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Der Diffusionskoeffizient $ D $, auch Diffusionskonstante oder Diffusivität genannt, dient in den Fickschen Gesetzen zur Berechnung des thermisch bedingten Transports eines Stoffes aufgrund der zufälligen Bewegung der Teilchen. Dabei kann es sich um einzelne Atome in einem Feststoff oder um Teilchen in einem Gas oder einer Flüssigkeit handeln. Der Diffusionskoeffizient ist daher ein Maß für die Beweglichkeit der Teilchen und lässt sich aus dem durchschnittlichen Quadrat der zurückgelegten Wegstrecke $ \langle x^{2}\rangle $ pro Zeit $ t $ ermitteln.
Es gilt nach der Einstein-Smoluchowski-Gleichung der Zusammenhang: $ \langle x^{2}\rangle =2Dt $.
Zur Angabe des Diffusionskoeffizienten gehört immer die Angabe, welcher Stoff in welchem Stoff diffundiert, sowie als wichtigste Einflussgröße die Temperatur. Die SI-Einheit des Diffusionskoeffizienten ist $ \mathrm {m^{2}/s} $.
Diffusionskoeffizienten in Gasen
Beispiele für Diffusionskoeffizienten in Gasen (bei 1 atm)
System
|
Temperatur in °C
|
Diffusionskoeffizient in m²s−1
|
Luft – Sauerstoff
|
0
|
1,76 × 10−5
|
Luft – Kohlendioxid
|
8,9
|
1,48 × 10−5
|
44,1
|
1,77 × 10−5
|
Wasserstoff – Stickstoff
|
24,1
|
7,79 × 10−5
|
Diffusionskoeffizienten in Gasen[1][2] sind stark abhängig von Temperatur und Druck. In erster Näherung gilt, dass eine Verdopplung des Druckes zur Halbierung des Diffusionskoeffizienten führt.
Der Diffusionskoeffizient folgt gemäß der Chapman-Enskog-Theorie folgender Zahlenwertgleichung für zwei gasförmige Stoffe (Indizes 1 und 2):[1][3]
- $ D_{12}={\frac {1{,}86\cdot 10^{-3}\cdot T^{3/2}{\sqrt {1/M_{1}+1/M_{2}}}}{p\cdot \sigma _{12}^{2}\cdot \Omega _{12}}} $
mit
- $ D_{12} $ – Diffusionskoeffizient (m2/s)
- T – Temperatur (K)
- M – molare Masse (g/mol)
- p – Druck (atm)
- $ \sigma _{12}={\frac {\sigma _{1}+\sigma _{2}}{2}} $ – (mittlerer) Kollisionsdurchmesser (Werte tabelliert[4]) (Å)
- $ \Omega _{12} $ – Kollisionsintegral, abhängig von Temperatur und Stoffen (Werte tabelliert.[4]) (−).
Für die Selbstdiffusion (d.h. für den Fall, dass nur eine Teilchensorte vorhanden ist) vereinfacht sich o.g. Zusammenhang zu:[5]
- $ D={\frac {1}{3}}{\bar {v}}\cdot l={\frac {2}{3}}{\frac {1}{n\cdot d^{2}}}{\sqrt {\frac {k_{\mathrm {B} }\cdot T}{\pi ^{3}\cdot m}}} $
mit
- $ {\bar {v}} $ – mittlere thermische Geschwindigkeit der Teilchen (m·s−1)
- l – mittlere freie Weglänge (m)
- n – Teilchenzahldichte (1/m³)
- d – Teilchendurchmesser (m)
- kB – Boltzmann-Konstante (J·K−1)
- π – Pi
- m – Molekülmasse (kg).
Empirische Näherungsformeln zur Berechnung von Diffusionskoeffizienten in Gasen finden sich in entsprechenden Standardwerken.
Diffusionskoeffizienten in Flüssigkeiten
Beispiele für Diffusionskoeffizienten in Wasser (bei unendlicher Verdünnung und 25 °C)
Stoff
|
Diffusionskoeffizient in m²s−1
|
Sauerstoff
|
2,1 × 10−9
|
Schwefelsäure
|
1,73 × 10−9
|
Ethanol
|
0,84 × 10−9
|
Temperaturabhängigkeit des Diffusionskoeffizienten von 100-nm-Kügelchen (
R0=50nm) in Wasser
Diffusionskoeffizienten in Flüssigkeiten[1] betragen in der Regel etwa ein Zehntausendstel von Diffusionskoeffizienten in Gasen. Sie werden beschrieben durch die Stokes-Einstein-Gleichung:[6]
- $ D={\frac {k_{\mathrm {B} }\cdot T}{6\cdot \pi \cdot \eta \cdot R_{0}}} $
mit
Auf dieser Gleichung basieren viele empirische Korrelationen.
Da die Viskosität des Lösungsmittels eine Funktion der Temperatur ist, ist die Abhängigkeit des Diffusionskoeffizienten von der Temperatur nichtlinear.
Diffusionskoeffizienten in Feststoffen
Beispiele für Diffusionskoeffizienten in Feststoffen
System
|
Temperatur in °C
|
Diffusionskoeffizient in m²s−1
|
Wasserstoff in Eisen
|
10
|
1,66 × 10−13
|
50
|
11,4 × 10−13
|
100
|
124 × 10−13
|
Kohlenstoff in Eisen
|
800
|
15 × 10−13
|
1100
|
450 × 10−13
|
Gold in Blei
|
285
|
0,46 × 10−13
|
Diffusionskoeffizienten in Feststoffen[1] sind in der Regel mehrere tausend Mal kleiner als Diffusionskoeffizienten in Flüssigkeiten.
Für die Diffusion in Festkörpern sind Sprünge zwischen verschiedenen Gitterplätzen erforderlich. Dabei müssen die Teilchen eine Energiebarriere E überwinden, was bei höherer Temperatur leichter möglich ist als bei niedrigerer. Dies wird beschrieben durch den Zusammenhang:[7]
- $ D=D_{0}\cdot \exp \left(-{\frac {E}{R\cdot T}}\right) $
mit
- E – Energiebarriere (in J·mol−1)
- R – allgemeine Gaskonstante (in J·K−1mol−1)
- T – Temperatur (in K).
D0 lässt sich näherungsweise berechnen als:
- $ D_{0}\approx \alpha _{0}^{2}\cdot N\cdot \omega $
mit
- α0 – Atomabstand (in m)
- N – Anteil der vakanten Gitterplätze (ohne Einheit)
- ω – Sprungfrequenz (in Hz)
Allerdings empfiehlt es sich, insbesondere Diffusionskoeffizienten in Feststoffen experimentell zu bestimmen.
Effektiver Diffusionskoeffizient
Der effektive Diffusionskoeffizient[8] $ D_{e} $ beschreibt Diffusion durch den Porenraum poröser Medien. Da er nicht einzelne Poren, sondern den gesamten Porenraum betrachtet, ist er eine makroskopische Größe:
- $ D_{e}={\frac {\varepsilon _{t}\cdot \delta }{\tau }}\cdot D $
mit
- εt – Porosität, die für den Transport zur Verfügung steht; sie entspricht der Gesamtporosität abzüglich Poren, die aufgrund ihrer Größe für die diffundierenden Teilchen nicht zugänglich sind, und abzüglich Sackgassen- und blinder Poren (Poren ohne Verbindung zum restlichen Porensystem)
- δ – Konstriktivität; sie beschreibt die Verlangsamung der Diffusion durch eine Erhöhung der Viskosität in engen Poren als Folge der größeren durchschnittlichen Nähe zur Porenwand und ist eine Funktion von Porendurchmesser und Größe der diffundierenden Teilchen.
- τ – Tortuosität („Gewundenheit“)
Scheinbarer Diffusionskoeffizient
Der scheinbare (apparente) Diffusionskoeffizient[8] erweitert den effektiven Diffusionskoeffizienten um den Einfluss der Sorption.
Für lineare Sorption berechnet er sich zu:
- $ D_{a}={\frac {D_{e}}{1+{\frac {K_{d}\cdot \rho }{\epsilon }}}} $
mit
- Kd – linearer Sorptionskoeffizient (in m³·kg−1)
- ρ – Rohdichte (in kg·m−3)
- ε – Porosität (ohne Einheit)
Bei nichtlinearer Sorptionsisotherme ist der scheinbare Diffusionskoeffizient stets eine Funktion der Konzentration, was die Berechnung der Diffusion erheblich erschwert.
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 1,2 1,3 E. L. Cussler: Diffusion – Mass Transfer in Fluid Systems. Cambridge University Press, Cambridge/New York, 1997, ISBN 0-521-56477-8.
- ↑ T. R. Marrero, E. A. Mason: Gaseous Diffusion Coefficients. In: Journal of Physical and Chemical Reference Data. Band 1, Nr. 1, 1. Januar 1972, ISSN 0047-2689, S. 3–118, doi:10.1063/1.3253094 (nist.gov [PDF; abgerufen am 8. Oktober 2017]).
- ↑ Lienhard, John H., 1961-: A heat transfer textbook. 3rd ed Auflage. Phlogiston Press, Cambridge, Mass. 2008, ISBN 978-0-9713835-3-1.
- ↑ 4,0 4,1 J. Hirschfelder, C. F. Curtiss, R. B. Bird: Molecular Theory of Gases and Liquids. Wiley, New York, 1954, ISBN 0-471-40065-3
- ↑ Franz Durst: Grundlagen der Strömungsmechanik: Eine Einführung in die Theorie der Strömung von Fluiden. Springer, Berlin, 2006, ISBN 3-540-31323-0.
- ↑ A. Einstein: Über die von der molekularkinetischen Theorie der Wärme geforderte Bewegung von in ruhenden Flüssigkeiten suspendierten Teilchen (PDF; 733 kB), Annalen der Physik. 17, 1905, S. 549ff.
- ↑ W. Jost: Diffusion in solids, liquids and gases. Academic Press Inc., New York, 1960.
- ↑ 8,0 8,1 P. Grathwohl: Diffusion in natural porous media: Contaminant transport, sorption/desorption and dissolution kinetics. Kluwer Academic Publishers, 1998, ISBN 0-7923-8102-5