Gammablitz

Gammablitz

Künstlerische Darstellung eines hellen Gammablitzes in einer Sternenformation. Die Energie aus der Explosion strahlt in zwei schmalen, entgegengesetzt gerichteten Jets.

Gammablitze, Gammastrahlenblitze, Gammastrahlenausbrüche oder auch Gammastrahlenexplosionen (englisch gamma-ray bursts, oft abgekürzt GRB) sind Energieausbrüche sehr hoher Leistung im Universum, von denen große Mengen elektromagnetischer Strahlung ausgehen.

Die Entstehung der Gammablitze ist noch nicht vollständig geklärt. Man beobachtete einen Gammablitz erstmals am 2. Juli 1967 mit den US-amerikanischen Vela-Überwachungssatelliten, die eigentlich zur Entdeckung oberirdischer Atombombentests dienten. Dass die Strahlen aus den Tiefen des Weltraums kamen, wurde erst 1973 durch Wissenschaftler im Los Alamos National Laboratory in New Mexico mit den Daten der Satelliten sicher festgestellt.

Die Bezeichnung „Gammablitz“ hat sich wahrscheinlich eingebürgert, weil die Vela-Satelliten zur Detektion der Gammastrahlung von Kernwaffenexplosionen gedacht und ausgerüstet waren. Auch wird elektromagnetische Strahlung mit Photonenenergien im keV-Bereich und höher oft allgemein als Gammastrahlung bezeichnet, wenn ihre Quelle und Entstehung nicht bekannt ist. Um Gammastrahlung im engeren, kernphysikalischen Sinn handelt es sich bei den Gammablitzen nicht.

Beobachtungen

Gammablitze setzen in zehn Sekunden mehr Energie frei als die Sonne in Milliarden von Jahren. Für die Dauer seines Leuchtens ist ein Gammablitz heller als alle übrigen Gammastrahlenquellen am Himmel. Gammablitze haben zudem ein Nachglühen im optischen sowie im Röntgenspektrum, das in Zeiträumen der Größenordnung von Tagen und Wochen langsam verblasst.

Den bislang hellsten beobachteten Gammablitz registrierte der NASA-Forschungssatellit Swift am 19. März 2008. Der Ausbruch kam von einem Objekt, das 7,5 Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt war. Er war 2,5 Millionen Mal heller als die leuchtstärkste bisher beobachtete Supernova und konnte als erster GRB (englisch gamma-ray burst) mit dem bloßen Auge gesehen werden. Diese Explosion wurde unter der Nummer GRB 080319B katalogisiert.[1]

Optisches Nachleuchten des Gammablitzes GRB-990123 (heller Punkt im weißen Quadrat und Ausschnittsvergrößerung). Das darüberliegende gekrümmte Objekt ist die Galaxie, aus der er stammt. Diese wurde vermutlich durch eine Kollision mit einer anderen Galaxie verformt.

Die Strahlung von Gammablitzen kann die Erdatmosphäre nicht unverändert durchdringen. Daher können Gammablitze

  • direkt nur mit Weltraumteleskopen
  • oder indirekt durch Messungen der in der Atmosphäre ausgelösten sekundären Strahlungsschauer beobachtet werden.

Wegen ihrer kurzen Dauer und hohen Leuchtkraft und wegen des geringen räumlichen Auflösungsvermögens der Satellitenteleskope konnte man die Gammablitze lange Zeit weder bekannten (sichtbaren) Quellen zuordnen noch glaubhafte Vermutungen zu ihren Ursachen anstellen. Zuerst wurden die Quellen der Blitze innerhalb unserer Milchstraße vermutet, weil Ereignisse derartiger Helligkeit bei weiterer Entfernung physikalisch nicht erklärbar schienen. Aus ihrer gleichförmigen Verteilung über den gesamten Himmel konnte man jedoch schließen, dass es sich um extragalaktische Ereignisse handelt. Andernfalls müssten sie sich in der Ebene der Milchstraße, in der sich die meisten Sterne der Milchstraße befinden, häufen oder, falls sie zum Halo der Milchstraße gehörten, in Richtung des galaktischen Zentrums.

Ein wesentlicher Fortschritt gelang durch sehr rasche Lokalisierung der Gammablitze, so dass andere Teleskope noch während des Gammablitzes automatisch auf dessen Himmelsposition gerichtet werden können. Mit Hilfe des Röntgen-Satelliten BeppoSAX konnte 1997 erstmals das Nachglühen von Gammablitzen im Röntgenbereich beobachtet werden. Auf Grund der wesentlich exakteren Positionsbestimmung in der Röntgenastronomie konnte man gezielte Nachbeobachtungen auch im UV- und sichtbaren Licht machen und sie bekannten Quellen zuordnen. Man fand an den Stellen der Gammablitze weit entfernte Galaxien und konnte so direkt nachweisen, dass Gammablitze extragalaktische Quellen haben.

Dauer

Die Dauer von Gammablitzen beträgt wenige Sekunden bis maximal einige Minuten; zwei bekannte Ausnahmen sind GRB 060218 mit 33 Minuten und GRB 110328A (Sw 1644+57), der eine Rekorddauer von mehreren Wochen erreichte.[2]

GRBs lassen sich nach ihrer Dauer in zwei verschiedene Klassen einteilen. Die langen GRBs dauern im Mittel etwa 35 Sekunden. In einigen sehr langen GRBs konnte man zeitgleich zum Gammablitz eine Kernkollaps-Supernova beobachten.

Am 4. September 2005 registrierte der NASA-Satellit Swift einen Ausbruch, der 200 Sekunden aufleuchtete und damit zu den langen GRBs gehört. Er kam aus einer 12,7 Milliarden Lichtjahre entfernten Region, also aus der Zeit des relativ jungen Universums. Dieser Gammablitz mit der Bezeichnung GRB 050904 gehört zu den von der Erde entferntesten GRBs und stellte zum damaligen Zeitpunkt das zweitälteste dokumentierte Ereignis im Universum dar.[3]

Im Gegensatz dazu dauern kurze GRBs weniger als zwei Sekunden. Auch das optische Nachleuchten dieser GRBs ist wesentlich kürzer als das der langen GRBs. Es konnte 2005 erstmals beobachtet werden. Kurze GRBs haben normalerweise härtere Röntgenspektren als die langen. Etwa 30 % aller kurzen GRBs folgt ein bis zu 100 Sekunden andauernder, stark veränderlicher Röntgenausbruch. Dieses unterschiedliche Verhalten innerhalb der Klasse der kurzen GRBs lässt auf mehr als einen Entstehungsmechanismus schließen.

Am 27. Dezember 2004 wurde die Erde (21:30 UTC) von einem Gamma- und Röntgenstrahlen-Ausbruch getroffen. Ein Neutronenstern hatte in Sekundenbruchteilen mehr Energie freigesetzt als die Sonne in 100.000 Jahren. Die Wellenfront in etwa 50.000 Lichtjahren Entfernung von der Quelle war intensiver als der stärkste jemals gemessene Strahlungsausbruch unserer Sonne. Forscher in Australien berichteten, die Riesenexplosion des Neutronensterns SGR 1806-20 habe ihn für eine Zehntelsekunde heller als den Vollmond gemacht. Der Ausbruch von GRB 041227 am 27. Dezember 2004 dauerte nur 0,2 Sekunden.[4]

Vorausbruch

Ungefähr 15 Prozent aller Gamma Ray Bursts zeigen einen oder mehrere Vorläufer (precursors). Dabei handelt es sich um bis zu 100 Sekunden vor dem Hauptausbruch auftretende Gammastrahlung mit etwa 100 mal schwächerer Leuchtkraft. Vor der Haupteruption folgt meistens eine Phase, in der keine Strahlung nachgewiesen wird. Das Spektrum entspricht dem des Hauptausbruchs. Wenn mehrere Precursors beobachtet werden, liegen zwischen ihnen jeweils Ruhephasen von rund 10 Sekunden[5].

Spektrum

Spektrum des Gammablitzes 910503. Logarithmisch aufgetragen ist die spektrale Photonenflussdichte N(E) mit E² skaliert über der Photonenenergie E. Der rote und blaue Funktionsgraph gibt den Verlauf der nebenstehenden phänomenologischen Formel wieder.

Die Strahlung zeigt ein kontinuierliches Spektrum mit Photonenenergien von weniger als 1 keV bis in den MeV-Bereich. Die meisten Spektren lassen sich durch eine Unterteilung in zwei Bereiche beschreiben. Im Bereich niedriger Energien bis zu einigen hundert keV (je nach GRB) nimmt mit zunehmender Energie der Photonen ihre Häufigkeit exponentiell ab. Im Bereich hoher Energien folgt die weitere Abnahme der Häufigkeiten einer Hyperbel. Wegen der weit ausgedehnten Skala der vorkommenden Energien unterscheiden sich die Häufigkeiten für die einzelnen Kanäle um viele Zehnerpotenzen. Daher ist eine lineare Darstellung des gesamten Spektrums in einem Diagramm nicht sinnvoll. Besser wird eine Leistungsgröße (Häufigkeit · Energie²) über der Energie doppelt logarithmisch aufgetragen. In dieser Darstellung zeigt sich für die meisten Spektren ein Maximum, nämlich bei derjenigen Photonenenergie, bei der die größte Leistung empfangen wurde. Diese Peak-Energie ist charakteristisch für den Gammablitz und liegt im Mittel der von BATSE untersuchten Gammablitze bei 250 keV.[6]

Das genaue phänomenologische Modell für das kontinuierliche Spektrum ist:[7]

$ N(E)\sim {\begin{cases}{E^{\alpha }\exp \left({-{\frac {E}{E_{0}}}}\right)},&{\text{für }}E\leq (\alpha -\beta )E_{0}\ \\{\left[{\left({\alpha -\beta }\right)E_{0}}\right]^{\left({\alpha -\beta }\right)}E^{\beta }\exp \left({\beta -\alpha }\right)},&{\text{für }}E>(\alpha -\beta )E_{0}\ \end{cases}}. $
  • $ \alpha $ und $ \beta $ sind freie Parameter; $ \alpha \approx -1,\beta \approx -2 $[8]
  • $ E_{0} $ ist mit der Peak-Energie $ E_{p} $ über $ E_{0}={\frac {E_{p}}{2+\alpha }} $ verknüpft.

Für $ \alpha =-1 $ und $ \beta =-2 $ ergibt sich:

$ N(E)={\begin{cases}{E^{-1}\exp \left({-{\frac {E}{E_{p}}}}\right)},&{\text{für }}E\leq E_{p}\\E_{p}E^{-2}e^{-1},&{\text{für }}E>E_{p}\ \end{cases}} $

Dem Kontinuum sind schwache einzelne Spektrallinien überlagert, die allerdings stark dopplerverbreitert sind. Solche Linien auf dem kontinuierlichen Spektrum geben Einblick in die physikalischen Prozesse der Entstehung der Strahlung. Die starke Blauverschiebung bedeutet, dass sich das Explosionsmaterial mit hochrelativistischer Geschwindigkeit auf den Beobachter zubewegt. Die Dopplerverbreiterung ergibt sich aus der starken thermischen Bewegung aufgrund der hohen Temperatur des emittierenden Materials.

Das Spektrum ist während der Dauer des GRB nicht konstant, lässt sich aber zu allen Zeiten mit den gleichen oben genannten Funktionen annähern, nur die Parameter ändern sich zeitlich. Im Allgemeinen nimmt die Peak-Energie und damit die Härte des Spektrums während der Dauer des Gammablitzes ab, kann aber im Verlauf des Blitzes bei Intensitätsschüben auch wieder kurz ansteigen.[9]

Mögliche Entstehung

Auf Grund der kurzen Dauer des Gammablitzes kann das Gebiet, aus dem er ausgesendet wurde, nicht sehr groß sein. Der Durchmesser eines langsamen Objekts (mit weniger als 10 % der Lichtgeschwindigkeit) ist maximal gleich der kürzesten Helligkeitsänderung multipliziert mit der Lichtgeschwindigkeit; wegen relativistischer Effekte kann dieser Bereich etwas größer sein, ist aber immer noch recht klein. Spezielle Supernovaexplosionen, so genannte Hypernovae, sind daher mögliche Ursache für Gammablitze. Eine weitere mögliche Ursache für einen Gammablitz sind verschmelzende Neutronensterne.

Würde ein Gammablitz gleichmäßig in alle Richtungen abstrahlen, so hätte beispielsweise der Gammablitz GRB-990123 vom Januar 1999 (siehe obiges Bild) eine Strahlungsleistung von über 1045 Watt haben müssen, entsprechend der 2,5·1018-fachen Sonnenleuchtkraft, also 2,5 Trillionen Sonnen. Selbst Quasare kommen nur auf 1040 Watt.

Man nimmt daher an, dass ein Gammablitz nur in zwei engen, entgegengesetzten, kegelförmigen Bereichen mit einem Öffnungswinkel von wenigen Grad ausgesandt wird, die Strahlung also wie bei einem Leuchtturm fokussiert ist. Dadurch verringert sich die erforderliche Strahlungsleistung, um die beobachtete Helligkeit zu erklären, um ca. 3 Zehnerpotenzen, ist jedoch immer noch extrem groß. Zudem lässt sich durch die Fokussierung die Heftigkeit der Energieausbrüche erklären, ohne dass grundlegende physikalische Prinzipien verletzt würden. Der Gammablitz schließlich entsteht durch Stoßwellen in dem sich mit nahezu Lichtgeschwindigkeit ausbreitenden Gas der Supernovaexplosion. Die gesamte freiwerdende Energiemenge ist ungefähr in derselben Größenordnung wie von einer Supernova, jedoch strahlt die Supernova den Großteil ihrer Energie in Form von Neutrinos ab. Modellrechnungen zeigen, dass der beobachtete Helligkeitsverlauf der Gammablitze gut zu den Annahmen passt. Die Beobachtungen von GRB 080319B (siehe oben) ergeben, dass innerhalb der kegelförmigen Bereiche je noch ein kleinerer, noch ‚spitzkegeligerer‘ Jet existiert, der praktisch keine Durchmesseraufweitung mehr aufzeigt. Bei dem erwähnten Gammablitz befand sich die Erde genau innerhalb dieses ‚Laser-Strahls‘, was ein seltenes Ereignis darstellen sollte: Möglicherweise existiert bei jedem Gammablitz ein solcher zweiter Strahl, der aber nur beobachtet werden kann, wenn sich die Erde bzw. das Messgerät innerhalb dieses engen Strahlungskegel befindet. Bisher war dies nur bei GRB 080319B der Fall.

Veranschaulichung eines massereichen Sterns, der zu einem Schwarzen Loch kollabiert. Die freiwerdende Energie in Form von Jets entlang der Rotationsachse bildet einen Gammablitz.

Den Unterschied zu einer normalen Supernova erklärt man sich dadurch, dass bei besonders massereichen Sternen von über 20 Sonnenmassen eine Hypernova entsteht, deren zentraler Kernbereich zu einem rasch rotierenden Schwarzen Loch kollabiert. Das umgebende Gas läuft in einer Akkretionsscheibe um das Schwarze Loch und heizt sich beim Einfall sehr stark auf, Gasjets werden dann senkrecht zur Scheibenebene ausgestoßen und erzeugen die Gammablitze. Die Verschmelzung zweier Neutronensterne führt zu ähnlichen Resultaten.

Auch wenn schon lange ein Zusammenhang mit Supernovae vermutet wurde, war es doch erst 1997 möglich, einen Gammastrahlenausbruch direkt in Verbindung mit solch einem Sternentod zu bringen. Der Satellit High Energy Transient Explorer (HETE) beobachtete einen Gammastrahlenausbruch, als dessen Quelle sich der Kollaps eines Sterns mit 15-facher Sonnenmasse herausstellte.

Zu einem Teil der GRBs mit einem langen Ausbruch konnte eine Supernova am selben Ort gefunden werden, die einige Stunden später aufleuchtete. Es handelt sich bei allen bestätigten Übereinstimmungen um eine nackte Kernkollaps-Supernova vom Typ Ic-b1. Diese entwickelten Sterne haben in ihrem Kern alle Elemente bis zum Eisen produziert und wenigstens die wasserstoffreichen Atmosphärenschichten durch Sternwind oder Interaktion in einem Doppelsternsystem verloren. Allerdings ist nur bei einem sehr geringen Anteil der Supernovae vom Typ Ic-b1 ein entsprechender Gammablitz gefunden worden. Dies erklärt sich erstens durch den schmalen Kegel, in dem die Gammastrahlung abgestrahlt wird und nur bei einem kleinen Teil aller Supernovae zufällig in Richtung Erde ausgerichtet ist; zweitens reicht die Energie des Gammastrahlenausbruchs nicht immer aus, um die Restatmosphäre des Sterns zu durchdringen. Auf der anderen Seite sind nicht zu allen langen Gammablitzen Supernovae gefunden worden. Es dürfte daher noch weitere Entstehungskanäle für lange Gammastrahlenausbrüche geben.[10]

Mit der Entstehung langer Gammablitze werden folgende Ereignisse in Verbindung gebracht:

  • Eine Kernkollaps-Supernova, verbunden mit der Entstehung eines Neutronensterns oder Schwarzen Lochs[11]
  • Eine hypothetische Hypernova, verbunden mit der Entstehung eines Schwarzen Lochs[12]

Kurzzeitig glaubten Astronomen, dass Magnetare (instabile junge Neutronensterne, die von einem extrem starken Magnetfeld umgeben sind) die Quelle besonders kurzer Gammablitze sein könnten. Doch die Magnetar-Theorie ist wahrscheinlich falsch, wie weitere Beobachtungen im Jahr 2005 ergaben. So konnte die Sonde HETE-2, die bereits seit Oktober 2000 im All ist, am 9. Juli 2005 einen Gammablitz von nur 70 Millisekunden Dauer auffangen. In höchster Eile richteten Wissenschaftler die Weltraumteleskope Hubble und Chandra sowie das dänische 1,5-Meter-Teleskop im chilenischen La Silla auf die Explosion aus. Auf diese Weise entstanden die ersten Bilder vom Nachglühen eines kurzen Gammablitzes im Bereich des optischen Lichts.

Für die Entstehung kurzer Gammablitze werden drei Szenarien diskutiert[13][14]:

  • Die Verschmelzung von zwei Neutronensternen in einem Doppelsternsystem durch Kollision[15]
  • Die Verschmelzung eines Neutronensterns und eines Schwarzen Lochs in einem Doppelsternsystem durch Kollision
  • Der Kollaps eines Weißen Zwerges (thermonukleare Supernova, Typ Ia), wenn durch Akkretion die maximale Masse überschritten wird (Chandrasekhar-Grenze)

Die dem Ausbruch folgende Emission von Röntgenstrahlung könnte aus dem Verlust von Rotationsenergie eines gerade entstandenen Magnetars kommen.

Am 16. Oktober 2017 gab die LIGO-Kollaboration bekannt[16], dass erstmals ein Gravitationswellen-Signal aus der Kollision zweier Neutronensterne entdeckt wurde. Gleichzeitig wurde sie mit einem kurzen Gammablitz (GRB 170817A)[17] in Verbindung gebracht und konnte im optischen und in anderen elektromagnetischen Wellenbereichen beobachtet werden. Das war der erste Nachweis eines vermutlichen Zusammenhangs von kurzen Gammablitzen und der Kollision zweier Neutronensterne.

Mit Hilfe einer Computersimulation haben Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik die Verschmelzung zweier Neutronensterne zu einem Schwarzen Loch genauer untersucht und konnten erstmals zeigen, dass sich durch Reorganisation des Magnetfeldes bei der Verschmelzung eine Jet-förmige Struktur entlang der Rotationsachse bildet, in dessen Inneren Gammablitze entstehen können. Für die Simulation hatten die Wissenschaftler die Einsteinschen Feldgleichungen und die Gleichungen der Magnetohydrodynamik für dieses Szenario gelöst.[18]

Spekulationen über die Folgen naher Gammablitze

Möglicher Mechanismus

Der unmittelbare, sofortige Schaden durch einen Gammablitz, der direkt auf die Erde gerichtet ist, wäre nach den Ergebnissen einer Studie begrenzt,[19] da Gammablitze meist nur kurz sind und ein großer Teil der Gammastrahlen den Erdboden nicht erreicht. Die Strahlung wird nämlich in der Atmosphäre absorbiert, wobei unter anderem Stickoxid entsteht. Auch wäre die vom Gammablitz abgewandte Erdseite von dem Gammablitz nicht sofort betroffen, da die Gammastrahlung den Planeten nicht durchdringen kann. Ein ausreichend naher Gammablitz bildet aber so viel Stickoxid in der Atmosphäre, dass die Ozonschicht schwer geschädigt würde. Das könnte auch die unberührte Erdseite stark beeinflussen.

Historisches Massenaussterben

Eventuell ist sogar eines der größten Massenaussterben der Erdgeschichte durch einen Gammablitz in der Milchstraße ausgelöst worden. Beispielsweise wird über ein Ereignis vor 443 Millionen Jahren (Ende des Ordoviziums) spekuliert. Infolge eines Gammablitzes wäre die UV-Strahlung der Sonne nach Zerstörung der Ozonschicht ungehindert in die obersten Wasserschichten der Urozeane eingedrungen. Dort könnten Organismen, die nahe der Wasseroberfläche lebten, abgetötet worden sein (Landlebewesen gab es zu dieser Zeit noch nicht). Als Indiz für ein solches Szenario wird angeführt, dass am Ende des Ordoviziums viele nahe der Wasseroberfläche lebende Trilobiten ausstarben.[20][21]

Zukünftige Gefahren

Eine Gruppe von Wissenschaftlern an der Ohio State University wurde beauftragt herauszufinden, welche Konsequenzen der Treffer eines in der Nähe (ca. 500 Lichtjahre) entstehenden Gammablitzes auf die Erde hätte.[19] Die Untersuchung sollte auch helfen, Massenaussterben auf der Erde zu klären und die Wahrscheinlichkeit von extraterrestrischem Leben einschätzen zu können. Im Ergebnis vermuten Wissenschaftler, dass ein Gammablitz, der in der Nähe unseres Sonnensystems entsteht und die Erde trifft, ein Massensterben auf dem gesamten Planeten auslösen könnte. Die zu erwartende schwere Schädigung der Ozonschicht würde die globale Nahrungsmittelversorgung zusammenbrechen lassen sowie zu langanhaltenden Veränderungen des Klimas und der Atmosphäre führen. Das würde ein Massenaussterben auf der Erde bewirken und die Weltbevölkerung auf beispielsweise 10 % ihres jetzigen Wertes schrumpfen lassen.

Der Schaden durch einen Gammablitz wäre deutlich höher als der durch eine Supernova, die sich in gleicher Entfernung wie der Gammablitz ereignet. Gammablitze jenseits von 3.000 Lichtjahren stellen nach der Studie keine Gefahr dar.

Erwähnenswerte Gammablitze

GRBs von besonderer historischer oder wissenschaftlicher Bedeutung:

  • 670702 – 2. Juli 1967: Der erste GRB, der beobachtet wurde.
  • 970228 – 28. Februar 1997: Der erste GRB, bei dem erfolgreich ein Nachleuchten festgestellt werden konnte.
  • 970508 – 8. Mai 1997: Der erste GRB mit einer exakt bestimmten Rotverschiebung (ein Wert, der es Astronomen ermöglicht, die Entfernung eines Ereignisses oder Objekts zu bestimmen).
  • 980425 – 25. April 1998: Der erste GRB, der in Verbindung mit einer Supernova (SN 1998bw) beobachtet wurde; zeigte eine enge Beziehung zwischen SN und GRBs auf.
  • 990123 – 23. Januar 1999: Der erste GRB, bei dem eine Emission im sichtbaren Bereich festgestellt wurde (siehe Bild oben).
  • 041227 – 27. Dezember 2004: Die Erde wird von einem gewaltigen Gammastrahlenausbruch getroffen, dessen Wellenfront von einem Magnetar (SGR 1806-20) in 50.000 Lj Entfernung ausging.
  • 050509B – 9. Mai 2005: Der erste kurze GRB, bei dem der Ursprungskörper festgestellt werden konnte (unterstützte die Theorie, dass kurze GRB nicht mit Supernovae in Verbindung stehen).
  • 050724 – 24. Juli 2005: Ein kurzer GRB, als dessen Ursprung ein um ein Schwarzes Loch kreisender Neutronenstern festgestellt wurde.
  • 050904 – 4. September 2005: Ein alter Entfernungsrekord für einen GRB mit einer Rotverschiebung von 6,29 (12,7 Mrd. Lichtjahre).
  • 080319B – 19. März 2008: Hellster GRB und hellste Supernova, die bis dato entdeckt wurden (absolute Helligkeit: −36 mag); außerdem erster GRB, der mit bloßem Auge beobachtet werden konnte (scheinbare Helligkeit: 5,76 mag); zugleich das am weitesten entfernte Objekt, das jemals mit bloßem Auge zu beobachten war.
  • 080913 – 13. September 2008: Der alte Entfernungsrekord für einen GRB mit einer Rotverschiebung von 6,7 (12,8 Mrd. Lichtjahre).[22][23]
  • 090423 – 23. April 2009: Der am weitesten von der Erde entfernte GRB mit einer Rotverschiebung von 8,2 (13,035 Mrd. Lichtjahre) und damit das älteste dokumentierte Ereignis im Universum (ca. 630 Mio. Jahre nach dem Urknall).[24][25][26] Er wurde mit Swift und dem GROND am La-Silla-Observatorium entdeckt.
  • 100621A – 21. Juni 2010: Der absolut stärkste Gammablitz, der registriert wurde; dieser ließ die Messinstrumente von Swift ausfallen; mit 143.000 (Röntgenstrahlen-) Photonen/s stärker als der bisherige Rekord (GRB 080916C).[27]
  • 110328A – 28. März 2011: Der bis dato am längsten andauernde GRB wurde mit Swift im Sternbild Draco entdeckt. Das Phänomen dauerte mehr als eine Woche an.[28][29]
  • 130427A – 27. April 2013: Das Ereignis konnte von Weltraumteleskopen und erdgebundenen Teleskopen im Leo detektiert werden und gilt als bislang energiereichster und am längsten anhaltender GRB.[30][31][32]
  • 130603B – 3. Juni 2013: Wurde vom Satelliten Swift und der Sonde Wind (mit seinem Transient Gamma-Ray Spectrometer) registriert. Ebenso wurde die Region vom Hubble-Weltraumteleskop neun Tage vor und 30 Tage nach dem Ausbruch beobachtet. Am dritten Tag nach dem Ausbruch wurde die Region mit dem Röntgensatelliten XMM-Newton gemessen.[33]
  • GRB 170817A - 17. August 2017: Bei diesem Gammablitz konnte zum ersten mal gleichzeitig eine Gravitationswelle gemessen werden

Siehe auch

  • Gravitationsenergie als Energiequelle für die beobachteten Prozesse.
  • Kilonova
  • Dunkler Gammastrahlenausbruch
  • Orphan Afterglow
  • Ultralanger GRB
  • Low Luminosity Gamma Ray Burst
  • Schneller Radioblitz

Literatur

  • David Alexander Kann, Steve Schulze und Sylvio Klose: Kosmische Gammastrahlenausbrüche. Neue Erkenntnisse und neue Rätsel in der Ära des Gammasatelliten Swift. In: Sterne und Weltraum. 12/2007, S. 42.
  • Neil Gehrels, Luigi Piro, Peter JT Leonard: Die stärksten Explosionen im Universum. In: Spektrum der Wissenschaft. 03/2003, S. 48.
  • Tödliche Sternexplosion. In: Astronomie Heute. 01-02/2004, S. 13.
  • J. S. Villasenor u. a.: Discovery of the short Gammaray burst GRB 050709. In: Nature. 437, S. 855–858 (6. Oktober 2005). arxiv:astro-ph/0510190.
  • P. Mészaros: Theories of Gamma-Ray Bursts. In: Annual Review of Astronomy and Astrophysics. Vol. 40, S. 137–169 (2002), doi:10.1146/annurev.astro.40.060401.093821.
  • J. van Paradijs, C. Kouveliotou, & R. Wijers: Gamma-Ray Burst Afterglows. Annual Review of Astronomy and Astrophysics, Vol. 38, S. 379–425 (2000), doi:10.1146/annurev.astro.38.1.379.
  • E. Fenimore: Gamma-ray bursts – 30 years of discovery. AIP Press, Melville 2004, ISBN 0-7354-0208-6.
  • Gilbert Vedrenne, et al.: Gamma-ray bursts - the brightest explosions in the universe. Springer, Berlin 2009, ISBN 978-3-540-39085-5.

Weblinks

Commons: Gammablitze – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Videos

Einzelnachweise

  1. NASA: A Stellar Explosion You Could See on Earth!, 21. März 2008
  2. Eliot Quataert, Dan Kasen: Swift 1644+57: The Longest Gamma-ray Burst? In: Astrophysics. Solar and Stellar Astrophysics. 2011, arxiv:1105.3209.
  3. NASA: Most Distant Explosion detected, 12. September 2005
  4. astronews.com: Gamma Ray Bursts – Gamma-Blitz traf Erde, 21. Februar 2005
  5. Maria Grazia Bernardini et al.: How to switch on and off a Gamma-ray burst through a magnetar. In: Astrophysics. Solar and Stellar Astrophysics. 2013, arxiv:1306.0013v1.
  6. Ryde, F.: Spectral Aspects of the Evolution of Gamma-Ray Bursts. In: Gamma-Ray Bursts: The First Three Minutes, ASP Conference Series, Vol. 190, E S.109, bibcode:1999ASPC..190..103R
  7. Ryde, F.: Spectral Aspects of the Evolution of Gamma-Ray Bursts. In: Gamma-Ray Bursts: The First Three Minutes, ASP Conference Series, Vol. 190, E S.108f, bibcode:1999ASPC..190..103R
  8. Die Auswertung der BATSE-Messungen ergaben Werte für $ \alpha $ hauptsächlich zwischen −1,25 und −0,25 und für $ \beta $ 2,12 ± 0,3
  9. Ford, L. A., Band, D. L., Matteson, J. L., Briggs, M. S., Pendleton, G. N., Preece, R. D.: BATSE observations of gamma-ray burst spectra. 2: Peak energy evolution in bright, long bursts. In: Astrophysical Journal, Part 1 (ISSN 0004-637X), vol. 439, no. 1, p. 307-321, bibcode:1995ApJ...439..307F
  10. M. Modjaz: Stellar forensics with the supernova-GRB connection. Ludwig Biermann Award Lecture 2010. In: Astronomische Nachrichten. Band 332, Nr. 5, 2011, S. 434–457, doi:10.1002/asna.201111562.
  11. astronews.com: Gamma Ray Bursts – Rätsel um Ursache gelöst?, 17. Mai 2002
  12. astronews.com: Gamma Ray Bursts – Neue Beweise für Hypernova-These, 13. November 2003
  13. N. Bucciantini, B.D. Metzger, T.A. Thompson, E. Quataert: Short GRBs with Extended Emission from Magnetar Birth: Jet Formation and Collimation. In: Astrophysics. Solar and Stellar Astrophysics. 2011, arxiv:1006.4668v1.
  14. astronews.com: Gamma Ray Bursts – Rätsel der kurzen Gammastrahlenblitze gelöst, 6. Oktober 2005.
  15. astronews.com: Neutronensterne: Wenn Neutronensterne kollidieren, 31. März 2006
  16. B. P. Abbott u.a.: GW170817: Observation of Gravitational Waves from a Binary Neutron Star Inspiral, Phys. Rev. Lett., Band 119, 2017, S. 161101, Abstract
  17. A. Goldstein u.a.: An Ordinary Short Gamma-Ray Burst with Extraordinary Implications: Fermi-GBM Detection of GRB 170817A, Astrophysical Journal Letters, Band 848, 2017, Nr. 2, Abstract, veröffentlicht am 16. Oktober 2017
  18. astronews.com: Gamma Ray Bursts – Kollidierende Neutronensterne im Computer, 11. April 2011
  19. 19,0 19,1 Deadly astronomical event not likely to happen in our galaxy, Study finds
  20. Löste Sternexplosion Massensterben aus?
  21. Did a gamma-ray burst initiate the late Ordovician mass extinction?
  22. NASA: NASA's Swift Catches Farthest Ever Gamma-Ray Burst, 13. September 2008
  23. Gamma-ray bursts Coordinates Network (NASA)
  24. NASA: New Gamma-Ray Burst Smashes Cosmic Distance Record
  25. Gamma-ray bursts Coordinates Network (NASA)
  26. Interview mit Jochen Greiner über die Beobachtung des fernsten Gammablitzes (MPG), 30. April 2009
  27. Spiegel Online: Kosmisches Mega-Ereignis – Strahlungsblitz lässt Nasa-Satellit erblinden, 16. Juli 2010
  28. GRB 110328A-Chandra Observes Extraordinary Event harvard.edu, abgerufen am 3. Mai 2011.
  29. Die GRB 110328A-Symphonie Astronomy Picture of the Day, 19. Apr 2011; GRB 110328A en.wikipedia
  30. Kosmischer Gamma-Blitz setzt neuen Rekord scinexx.de
  31. NASA's Fermi, Swift See 'Shockingly Bright' Burst nasa.gov; Brilliant GRB Blast with an Amateur Twist skyandtelescope.com, abgerufen am 7. Mai 2013;
  32. Gammastrahlenblitze: Kosmisches Ereignis bricht Energierekord SPIEGEL-Online vom 22. November 2013.
  33. Spiegel Online vom 4. August 2013: Mächtiger Gammastrahlenblitz: Das Geheimnis von GRB 130603B

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