Quantenreflexion: Unterschied zwischen den Versionen

Quantenreflexion: Unterschied zwischen den Versionen

imported>Alturand
(→‎Einleitung: Standardsatz)
 
imported>Phzh
K (Form, typo)
 
Zeile 1: Zeile 1:
'''Quantenreflexion''' ist ein Phänomen in der [[Quantenphysik]] bei dem eine [[Materiewelle]] von einem anziehenden Potential[[Reflexion (Physik)|reflektiert]] wird. In der [[Klassische Physik|klassischen Physik]] ist ein solches Phänomen nicht möglich. Zum Beispiel würde man bei zwei sich anziehenden Magneten nicht erwarten, dass ein Magnet plötzlich (z. B. kurz vor deren Berührung) in die entgegengesetzte Richtung abgestoßen wird.
'''Quantenreflexion''' ist ein Phänomen in der [[Quantenphysik]], bei dem eine [[Materiewelle]] von einem ''anziehenden'' [[Potential (Physik)|Potential]] [[Reflexion (Physik)|reflektiert]] wird.
 
Ein solches Phänomen ist in der [[Klassische Physik|klassischen Physik]] nicht möglich. Zum Beispiel würde man bei zwei sich anziehenden Magneten nicht erwarten, dass ein Magnet plötzlich (z. B. kurz vor deren Berührung) in die entgegengesetzte Richtung abgestoßen wird.


== Definition ==
== Definition ==
Quantenreflexion wurde zu einem wichtigen Feld in der Physik des 21. Jahrhunderts. In einem Workshop über Quantenreflexion<ref name="QR2007">[http://cfa-www.harvard.edu/itamp/QuantumReflection.html Quantum Reflection, workshop; October 22–24, 2007, Cambridge, Massachusetts, USA]</ref> wurde die folgende Definition vorgeschlagen:
Quantenreflexion wurde zu einem wichtigen Feld in der Physik des 21.&nbsp;Jahrhunderts. In einem Workshop über Quantenreflexion<ref name="QR2007">[http://cfa-www.harvard.edu/itamp/QuantumReflection.html Quantum Reflection, workshop; October 22–24, 2007, Cambridge, Massachusetts, USA]</ref> wurde die folgende Definition vorgeschlagen:


{{Zitat-en|
{{Zitat
Quantum reflection is a classically counterintuitive phenomenon whereby the motion of particles is reverted “against the force” acting on them. This effect manifests the wave nature of particles and influences collisions of ultracold atoms and interaction of atoms with solid surfaces.
|Text=Quantum reflection is a classically counterintuitive phenomenon whereby the motion of particles is reverted “against the force” acting on them. This effect manifests the wave nature of particles and influences collisions of ultracold atoms and interaction of atoms with solid surfaces.
|Übersetzung=Quantenreflexion ist ein der klassischen Intuition widersprechendes Phänomen, bei dem die Bewegung eines Teilchens „entgegengesetzt der angreifenden Kraft“ umgekehrt wird.  Dieses Phänomen bestätigt den Wellencharakter von Teilchen und beeinflusst Zusammenstöße zwischen ultrakalten Atomen sowie die Wechselwirkung von Atomen mit Festkörperoberflächen.}}
|Sprache=en
|Übersetzung=Quantenreflexion ist ein der klassischen Intuition widersprechendes Phänomen, bei dem die Bewegung eines Teilchens „entgegengesetzt der angreifenden Kraft“ umgekehrt wird.  Dieses Phänomen bestätigt den Wellencharakter von Teilchen und beeinflusst Zusammenstöße zwischen ultrakalten Atomen sowie die Wechselwirkung von Atomen mit Festkörperoberflächen.}}


Die Beobachtung von Quantenreflexionen wurde durch Fortschritte im [[Magneto-optische Falle|Festhalten]] und [[Laserkühlung|Kühlen]] von Atomen möglich. Die Anwendung dieses Effektes hat erst begonnen und beinhaltet vielversprechende Anwendungen.
Die Beobachtung von Quantenreflexionen wurde durch Fortschritte im [[Magneto-optische Falle|Festhalten]] und [[Laserkühlung|Kühlen]] von Atomen möglich. Die Anwendung dieses Effektes hat erst begonnen und beinhaltet vielversprechende Anwendungen.


== Eindimensionale Näherung ==
== Eindimensionale Näherung ==
Normalerweise betrachtet man zunächst den eindimensionalen Fall dieses Phänomens. Das Potential besitzt also Translationssymmetrie in zwei Richtungen (z.&nbsp;B. <math>y</math> und <math>z</math>), so dass nur eine einzige Koordinate (<math>x</math>) von Bedeutung ist. In diesem Fall können wir die [[Reflexion (Physik)|Reflexion]] eines langsamen neutralen Atoms durch eine Festkörperoberfläche betrachten.<ref name="shimizu01">{{cite journal| author= F. Shimizu| title=Specular Reflection of Very Slow Metastable Neon Atoms from a Solid Surface| journal=[[Physical Review Letters]]| volume=86| pages=987–990| year=2001| doi=10.1103/PhysRevLett.86.987}}</ref><ref name="o1">{{cite journal| author=H. Oberst| coauthors=Y. Tashiro, K. Shimizu, F. Shimizu| title=Quantum reflection of He* on silicon| journal=[[Physical Review A]]| volume=71| pages=052901| year=2005| doi=10.1103/PhysRevA.71.052901
Normalerweise betrachtet man zunächst den [[Eindimensional|eindimensionalen]] Fall dieses Phänomens. Das Potential besitzt also [[Translationssymmetrie]] in zwei Richtungen (z.&nbsp;B. <math>y</math> und <math>z</math>), so dass nur eine einzige Koordinate (<math>x</math>) von Bedeutung ist. In diesem Fall können wir die [[Reflexion (Physik)|Reflexion]] eines langsamen neutralen Atoms durch eine Festkörperoberfläche betrachten.<ref name="shimizu01">{{Literatur| Autor= F. Shimizu| Titel=Specular Reflection of Very Slow Metastable Neon Atoms from a Solid Surface| Sammelwerk=[[Physical Review Letters]]| Band=86| Seiten=987–990| Datum=2001| DOI=10.1103/PhysRevLett.86.987}}</ref><ref name="o1">{{Literatur| Autor=H. Oberst & Y. Tashiro, K. Shimizu, F. Shimizu (Co-Autoren)| Titel=Quantum reflection of He* on silicon| Sammelwerk=[[Physical Review A]]| Band=71| Seiten=052901| Datum=2005| DOI=10.1103/PhysRevA.71.052901
}}</ref>
}}</ref>
Das Atom sei im freien Raum in der Nähe der Oberfläche und sei polarisierbar. Eine Kombination der reinen [[van-der-Waals-Kräfte|Van-der-Waals-Wechselwirkung]] mit der dazugehörigen [[Casimir-Effekt|Casimir-Wechselwirkung]] bewirkt eine Anziehung des Atoms zur Materialoberfläche. Hierbei dominiert die zweite Kraft im Bereich größerer Abstände von der Oberfläche, während erstere die Wechselwirkung bei geringem Abstand bestimmt. Der Übergangsbereich ist nicht klar definiert, da er von der spezifischen Natur und dem Quantenzustand des nähernden Atoms abhängt.


Die Reflexionsbedingung für das Atom im Bereich des anziehenden Potentials kann für die Raumbereiche angegeben werden, in denen die [[WKB-Näherung]] der atomaren Wellenfunktionen zusammenbricht. Wir schreiben in Übereinstimmung mit dieser Näherung die Wellenlänge der allgemeinen Bewegung des atomaren Systems in Richtung Oberfläche quantitativ lokal für jeden Bereich entlang der <math>x</math>-Achse,
Das Atom sei im freien Raum in der Nähe der Oberfläche und [[Polarisierbarkeit|polarisierbar]]. Eine Kombination der reinen [[van-der-Waals-Kräfte|Van-der-Waals-Wechselwirkung]] mit der dazugehörigen [[Casimir-Effekt|Casimir-Wechselwirkung]] bewirkt eine Anziehung des Atoms zur Materialoberfläche. Hierbei dominiert bei größeren Abständen von der Oberfläche die Casimir-Kraft, während bei geringem Abstand die Wechselwirkung von der Van-der-Waals-Kraft bestimmt wird. Der Übergangsbereich ist nicht klar definiert, da er von der spezifischen Natur und dem [[Quantenzustand]] des nähernden Atoms abhängt.
 
Eine Quantenreflexion des Atoms kann nun in den Raumbereichen stattfinden, in denen die [[WKB-Näherung]] seiner [[Wellenfunktion]]en zusammenbricht. Diese nähert die lokale Wellenlänge der Bewegung in Richtung Oberfläche an als:
 
:<math>\lambda\left(x\right) = \frac{h}{\sqrt{2m\left(E - V\left(x\right)\right)}}</math>
 
wobei
* <math>h</math> das [[Plancksches Wirkungsquantum|Plancksche Wirkungsquantum]]
* <math>m</math> die Masse des Atoms
* <math>E</math> seine Energie
* <math>V(x)</math> das Potential ist.


::<math>
Die Näherung ergibt keinen Sinn, wenn die Variation der atomaren Wellenlänge signifikant über seiner eigenen Länge liegt (z.&nbsp;B. wenn der Gradient <math>V(x)</math> sehr steil ist, unabhängig vom [[Vorzeichen (Zahl)|Vorzeichen]] des Potentials):
\lambda\left(x\right)=\frac{h}{\sqrt{2m\left(E-V\left(x\right)\right)}}
</math>


wobei <math>~m~</math> die atomare Masse, <math>~E~</math> seine Energie und <math>~V(x)~</math> das Potential ist. Es ist klar, dass die Größe keine Bedeutung in Bereichen hat, in denen
::<math>\left| \frac{d\lambda(x)}{dx} \right| \sim  1</math>


::<math>
In diesen Raumbereichen können Teile der atomaren Wellenfunktionen reflektiert werden. Für langsame Atome ist eine solche Reflexion möglich im Bereich der vergleichsweise schnellen Variation des [[Van-der-Waals-Potential]]s nahe der Materialoberfläche.
\left|\frac{d\lambda\left(x\right)}{dx}\right|\sim 1
</math>


Das bedeutet, dass in Bereichen des Raumes, wo die Variation der atomaren Wellenlänge signifikant über seiner eigenen Länge (z.&nbsp;B. wenn der Gradient <math>V(x)</math> sehr steil ist) liegt, die Näherung einer lokalen Wellenlänge keinen Sinn ergibt. Dieser Zusammenbruch entsteht ''unabhängig vom [[Vorzeichen (Zahl)|Vorzeichen]] des Potentials,'' <math>V(x)</math>. In diesen Bereichen können Teile der atomaren Wellenfunktion reflektiert werden. Eine solche Reflexion ist für langsame Atome im Bereich der vergleichsweise schnellen Variation des [[Van-der-Waals-Potential]] nahe der Materialoberfläche möglich. Das Phänomen ist vergleichbar mit der Situation, wenn Licht von einem Material in einem kleinen Raumbereich in ein anderes Material mit signifikant anderem Brechungsindex übergeht. Unabhängig vom Vorzeichen der Differenz der Brechungsindices gibt es eine Reflexionskomponente des Lichtes von der Übergangsstelle. Die Quantenreflexion der Oberfläche eines Festkörperwafers ermöglicht eine quantenoptische Analogie zu einem [[Spiegel]] – dem atomaren Spiegel – in hoher Präzision.
Das Phänomen ist vergleichbar mit der Situation, wenn Licht von einem Material in einem kleinen Raumbereich in ein anderes Material mit signifikant anderem [[Brechungsindex]] übergeht: unabhängig vom Vorzeichen der Differenz der Brechungsindices gibt es an der Übergangsstelle eine Reflexionskomponente des Lichtes.


== Siehe auch ==
Die Quantenreflexion der Oberfläche eines Festkörper[[wafer]]s ermöglicht eine quantenoptische Analogie zu einem [[Spiegel]] – den atomaren Spiegel – in hoher Präzision.
* [[Casimir-Effekt]]
* [[Van-der-Waals-Kräfte]]


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==

Aktuelle Version vom 15. Februar 2021, 21:32 Uhr

Quantenreflexion ist ein Phänomen in der Quantenphysik, bei dem eine Materiewelle von einem anziehenden Potential reflektiert wird.

Ein solches Phänomen ist in der klassischen Physik nicht möglich. Zum Beispiel würde man bei zwei sich anziehenden Magneten nicht erwarten, dass ein Magnet plötzlich (z. B. kurz vor deren Berührung) in die entgegengesetzte Richtung abgestoßen wird.

Definition

Quantenreflexion wurde zu einem wichtigen Feld in der Physik des 21. Jahrhunderts. In einem Workshop über Quantenreflexion[1] wurde die folgende Definition vorgeschlagen:

„Quantum reflection is a classically counterintuitive phenomenon whereby the motion of particles is reverted “against the force” acting on them. This effect manifests the wave nature of particles and influences collisions of ultracold atoms and interaction of atoms with solid surfaces.“

„Quantenreflexion ist ein der klassischen Intuition widersprechendes Phänomen, bei dem die Bewegung eines Teilchens „entgegengesetzt der angreifenden Kraft“ umgekehrt wird. Dieses Phänomen bestätigt den Wellencharakter von Teilchen und beeinflusst Zusammenstöße zwischen ultrakalten Atomen sowie die Wechselwirkung von Atomen mit Festkörperoberflächen.“

Die Beobachtung von Quantenreflexionen wurde durch Fortschritte im Festhalten und Kühlen von Atomen möglich. Die Anwendung dieses Effektes hat erst begonnen und beinhaltet vielversprechende Anwendungen.

Eindimensionale Näherung

Normalerweise betrachtet man zunächst den eindimensionalen Fall dieses Phänomens. Das Potential besitzt also Translationssymmetrie in zwei Richtungen (z. B. $ y $ und $ z $), so dass nur eine einzige Koordinate ($ x $) von Bedeutung ist. In diesem Fall können wir die Reflexion eines langsamen neutralen Atoms durch eine Festkörperoberfläche betrachten.[2][3]

Das Atom sei im freien Raum in der Nähe der Oberfläche und polarisierbar. Eine Kombination der reinen Van-der-Waals-Wechselwirkung mit der dazugehörigen Casimir-Wechselwirkung bewirkt eine Anziehung des Atoms zur Materialoberfläche. Hierbei dominiert bei größeren Abständen von der Oberfläche die Casimir-Kraft, während bei geringem Abstand die Wechselwirkung von der Van-der-Waals-Kraft bestimmt wird. Der Übergangsbereich ist nicht klar definiert, da er von der spezifischen Natur und dem Quantenzustand des nähernden Atoms abhängt.

Eine Quantenreflexion des Atoms kann nun in den Raumbereichen stattfinden, in denen die WKB-Näherung seiner Wellenfunktionen zusammenbricht. Diese nähert die lokale Wellenlänge der Bewegung in Richtung Oberfläche an als:

$ \lambda \left(x\right)={\frac {h}{\sqrt {2m\left(E-V\left(x\right)\right)}}} $

wobei

Die Näherung ergibt keinen Sinn, wenn die Variation der atomaren Wellenlänge signifikant über seiner eigenen Länge liegt (z. B. wenn der Gradient $ V(x) $ sehr steil ist, unabhängig vom Vorzeichen des Potentials):

$ \left|{\frac {d\lambda (x)}{dx}}\right|\sim 1 $

In diesen Raumbereichen können Teile der atomaren Wellenfunktionen reflektiert werden. Für langsame Atome ist eine solche Reflexion möglich im Bereich der vergleichsweise schnellen Variation des Van-der-Waals-Potentials nahe der Materialoberfläche.

Das Phänomen ist vergleichbar mit der Situation, wenn Licht von einem Material in einem kleinen Raumbereich in ein anderes Material mit signifikant anderem Brechungsindex übergeht: unabhängig vom Vorzeichen der Differenz der Brechungsindices gibt es an der Übergangsstelle eine Reflexionskomponente des Lichtes.

Die Quantenreflexion der Oberfläche eines Festkörperwafers ermöglicht eine quantenoptische Analogie zu einem Spiegel – den atomaren Spiegel – in hoher Präzision.

Einzelnachweise

  1. Quantum Reflection, workshop; October 22–24, 2007, Cambridge, Massachusetts, USA
  2. F. Shimizu: Specular Reflection of Very Slow Metastable Neon Atoms from a Solid Surface. In: Physical Review Letters. Band 86, 2001, S. 987–990, doi:10.1103/PhysRevLett.86.987.
  3. H. Oberst & Y. Tashiro, K. Shimizu, F. Shimizu (Co-Autoren): Quantum reflection of He* on silicon. In: Physical Review A. Band 71, 2005, S. 052901, doi:10.1103/PhysRevA.71.052901.