Die Clausius-Duhem-Ungleichung ist die in der Kontinuumsmechanik benutzte Form des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik.
Die mathematische Formulierung dieses Gesetzes trifft – wie alle anderen physikalischen Gesetze auch – keine Aussagen über die individuellen Eigenschaften von Körpern. Um das thermodynamische Verhalten eines speziellen Körpers zu bestimmen, bedarf es also noch eines Materialmodells, das sein materialspezifisches Verhalten wiedergibt.
Die Clausius-Duhem-Ungleichung ist weniger als Einschränkung für physikalische Prozesse, sondern vielmehr als Anforderung an die konstitutiven Gleichungen eines Materialmodells zu interpretieren: Es muss sichergestellt sein, dass die Clausius-Duhem-Ungleichung von den Materialgleichungen für beliebige Prozesse erfüllt wird. Hieraus ergeben sich dann oftmals Wertebereiche, in denen Materialparameter eines Modells liegen müssen. Beispielsweise folgt in der idealen Plastizität im Fallbeispiel, dass die Lamé-Konstanten positiv sind.
Die Entropiebilanz beschreibt, wie sich die Entropie eines Körpers durch äußere Einflüsse ändert. Wenn s die spezifische Entropie,
In dieser Gleichung sind v das vom Körper eingenommene Volumen, a die Oberfläche des Körpers,
Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik bringt die Erfahrung zum Ausdruck, dass mechanische Arbeit vollständig in Wärme umgewandelt werden kann, die Umwandlung von Wärme in mechanische Energie aber nur zum Teil gelingt. Die Dissipation von mechanischer Arbeit in Wärme geht mit einer Entropieproduktion einher, die also nicht negativ sein darf:
Diese Gleichung wird auch Dissipationsungleichung genannt.
Aus der Gleichgewichtsthermodynamik homogener Systeme ist bekannt, dass der Entropiefluss der Quotient aus dem Wärmefluss
Mit diesen Annahmen leitet sich aus dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik die globale Formulierung der Clausius-Duhem-Ungleichung ab:
Ausnutzung des Divergenzsatzes, der Produktregel und der lokalen Massen- und Energiebilanz liefert die lokale Formulierung
Beweis |
Die Zeitableitung des Volumenintegrals lässt sich mit dem Divergenzsatz und der Produktregel umformen: Die anderen Terme verschwinden wegen der für beliebige Volumina geltenden Konstanz der Masse
Der Transportterm lässt sich ebenfalls mit dem Divergenzsatz und der Produktregel umformen: entsteht das Endergebnis: |
Es ist
Im wichtigen Sonderfall, in dem Temperaturänderungen vernachlässigt werden können, vereinfacht sich diese lokale Form zu:
Die spezifische Spannungsleistung muss also jederzeit größer sein als die Produktion an freier Energie. Der Überschuss wird dissipiert. Die lokale Form ist weniger als Einschränkung physikalischer Prozesse, sondern vielmehr als Anforderung an Materialmodelle zu interpretieren: Es muss sichergestellt sein, dass die lokale Form der Clausius-Duhem-Ungleichung von den Materialgleichungen für beliebige Prozesse erfüllt werden. Eine Anwendung zeigt das #Beispiel isotherme ideale Plastizität unten.
Diese in der eulerschen Betrachtungsweise abgeleiteten Formeln lauten in der lagrangeschen Fassung:
Globale Form:
Lokale Form:
Isothermer Prozess:
Die mit null indizierten Größen sind die mit den materiellen Koordinaten ausgedrückten Größen,
Anhand der isothermen idealen Plastizität bei kleinen Deformationen soll aufgezeigt werden, wie weit die Clausius-Duhem-Ungleichung hilft, thermodynamisch konsistente Materialgleichungen zu formulieren.
Bei der idealen Plastizität tritt beim plastischen Fließen keine Verfestigung auf, d. h. die Spannungs-Dehnungs-Kurve hat beim einachsialen Fließen im Zugversuch einen horizontalen Verlauf. Knete ist in etwa ideal plastisch. In der Praxis findet dieses Modell Anwendung, wenn nur die Fließgrenze bekannt ist und bei der Berechnung eines Bauteils dessen Steifigkeit auf keinen Fall überschätzt werden soll.
Die Konstitutivvariable ist die Gesamtdehnung ε und die Materialgröße ist der Spannungstensor σ. Bei kleinen Deformationen ist
Das Material besitzt einen elastischen Bereich, in dem das Material elastisch reagiert und einen plastischen Bereich, wo plastisches Fließen stattfindet. Das Fließen wird mit der plastischen Dehnung εp dargestellt, die eine innere Variable des Modells ist. Die plastische Dehnung kann also nicht direkt von außen beeinflusst oder vorgegeben werden. Die Differenz zwischen der Gesamtdehnung und der plastischen Dehnung ist die elastische Dehnung εe, die allein die Spannungen festlegt. Die Gesamtdehnung wird also in einen elastischen und einen plastischen Anteil zerlegt:
Die Fließfunktion
Hier tritt der Spannungsdeviator σD und die Fließgrenze k auf, die ein Materialparameter ist. Im elastischen Bereich ist f < 0 und
was das besondere Merkmal der idealen Plastizität ist. Auf der linken Seite der Gleichung steht die von Mises Vergleichsspannung.
Die Helmholtzsche freie Energie soll nur von den elastischen Dehnungen abhängen:
Diese Voraussetzungen genügen schon, um einen groben Rahmen für das Plastizitätsmodell festzulegen.
Die Clausius-Duhem-Ungleichung ergibt:[1]
Diese Ungleichung muss für alle möglichen Prozesse erfüllt sein. Im elastischen Bereich (
Im plastischen Bereich (
Der Proportionalitätsfaktor
Beim plastischen Fließen bleiben die elastischen Dehnungen konstant, weswegen
Nach der Clausius-Duhem-Ungleichung darf die Leistung der Spannungen an den plastischen Dehnungen nicht negativ sein:
weswegen der plastische Multiplikator also nicht negativ sein darf. Er berechnet sich aus der Konsistenzbedingung
Darin ist
Die Tabelle listet nochmal alle aus der Clausius-Duhem-Ungleichung abgeleiteten Eigenschaften des Modells auf:
Eigenschaft | Bedingung | Formel |
---|---|---|
Spannungs-Dehnungs-Beziehung | Hyperelastizität | |
Elastizitätstensor | positiv definit | |
Fließgrenze | positiv | |
Fließregel | Leistung der Spannungen an der plastischen Dehnrate nicht negativ | |
Plastisches Fließen | Belastungsbedingung ist erfüllt |
Bei Verwendung des Hooke'schen Gesetzes ist — wie eingangs angekündigt —
zu fordern. Die Belastungsbedingung reduziert sich auf
Unter diesen Bedingungen ist die thermodynamische Konsistenz der idealen Plastizität bei isothermen Prozessen sichergestellt.