Geschwindigkeitspotential

Das Geschwindigkeitspotential $\varphi$ führt man für wirbelfreie, zwei- und dreidimensionale Strömungen der Fluiddynamik ein. Mit ihm vereinfachen sich die Rechnungen und man gewinnt ein tieferes mathematisch-physikalisches Verständnis. Das Geschwindigkeitspotential der Fluiddynamik entspricht mathematisch dem elektrostatischen bzw. dem Gravitationspotential.

Dieser Artikel behandelt den zweidimensionalen Fall – der dreidimensionale ist im Artikel Potentialströmung dargestellt.

Löst man die Gleichung $\varphi (x,y)=\text{const.}$, so erhält man die Äquipotentiallinien des Strömungsfeldes.

Außerdem führt man die Stromfunktion $\psi$ ein, deren anschauliche Bedeutung darin besteht, dass die Lösungen der Gleichung $\psi (x,y)=\text{const.}$ die Stromlinien des Geschwindigkeitspotentiales darstellen.

Aus dem Geschwindigkeitspotential und der Stromfunktion bildet man das komplexe Geschwindigkeitspotential.

Grundlagen

Für ein wirbelfreies zweidimensionales Strömungsfeld $\overrightarrow{u}(x,y)$ gilt, dass die Rotation gleich 0 ist:

$\overrightarrow{\mathrm{\nabla }}\times \overrightarrow{u}(x,y)=0$

Ähnlich wie im Fall des elektrostatischen Potentials führt man nun das Geschwindigkeitspotential $\varphi (x,y)$ ein. Der Gradient dieses Potentials ist dabei gerade das Strömungsfeld:

$\overrightarrow{u}(x,y)=\overrightarrow{\mathrm{\nabla }}\varphi (x,y)=(\frac{\partial \varphi }{\partial x},\frac{\partial \varphi }{\partial y})$

Wegen $\overrightarrow{\mathrm{\nabla }}\times \overrightarrow{\mathrm{\nabla }}\varphi (x,y)=0$ ist das Strömungsfeld automatisch wirbelfrei.

Ferner gilt für das Geschwindigkeitsfeld im Falle einer inkompressiblen Strömung auch die Kontinuitätsgleichung:

$\overrightarrow{\mathrm{\nabla }}\cdot \overrightarrow{u}(x,y)=0$

Setzt man darin die Definition des Geschwindigkeitspotentials ein, so sieht man, dass $\varphi (x,y)$ die Laplace-Gleichung (als Sonderfall der Poisson-Gleichung) erfüllt:

$\overrightarrow{\mathrm{\nabla }}\cdot \overrightarrow{u}(x,y)=\overrightarrow{\mathrm{\nabla }}\cdot \overrightarrow{\mathrm{\nabla }}\varphi (x,y)=\mathrm{\Delta }\varphi (x,y)=0$

Die Stromfunktion

Das Geschwindigkeitspotential $\varphi (x,y)$ wurde so eingeführt, dass die Wirbelfreiheit automatisch erfüllt ist. Allerdings musste die Erfüllung der Kontinuitätsgleichung bzw. der Laplace-Gleichung explizit gefordert werden.

Nun führt man die Stromfunktion $\psi (x,y)$ ein, die definiert ist durch:

$\overrightarrow{u}=(\frac{\partial \psi }{\partial y},-\frac{\partial \psi }{\partial x})$

Aus dieser Definition sieht man, dass die Kontinuitätsgleichung automatisch erfüllt ist:

$\overrightarrow{\mathrm{\nabla }}\cdot \overrightarrow{u}=\frac{{\partial }^2\psi }{\partial x\cdot \partial y}-\frac{{\partial }^2\psi }{\partial y\cdot \partial x}=0$

Die Rotationsfreiheit muss allerdings explizit gefordert werden:

$\frac{\partial u_y}{\partial x}-\frac{\partial u_x}{\partial y}=\frac{{\partial }^2\psi }{\partial x^2}+\frac{{\partial }^2\psi }{\partial y^2}=0$

Die Stromfunktion erfüllt in wirbelfreien Strömungen ebenfalls die Laplace-Gleichung.

Komplexes Geschwindigkeitspotential

Mit den Definitionen von Geschwindigkeitspotential $\varphi$ und Stromfunktion $\psi$ ergibt sich:

$u_x=\frac{\partial \varphi }{\partial x}=\frac{\partial \psi }{\partial y}\wedge u_y=\frac{\partial \varphi }{\partial y}=-\frac{\partial \psi }{\partial x}$

Dies ist exakt von der Form der Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen für eine holomorphe Funktion, mit Realteil $\varphi$ und Imaginärteil $\psi$. Somit führt man das komplexe Geschwindigkeitspotential $w(z)$ ein:

$w(z)=\varphi (z)+i\cdot \psi (z)\text{mit}z=x+i\cdot y$

Damit erfüllt das komplexe Geschwindigkeitspotential ebenfalls die Laplace-Gleichung:

$\mathrm{\Delta }w(z)=\mathrm{\Delta }\varphi (z)+i\cdot \mathrm{\Delta }\psi (z)=0$

Literatur

• Ralf Greve: Kontinuumsmechanik. Springer, 2003, ISBN 3-540-00760-1. 
• M. Bestehorn: Hydrodynamik und Strukturbildung. Springer, 2006, ISBN 978-3-540-33796-6.