht erhaltenen skalaren Ordnungsparameter $ \varphi $, realisiert z. B. in einem axialen Ferromagneten. Die Langevingleichung lautet

$ {\begin{aligned}{\frac {\partial \varphi \left(\mathbf {x} ,t\right)}{\partial t}}&=-\lambda {\frac {\delta {\mathcal {H}}}{\delta \varphi }}+\eta \left(\mathbf {x} ,t\right),\\{\mathcal {H}}&=\int \mathrm {d} ^{d}x\left\{{\frac {1}{2}}\varphi \left[r_{0}-\nabla ^{2}\right]\varphi +u\varphi ^{4}\right\},\\\left\langle \eta \left(\mathbf {x} ,t\right)\eta \left(\mathbf {x} ',t'\right)\right\rangle &=2\lambda \delta \left(\mathbf {x} -\mathbf {x} '\right)\delta \left(t-t'\right).\end{aligned}} $

Andere Universalitätsklassen (die Nomenklatur ist „Modell A“, …, „Modell J“)[4] haben einen diffundierenden Ordnungsparameter, Ordnungsparameter mit mehreren Komponenten, zusätzliche andere langsame Variable und meistens auch Beiträge von Poissonklammern.

Anderson-Lokalisierung in einer Dimension

Langevingleichungen treten manchmal in unerwartetem anderem Zusammenhang auf. Ein Beispiel ist die Anderson-Lokalisierung. Die zeitunabhängige Schrödingergleichung für ein Teilchen der Masse $ m $ in einem Potential $ V $ in einer Dimension lässt sich schreiben

$ \psi ''/\psi =\left(2m/\hbar ^{2}\right)\left(V-E\right). $

Hierbei ist $ \psi $ die Wellenfunktion, $ \hbar $ das Wirkungsquantum und $ E $ ein Energie-Eigenwert. Mit $ f=\psi '/\psi $ wird die Schrödingergleichung zu[6]

$ f'=-f^{2}+\left(2m/\hbar ^{2}\right)\left(V-E\right). $

Wenn nun das Potential von zufällig verteilten Verunreinigungen herrührt, so dass es mit einem Gaußschen weißen Rauschen mit $ \left\langle V\left(x\right)\right\rangle =0 $ und $ \left\langle V\left(x\right)\left\langle V\left(x'\right)\right\rangle \right\rangle =\delta \left(x-x'\right) $ beschreibbar ist, dann ist die Gleichung für $ f $ eine Langevingleichung, wobei die Koordinate $ x $ die Rolle der Zeit spielt.

Äquivalente Techniken

In der Regel ist eine Lösung einer Langevingleichung zu einer bestimmten Realisierung der fluktuierenden Kraft uninteressant. Stattdessen interessiert man sich für Korrelationsfunktionen der langsamen Variablen nach Mittelung über die fluktuierende Kraft. Solche Mittelwerte lassen sich auch auf anderem Weg erhalten.

Fokker-Planck-Gleichung

Eine Fokker-Planck-Gleichung ist eine deterministische Gleichung für die zeitabhängige Wahrscheinlichkeitsverteilung $ P\left(A,t\right) $ der langsamen Variablen $ A $. Die der generischen Langevingleichung weiter oben entsprechende Fokker-Planck-Gleichung lässt sich mit Standard-Techniken erhalten (z. B. Ref.[7]),

$ {\frac {\partial P\left(A,t\right)}{\partial t}}=\sum _{i,j}{\frac {\partial }{\partial A_{i}}}\left(-k_{\text{B}}T\left[A_{i},A_{j}\right]{\frac {\partial {\mathcal {H}}}{\partial A_{j}}}+\lambda _{i,j}{\frac {\partial {\mathcal {H}}}{\partial A_{j}}}+\lambda _{i,j}{\frac {\partial }{\partial A_{j}}}\right)P\left(A,t\right). $

Die Gleichgewichtsverteilung $ P(A,t)=p_{0}(A)={\text{const}}\times \exp(-{\mathcal {H}}) $ ist eine stationäre Lösung.

Pfadintegral

Ein zu einer Langevingleichung äquivalentes Pfadintegral kann man aus der entsprechenden Fokker-Planck-Gleichung oder direkt aus der Langevingleichung[8] erhalten. Das der generischen Langevingleichung entsprechende Pfadintegral ist

$ \int P(A,{\tilde {A}})\,\mathrm {d} A\,\mathrm {d} {\tilde {A}}=N\int \exp \left(L(A,{\tilde {A}})\right)\mathrm {d} A\,\mathrm {d} {\tilde {A}}, $

wo $ N $ ein Normierungsfaktor ist und

$ L(A,{\tilde {A}})=\int \sum _{i,j}\left\{{\tilde {A}}_{i}\lambda _{i,j}{\tilde {A}}_{j}-{\widetilde {A}}_{i}\left\{\delta _{i,j}{\frac {\mathrm {d} A_{j}}{\mathrm {d} t}}-k_{\text{B}}T\left[A_{i},A_{j}\right]{\frac {\mathrm {d} {\mathcal {H}}}{\mathrm {d} A_{j}}}+\lambda _{i,j}{\frac {\mathrm {d} {\mathcal {H}}}{\mathrm {d} A_{j}}}-{\frac {\mathrm {d} \lambda _{i,j}}{\mathrm {d} A_{j}}}\right\}\right\}\mathrm {d} t. $

Die Hilfsvariablen $ {\tilde {A}} $ heißen Antwort-Variablen. Die Pfadintegraldarstellung vereinfacht die Anwendung von Techniken der Quantenfeldtheorie, wie etwa der Störungsrechnung und der Renormierungsgruppe.

Simulationen

Simulationen der Langevin-Gleichung sind eine Art von Monte-Carlo-Simulation[9]

Literatur

  • Don S. Lemons, Anthony Gythiel: Paul Langevin’s 1908 paper „On the Theory of Brownian Motion“ [„Sur la théorie du mouvement brownien,“ C. R. Acad. Sci. (Paris) 146, 530–533 (1908)], Am. J. Phys. 65, 1079 (1997), DOI:10.1119/1.18725
  • N.G. Van Kampen: „Stochastic Processes in Physics and Chemistry.“. 3. Auflage. North Holland, 2007.
  • Schwabl, Franz: Statistische Mechanik. Springer, ISBN 3-540-31095-9
  • Huang, Kerson: Statistical Mechanics. Wiley, ISBN 978-81-265-1849-4
  • Huang, Kerson: Introduction to Statistical Physics. CRC Press, ISBN 0-7484-0942-4

Einzelnachweise

  1. N. G. Van Kampen: Stochastic Processes in Physics and Chemistry. Elsevier, 2007, ISBN 978-0-444-52965-7, doi:10.1016/b978-0-444-52965-7.x5000-4.
  2. K. Kawasaki: Simple derivations of generalized linear and nonlinear Langevin equations. In: J. Phys. A: Math. Nucl. Gen. 6. Jahrgang, 1973, S. 1289, doi:10.1088/0305-4470/6/9/004, bibcode:1973JPhA....6.1289K.
  3. arxiv:1506.02650v2
  4. 4,0 4,1 4,2 P. C. Hohenberg, B. I. Halperin: Theory of dynamic critical phenomena. In: Reviews of Modern Physics. 49. Jahrgang, Nr. 3, 1977, S. 435?479, doi:10.1103/RevModPhys.49.435, bibcode:1977RvMP...49..435H.
  5. R. Zwanzig: Memory effects in irreversible thermodynamics. In: Phys. Rev. 124. Jahrgang, Nr. 4, 1961, S. 983?992, doi:10.1103/PhysRev.124.983, bibcode:1961PhRv..124..983Z.
  6. B. I. Halperin: Green's Functions for a Particle in a One-Dimensional Random Potential. In: Phys. Rev. 139. Jahrgang, 1A, 1965, S. A104, doi:10.1103/PhysRev.139.A104.
  7. S. Ichimaru: Basic Principles of Plasma Physics. Benjamin, 1973, ISBN 3-540-61236-X.
  8. H. K. Janssen: Lagrangean for Classical Field Dynamics and Renormalization Group Calculations of Dynamical Critical Properties. In: Z. Phys. B. 23. Jahrgang, 1976, S. 377, doi:10.1007/BF01316547, bibcode:1976ZPhyB..23..377J.
  9. Mikio Namiki: Stochastic Quantization. (en). Springer Science & Business Media, 4. Oktober 2008, ISBN 978-3-540-47217-9, S. 176.