Durch den Higgs-Mechanismus (nach dem britischen Physiker Peter Higgs, auch Englert-Brout-Higgs-Guralnik-Hagen-Kibble-Mechanismus[1]) wird beschrieben, wie die grundlegende Eigenschaft „Masse“ auf der Ebene der Elementarteilchen zustande kommt. Als zentraler Bestandteil des Standardmodells der Elementarteilchenphysik erklärt der Mechanismus, warum bestimmte Austauschteilchen (die „Eichbosonen“ der schwachen Wechselwirkung) nicht die Masse Null besitzen. Demnach gewinnen sie ihre Masse durch Wechselwirkung mit dem sogenannten Higgs-Feld, welches im ganzen Universum allgegenwärtig ist. Auch die Massen aller anderen (massebehafteten) Elementarteilchen wie Elektronen und Quarks werden hierbei als Folge der Wechselwirkung mit dem Higgs-Feld erklärt. Mit diesem Ansatz wurde es möglich, die schwache und die elektromagnetische Wechselwirkung als zwei verschieden starke Aspekte einer einzigen grundlegenden elektroschwachen Wechselwirkung zu deuten, was einen der wichtigsten Schritte zur Aufstellung des Standardmodells darstellt.
Während das Higgs-Feld nicht direkt messbar ist, muss bei seiner Existenz ein weiteres Elementarteilchen auftreten, das „Higgs-Boson“. Dieses ist das einzige Teilchen des Standardmodells, das noch nicht endgültig nachgewiesen werden konnte. Allerdings spricht vieles dafür, dass das im Juli 2012 vom Europäischen Kernforschungszentrum CERN präsentierte Teilchen ein Higgs-Boson ist.[2]
Der Mechanismus wurde 1964 nicht nur von Peter Higgs,[3][4] sondern unabhängig und fast gleichzeitig auch von zwei Forschergruppen gefunden: von François Englert und Robert Brout an der Université Libre de Bruxelles[5] (sogar noch etwas eher eingereicht) sowie von T. W. B. Kibble, Carl R. Hagen und Gerald Guralnik am Imperial College.[6] Peter Higgs war jedoch der Erste, der auch die Existenz eines neuen Teilchens vorhersagte,[3] weshalb es schließlich nach ihm benannt worden ist. Am 8. Oktober 2013 wurde François Englert und Peter Higgs für die Entwicklung des Higgs-Mechanismus der Nobelpreis für Physik zuerkannt.[7]
Die Ausarbeitung der Theorie von Higgs 1964 basierte auf einem Vorschlag Philip Warren Andersons von 1962 aus der Festkörperphysik, also aus einem nicht-relativistischen Umfeld.[8] Ein ähnlicher Mechanismus wurde bereits 1957 von Ernst Stückelberg entwickelt.
Ein derartiger Mechanismus für die mathematisch einfacheren abelschen Eichsymmetrien, wie bei der elektromagnetischen Wechselwirkung, wurde ursprünglich in der Festkörperphysik vorgeschlagen. Die 1950 veröffentlichte Ginsburg-Landau-Theorie beschreibt vollständig, wie durch den Meißner-Ochsenfeld-Effekt Magnetfelder aus supraleitenden Metallen herausgedrängt werden. Als phänomenologische Theorie mit weitreichenden nichttrivialen Konsequenzen ist sie für die Übersetzung in die Hochenergiephysik besonders geeignet.
Der genannte Effekt ist die endliche – und zwar sehr kleine – Eindringtiefe $ \lambda $ des Magnetfeldes in den Supraleiter. Dieses Phänomen kann so interpretiert werden, als hätte das Magnetfeld – mathematisch gesehen: ein Eichfeld – durch die Supraleitung statt der Masse Null eine endliche effektive Masse $ M_{\lambda } $ bekommen, entsprechend der Beziehung
wobei h das Plancksche Wirkungsquantum und c die Lichtgeschwindigkeit bezeichnet. Bei Normalleitung ist dagegen $ \lambda =\infty $ bzw. $ M_{\lambda }=0 $.
Die Ginsburg-Landau-Theorie sagte im Unterschied zur mikroskopischen BCS-Theorie von 1957 die Existenz von Cooper-Paaren noch nicht voraus. Analog wird der experimentelle Existenznachweis des Higgs-Mechanismus voraussichtlich noch keine mikroskopische Erklärung für die Natur des Higgs-Bosons ergeben. Nachträglich könnte sich das Higgs-Boson, ähnlich wie die Cooper-Paare der Supraleitung, als „zusammengesetzt“ erweisen, etwa aus zwei schwach aneinander gebundenen W-Bosonen.[9] In diesem Fall müsste das Higgs-Boson eine Masse von ungefähr zweimal 80 GeV, also 160 GeV haben. Anfang 2010 konnte der Wertebereich zwischen 150 und 160 GeV ausgeschlossen werden, sodass nur noch eine Masse zwischen 115 und 150 GeV diskutiert wurde.[10] Mit der Veröffentlichung der Ergebnisse des CERN am 4. Juli 2012 (mit einem Teilchen der Masse 125 GeV)[2] scheint dieses Ergebnis bestätigt, womit aber nicht ausgeschlossen ist, dass es sich um ein in komplizierterer Weise zusammengesetztes Teilchen handelt.
Der Higgs-Mechanismus wurde ursprünglich nur für abelsche[11] Eichtheorien formuliert. Nachdem er 1967 von T. W. B. Kibble auf nichtabelsche Eichtheorien (Yang-Mills-Theorien) übertragen worden war,[12] konnte der Mechanismus auf die schwache Wechselwirkung angewendet werden. Das führte zur Vorhersage der – experimentell 1983 bestätigten – großen Masse der für die schwache Wechselwirkung verantwortlichen Z0, W+ und W−.
1968 wandte Abdus Salam[13] den Higgs-Mechanismus auf die elektroschwache Theorie von Sheldon Lee Glashow[14] und Steven Weinberg[15] an und schuf damit das Standardmodell der Teilchenphysik, wofür alle drei 1979 den Nobelpreis für Physik erhielten.
Bei der Vorhersage des Higgs-Bosons spielt auch das Phänomen der spontanen Symmetriebrechung des Higgs-Feldes eine Rolle. Außer den bereits erwähnten Physikern haben dazu auch Yōichirō Nambu im Jahr 1960 (Nobelpreis 2008) und Jeffrey Goldstone im Jahr 1961 wichtige Beiträge geleistet.
Nach der Elementarteilchenphysik werden alle Kräfte durch den Austausch sogenannter Eichbosonen beschrieben. Dazu zählen z. B. die Photonen der Quantenelektrodynamik und die Gluonen der Quantenchromodynamik. Das Photon und die Gluonen sind masselos. Die Austauschteilchen der Schwachen Wechselwirkung, die W- und die Z-Bosonen, haben dagegen im Vergleich zu Elektronen, Protonen und Neutronen große Massen von etwa 80 GeV/c² bzw. 91 GeV/c². Diese sorgen unter anderem dafür, dass Teilchen, die gemäß der schwachen Wechselwirkung zerfallen, vergleichsweise lange Lebensdauern haben, sodass Radioaktivität ein zwar weitverbreitetes, aber relativ „schwaches Phänomen“ ist. Daher muss man in die Bewegungsgleichungen für die genannten Teilchen Massenterme einfügen. Da die Eichfelder, mit denen die Eichbosonen beschrieben werden, sich dann aber bei den so genannten Eichtransformationen ändern würden (es handelt sich dabei um lokale Symmetrien), geht das nicht. Denn die Eigenschaften der Grundkräfte beruhen gerade darauf, dass die Bewegungsgleichungen sich bei Eichtransformationen nicht ändern; das bezeichnet man als „Eichinvarianz“ der Bewegungsgleichung.
Ohne den Higgs-Mechanismus würden also Massenterme für die Eichfelder das Kraftgesetz zerstören.
Das Standardmodell der Elementarteilchen enthält u. a. die Elektroschwache Wechselwirkung. In dieser gekoppelten Theorie treten vier Eichbosonen auf, das Photon, das Z-Boson und die beiden W-Bosonen. Von diesen vier Eichbosonen bekommen die drei letztgenannten durch den von Null verschiedenen Vakuumerwartungswert des Higgs-Feldes ihre Masse von 91 bzw. 80 GeV/c2 und einen longitudinalen Anteil. Dagegen bleibt das Photon, das nicht an das Higgs-Feld ankoppelt, masselos und rein transversal.
Insgesamt enthält das Higgs-Feld, das die Massen erzeugt, eine scheinbar „überzählige“[16] komplexe Variable, die das vollständig longitudinale Higgs-Boson ergibt. Der Masse des Higgs-Bosons entspricht in der Theorie der Supraleitung die Energielücke zwischen Grundzustand und den angeregten Zuständen des supraleitenden „Kondensats“.
Man verwendet das schwierig zu formulierende Prinzip der spontanen Symmetriebrechung[17], um einerseits das Kraftgesetz zu erhalten und andererseits den Eichbosonen Masse zu geben. Dazu führt man das zusätzliche Higgs-Feld ein. Dieses ist massiv und wechselwirkt in solcher Weise mit allen anderen Feldern und mit sich selbst, dass dadurch auch die Eichbosonen Masse erhalten. Ein Beispiel für solche Wechselwirkungen ist im nebenstehenden Diagramm dargestellt.
Die spontane Symmetriebrechung hätte nach dem Goldstonetheorem die Existenz masseloser Goldstonebosonen zur Folge. Das Goldstonetheorem lässt sich jedoch nur auf globale Symmetrien anwenden.
Die Brechung lokaler Symmetrien dagegen wird mit dem Higgs-Mechanismus beschrieben, nach welchem bei den W- und Z-Eichfeldern – in der Theorie der Supraleitung beim Magnetfeld – keine Goldstonebosonen auftreten. Stattdessen erscheint das Higgs-Feld – in der Theorie der Supraleitung das „Kondensat“ – als longitudinaler Polarisationsfreiheitsgrad[19] mit einem von null verschiedenen Vakuumerwartungswert (siehe unten). Die Eichbosonen – in der Supraleitung das Magnetfeld – werden dadurch ebenfalls massiv. Eine Analogie ist die oben erwähnte endliche Eindringtiefe des Magnetfeldes in den Supraleiter, wobei die Größenordnung der Masse des Higgs-Bosons etwa das Eineinhalb- bis Zweifache der Masse eines Eichbosons betragen sollte.
In der Quantenelektrodynamik (QED), die „nicht-massiv“ ist und bei der kein Higgs-Feld auftritt, hat das für jene Theorie relevante Eichboson, das Photon, als masseloses Spin-1-Teilchen nur die zwei transversalen Polarisationsfreiheitsgrade. Dagegen legt das nebenstehende Feynman-Diagramm außer der bereits angesprochen Größenordnung der beteiligten Massen nahe, dass das Higgs-Boson longitudinal ist, da es in Richtung der durch die Quarks festgelegten Symmetrieachse (hier der Horizontalrichtung) wegläuft, und nicht etwa transversal dazu.
Die Lagrange-Dichte des Higgs-Feldes $ \phi $, mit der (direkt sichtbaren) Selbstwechselwirkung und der (nur indirekt sichtbaren, weil nur in den D-Operatoren enthaltenen) Kopplung an Eichfelder A, die teilweise durch die Wechselwirkung mit dem Higgs-Feld zu massiven Austauschteilchen werden, lautet:
Dabei sind $ \mu $ und $ \lambda $ positive reelle Zahlen und $ {\hat {D}}_{\sigma }=\partial _{\sigma }-ig{\hat {T}}_{a}A_{\sigma }^{a} $ die sog. eichkovariante Ableitung, wobei die $ {\hat {T}}_{a} $ die Generatoren der Eichgruppe sind und die komplexen Funktionen $ A_{\sigma }^{a} $ die Eichfelder.
An dieser Lagrange-Dichte ist noch nicht erkennbar, wie die Massen der Eichfelder zustande kommen. Dazu ist eine gesonderte Betrachtung des Potentials des Higgs-Feldes, $ {\mathcal {V}} $, hilfreich:
Für ein reelles Feld $ \phi $ mit nur einer Komponente würde das Potential eine w-förmige Parabel vierter Ordnung beschreiben. Da $ \phi $ jedoch in allen Anwendungen komplex ist, kann man sich $ {\mathcal {V}} $ dreidimensional als Rotationsfigur dieser Parabel vorstellen, deren Form mit dem Boden einer Sektflasche vergleichbar ist (man spricht auch von Mexikanerhut-Potentialen). Wenn $ \phi $ mehr als eine komplexe Komponente hat, kann man sich die Form des Potentials nur noch bedingt so einfach anschaulich machen wie in dem nebenstehenden Bild.
Seine wichtigste Eigenschaft ist jedoch immer gleich: Es hat mindestens einen zweidimensionalen Kreis solcher Minima, die nicht bei Null liegen, sondern den tiefsten Zuständen des Flaschenbodens entsprechen. Die Minima des Potentials sind der günstigste Energiezustand für das Feld, weil es dort die niedrigste Energie hat. Man bezeichnet den Grundzustand als „Vakuum-Zustand“. Das Higgs-Feld hat also viele äquivalente Grundzustände, weil das Potential viele Minima mit gleicher Energie hat. Man spricht deshalb von einem „entarteten Grundzustand“. Die erwähnten longitudinalen Freiheitsgrade entsprechen der (nicht eingezeichneten) Mittelachse des Sektflaschenpotentials und dem Higgs-Boson, während der eigentliche Kern des Higgs-Mechanismus die transversalen Freiheitsgrade betrifft, also im Wesentlichen dem „Flaschenboden“ entspricht.
Der Betrag von $ \phi $ im Grundzustand ist der sogenannte Vakuumerwartungswert
der sich durch Berechnen der Extremstellen des Potentials ergibt. [20] Man kann nun das Higgs-Feld so definieren, dass genau so viele Komponenten, wie man Eichfelder hat, denen man Masse geben will, von einer Nullstelle in transversaler Richtung ausgehend die Nullstellenmenge nicht verlassen. Bei einem einkomponentigen komplexen Feld, bei dem man sich das Potential als unteren Teil einer Sektflasche vorstellen kann, ist diese Komponente also eine Winkelkomponente, so dass man für jeden Wert in dieser Komponente an einer anderen Stelle des Minimakreises herauskommt. Diese Komponenten, die transversalen Komponenten, ändern die Energie des Higgs-Feldes nicht; sie entsprechen bei globalen Symmetrien den Goldstonemoden und können im Fall von Eichtheorien durch Auswahl einer Eichung festgelegt werden, so dass die Massenterme für die Eichbosonen in der Wirkungsfunktion offensichtlich werden: Der endliche Vakuumerwartungswert ergibt mit den Eichfeld-Termen aus den kovarianten Ableitungen (d.h. mit der kinetischen Energie, dem ersten Ausdruck von $ {\mathcal {L}}_{\rm {Higgs}} $) die Massenterme für die Eichfelder, nämlich Beiträge der Form $ -m^{2}A^{\dagger }A $, mit $ m\propto \,v\,. $
Die verbleibenden Komponenten, die sog. longitudinalen Komponenten, ändern im Gegensatz zu den Goldstonemoden des Higgs-Feldes die Energie, entsprechen also massiven Anregungen. Man fasst sie als Teilchenfelder auf, die als Higgs-Bosonen bezeichnet werden. Das Higgs-Boson ist also nicht einfach wie gewohnt das zum Higgs-Feld gehörige Teilchen, sondern es gehört zu den eben definierten „überzähligen“ longitudinalen Komponenten des Feldes. Der Higgs-Mechanismus – der eigentliche mit dem Higgs-Feld verbundene Kern des Standardmodells – involviert dagegen nur die transversalen Feldkomponenten.
Auch für andere Teilchen, z. B. die Quarks oder andere Fermionen, für die das Auftreten von Massentermen ohne Ankopplung an die Eichteilchen scheinbar nicht die Eichinvarianz stören würde, können diese Terme durch den Higgs-Mechanismus erklärt werden; und zwar durch Yukawa-Kopplungen der Fermionen an das Higgs-Feld $ \phi \!\ $ mit zunächst unbekannten Kopplungskonstanten $ G_{\psi } $, welche nach der Brechung der Eichsymmetrie (genauer gesagt nach der Entwicklung der Lagrangedichte um einen Grundzustand) wieder die – jetzt explizit eichinvarianten – Masseterme ergeben. Die Lagrangedichte für die Wechselwirkung eines Fermionfeldes $ \psi $ mit dem Higgs-Feld (und dem Eichfeld) lautet
wobei das Eichfeld A wieder nur in $ D_{\mu } $ eingeht, $ \gamma ^{\mu } $ die Dirac-Matrizen sind und $ G_{\psi } $ der Parameter der Yukawa-Kopplung mit dem Higgs-Feld ist. Auch hier geschieht die Massenerzeugung nach dem gleichen Prinzip: die Existenz eines endlichen Vakuumerwartungswertes $ |\langle \phi \rangle | $, dessen Ausbildung im vorigen Abschnitt beschrieben wurde, ist der Grund für die Anwesenheit von Masse.
Ein Potential, das dem Higgs-Potential („Mexikanerhut-Potential“) ähnelt, kommt auch in der Festkörperphysik vor, etwa bei den Ladungsdichtewellen in 2H-NbSe2 mit einer charakteristischen Temperatur von 33 K, deutlich oberhalb der Supraleitung (Tc~ 7 K). Schon vor Einsetzen der Supraleitung konkurrieren die Ladungsdichte-Schwingungsform und eine kohärente radiale bzw. vertikale sog. Higgs-Mode miteinander, wobei die Higgs-Mode mit abnehmender Temperatur immer mehr an Gewicht zunimmt. Bei ganz tiefen Temperaturen ist dagegen die Goldstone-Nambu-Mode dominierend; sie ist rein azimutal und kostet keinerlei Energie.[21]
Da das Higgs-Feld anscheinend nicht an die masselosen Lichtquanten („Photonen“) ankoppelt und selbst „Masse“ erzeugt, liegt ein Zusammenhang mit der astrophysikalisch interessanten dunklen Materie nahe, weil diese Materie nur durch ihre Schwerewirkung „sichtbar“ ist. In der Tat haben Marco Taoso und Mitarbeiter vom CERN Ende 2009 durchgerechnet, dass das Higgs-Feld indirekt als Folge der Zerstrahlung sehr schwerer Teilchen im Zusammenhang mit Elementarteilchen-Reaktionen unter Beteiligung der Dunkelmaterie sichtbar werden könnte.[22][23]
Als dem Alltag entnommene populärwissenschaftliche Veranschaulichung des Higgs-Mechanismus als Kollektiveffekt des Higgs-Feldes findet man häufig das Auftauchen eines Stars, meist „Alice“ genannt, auf einer Party: Bevor „Alice“ den Saal betritt, stehen die Partygäste gleichmäßig verteilt im Raum. Sobald sie jedoch eintritt, laufen zahlreiche Gäste auf sie zu, wollen Autogramme oder Small-Talk. Im Ergebnis kommt „Alice“ in dieser Menge von Partygästen also sehr viel langsamer voran als sie eigentlich könnte, die Wechselwirkungen der Partygäste mit dem Star haben also im Hinblick auf das Vorankommen den gleichen Effekt wie zusätzliche Körpermasse des Stars.[24] Die Wirkung der Partygäste auf „Alice“ ist die gleiche, wie man sie auch durch einen einzigen, den weiblichen Star selbst faszinierenden männlichen Kollegen („Bob“) erhalten würde.
Die Partygäste erzeugen in dieser Veranschaulichung das Higgs-Potential, „Alice“ stellt das Eichteilchen dar, das Masse bekommt. Das Higgs-Feld selbst, mitsamt „Symmetriebrechung“, wird repräsentiert durch die Gäste, die enger zusammenrücken, um über „Alice“ zu tuscheln, und sich als Gruppe daher kaum im Raum fortbewegen. „Bob“, der die gleiche Wirkung wie die Gesamtheit der Partygäste auf „Alice“ hat, repräsentiert das Higgs-Boson. Auf „Bob“ selbst wirkt die Versammlung der Partygäste attraktiv; dass sich darin „Alice“ befindet, wird von ihm zwar vermerkt, ist aber im Grunde sekundär („sie kommt in der Lagrange-Dichte vor“). Er selbst fühlt sich gleichsam als „überzählig“ und ist entsprechend distanziert, schwer anzuregen und noch schwerer aufzufinden.
Eine andere Darstellungsweise des Higgs-Bosons vergleicht dieses mit einem Gerücht, welches ebenfalls die Partygäste lokal zusammenzieht.[25] Verschiedene andere populärwissenschaftliche Interpretationen werden in einem Online-Interview eines aus dem Fernsehen bekannten Physikers gegeben.[26]