Drude-Theorie: Unterschied zwischen den Versionen

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Die '''Drude-Theorie''' (auch '''Drude-Modell''', nach [[Paul Drude]]<ref name="AdP">{{Literatur|Autor=Paul Drude|Titel=Zur Elektronentheorie der Metalle|Sammelwerk=Annalen der Physik|Band=306|Jahr=1900|Nummer=3|Seiten=566–613|DOI=10.1002/andp.19003060312|Online=[https://archive.org/stream/annalenderphysi71unkngoog#page/n585/mode/2up Volltext in Internet Archive BookReader - ab S 566-..]}}</ref><ref name="PZ">Paul Drude: ''Zur Ionentheorie der Metalle.'' In: ''Physikalische Zeitschrift.'' Jg. 1, Nr. 14, 1900, {{ZDB|200089-1}}, [https://archive.org/stream/bub_gb_QFRMAAAAMAAJ#page/n177/mode/2up S. 161–165].</ref>, veröffentlicht um 1900) ist eine [[Klassische Physik|klassische]] Beschreibung des [[Elektrischer Strom|Ladungstransports]] durch ein externes [[elektrisches Feld]] in [[Metalle]]n oder verallgemeinert durch freie [[Elektron]]en in [[Festkörper]]n. Bei Betrachtung von elektrischen [[Wechselfeld]]ern (damit auch [[Licht]]) wird auch die Bezeichnung '''Drude-Zener-Theorie''' bzw. '''-Modell''' (nach [[Clarence Melvin Zener]]) verwendet.<ref>[http://www.orc.soton.ac.uk/publications/theses/1420T_pdf/1420T_pdf_2.pdf Absorption processes in semiconductors] (Abschnitt 2.1.3)</ref>
Die '''Drude-Theorie''' (auch '''Drude-Modell''', nach [[Paul Drude]]<ref name="AdP">{{Literatur|Autor=Paul Drude|Titel=Zur Elektronentheorie der Metalle|Sammelwerk=Annalen der Physik|Band=306|Jahr=1900|Nummer=3|Seiten=566–613|DOI=10.1002/andp.19003060312|Online=[https://archive.org/stream/annalenderphysi71unkngoog#page/n585/mode/2up Volltext in Internet Archive BookReader - ab S 566-..]}}</ref><ref name="PZ">Paul Drude: ''Zur Ionentheorie der Metalle.'' In: ''Physikalische Zeitschrift.'' Jg. 1, Nr. 14, 1900, {{ZDB|200089-1}}, [https://archive.org/stream/bub_gb_QFRMAAAAMAAJ#page/n177/mode/2up S. 161–165].</ref>, veröffentlicht um 1900) ist eine [[Klassische Physik|klassische]] Beschreibung des [[Elektrischer Strom|Ladungstransports]] durch ein externes [[elektrisches Feld]] in [[Metalle]]n oder verallgemeinert durch freie [[Elektron]]en in [[Festkörper]]n. Bei Betrachtung von elektrischen [[Wechselfeld]]ern (damit auch [[Licht]]) wird auch die Bezeichnung '''Drude-Zener-Theorie''' bzw. '''-Modell''' (nach [[Clarence Melvin Zener]]) verwendet.<ref>{{Webarchiv|text=Absorption processes in semiconductors |url=http://www.orc.soton.ac.uk/publications/theses/1420T_pdf/1420T_pdf_2.pdf |wayback=20170328222046 |archiv-bot=2018-04-07 08:35:14 InternetArchiveBot }} (Abschnitt 2.1.3)</ref>


Mit dem Drude-Modell konnte erstmals das [[Ohmsches Gesetz|ohmsche Gesetz]] erklärt werden, wenn auch der mit diesem Modell berechnete [[Elektrischer Widerstand|Widerstands]]<nowiki/>wert etwa sechsmal größer ist als der wahre (gemessene) Widerstandswert des jeweiligen Materials.
Mit dem Drude-Modell konnte erstmals das [[Ohmsches Gesetz|ohmsche Gesetz]] erklärt werden, wenn auch der mit diesem Modell berechnete [[Elektrischer Widerstand|Widerstands]]<nowiki/>wert etwa sechsmal größer ist als der wahre (gemessene) Widerstandswert des jeweiligen Materials. Grund dafür ist, dass tatsächlich aufgrund quantenstatistischer Vorgänge mehr Elektronen zur Verfügung stehen, da die [[Fermi-Energie]] erreicht wird.  


Die Drude-Theorie wurde 1905 von [[Hendrik Antoon Lorentz]] erweitert und 1933 von [[Arnold Sommerfeld]] und [[Hans Bethe]] um die Ergebnisse der [[Quantenmechanik]] ergänzt.<ref name="HdP">Arnold Sommerfeld, Hans Bethe: ''Elektronentheorie der Metalle.'' In: ''Handbuch der Physik.'' Band 24, Teil 2: ''Aufbau der zusammenhängenden Materie.'' 2. Auflage. Springer, Berlin 1933, S. 333–622.</ref>
Die Drude-Theorie wurde 1905 von [[Hendrik Antoon Lorentz]] erweitert und 1933 von [[Arnold Sommerfeld]] und [[Hans Bethe]] um die Ergebnisse der [[Quantenmechanik]] ergänzt.<ref name="HdP">Arnold Sommerfeld, Hans Bethe: ''Elektronentheorie der Metalle.'' In: ''Handbuch der Physik.'' Band 24, Teil 2: ''Aufbau der zusammenhängenden Materie.'' 2. Auflage. Springer, Berlin 1933, S. 333–622.</ref>


== Beschreibung ==
== Beschreibung ==
Im Drude-Modell wird ein [[elektrischer Leiter]] als [[Ionenkristall]] betrachtet, in dem sich die Elektronen frei bewegen können, ein [[Elektronengas]] bilden und so verantwortlich für die Stromleitung sind. Der Begriff Elektronengas rührt von der Ähnlichkeit dieser Theorie zur [[Kinetische Gastheorie|kinetischen Gastheorie]] her: herrscht im Inneren des Leiters nämlich ''kein'' elektrisches Feld, so verhalten sich die Elektronen wie [[Gas]]<nowiki/>teilchen in einem Behälter.
Im Drude-Modell wird ein [[elektrischer Leiter]] als [[Ionenkristall]] betrachtet, in dem sich die Elektronen frei bewegen können, ein [[Elektronengas]] bilden und so verantwortlich für die Stromleitung sind. Der Begriff Elektronengas rührt von der Ähnlichkeit dieser Theorie zur [[Kinetische Gastheorie|kinetischen Gastheorie]] her: Herrscht im Inneren des Leiters nämlich ''kein'' elektrisches Feld, so verhalten sich die Elektronen wie [[Gas]]<nowiki/>teilchen in einem Behälter.


Durch ein äußeres [[elektrisches Feld]] <math>\vec E</math> erfahren die freien Elektronen im Leiter eine [[Kraft]]<nowiki/>wirkung <math>F_{el} = q \cdot E</math> und werden [[Beschleunigung|beschleunigt]], jedoch nicht kontinuierlich. Wäre dies so, dann dürften der Widerstand und die [[Stromstärke]] nicht konstant sein und das ohmsche Gesetz würde somit nicht gelten. Nach kurzer Zeit stellt sich jedoch ein Gleichgewicht ein, bei dem die mittlere Geschwindigkeit des Elektrons und damit der elektrische Strom [[proportional]] zur [[Feldstärke]] ist.
=== Gleichstromleitfähigkeit ===
Durch ein äußeres [[elektrisches Feld]] <math>\vec E</math> erfahren die freien Elektronen im Leiter eine [[Kraft]]<nowiki/>wirkung <math>F_\mathrm{el} = q \cdot E</math> und werden [[Beschleunigung|beschleunigt]], jedoch nicht kontinuierlich. Wäre dies so, dann dürften der Widerstand und die [[Stromstärke]] nicht konstant sein und das ohmsche Gesetz würde somit nicht gelten. Nach kurzer Zeit stellt sich jedoch ein Gleichgewicht ein, bei dem die mittlere Geschwindigkeit des Elektrons und damit der elektrische Strom [[proportional]] zur [[Feldstärke]] ist.


Dies wird vom Drude-Modell dadurch erklärt, dass das Elektron mit einem Gitterion zusammenstößt und abgebremst wird. Dieser Vorgang wird [[phänomenologisch]] durch eine mittlere [[Mittlere freie Flugzeit|Stoßzeit <math>\tau</math>]] zwischen zwei [[Kollision]]en beschrieben. Mit steigender Temperatur ''sinkt'' die mittlere Stoßzeit und damit auch die [[elektrische Leitfähigkeit]] der Metalle.
Dies wird vom Drude-Modell dadurch erklärt, dass das Elektron mit einem Gitterion zusammenstößt und abgebremst wird. Dieser Vorgang wird [[phänomenologisch]] durch eine mittlere [[Mittlere freie Flugzeit|Stoßzeit <math>\tau</math>]] zwischen zwei [[Kollision]]en beschrieben. Mit steigender Temperatur ''sinkt'' die mittlere Stoßzeit und damit auch die [[elektrische Leitfähigkeit]] der Metalle.
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Die [[Bewegungsgleichung]] hierfür lautet:
Die [[Bewegungsgleichung]] hierfür lautet:


:<math>m \dot{v} + \frac{m}{\tau} v_D = -e E</math>
:<math>m \dot{v} + \frac{m}{\tau} v_\mathrm{D} = -e E</math>


mit
mit
* <math>m</math> der Elektronenmasse
* <math>m</math> der Elektronenmasse
* <math>v</math> der Elektronengeschwindigkeit
* <math>v</math> der Elektronengeschwindigkeit
* <math>v_D </math> der [[Driftgeschwindigkeit]] (e-Geschwindigkeit abzüglich der thermischen Geschwindigkeit) und
* <math>v_\mathrm{D} </math> der [[Driftgeschwindigkeit]] (e-Geschwindigkeit abzüglich der thermischen Geschwindigkeit) und
* <math>\tau</math> der Stoßzeit
* <math>\tau</math> der Stoßzeit
* <math>e</math> der [[Elementarladung]].
* <math>e</math> der [[Elementarladung]].
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Für den stationären Zustand (<math>\dot v = 0</math>) gilt:
Für den stationären Zustand (<math>\dot v = 0</math>) gilt:


:<math>\Rightarrow v_D = - \frac{e \cdot \tau}{m} E</math>
:<math>\Rightarrow v_\mathrm{D} = - \frac{e \cdot \tau}{m} E</math>


Mit der [[Ladungsträgerdichte]] <math>n</math> ergibt sich die [[elektrische Stromdichte|Stromdichte]] <math>j</math> damit zu:
Mit der [[Ladungsträgerdichte]] <math>n</math> ergibt sich die [[elektrische Stromdichte|Stromdichte]] <math>j</math> damit zu:


:<math>j = -e \cdot n \cdot v_D = \frac{e^2 \cdot \tau \cdot n}{m} E</math>
:<math>j = -e \cdot n \cdot v_\mathrm{D} = \frac{e^2 \cdot \tau \cdot n}{m} E</math>


Die Leitfähigkeit <math>\sigma</math> ist daher:
Die Gleichstromleitfähigkeit <math>\sigma</math> ist daher:


:<math style = "border: 1px black; border-style: solid; padding: 1em">\sigma = \frac{j}{E} = \frac{e^2 \cdot \tau \cdot n}{m}</math>
:<math style = "border: 1px black; border-style: solid; padding: 1em">\sigma = \frac{j}{E} = \frac{e^2 \cdot \tau \cdot n}{m}</math>


Diese Gleichung wird auch als '''''Drude-Formel''''' oder '''''Drude-Leitfähigkeit''''' bezeichnet.
Diese Gleichung wird auch als '''''Drude-Formel''''' oder '''''Drude-Leitfähigkeit''''' bezeichnet.
=== Frequenzabhängige elektrische Leitfähigkeit ===
Für ein sich periodisch mit der [[Kreisfrequenz]] <math>\omega</math> änderndes elektrisches Feld
:<math>E(t) = \hat{E}(\omega) \cdot \exp(-\mathrm{i} \omega t)</math>
stellt sich, sofern die Kreisfrequenz genügend hoch ist (<math> \omega \tau \gg 1</math>) und die elektrische Feldstärke begrenzt bleibt, sodass eine lineare Stromantwort vorliegt, keine konstante Driftgeschwindigkeit ein. Es ist dann die Einteilchengleichung 
:<math>m \dot{v}(t) + \frac{m}{\tau} v(t) = -e E(t)</math>
zu lösen. Diese Gleichung gilt für [[Isotropie|isotrope]] Materialien, bei denen die elektrische [[Stromdichte]]  <math> j(\omega)</math> mit dem elektrischen Feld über eine skalare Proportionalitätskonstante, die [[elektrische Leitfähigkeit|elektrischen Leitfähigkeit]] <math> \sigma(\omega) </math> , verknüpft ist: :<math> j(\omega) = \sigma(\omega) \cdot \hat{E}(\omega) </math>.
Wenn diese Bedingung nicht erfüllt ist, müssen die elektrische Stromdichte und das elektrische Feld [[Vektor|vektoriell]] und die Leitfähigkeit als [[Tensor]] beschrieben werden.
Im isotropen Fall erhält man mit dem Ansatz <math> v(t) = \hat{v} (\omega) \cdot \exp(- \mathrm{i} \omega t) </math>, wobei <math>\hat{v}(\omega)</math> komplexwertig ist und so die Phasenverschiebung von <math>v(t)</math> relativ zu <math>E(t)</math> berücksichtigt, die Lösung
:<math> \hat{v} (\omega)= - \frac{e \tau}{m} \cdot \frac{1}{1 - \mathrm{i} \omega \tau} \cdot \hat{E} (\omega) </math>.
Mit <math> j(\omega) = - n e \hat{v}(\omega) </math> und der Beziehung <math> j(\omega) = \sigma(\omega) \cdot \hat{E}(\omega) </math>
erhält man für das Material mit der Ladungsträgerdichte <math>n</math> die frequenzabhängigen Leitfähigkeit zu <ref name="SAM">Stefan Alexander Maier: ''Plasmonics: Fundamentals and applications'', Springer, Berlin 2007, ISBN 978-0-387-37825-1, Kap. 1.2.</ref>
:<math> \sigma(\omega) = \frac{n e^2 \tau}{m} \cdot \frac{1}{1 - \mathrm{i} \omega \tau} = \frac{\sigma_{\mathrm{DC}}}{1 - \mathrm{i} \omega \tau} </math>.
<math> \sigma_{\mathrm{DC}} </math> ist die im vorherigen Abschnitt angegebene Gleichstromleitfähigkeit. Diese lässt sich auch über die [[Plasmafrequenz]] ausdrücken als
<math> \sigma_{\mathrm{DC}} = \epsilon_0 \cdot \omega_p^2 \cdot \tau </math>, wobei <math> \omega_p^2 = n e^2 / (\epsilon_0 m) </math> ist.
In der [[Optik]] stellt man den Bezug zur [[dielektrische Funktion|dielektrischen Funktion]] über die Beziehung 
:<math> \epsilon (\omega) = \epsilon_{\infty} + \frac{\mathrm{i} \sigma (\omega)}{\epsilon_0 \omega} </math>
her und erhält <ref name="SAM"></ref>
:<math> \epsilon (\omega) = \epsilon_{\infty} - \frac{\omega_p^2}{\omega^2 + \mathrm{i} \omega/\tau} </math>.
<math> \epsilon_{\infty} </math> ist der dielektrische Hintergrund im Material ohne den Beitrag der freien Ladungsträger.


== Grenzen ==
== Grenzen ==
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Es sagt eine Proportionalität von Widerstand und Elektronengeschwindigkeit zur Wurzel aus der Temperatur voraus, die in Wirklichkeit nicht gegeben ist.
Es sagt eine Proportionalität von Widerstand und Elektronengeschwindigkeit zur Wurzel aus der Temperatur voraus, die in Wirklichkeit nicht gegeben ist.


Des Weiteren kann keine Aussage darüber getroffen werden, ob ein Material ein [[Leiter (Physik)|Leiter]], [[Halbleiter]] oder ein [[Isolator]] ist. Letzteres kann als Vorteil gewertet werden, indem man die Theorie auch auf die freien Elektronen im [[Leitungsband]] eines Halbleiters anwenden kann. Abhilfe schafft die quantenmechanische Beschreibung durch das [[Sommerfeld-Theorie|sommerfeldsche Modell]]<ref name="HdP"/> bzw. weiterführend das [[Bändermodell]], in dem die [[Bandlücke]]n richtig vorausgesagt werden.
Des Weiteren kann keine Aussage darüber getroffen werden, ob ein Material ein [[Leiter (Physik)|Leiter]], [[Halbleiter]] oder ein [[Nichtleiter|Isolator]] ist. Letzteres kann als Vorteil gewertet werden, indem man die Theorie auch auf die freien Elektronen im [[Leitungsband]] eines Halbleiters anwenden kann. Abhilfe schafft die quantenmechanische Beschreibung durch das [[Sommerfeld-Theorie|sommerfeldsche Modell]]<ref name="HdP"/> bzw. weiterführend das [[Bändermodell]], in dem die [[Bandlücke]]n richtig vorausgesagt werden.


Eine Verallgemeinerung des Drude-Modells stellt das [[Lorentzoszillator|Lorentz-Oszillator-Modell]] (auch Drude-Lorentz-Modell) dar. Dabei werden zusätzliche [[Absorption (Physik)|Absorptions]]<nowiki/>maxima beschrieben, die beispielsweise durch [[Bandübergang|Bandübergänge]] verursacht werden. Mit dem Lorentz-Oszillator-Modell ist es möglich, die [[dielektrische Funktion]] einer Vielzahl von Materialien (auch Halbleitern und Isolatoren) zu beschreiben.<ref>{{Literatur|Herausgeber=Harland G. Tomkins, Eugene A. Irene|Titel=Handbook of Ellipsometry|Verlag=Springer u. a.|Ort=Heidelberg u. a.|ISBN=3-540-22293-6|Jahr=2005}}</ref>
Eine Verallgemeinerung des Drude-Modells stellt das [[Lorentzoszillator|Lorentz-Oszillator-Modell]] (auch Drude-Lorentz-Modell) dar. Dabei werden zusätzliche [[Absorption (Physik)|Absorptions]]<nowiki/>maxima beschrieben, die beispielsweise durch [[Bandübergang|Bandübergänge]] verursacht werden. Mit dem Lorentz-Oszillator-Modell ist es möglich, die [[dielektrische Funktion]] einer Vielzahl von Materialien (auch Halbleitern und Isolatoren) zu beschreiben.<ref>{{Literatur|Herausgeber=Harland G. Tomkins, Eugene A. Irene|Titel=Handbook of Ellipsometry|Verlag=Springer u. a.|Ort=Heidelberg u. a.|ISBN=3-540-22293-6|Jahr=2005}}</ref>

Aktuelle Version vom 22. Juni 2021, 00:44 Uhr

Schematische Darstellung
der Bewegung von Elektronen (blau)
in einem Kristallgitter (rot)
nach der Drude-Theorie,
mit (Erläuterungen im Text):
vd: Driftgeschwindigkeit der Elektronen
E: Richtung des elektrischen Feldes
I: Richtung des elektrischen Stroms

Die Drude-Theorie (auch Drude-Modell, nach Paul Drude[1][2], veröffentlicht um 1900) ist eine klassische Beschreibung des Ladungstransports durch ein externes elektrisches Feld in Metallen oder verallgemeinert durch freie Elektronen in Festkörpern. Bei Betrachtung von elektrischen Wechselfeldern (damit auch Licht) wird auch die Bezeichnung Drude-Zener-Theorie bzw. -Modell (nach Clarence Melvin Zener) verwendet.[3]

Mit dem Drude-Modell konnte erstmals das ohmsche Gesetz erklärt werden, wenn auch der mit diesem Modell berechnete Widerstandswert etwa sechsmal größer ist als der wahre (gemessene) Widerstandswert des jeweiligen Materials. Grund dafür ist, dass tatsächlich aufgrund quantenstatistischer Vorgänge mehr Elektronen zur Verfügung stehen, da die Fermi-Energie erreicht wird.

Die Drude-Theorie wurde 1905 von Hendrik Antoon Lorentz erweitert und 1933 von Arnold Sommerfeld und Hans Bethe um die Ergebnisse der Quantenmechanik ergänzt.[4]

Beschreibung

Im Drude-Modell wird ein elektrischer Leiter als Ionenkristall betrachtet, in dem sich die Elektronen frei bewegen können, ein Elektronengas bilden und so verantwortlich für die Stromleitung sind. Der Begriff Elektronengas rührt von der Ähnlichkeit dieser Theorie zur kinetischen Gastheorie her: Herrscht im Inneren des Leiters nämlich kein elektrisches Feld, so verhalten sich die Elektronen wie Gasteilchen in einem Behälter.

Gleichstromleitfähigkeit

Durch ein äußeres elektrisches Feld $ {\vec {E}} $ erfahren die freien Elektronen im Leiter eine Kraftwirkung $ F_{\mathrm {el} }=q\cdot E $ und werden beschleunigt, jedoch nicht kontinuierlich. Wäre dies so, dann dürften der Widerstand und die Stromstärke nicht konstant sein und das ohmsche Gesetz würde somit nicht gelten. Nach kurzer Zeit stellt sich jedoch ein Gleichgewicht ein, bei dem die mittlere Geschwindigkeit des Elektrons und damit der elektrische Strom proportional zur Feldstärke ist.

Dies wird vom Drude-Modell dadurch erklärt, dass das Elektron mit einem Gitterion zusammenstößt und abgebremst wird. Dieser Vorgang wird phänomenologisch durch eine mittlere Stoßzeit $ \tau $ zwischen zwei Kollisionen beschrieben. Mit steigender Temperatur sinkt die mittlere Stoßzeit und damit auch die elektrische Leitfähigkeit der Metalle.

Die Bewegungsgleichung hierfür lautet:

$ m{\dot {v}}+{\frac {m}{\tau }}v_{\mathrm {D} }=-eE $

mit

  • $ m $ der Elektronenmasse
  • $ v $ der Elektronengeschwindigkeit
  • $ v_{\mathrm {D} } $ der Driftgeschwindigkeit (e-Geschwindigkeit abzüglich der thermischen Geschwindigkeit) und
  • $ \tau $ der Stoßzeit
  • $ e $ der Elementarladung.

Für den stationären Zustand ($ {\dot {v}}=0 $) gilt:

$ \Rightarrow v_{\mathrm {D} }=-{\frac {e\cdot \tau }{m}}E $

Mit der Ladungsträgerdichte $ n $ ergibt sich die Stromdichte $ j $ damit zu:

$ j=-e\cdot n\cdot v_{\mathrm {D} }={\frac {e^{2}\cdot \tau \cdot n}{m}}E $

Die Gleichstromleitfähigkeit $ \sigma $ ist daher:

$ \sigma ={\frac {j}{E}}={\frac {e^{2}\cdot \tau \cdot n}{m}} $

Diese Gleichung wird auch als Drude-Formel oder Drude-Leitfähigkeit bezeichnet.

Frequenzabhängige elektrische Leitfähigkeit

Für ein sich periodisch mit der Kreisfrequenz $ \omega $ änderndes elektrisches Feld

$ E(t)={\hat {E}}(\omega )\cdot \exp(-\mathrm {i} \omega t) $

stellt sich, sofern die Kreisfrequenz genügend hoch ist ($ \omega \tau \gg 1 $) und die elektrische Feldstärke begrenzt bleibt, sodass eine lineare Stromantwort vorliegt, keine konstante Driftgeschwindigkeit ein. Es ist dann die Einteilchengleichung

$ m{\dot {v}}(t)+{\frac {m}{\tau }}v(t)=-eE(t) $

zu lösen. Diese Gleichung gilt für isotrope Materialien, bei denen die elektrische Stromdichte $ j(\omega ) $ mit dem elektrischen Feld über eine skalare Proportionalitätskonstante, die elektrischen Leitfähigkeit $ \sigma (\omega ) $ , verknüpft ist: :$ j(\omega )=\sigma (\omega )\cdot {\hat {E}}(\omega ) $. Wenn diese Bedingung nicht erfüllt ist, müssen die elektrische Stromdichte und das elektrische Feld vektoriell und die Leitfähigkeit als Tensor beschrieben werden.

Im isotropen Fall erhält man mit dem Ansatz $ v(t)={\hat {v}}(\omega )\cdot \exp(-\mathrm {i} \omega t) $, wobei $ {\hat {v}}(\omega ) $ komplexwertig ist und so die Phasenverschiebung von $ v(t) $ relativ zu $ E(t) $ berücksichtigt, die Lösung

$ {\hat {v}}(\omega )=-{\frac {e\tau }{m}}\cdot {\frac {1}{1-\mathrm {i} \omega \tau }}\cdot {\hat {E}}(\omega ) $.

Mit $ j(\omega )=-ne{\hat {v}}(\omega ) $ und der Beziehung $ j(\omega )=\sigma (\omega )\cdot {\hat {E}}(\omega ) $ erhält man für das Material mit der Ladungsträgerdichte $ n $ die frequenzabhängigen Leitfähigkeit zu [5]

$ \sigma (\omega )={\frac {ne^{2}\tau }{m}}\cdot {\frac {1}{1-\mathrm {i} \omega \tau }}={\frac {\sigma _{\mathrm {DC} }}{1-\mathrm {i} \omega \tau }} $.

$ \sigma _{\mathrm {DC} } $ ist die im vorherigen Abschnitt angegebene Gleichstromleitfähigkeit. Diese lässt sich auch über die Plasmafrequenz ausdrücken als $ \sigma _{\mathrm {DC} }=\epsilon _{0}\cdot \omega _{p}^{2}\cdot \tau $, wobei $ \omega _{p}^{2}=ne^{2}/(\epsilon _{0}m) $ ist.

In der Optik stellt man den Bezug zur dielektrischen Funktion über die Beziehung

$ \epsilon (\omega )=\epsilon _{\infty }+{\frac {\mathrm {i} \sigma (\omega )}{\epsilon _{0}\omega }} $

her und erhält [5]

$ \epsilon (\omega )=\epsilon _{\infty }-{\frac {\omega _{p}^{2}}{\omega ^{2}+\mathrm {i} \omega /\tau }} $.

$ \epsilon _{\infty } $ ist der dielektrische Hintergrund im Material ohne den Beitrag der freien Ladungsträger.

Grenzen

Das Drude-Modell steht mit seiner Annahme, alle Elektronen würden zum Strom beitragen, im Widerspruch zu den Aussagen des Pauli-Prinzips, und auch klassisch gesehen erzeugt diese Annahme einen Widerspruch: aus der statistischen Thermodynamik folgt, dass alle Freiheitsgrade eines Systems (hier: Festkörper) im Mittel $ {\tfrac {1}{2}}k_{\text{B}}T $ zu seiner inneren Energie beitragen. Jedes Elektron müsste also $ 3\cdot {\tfrac {1}{2}}k_{\text{B}}T $ liefern. Messungen haben aber gezeigt, dass der elektronische Beitrag zur Gesamtenergie etwa tausendmal kleiner ist. Es können also nicht alle Elektronen Teil des Elektronengases sein, und mehr noch: die Bewegung des Elektronengases ist weniger frei als es die kinetische Gastheorie beschreibt.

Abgesehen von der falsch vorhergesagten Größe der Leitfähigkeit bzw. des Widerstandes hat das Drude-Modell weitere deutliche Schwächen:

Es sagt eine Proportionalität von Widerstand und Elektronengeschwindigkeit zur Wurzel aus der Temperatur voraus, die in Wirklichkeit nicht gegeben ist.

Des Weiteren kann keine Aussage darüber getroffen werden, ob ein Material ein Leiter, Halbleiter oder ein Isolator ist. Letzteres kann als Vorteil gewertet werden, indem man die Theorie auch auf die freien Elektronen im Leitungsband eines Halbleiters anwenden kann. Abhilfe schafft die quantenmechanische Beschreibung durch das sommerfeldsche Modell[4] bzw. weiterführend das Bändermodell, in dem die Bandlücken richtig vorausgesagt werden.

Eine Verallgemeinerung des Drude-Modells stellt das Lorentz-Oszillator-Modell (auch Drude-Lorentz-Modell) dar. Dabei werden zusätzliche Absorptionsmaxima beschrieben, die beispielsweise durch Bandübergänge verursacht werden. Mit dem Lorentz-Oszillator-Modell ist es möglich, die dielektrische Funktion einer Vielzahl von Materialien (auch Halbleitern und Isolatoren) zu beschreiben.[6]

Einzelnachweise

  1. Paul Drude: Zur Elektronentheorie der Metalle. In: Annalen der Physik. Band 306, Nr. 3, 1900, S. 566–613, doi:10.1002/andp.19003060312 (Volltext in Internet Archive BookReader - ab S 566-..).
  2. Paul Drude: Zur Ionentheorie der Metalle. In: Physikalische Zeitschrift. Jg. 1, Nr. 14, 1900, ZDB-ID 200089-1, S. 161–165.
  3. Absorption processes in semiconductors (Memento des Originals vom 28. März 2017 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.orc.soton.ac.uk (Abschnitt 2.1.3)
  4. 4,0 4,1 Arnold Sommerfeld, Hans Bethe: Elektronentheorie der Metalle. In: Handbuch der Physik. Band 24, Teil 2: Aufbau der zusammenhängenden Materie. 2. Auflage. Springer, Berlin 1933, S. 333–622.
  5. 5,0 5,1 Stefan Alexander Maier: Plasmonics: Fundamentals and applications, Springer, Berlin 2007, ISBN 978-0-387-37825-1, Kap. 1.2.
  6. Harland G. Tomkins, Eugene A. Irene (Hrsg.): Handbook of Ellipsometry. Springer u. a., Heidelberg u. a. 2005, ISBN 3-540-22293-6.