Strukturfaktor: Unterschied zwischen den Versionen

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Der '''Strukturfaktor''' <math>F_{hkl}</math> ist ein Maß für das [[Streuung (Physik)|Streu]]<nowiki/>vermögen einer [[Kristallstruktur #Basis|Kristallbasis]]. Er gibt die relative [[Intensität (Physik)|Intensität]] des durch die [[Laue-Indizes]] <math>h</math>, <math>k</math>, <math>l</math> bestimmten [[Beugung (Physik)|Beugung]]s<nowiki/>reflexes an. Der Strukturfaktor hängt ab vom Aufbau der Basis, dem Streuvermögen der Basisatome und ihrer [[thermische Bewegung|thermischen Bewegung]]. Die Richtung, in welcher die Beugungsreflexe beobachtet werden können, werden von der [[Bragg-Bedingung|Bragg]]- bzw. äquivalent von der [[Laue-Bedingung]] angegeben, die vom reinen Kristallgitter ausgehen (ein punktförmiges Streuzentrum am Gitterpunkt).
Der '''Strukturfaktor''' <math>F_{hkl}</math> ist ein Maß für das [[Streuung (Physik)|Streu]]<nowiki />vermögen einer [[Kristallstruktur #Basis|Kristallbasis]]. Er gibt die relative [[Intensität (Physik)|Intensität]] des durch die [[Laue-Indizes]] <math>h</math>, <math>k</math>, <math>l</math> bestimmten [[Beugung (Physik)|Beugungs]]<nowiki />reflexes an. Der Strukturfaktor hängt ab vom Aufbau der Basis, dem Streuvermögen der Basisatome und ihrer [[Thermische Bewegung|thermischen Bewegung]]. Die Richtung, in welcher die Beugungsreflexe beobachtet werden können, werden von der [[Bragg-Bedingung|Bragg]]- bzw. äquivalent von der [[Laue-Bedingung]] angegeben, die vom reinen Kristallgitter ausgehen (ein punktförmiges Streuzentrum am Gitterpunkt).


* [[Röntgenbeugung]]: Die Streuung der [[Elektromagnetische Welle|elektromagnetischen Strahlung]] erfolgt an den [[Elektron]]en der [[Atom]]e. Der Strukturfaktor ist die [[Kontinuierliche Fourier-Transformation|Fouriertransformierte]] der Elektronenverteilung innerhalb einer [[Elementarzelle]].  
* [[Röntgenbeugung]]: Die Streuung der [[Elektromagnetische Welle|elektromagnetischen Strahlung]] erfolgt an den [[Elektron]]en der [[Atom]]e. Der Strukturfaktor ist die [[Kontinuierliche Fourier-Transformation|Fouriertransformierte]] der [[Elektronendichte|Elektronenverteilung]] innerhalb einer [[Elementarzelle]].
* [[Elektronenbeugung]]: Die [[Elektron]]en werden durch [[Coulomb-Wechselwirkung]] an den [[Atomhülle|Hülle]]n<nowiki/>elektronen und den [[Atomkern]]en gestreut. Der Strukturfaktor ist die Fouriertransformierte der Ladungsverteilung innerhalb einer Elementarzelle.
* [[Elektronenbeugung]]: Die Elektronen werden durch [[Coulomb-Wechselwirkung]] an den [[Atomhülle|Hüllen]]<nowiki />elektronen und den [[Atomkern]]en gestreut. Der Strukturfaktor ist die Fouriertransformierte der [[Ladungsverteilung]] innerhalb einer Elementarzelle.
* [[Neutronenbeugung]]: [[Neutron]]en wechselwirken durch [[starke Wechselwirkung]] mit den [[Atomkern]]en und wegen ihres [[Magnetisches Moment|magnetischen Moments]] mit dem magnetischen Moment der Atome. Der Strukturfaktor ist die Fouriertransformierte der Kernverteilung ([[Nukleon]]en<nowiki/>verteilung) und der magnetischen Struktur innerhalb einer Elementarzelle.
* [[Neutronenbeugung]]: [[Neutron]]en wechselwirken durch [[starke Wechselwirkung]] mit den [[Atomkern]]en und wegen ihres [[Magnetisches Moment|magnetischen Moments]] mit dem magnetischen Moment der Atome. Der Strukturfaktor ist die Fouriertransformierte der Kernverteilung ([[Nukleon]]en<nowiki />verteilung) und der magnetischen Struktur innerhalb einer Elementarzelle.


== Beschreibung ==
== Beschreibung ==
[[Datei:Strukturfaktor_Laue-Bedingung.png|thumb|right|Prinzip der Laue-Bedingung:</br>nur bei bestimmten Verhältnissen von <math>\vec r, \vec k</math> und k' [[Interferenz (Physik)|interferieren]] die beiden Strahlen konstruktiv]]
[[Datei:Strukturfaktor Laue-Bedingung.png|mini|Prinzip der Laue-Bedingung:<br />nur bei bestimmten Verhältnissen von <math>\vec r, \vec k</math> und&nbsp;k' [[Interferenz (Physik)|interferieren]] die beiden Strahlen konstruktiv]]


Man wählt einen Referenzpunkt innerhalb der Elementarzelle als Ursprung. Betrachtet werden zwei infinitesimale Volumenelemente <math>\mathrm{d}V</math> als Streuzentren, eines am Referenzpunkt <math>\vec{0}</math>, eines bei <math>\vec{r}</math>. Der Wellenvektor der einfallenden Strahlung sei <math>\vec k</math>, der der gestreuten sei <math>\vec k'</math>. Damit ergibt sich folgender [[Gangunterschied]] (Wegdifferenz):
Man wählt einen Referenzpunkt innerhalb der Elementarzelle als Ursprung. Betrachtet werden zwei [[infinitesimal]]e Volumenelemente <math>\mathrm{d}V</math> als Streuzentren, eines am Referenzpunkt <math>\vec{0}</math>, eines bei <math>\vec{r}</math>. Der [[Wellenvektor]] der einfallenden Strahlung sei <math>\vec k</math>, der der gestreuten sei <math>\vec k'</math>. Damit ergibt sich folgender [[Gangunterschied]] (Wegdifferenz):


:<math>\Delta s (\vec{r}\,)=\vec{r}\cdot\frac{\vec{k}'}{k'}-\vec{r}\cdot\frac{\vec{k}}{k}</math>
:<math>\begin{align}
\Delta s (\vec{r}) &= \vec{r} \cdot \frac{\vec{k}'}{k'} - \vec{r} \cdot \frac{\vec{k}}{k}\
                  &= \vec{r} \left(\frac{\vec{k}'}{k'} - \frac{\vec{k}}{k} \right)
\end{align}</math>
 
Der [[Phasenunterschied]] beträgt (die Streuung sei elastisch, also <math>k = k'</math>):
 
:<math>\varphi(\vec{r}) = 2\pi\frac{\Delta s}{\lambda} = k \, \Delta s = (\vec{k}' - \vec{k}) \cdot \vec{r}</math>
 
Nach der [[Laue-Bedingung]] können Beugungsreflexe nur beobachtet werden, wenn die Änderung des Wellenvektors beim Streuprozess einem [[Gittervektor]] <math>\vec{G}</math> des [[Reziprokes Gitter|reziproken Gitters]] entspricht: <math>\vec{k}' - \vec{k} = \vec{G}</math>. Dies ergibt eingesetzt:
 
:<math>\varphi(\vec{r}) = \vec{G} \cdot \vec{r}</math>


Der Phasenunterschied beträgt (die Streuung sei elastisch, also <math>k=k'</math>):
Nun integriert man über das Volumen <math>V_{EZ}</math> einer Elementarzelle und gewichtet die Phasenunterschiede <math>\exp\left[i\,\varphi(\vec{r}\,)\right]</math> mit dem Streuvermögen <math>n(\vec{r}\,)</math> jedes Volumenelements (das Streuvermögen ist je nach Beugungsexperiment die Elektronendichte, die Ladungsdichte oder die Kerndichte, siehe Einleitung). Das Integral bezeichnet man als '''Strukturfaktor''' <math>F_{hkl}</math>:


:<math>\varphi(\vec{r}\,)=2\pi\frac{\Delta s}{\lambda}=k\Delta s=(\vec{k}'-\vec{k}\,)\cdot\vec{r}</math>
:<math>\begin{align}
F_{hkl} &= \int_{V_{EZ}}n(\vec{r}\,) \, \exp \left[ i \, \varphi(      \vec{r}) \right] \mathrm{d}^{3}r\
        &= \int_{V_{EZ}}n(\vec{r}\,) \, \exp \left[ i \, \vec{G} \cdot \vec{r}  \right] \mathrm{d}^{3}r
\end{align}</math>


Nach der [[Laue-Bedingung]] können Beugungsreflexe nur beobachtet werden, wenn die Änderung des [[Wellenvektor]]s beim Streuprozess einem [[Reziprokes Gitter|reziproken Gittervektor]] <math>\vec{G}</math> entspricht: <math>\vec{k}'-\vec{k}=\vec{G}</math>. Dies ergibt eingesetzt:
mit der [[imaginäre Einheit|imaginären Einheit]] <math>i</math>.


:<math>\varphi(\vec{r}\,)=\vec{G}\cdot\vec{r}</math>
Die [[Amplitude]] der am Kristall gebeugten Welle ist [[proportional]] zum Strukturfaktor. Er hängt von den [[Laue-Indizes]] <math>h</math>, <math>k</math>, <math>l</math> ab, da für den reziproken Gittervektor gilt: <math>\vec{G} = h\vec{b}_{1} + k\vec{b}_{2} + l\vec{b}_{3}</math>.


Nun integriert man über das Volumen einer Elementarzelle <math>V_{EZ}</math> und gewichtet die Phasenunterschiede <math>\exp\left[i\,\varphi(\vec{r}\,)\right]</math> mit dem Streuvermögen jedes Volumenelements <math>n(\vec{r}\,)</math>. Das Streuvermögen ist je nach Beugungsexperiment (siehe oben) die [[Elektronendichte]], die [[Ladungsdichte]] oder die Kerndichte.
Der Strukturfaktor ist die [[Kontinuierliche Fourier-Transformation|Fouriertransformierte]] des Streuvermögens (z.&nbsp;B. der Elektronendichte):


:<math>\int_{V_{EZ}}n(\vec{r}\,)\,\exp\left[i\,\varphi(\vec{r}\,)\right]\mathrm{d}^{3}r=\int_{V_{EZ}}n(\vec{r}\,)\,\exp\left[i\,\vec{G}\cdot\vec{r}\right]\mathrm{d}^{3}r</math>
:<math>F_{hkl}(\vec{G}) = \mathcal{F}\left\{ n(\vec{r}\,)\right\}</math>.


Die am Kristall gebeugte Welle hat eine Amplitude, die proportional zu der eben berechneten Größe ist.
Der Vektor <math>\vec{r}</math> lässt sich als [[Linearkombination]] der primitiven Gittervektoren <math>\vec{a}_{i}</math> schreiben: <math>\vec{r} = u_{1}\vec{a}_{1} + u_{2}\vec{a}_{2} + u_{3}\vec{a}_{3}</math>; und mit der Relation <math>\vec{a}_{i} \cdot \vec{b}_{j} = 2\pi\delta_{ij}</math><!-- was ist delta_{ij}: das Kronecker-Delta? --> lässt sich das [[Skalarprodukt]] <math>\vec{G} \cdot \vec{r}</math> im Exponenten auswerten (<math>V_{EZ}</math> entspricht <math>u_{i}\in [0;1]</math>):


:<math> F_{hkl}=\int_{V_{EZ}}n(\vec{r}\,)\,\exp\left[i\,\vec{G}\cdot\vec{r}\right]\mathrm{d}^{3}r</math>
:<math>F_{hkl} = \int^{1}_{0}\int^{1}_{0}\int^{1}_{0} n(u_{1},u_{2},u_{3}) \, \exp \left[ 2\pi i \left( u_{1}h + u_{2}k + u_{3}l \right)\right] \mathrm{d}u_{1}\mathrm{d}u_{2}\mathrm{d}u_{3}</math>


<math>F_{hkl}</math> bezeichnet man als '''Strukturfaktor'''. Dieser ist von den [[Laue-Indizes]] <math>h</math>, <math>k</math>, <math>l</math> abhängig, da der reziproke Gittervektor gleich <math>\vec{G}=h\vec{b}_{1}+k\vec{b}_{2}+l\vec{b}_{3}</math> ist. Der Strukturfaktor ist somit die [[Kontinuierliche Fourier-Transformation|Fouriertransformierte]] des Streuvermögens (z.B. der Elektronendichte) <math>\mathcal{F}\left\{ n(\vec{r}\,)\right\} =F_{hkl}(\vec{G})</math>.
=== Phasenproblem ===
Der Strukturfaktor ist eine [[Komplexe Zahl|komplexe]] Größe:


Der Vektor <math>\vec{r}</math> lässt sich als Linearkombination der primitiven Gittervektoren <math>\vec{a}_{i}</math> schreiben: <math>\vec{r}=u_{1}\vec{a}_{1}+u_{2}\vec{a}_{2}+u_{3}\vec{a}_{3}</math>. Mit der Relation <math>\vec{a}_{i}\cdot\vec{b}_{j}= 2\pi\delta_{ij}</math> lässt sich das Skalarprodukt im Exponenten auswerten (<math>V_{EZ}</math> entspricht <math>u_{i}\in [0;1]</math>):
:<math>F = \rho e^{i\gamma}</math>.


:<math>F_{hkl}=\int^{1}_{0}\int^{1}_{0}\int^{1}_{0} n(u_{1},u_{2},u_{3})\,\exp\left[2\pi i\left(u_{1}h+u_{2}k+u_{3}l\right)\right]\mathrm{d}u_{1}\mathrm{d}u_{2}\mathrm{d}u_{3}</math>
Als Ergebnis eines Beugungsexperiments beobachtet man die Intensität der gebeugten Welle, die proportional zum [[Betragsquadrat]] des Strukturfaktors ist:


Der Strukturfaktor ist eine [[Komplexe Zahl|komplexe]] Größe <math>F=\rho e^{i\gamma}</math>. Als Ergebnis eines Beugungsexperiments beobachtet man die [[Intensität (Physik)|Intensität]] der gebeugten Welle, die proportional zum [[Betragsquadrat]] des Strukturfaktors ist:
:<math>I\propto |F_{hkl}|^{2} = \rho^{2}</math>


:<math>I\propto |F_{hkl}|^{2}=\rho^{2}</math>
Somit gehen alle [[Phasenwinkel|Phase]]n<nowiki></nowiki>informationen <math>\gamma</math> verloren, die jedoch benötigt werden, um aus den beobachteten Reflexen das Streuvermögen (bzw. die Elektronendichte) zu rekonstruieren ([[Phasenproblem]]).


Somit gehen alle Phaseninformationen <math>\gamma</math> verloren. Würde <math>F_{hkl}</math> als Ergebnis einer Messung zur Verfügung stehen, könnte man durch [[Fourierreihe|Fouriertransformation]] die gesuchte Größe <math>n(\vec{r}\,)</math> finden:
Würde <math>F_{hkl}</math> als Ergebnis einer Messung zur Verfügung stehen, so könnte man die gesuchte Größe <math>n(\vec{r})</math> durch nochmalige [[Fourierreihe|Fouriertransformation]] finden:


:<math>n(\vec{r}\,)=n(u_{1},u_{2},u_{3})=\sum_{h,k,l=-\infty}^{\infty}F_{hkl}\,\exp\left[-2\pi i\left(u_{1}h+u_{2}k+u_{3}l\right)\right]</math>
:<math>n(\vec{r}) = n(u_{1}, u_{2}, u_{3}) = \sum_{h,k,l = -\infty}^{\infty}F_{hkl} \, \exp \left[ -2\pi i \left( u_{1}h + u_{2}k + u_{3}l \right) \right]</math>


Da aber nur <math>|F_{hkl}|^{2}</math> bekannt ist müssen Näherungsmethoden wie die [[Patterson-Methode]] verwendet werden, um das ''Phasenproblem'' zu lösen.
Da aber nur <math>|F_{hkl}|^{2}</math> bekannt ist, müssen Näherungsmethoden wie die [[Patterson-Methode]] verwendet werden, um das Phasenproblem zu lösen. Bei der Patterson-Methode wird die nochmalige Fouriertransformation nicht auf <math>F_{hkl}</math> angewendet, sondern auf <math>|F_{hkl}|^{2}</math>.


== Atomarer Streufaktor ==
== Atomarer Streufaktor ==
Der Ortsvektor <math>\vec{r}</math> wird nun zerlegt in einen Anteil <math>\vec{r}_{i}</math>, der vom Bezugspunkt zum Kern des <math>i</math>-ten Atom zeigt, und einen Vektor <math>\vec{\tilde r}</math>, der vom Kern des <math>i</math>-ten Atoms zum betrachteten Volumenelement zeigt.
Der Ortsvektor <math>\vec{r}</math> wird nun zerlegt in einen Anteil <math>\vec{r}_{j}</math> vom Bezugspunkt zum Kern des <math>j</math>-ten Atoms und einen Vektor <math>\vec{\tilde r}</math> vom Kern des <math>j</math>-ten Atoms zum betrachteten Volumenelement.


:<math>\vec{r}=\vec{r}_{i}+\vec{\tilde{r}}</math>
:<math>\vec{r} = \vec{r}_{j} + \vec{\tilde{r}}</math>


In der Gleichung für den Strukturfaktor wird das Integral über die ganze Elementarzelle aufgespalten in eine Summe über kleinere Integrationsgebiete, nämlich die Volumina der einzelnen Atome <math>V_{A_{i}}</math>. Dabei ist <math>n_{i}(\vec{\tilde{r}}\,)=n(\vec{r}_{i}+\vec{\tilde{r}}\,)</math> das Streuvermögen (z.B. Elektronendichte) des <math>i</math>-ten Atoms. Die Summe läuft über alle Atome der Elementarzelle:
In der Gleichung für den Strukturfaktor wird das Integral über die ganze Elementarzelle aufgespalten in eine Summe über kleinere Integrationsgebiete, nämlich über die Volumina <math>V_{A_{j}}</math> der j&nbsp;einzelnen Atome der Elementarzelle. Dabei ist <math>n_{j}(\vec{\tilde{r}}) = n(\vec{r}_{j} + \vec{\tilde{r}})</math> das Streuvermögen (z.&nbsp;B. die Elektronendichte) des <math>j</math>-ten Atoms:


:<math>F_{hkl}=\sum_{i}\int_{V_{A_{i}}}n_{i}(\vec{\tilde{r}}\,)\,\exp\left[i\,\vec{G}\cdot(\vec{r}_{i}+\vec{\tilde{r}}\,)\right]\mathrm{d}^{3}\tilde{r}=\sum_{i}\exp\left[i\,\vec{G}\cdot\vec{r}_{i}\right]\int_{V_{A_{i}}}n_{i}(\vec{\tilde{r}}\,)\,\exp\left[i\,\vec{G}\cdot\vec{\tilde{r}}\right]\mathrm{d}^{3}\tilde{r}</math>
:<math>\begin{align}
F_{hkl} &= \sum_{j}\int_{V_{A_{j}}}n_{j}(\vec{\tilde{r}} \, ) \, \exp \left[ i \, \vec{G} \cdot (\vec{r}_{j} + \vec{\tilde{r}} \, ) \right] \mathrm{d}^{3}\tilde{r}\
        &= \sum_{j}\exp \left[ i \, \vec{G} \cdot \vec{r}_{j} \right] \underbrace{\int_{V_{A_{j}}}n_{j}(\vec{\tilde{r}} \, ) \, \exp \left[ i \, \vec{G} \cdot \vec{\tilde{r}} \right] \mathrm{d}^{3}\tilde{r}}_{f_{j}}
\end{align}</math>


Das Integral wird '''atomarer Streufaktor''' (oder auch Atomformfaktor) <math>\ f_{i}</math> des <math>i</math>-ten Atoms genannt:
Letzteres Integral wird '''atomarer Streufaktor''' (oder auch '''Atom[[Formfaktor (Physik)|formfaktor]]''') <math>f_{j}</math> des <math>j</math>-ten Atoms genannt:


:<math>f_{i}=\int_{V_{A_{i}}}n_{i}(\vec{\tilde{r}}\,)\,\exp\left[i\,\vec{G}\cdot\vec{\tilde{r}}\right]\mathrm{d}^{3}\tilde{r}</math>
:<math>f_{j} = \int_{V_{A_{j}}}n_{j}(\vec{\tilde{r}} \, ) \, \exp \left[ i \, \vec{G} \cdot \vec{\tilde{r}} \right] \mathrm{d}^{3}\tilde{r}</math>


Damit schreibt sich der Strukturfaktor wie folgt:
Damit schreibt sich der Strukturfaktor wie folgt:


:<math>F_{hkl}=\sum_{i}f_{i}\,\exp\left[i\,\vec{G}\cdot\vec{r}_{i}\right]</math>
:<math>F_{hkl} = \sum_{j}f_{j} \, \exp \left[ i \, \vec{G} \cdot \vec{r}_{j} \right]</math>


Mit oben eingeführter Komponentenschreibweise:
Mit oben eingeführter Komponentenschreibweise:


:<math>F_{hkl}=\sum_{i}f_{i}\,\exp\left[2\pi i\,\left(u_{i,1}h+u_{i,2}k+u_{i,3}l\right)\right]</math>
:<math>F_{hkl} = \sum_{j}f_{j} \, \exp \left[ 2\pi i \, \left( u_{j, 1}h + u_{j, 2}k + u_{j, 3}l \right) \right]</math>


Betrachtet man zusätzlich noch die thermische Bewegung der Atome, so ist <math>\vec{r}_{i}</math> zeitabhängig. Nun zerlegt man <math>\vec{r}_{i}</math> in einen mittleren Aufenthaltsort <math>\vec{r}_{i,0}</math> (Gleichgewichtslage, ruhend) und der Auslenkung <math>\vec{u}_{i}(t)</math> (zeitabhängig). Letztere führt auf den [[Debye-Waller-Faktor]].
Betrachtet man zusätzlich noch die thermische Bewegung der Atome, so ist <math>\vec{r}_{j}</math> zeitabhängig. Nun zerlegt man <math>\vec{r}_{j}</math> in einen mittleren Aufenthaltsort <math>\vec{r}_{j, 0}</math> ([[Gleichgewichtslage]], ruhend) und die [[Auslenkung]] <math>\vec{u}_{j}(t)</math> (zeitabhängig). Letztere führt auf den [[Debye-Waller-Faktor]].


== Beispiel ==
== Beispiel ==
{{Hauptartikel|Systematische Auslöschung}}
{{Hauptartikel|Systematische Auslöschung}}
Als Beispiel wird der Strukturfaktor für eine [[Cäsiumchloridstruktur]] berechnet. Das Gitter ist also [[Kubisches Kristallsystem|kubisch primitiv]] mit 2-atomiger Basis, die primitiven Gittervektoren sind <math>\vec{a}_{1}=a\hat{e}_{x}</math>, <math>\vec{a}_{2}=a\hat{e}_{y}</math>, <math> \vec{a}_{3}=a\hat{e}_{z}</math>. Das eine Basisatom sitzt bei <math>\vec{r}_{1} = \vec{0}</math> das andere bei <math>\vec{r}_{2} = (1/2)(\vec{a}_{1} + \vec{a}_{2} + \vec{a}_{3})</math>.
Als Beispiel wird der Strukturfaktor für eine [[Cäsiumchloridstruktur]] berechnet. Das Gitter ist [[Kubisches_Kristallsystem #Bravais-Gitter|kubisch-primitiv]] mit 2-atomiger Basis, die primitiven Gittervektoren sind <math>\vec{a}_{1} = a\hat{e}_{x}</math>, <math>\vec{a}_{2} = a\hat{e}_{y}</math>, <math> \vec{a}_{3} = a\hat{e}_{z}</math>. Das eine Basisatom sitzt bei <math>\vec{r}_{1} = \vec{0}</math>, das andere bei <math>\vec{r}_{2} = (1/2)(\vec{a}_{1} + \vec{a}_{2} + \vec{a}_{3})</math>.


:<math>\begin{align}
:<math>\begin{align}
F_{hkl} & = \sum_{i=1}^{2}f_{i}\,\exp\left[2\pi i\,\left(u_{i,1}h+u_{i,2}k+u_{i,3}l\right)\right] \
F_{hkl}
& = f_{1}\,\exp\left[2\pi i\,\left(0\cdot h+0\cdot k+0\cdot l\right)\right] + f_{2}\,\exp\left[2\pi i\,\left(\frac{1}{2}h+\frac{1}{2}k+\frac{1}{2}l\right)\right] \
& = \sum_{j=1}^{2}f_{j} \, \exp \left[ 2\pi i \, \left( u_{j, 1}h + u_{j, 2}k + u_{j, 3}l \right) \right] \
& = f_{1} + f_{2} \,\exp\left[\pi i\,\left(h+k+l\right)\right] \
& = f_{1} \, \exp \left[ 2\pi i \, \left( 0 \cdot h + 0 \cdot k + 0 \cdot l \right) \right] + f_{2} \, \exp \left[ 2\pi i \, \left( \frac{1}{2}h + \frac{1}{2}k + \frac{1}{2}l \right) \right] \
& = f_{1} + f_{2} (-1)^{h+k+l} \
& = f_{1} + f_{2} \, \exp\left[\pi i \, \left( h + k + l \right) \right] \
& = f_{1} + f_{2} (-1)^{h + k + l} \
&=  \begin{cases}
f_{1} + f_{2}, & \text{wenn  } h + k + l \text{  gerade}\
f_{1} - f_{2}, & \text{wenn  } h + k + l \text{  ungerade}
\end{cases}
\end{align}</math>
\end{align}</math>


:<math>
Ist die Summe der [[Laue-Indizes]] also gerade, so hat der gebeugte Röntgenstrahl eine hohe Intensität, bei ungerader Summe ist die Intensität minimal.
F_{hkl} =  \begin{cases}
f_{1} + f_{2}, & \text{wenn  } h + k + l \text{  gerade}\
f_{1} - f_{2}, & \text{wenn  } h + k + l \text{  ungerade}
\end{cases}
</math>


Ist die Summe der [[Laue-Indizes]] gerade, hat der gebeugte Röntgenstrahl eine hohe Intensität, bei ungerader Summe, ist die Intensität minimal. Haben beide Basisatome denselben atomaren Streufaktor <math>f_{1} = f_{2} =: f</math>, so ist bei ungerader Summe die Intensität gleich Null; man spricht von ''vollständiger Auslöschung''. Dies trifft beim [[Kubisches Kristallsystem|kubisch-raumzentrierten Gitter]] (bcc-Gitter) zu, wenn man es im System des kubisch primitiven Gitters mit zwei gleichen Basisatomen beschreibt:
Haben beide Basisatome denselben atomaren Streufaktor <math>f_{1} = f_{2} =: f</math>, so ist bei ungerader Summe die Intensität gleich Null; man spricht von ''vollständiger Auslöschung''. Dies trifft beim [[kubisch raumzentriert]]en Gitter (bcc-Gitter) zu, wenn man es im System des kubisch primitiven Gitters mit zwei gleichen Basisatomen beschreibt:


:<math>
:<math>
F_{hkl} =  \begin{cases}  
F_{hkl} =  \begin{cases}
2 f, & \text{wenn  } h + k + l \text{  gerade}\
2 f, & \text{wenn  } h + k + l \text{  gerade}\
0, & \text{wenn  } h + k + l \text{  ungerade}  
  0, & \text{wenn  } h + k + l \text{  ungerade}
\end{cases}
\end{cases}
</math>
</math>

Aktuelle Version vom 8. Februar 2022, 09:21 Uhr

Der Strukturfaktor Fhkl ist ein Maß für das Streuvermögen einer Kristallbasis. Er gibt die relative Intensität des durch die Laue-Indizes h, k, l bestimmten Beugungsreflexes an. Der Strukturfaktor hängt ab vom Aufbau der Basis, dem Streuvermögen der Basisatome und ihrer thermischen Bewegung. Die Richtung, in welcher die Beugungsreflexe beobachtet werden können, werden von der Bragg- bzw. äquivalent von der Laue-Bedingung angegeben, die vom reinen Kristallgitter ausgehen (ein punktförmiges Streuzentrum am Gitterpunkt).

Beschreibung

Prinzip der Laue-Bedingung:
nur bei bestimmten Verhältnissen von r,k und k' interferieren die beiden Strahlen konstruktiv

Man wählt einen Referenzpunkt innerhalb der Elementarzelle als Ursprung. Betrachtet werden zwei infinitesimale Volumenelemente dV als Streuzentren, eines am Referenzpunkt 0, eines bei r. Der Wellenvektor der einfallenden Strahlung sei k, der der gestreuten sei k. Damit ergibt sich folgender Gangunterschied (Wegdifferenz):

Δs(r)=rkkrkk=r(kkkk)

Der Phasenunterschied beträgt (die Streuung sei elastisch, also k=k):

φ(r)=2πΔsλ=kΔs=(kk)r

Nach der Laue-Bedingung können Beugungsreflexe nur beobachtet werden, wenn die Änderung des Wellenvektors beim Streuprozess einem Gittervektor G des reziproken Gitters entspricht: kk=G. Dies ergibt eingesetzt:

φ(r)=Gr

Nun integriert man über das Volumen VEZ einer Elementarzelle und gewichtet die Phasenunterschiede exp[iφ(r)] mit dem Streuvermögen n(r) jedes Volumenelements (das Streuvermögen ist je nach Beugungsexperiment die Elektronendichte, die Ladungsdichte oder die Kerndichte, siehe Einleitung). Das Integral bezeichnet man als Strukturfaktor Fhkl:

Fhkl=VEZn(r)exp[iφ(r)]d3r=VEZn(r)exp[iGr]d3r

mit der imaginären Einheit i.

Die Amplitude der am Kristall gebeugten Welle ist proportional zum Strukturfaktor. Er hängt von den Laue-Indizes h, k, l ab, da für den reziproken Gittervektor gilt: G=hb1+kb2+lb3.

Der Strukturfaktor ist die Fouriertransformierte des Streuvermögens (z. B. der Elektronendichte):

Fhkl(G)=F{n(r)}.

Der Vektor r lässt sich als Linearkombination der primitiven Gittervektoren ai schreiben: r=u1a1+u2a2+u3a3; und mit der Relation aibj=2πδij lässt sich das Skalarprodukt Gr im Exponenten auswerten (VEZ entspricht ui[0;1]):

Fhkl=010101n(u1,u2,u3)exp[2πi(u1h+u2k+u3l)]du1du2du3

Phasenproblem

Der Strukturfaktor ist eine komplexe Größe:

F=ρeiγ.

Als Ergebnis eines Beugungsexperiments beobachtet man die Intensität der gebeugten Welle, die proportional zum Betragsquadrat des Strukturfaktors ist:

I|Fhkl|2=ρ2

Somit gehen alle Phaseninformationen γ verloren, die jedoch benötigt werden, um aus den beobachteten Reflexen das Streuvermögen (bzw. die Elektronendichte) zu rekonstruieren (Phasenproblem).

Würde Fhkl als Ergebnis einer Messung zur Verfügung stehen, so könnte man die gesuchte Größe n(r) durch nochmalige Fouriertransformation finden:

n(r)=n(u1,u2,u3)=h,k,l=Fhklexp[2πi(u1h+u2k+u3l)]

Da aber nur |Fhkl|2 bekannt ist, müssen Näherungsmethoden wie die Patterson-Methode verwendet werden, um das Phasenproblem zu lösen. Bei der Patterson-Methode wird die nochmalige Fouriertransformation nicht auf Fhkl angewendet, sondern auf |Fhkl|2.

Atomarer Streufaktor

Der Ortsvektor r wird nun zerlegt in einen Anteil rj vom Bezugspunkt zum Kern des j-ten Atoms und einen Vektor r~ vom Kern des j-ten Atoms zum betrachteten Volumenelement.

r=rj+r~

In der Gleichung für den Strukturfaktor wird das Integral über die ganze Elementarzelle aufgespalten in eine Summe über kleinere Integrationsgebiete, nämlich über die Volumina VAj der j einzelnen Atome der Elementarzelle. Dabei ist nj(r~)=n(rj+r~) das Streuvermögen (z. B. die Elektronendichte) des j-ten Atoms:

Fhkl=jVAjnj(r~)exp[iG(rj+r~)]d3r~=jexp[iGrj]VAjnj(r~)exp[iGr~]d3r~fj

Letzteres Integral wird atomarer Streufaktor (oder auch Atomformfaktor) fj des j-ten Atoms genannt:

fj=VAjnj(r~)exp[iGr~]d3r~

Damit schreibt sich der Strukturfaktor wie folgt:

Fhkl=jfjexp[iGrj]

Mit oben eingeführter Komponentenschreibweise:

Fhkl=jfjexp[2πi(uj,1h+uj,2k+uj,3l)]

Betrachtet man zusätzlich noch die thermische Bewegung der Atome, so ist rj zeitabhängig. Nun zerlegt man rj in einen mittleren Aufenthaltsort rj,0 (Gleichgewichtslage, ruhend) und die Auslenkung uj(t) (zeitabhängig). Letztere führt auf den Debye-Waller-Faktor.

Beispiel

Als Beispiel wird der Strukturfaktor für eine Cäsiumchloridstruktur berechnet. Das Gitter ist kubisch-primitiv mit 2-atomiger Basis, die primitiven Gittervektoren sind a1=ae^x, a2=ae^y, a3=ae^z. Das eine Basisatom sitzt bei r1=0, das andere bei r2=(1/2)(a1+a2+a3).

Fhkl=j=12fjexp[2πi(uj,1h+uj,2k+uj,3l)]=f1exp[2πi(0h+0k+0l)]+f2exp[2πi(12h+12k+12l)]=f1+f2exp[πi(h+k+l)]=f1+f2(1)h+k+l={f1+f2,wenn h+k+l geradef1f2,wenn h+k+l ungerade

Ist die Summe der Laue-Indizes also gerade, so hat der gebeugte Röntgenstrahl eine hohe Intensität, bei ungerader Summe ist die Intensität minimal.

Haben beide Basisatome denselben atomaren Streufaktor f1=f2=:f, so ist bei ungerader Summe die Intensität gleich Null; man spricht von vollständiger Auslöschung. Dies trifft beim kubisch raumzentrierten Gitter (bcc-Gitter) zu, wenn man es im System des kubisch primitiven Gitters mit zwei gleichen Basisatomen beschreibt:

Fhkl={2f,wenn h+k+l gerade0,wenn h+k+l ungerade

Literatur

  • Borchardt-Ott, Walter: Kristallographie: eine Einführung für Naturwissenschaftler. Springer Verlag.
  • Massa, Werner: Kristallstrukturbestimmung. Teubner Verlag.