Nullpunktsenergie

Nullpunktsenergie

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Die Nullpunktsenergie (auch Grundzustandsenergie oder Vakuumenergie oder Quantenvakuum) ist die Differenz zwischen der Energie, die ein quantenmechanisches System im Grundzustand besitzt, und dem Energieminimum, welches das System hätte, wenn man es klassisch beschreiben würde. In thermodynamischen Systemen, die Energie mit ihrer Umgebung austauschen, ist die Nullpunktsenergie damit auch gleich der Energie des Systems am absoluten Temperaturnullpunkt.[1][2]

Potentialfunktion des harmonischen Oszillators (rot).
Ein Teilchen in diesem Potential kann nur bestimmte Energien annehmen (blau), die niedrigstmögliche dieser Energien liegt oberhalb des Potentialminimums

Eindimensionale Einteilchensysteme

Die Nullpunktsenergie wird üblicherweise anhand von eindimensionalen Systemen eines Teilchens in einem Potential eingeführt. In der klassischen (das heißt nicht-quantenmechanischen) Physik ist der energieärmste Zustand der, in dem das Teilchen im Potentialminimum ruht. In der Quantenmechanik kann die kleinste erreichbare Energie über dem Wert des Potentialminimums liegen. Für gegebene Beispielsysteme kann dies durch explizite Bestimmung der Energieeigenzustände verifiziert werden.

Alternativ kann man dieses Resultat durch Verwenden der Unschärferelation erhalten:[3] Eine endliche Ortsunschärfe, die z. B. bei gebundenen Zuständen vorliegt, verlangt im Allgemeinen eine Impulsunschärfe größer als null. Daher können der Impuls und die kinetische Energie nicht exakt null sein. Da die kinetische Energie nicht negativ werden kann:

$ E_{\mathrm {kin} }>0 $

muss die Gesamtenergie, die Summe aus potentieller Energie und kinetischer Energie, somit größer sein als das Minimum der potentiellen Energie:

$ \Rightarrow E_{\mathrm {ges} }=E_{\mathrm {pot} }+E_{\mathrm {kin} }>E_{\mathrm {pot} } $

Harmonischer Oszillator

Das Standardbeispiel für die Nullpunktsenergie ist der quantenphysikalische harmonische Oszillator. Dieser hat das Potential

$ V(x)={\frac {1}{2}}\cdot m\cdot \omega ^{2}\cdot x^{2} $

mit

also ein Potentialminimum $ V(x=0)=0 $,

und das Energiespektrum

$ E_{n}=\left(n+{\frac {1}{2}}\right)\cdot \hbar \cdot \omega $,

mit

  • dem reduzierten planckschen Wirkungsquantum $ \hbar $
  • $ n $: natürliche Zahl inkl. 0.

Auch im energetisch niedrigsten Zustand, dem Grundzustand mit $ n=0 $, existiert somit eine von null verschiedene Energie:

$ E_{0}={\frac {1}{2}}\cdot \hbar \cdot \omega . $

Im klassischen Fall ist der Zustand niedrigster Energie der, bei dem das Teilchen am Ort $ x=0 $ ruht, also $ p=0 $. In der Quantenmechanik verbietet aber die Unschärferelation zwischen Ort und Impuls, dass beide Größen exakte Werte haben. Je genauer der Ort bekannt ist, umso ungenauer kennt man den Impuls und umgekehrt. Anschaulich ergibt sich die Nullpunktsenergie als Mittelwert dieser Schwankungen.

Beobachtungen

Als ein experimenteller Nachweis für die Nullpunktsenergie und die dadurch bedingten Vakuumfluktuationen werden häufig der Casimir-Effekt und die Lamb-Verschiebung interpretiert. Jedoch ist es möglich, den Casimir-Effekt auch ohne den Rückgriff auf Vakuumfluktuationen herzuleiten.[4] Die Lamb-Verschiebung ist ein Phänomen in einer wechselwirkenden Quantenfeldtheorie, das dementsprechend nicht auf die Vakuumenergie zurückgeführt werden kann; das Missverständnis entsteht dadurch, dass er zwar eine Folge virtueller Teilchen-Antiteilchen-Paarbildung ist, welche jedoch nicht aus dem Vakuum stattfindet, sondern auf Wechselwirkungen von Feldern zurückgeht.

Die Vakuumenergie gilt als ein möglicher Kandidat für die Dunkle Energie, welche in der Astronomie eine Erklärung für die beobachtete beschleunigte Expansion des Universums bieten würde. Die Menge der Vakuumenergie stellt in diesem Kontext eines der größten Probleme der modernen Physik dar, da die experimentell gefundenen und die theoretisch vorhergesagten Werte für die Vakuumenergie als Dunkle Energie voneinander abweichen: Aufgrund von Beobachtungen wird die Energiedichte des Vakuums auf einen Wert der Größenordnung 10−9 bis 10−11 J/m3 geschätzt,[5][6][7] sie ist damit etwa um den Faktor 10120 niedriger als in den theoretischen Berechnungen.

Historische Entwicklung

Nach Aufgabe des den leeren Raum erfüllenden Äthers als Medium für die Fortpflanzung von Wellen und Bezugsrahmen für die Bewegung von Körpern herrschte in der klassischen Physik die Vorstellung eines weder Materie noch irgendeine Form von Energie enthaltenden Vakuums.

Doch schon das von Max Planck im Jahr 1911 gefundene Strahlungsgesetz seiner „zweiten Theorie“ legte eine Nullpunktenergie des elektromagnetischen Feldes im Vakuum nahe, da eine von der Temperatur unabhängige Größe ½ $ h\nu $ auftrat. Allerdings maß Planck dem zunächst keine Bedeutung hinsichtlich eines experimentellen Nachweises zu.[8][9]

Bei ähnlichen Überlegungen gelangten Albert Einstein und Otto Stern 1913 zu dem Schluss, dass die Nullpunktsfluktuationen des elektromagnetischen Feldes am absoluten Nullpunkt der Temperatur bei $ h\nu $ lägen.[9]

Aufbauend auf den Arbeiten Plancks schlug Walther Nernst zum einen Nullpunktsfluktuationen für das elektromagnetische Feld um den Wert ½ $ h\nu $ vor[9] und zum anderen, dass das gesamte Universum von Nullpunktenergie erfüllt sei.[10]

Im Jahr 1927 formulierte Werner Heisenberg seine Unschärferelation, die als Grundlage der Nullpunktenergie in jedem quantenmechanischen System gilt.[11]

Georges Lemaître, der wegweisende theoretische Arbeiten zum Urknall und zur Expansion des Universums geleistet hatte, fand 1934 eine Übereinstimmung der Vakuumenergie mit der kosmologischen Konstanten Einsteins (1917), deren Einführung Einstein später jedoch als die „größte Eselei“ seines Lebens bezeichnete.[12]

Bei einer Untersuchung der Van-der-Waals-Kräfte in Kolloidlösungen verwendete Hendrik Casimir zusammen mit Dirk Polder 1947 einen quantenmechanischen Ansatz, welcher zu einer Diskussion mit Niels Bohr führte. Bohr äußerte hierzu, „das muss etwas mit Nullpunktsfluktuationen zu tun haben“.[13] Casimir ging der Idee nach, die Anziehung zwischen neutralen Atomen könne vielleicht nur auf Vakuumfluktuationen beruhen und veröffentlichte 1948 seine grundlegende Arbeit Über die Anziehung zwischen zwei perfekt leitenden Platten.[14] Darin beschrieb er eine theoretische Versuchsanordnung mit zwei Metallplatten im Vakuum, die sich seinen Berechnungen nach aufgrund der Vakuumenergie des elektromagnetischen Quantenfelds anziehen sollten (Casimir-Effekt).

Erste entsprechende Versuche zum Nachweis der Casimirkraft im Vakuum wurden 1958 von Marcus Sparnaay durchgeführt,[15] allerdings mit einem Messfehler von etwa 100 %.[16] Allmählich erreichten die Messungen der Casimirkraft (Wert für zwei Spiegel von 1 cm² Fläche im Abstand 1 µm: 10−7 N[13]) eine höhere Genauigkeit, z. B. betrug der Messfehler bei van Bloklands und Oveerbeeks 1978 25 %[17] und bei Steven Lamoreaux 1996 nur noch 5 %.[18]

In den letzten Jahren fand auch die kosmologische Konstante, die in engem Bezug zur Krümmung der Raumzeit steht, wieder mehr Beachtung, zumal sie nun als kleine positive Energiedichte des Vakuums angesehen wird.[19] Eine neuere Erklärung für die kosmologische Konstante liefert beispielsweise ein zyklisches Universum.[20]

Populärkultur

In diversen film­ischen Werken wird die Nullpunktsenergie als Energiequelle oder -form beschrieben:

  • in verschiedenen Folgen des Star-Gate-Franchise tritt die Nullpunktsenergie als stärkste bekannte Energiequelle auf;[21]
  • im Animationsfilm Die Unglaublichen verwendet der Bösewicht einen Antigravitations­strahl, den er als mit Nullpunktsenergie betrieben beschreibt und
  • in der ersten Folge der Fortsetzung der Fernsehserie Akte X von 2016 wird die Nullpunktsenergie als Energiequelle für ein Raumschiff erwähnt.

Einzelnachweise

  1. Harald Lesch: Nullpunktenergie (auch Vakuumenergie). Abgerufen am 20. Januar 2017.
  2. Martin Bäker: Die Vakuumenergie und der Casimir-Effekt.
  3. F. Schwabl: Quantenmechanik, 6. Auflage, Kapitel 3.1.3, ISBN 3-540-43106-3 (google books)
  4. R. L. Jaffe: The Casimir Effect and the Quantum Vacuum. In: Physical Review D. Band 72, 2005 (arxiv:hep-th/0503158)
  5. J. Baez. What's the energy density of the vacuum?, 2006.
  6. S. M. Carroll: The Cosmological Constant, 2001.
  7. A. Tillemans. Platons Höhlengleichnis und die Vakuumenergie des Universums, 2002.
  8. Max Planck: Eine neue Strahlungshypothese. In: Verhandlungen der Deutschen Physikalischen Gesellschaft. Band 13, 1911, S. 138–148.
  9. 9,0 9,1 9,2 B. Haisch, A. Rueda und Y. Dobyns: Inertial mass and the quantum vacuum fields. In: Annalen der Physik. Band 10, 2000, S. 393–414. arxiv:gr-qc/0009036.
  10. Walther Nernst: Über einen Versuch von quantentheoretischen Betrachtungen zur Annahme stetiger Energieänderungen zurückzukehren. In: Verhandlungen der Deutschen Physikalischen Gesellschaft. Band 4, 1916, S. 83.
  11. Werner Heisenberg: Über den anschaulichen Inhalt der quantentheoretischen Kinematik und Mechanik. In: Zeitschrift für Physik. Band 43, 1927, S. 172–198. Zusammenfassung/
  12. J.-P. Luminet: The Rise of Big Bang Models, from Myth to Theory and Observations. 2007, arxiv:0704.3579.
  13. 13,0 13,1 A. Lambrecht: Das Vakuum kommt zu Kräften. In: Physik in Unserer Zeit. Band 2, 2005, S. 85–91, bibcode:2005PhuZ...36...85L.
  14. Hendrik Casimir: On the attraction between two perfectly conducting plates. In: Proc. Con. Ned. Akad. van Wetensch. B51 (7), 1948, S. 793–796.reprint online
  15. M.J. Sparnaay: Measurements of attractive forces between flat plates. In: Physica. 24, 1958, S. 751, doi:10.1016/S0031-8914(58)80090-7.
  16. R. Onofrio: Casimir forces and non-Newtonian gravitation. In: New Journal of Physics. Band 8, 2006, S. 237 Abstract.
  17. P. H. G. M van Blokland und J. T. G. Oveerbeek: The measurement of the van der Waals dispersion forces in the range 1.5 to 130 nm. In: Journal of the Chemical Society Faraday Transactions. Band I74, 1978, S. 2637.
  18. S. K. Lamoreaux: Demonstration of the Casimir force in the 0.6 to 6 mm range. Physical Review Letters. Band 78, Nr. 1, 1997, S. 5–8 Abstract.
  19. S. M. Carroll: The Cosmological Constant. 2001.
  20. Paul Steinhardt und N. Turok: A Cyclic Model of the Universe. In: Science. Band 296, Nr. 5572, 2002, S. 1436–1439 Abstract.
  21. Zero-Point-Modul. Das deutschsprachige Stargate-Lexikon. In: Stargate Wiki. Abgerufen am 9. Februar 2016.