Hamel-Oseenscher-Wirbel

Hamel-Oseenscher-Wirbel

Der Hamel-Oseen’sche oder Lamb-Oseen’sche Wirbel (von Carl Wilhelm Oseen, Georg Hamel, Horace Lamb, im Folgenden einfach Oseen’scher Wirbel) ist ein mathematisches Modell einer Wirbelströmung eines linear viskosen, inkompressiblen Fluids. Das Geschwindigkeitsfeld von Strömungen solcher Fluide wird in der Strömungsmechanik mit den Navier-Stokes-Gleichungen beschrieben, die vom Oseen’schen Wirbel exakt erfüllt werden. Das Fluid strömt rein kreisförmig jedoch zeitabhängig, instationär um das Wirbelzentrum. Die Viskosität zehrt die kinetische Energie des Wirbels vor allem in der sich ausbreitenden Zentralregion des Wirbels mit der Zeit auf und die Strömungsgeschwindigkeit nimmt monoton mit der Zeit ab.

Zu Beginn der Bewegung oder im Grenzfall verschwindender Viskosität ist der Wirbel ein Potentialwirbel. Ansonsten ist das Geschwindigkeitsprofil des Oseen’schen Wirbels beschränkt und entspricht im Wirbelzentrum, sowie im Außenbereich einem Rankine Wirbel.

Umfangsgeschwindigkeit

Umfangsgeschwindigkeiten beim Oseen’schen Wirbel zu verschiedenen Zeiten
Umfangsgeschwindigkeit beim Oseen’schen Wirbel im Vergleich mit der starren Rotation und dem Potentialwirbel

Im Oseen’schen Wirbel bewegen sich die Fluidelemente in der Wirbelebene kreisförmig um das Wirbelzentrum. Die beiden Abbildungen rechts geben einen Eindruck der Geschwindigkeitsverteilung als Funktion des Abstandes vom Zentrum. Das obere Bild zeigt die Geschwindigkeitsverteilung zu verschiedenen Zeiten als Funktion des Radius (Γ0=2π,ν=1/4, s. u.). Die schwarz gepunktete Kurve („vmax“) verbindet die Punkte mit maximaler Umfangsgeschwindigkeit, die den Kernradius markieren. Die Umfangsgeschwindigkeit nimmt zeitlich besonders innerhalb des doppelten Kernradius ab. Vor allem innerhalb dieser Kernregion, die sich mit der Zeit ausdehnt, wird kinetische Energie dissipiert. Außerhalb des Kernradius geht der Oseen’sche Wirbel in den stationären Potentialwirbel reibungsfreier Fluide über (schwarze Kurve im Bild), wo keine Dissipation stattfindet. Bei doppeltem Kernradius ist die Geschwindigkeitsabweichung vom Potentialwirbel bereits auf 2 % geschrumpft.

Für die mathematische Beschreibung des Oseen’schen Wirbels wird ein Zylinderkoordinatensystem benutzt. Die Strömung ist dann nur von der radialen Koordinate r und der Zeit t abhängig und besitzt die Umfangsgeschwindigkeit:

vφ:=Γ02πr(1er24νt)=Γ04πνt1eq2qmitq:=rr0,r0:=2νt.

Der Materialparameter ν ist die kinematische Viskosität (Dimension L2T−1, Luft 14 mm²/s, Wasser 1 mm²/s), Γ0 ein mit derselben Dimension versehener Parameter, der die Strömungsgeschwindigkeit kontrolliert, der Nenner r0 ist der Kernradius des Rankine-Wirbels, der sich zu einer gegebenen Zeit t an den Oseen’schen Wirbel anschmiegt, und ex bezeichnet die e-Funktion. Die Geschwindigkeitsverteilungen der starren Rotation, des Potentialwirbels – was beides zusammen den Rankine-Wirbel ergibt – und des Oseen’schen Wirbels sind in der unteren Abbildung rechts für den Fall r0=Γ02π=1 dargestellt.

Der Kernradius eines Wirbels ist derjenige Radius, bei dem das Geschwindigkeitsmaximum auftritt. Im Geschwindigkeitsmaximum muss zu einer bestimmten Zeit t die Ableitung

q1eq2q=2q2eq2+eq21q2

verschwinden, was bei q=1,121 näherungsweise der Fall ist. Die maximale Geschwindigkeit

vφmax=0,051Γ0νt=0,120Γ0r0

tritt im Radius rk=1,121r0=2,242νt auf. Dies ist der Kernradius des Oseen’schen Wirbels. Die Grenzwerte

limq01eq2q=0undlimq02q2eq2+eq21q2=1

existieren und daher nimmt zu einer bestimmten Zeit im Zentrum des Wirbels vφ linear mit dem Radius zu:

vφr|r=0=vφq|q=0dqdr=Γ04πνt1r0=Γ08πνtvφs:=Γ08πνtr=Γ02πr02r

Die Geschwindigkeitsverteilung vφs entspricht einer starren Rotation. In einem größeren Abstand vom Zentrum (rr0) ist die Umfangsgeschwindigkeit etwa die des Potentialwirbels:

vφp:=Γ02πr.

An der Stelle r=r0 sind die Umfangsgeschwindigkeiten der starren Rotation und des Potentialwirbels gleich und diese Stelle ist – wie oben gesagt – der Kernradius des Rankine-Wirbels. Unter Berücksichtigung der Einheiten ergibt sich bei einem Kernradius rk=0,16m und einer Zirkulation Γ0=1,4m2s eine maximale Umfangsgeschwindigkeit vφmax=1ms, so dass die Fluidelemente das Zentrum einmal pro Sekunde umrunden. Im Abstand von 50 Zentimetern wäre die Umfangsgeschwindigkeit bereits auf vφvφp(0,5m)=0,46ms abgesunken, so dass Fluidelemente in diesem Abstand das Zentrum nur alle sieben Sekunden einmal umrunden.

Wirbelstärke

Wirbelstärke über den Radius zu verschiedenen Zeiten; die Wirbelstärke des zur Zeit t = 1 gehörenden Rankine-Wirbels ist schwarz gezeichnet.

Die Wirbelstärke in einer ebenen Strömung ist das Doppelte der Winkelgeschwindigkeit der Fluidelemente um sich selbst. Bei einer ebenen Strömung hat die Wirbelstärke nur eine Komponente senkrecht zur Ebene und somit kann sie als Skalarfeld behandelt werden. Beim Oseen’schen Wirbel lautet die Wirbelstärke:

ω=Γ04πνter24νt=Γ0πr02er2r02.

Dies ergibt sich aus der Geschwindigkeit v=vφe^φ und deren Rotation in Zylinderkoordinaten:

rot(vφ(r,t)e^φ)=1rr(rvφ)e^z=(vφr+vφr)e^z=:ωe^zω=Γ02πr2(1er24νt)Γ02πr2(1er24νt)+Γ02πr2r4νter24νt=Γ04πνter24νt.

Für ν,t0 geht die Wirbelstärke in das Dirac-Delta über, was zu einem Potentialwirbel passt[L 1]. Die Ableitung der Wirbelstärke nach dem Radius berechnet sich zu:

ωr=Γ0r8πν2t2er24νt.

Bei r=0 verschwindet diese Ableitung und die Wirbelstärke ist gleich der doppelten Drehgeschwindigkeit vφ/r|r=0 im Zentrum. Im Zentrum findet also eine starre Rotation statt. Für r geht die Wirbelstärke gegen null, weswegen sich auch hier der Potential- und Rankine-Wirbel an den Oseen’schen Wirbel anschmiegen.

Druck

Druckverteilung im Oseen’schen Wirbel bei p=0

Der Druckgradient in einem kreisförmig strömenden Wirbel gleicht gerade die Zentrifugalkraft aus, so dass die Fluidelemente im Kreis strömen, was sich in Zylinderkoordinaten aus den Navier-Stokes-Gleichungen ergibt (siehe unten) und im Oseen’schen Wirbel auf die Bedingung

pr=ρvφ2r=ρΓ024π21r3(1er24νt)2

hinaus läuft. Unter Verwendung der Integralexponentialfunktion Ei mit den Eigenschaften

Ei(x):=xessdsdEi(x)=exxdxdEi(x)dx=exx

kann die obige Ableitung geschlossen integriert werden mit dem Ergebnis:

p=pz[4νtr2(1er24νt)2+2Ei(r24νt)2Ei(2r24νt)]+pmitpz:=ρΓ0232π2νt

Die Integrationskonstante p ist der Druck im (unendlich) fernen Außenbereich. Im Zentrum herrscht der Druck

p(r=0)=p2ln(2)pz.
Beweis:
Mit den Abkürzungen r02:=4νt und

q:=r24νt=r2r02q=2rr02q2q2=r02r3
schreibt sich der Druck als
p2pz=12q(1eq)2+Ei(q)Ei(2q)+p2pz.
Es berechnet sich
12pzpr=q2q2(1eq)21q(1eq)qeq+eqq(q)e2q2q(2q)=0=r02r3(1er2r02)2pr=2pzr02r3(1er2r02)2=ρΓ024π2r3(1er24νt)2.
Für kleine Argumente x1 ergibt sich der Wert der Integralexponentialfunktion mit ihrer Reihenentwicklung zu
Ei(x)=γ+ln|x|+k=1xkk!k=γ+ln|x|+O(x),
worin O(x) das Landau Symbol für Werte ist, die bei x1 nicht wesentlich schneller als x wachsen und gegenüber einer Konstanten, z. B. der Euler-Mascheroni-Konstante γ0,5772, vernachlässigt werden können. So berechnet sich:

limq0[Ei(q)Ei(2q)]=limq0[γ+ln|q|γln|2q|+O(q)]=limq0[ln|q|ln2ln|q|]=ln2.

Mit dem Grenzwert limq0(1eq)2/q=0 folgt der Druck
p(r=0)=p2ln(2)pz.
im Zentrum.

Das Bild zeigt die Druckverteilung bei einem verschwindenden Außendruck. Der Faktor 4νtr2pz ist der Druck im Potentialwirbel, der sich an den Oseen’schen Wirbel anschmiegt (blaue Kurve):

vφp=Γ2πrppr=ρvφp2r=ρΓ24π2r3ppp=ρΓ28π2r2=4νtr2pz=pzr02r2.

Wieder deutet der Druck im Zentrum auf eine starre Rotation hin, denn bei dieser ist die Umfangsgeschwindigkeit vφs proportional zum Radius

vφs=Γ02πr02rpsr=ρvφs2r=ρΓ024π2r04rpsp0=ρΓ028π2r02r2r02=pzr2r02,

weswegen der Druckverlauf dann über dem Radius parabelförmig ist (rote Kurve im Bild).

Kinetische Energie

Kinetische Energie des Fluids als Funktion der Vielfachheit des Kernradius

Die kinetische Energie des Fluids innerhalb eines vielfachen des Kernradius des Rankine-Wirbels ist weder vom Kernradius noch von der Zeit abhängig solange die Vielfachheit beibehalten wird:

Ek(nr0):=0nr0ρ2vφ22πrdr=ρΓ028π[ln(n22)2Ei(n2)+Ei(2n2)+γ].

Der Wert in den eckigen Klammern ist mit der Euler-Mascheroni-Konstante γ0,5772 nur eine Funktion des Faktors n, siehe die Abbildung rechts. Die kinetische Energie des Fluids innerhalb des sich ausweitenden Radius nr0=2nνt ist bei festgehaltenem Verhältnis n mithin über die Zeit konstant. Umgekehrt heißt das: Die kinetische Energie der in einem Zeitintervall von einem Kreis mit n-fachem Kernradius neu eingenommenen Fluidelemente wird in diesem Zeitintervall innerhalb des Kreises dissipiert.

Beweis:
Mit der Umfangsgeschwindigkeit
vφ=Γ02πr(1er24νt)

ergibt sich die kinetische Energie des Fluids innerhalb eines Vielfachen des Rankine-Kernradius zu
Ek(nr0)=0nr0ρ2vφ22πrdr=ρΓ024π0nr01r(1er2r02)2dr=ρΓ024π[ln(rr0)Ei(r2r02)+12Ei(2r2r02)]0nr0
denn die Funktion
f(r):=ln(rr0)Ei(r2r02)+12Ei(2r2r02)
ist tatsächlich die gesuchte Stammfunktion:
ddrf(r)=r0r1r0er2r02r2r02(2rr02)+12e2r2r022r2r02(4rr02)=1r(1er2r02)2.
An der unteren Grenze ergibt sich für die benötigten, kleinen, quadratischen Argumente der Wert der Integralexponentialfunktion mit ihrer Reihenentwicklung zu
Ei(x)=γ+ln|x|+k=1xkk!k=γ+ln|x|+O(x),
worin O(x) das Landau Symbol für Werte ist, die bei x1 nicht wesentlich schneller als x wachsen und gegenüber einer Konstanten, z. B. der Euler-Mascheroni-Konstante γ0,5772, vernachlässigt werden können. Somit ergibt sich:
limr0f(r)=limr0[ln(rr0)Ei(r2r02)+12Ei(2r2r02)]=limr0[ln(rr0)γln|r2r02|+12γ+12ln|2r2r02|+O(r2)]=12(ln2γ)+limr0[ln(rr0)2ln|rr0|+ln|rr0|=0]f(0)=12(ln2γ).
Der Wert der Stammfunktion bei r=nr0 ist wegen

f(nr0)=ln(n)Ei(n2)+12Ei(2n2)

nur eine Funktion des Faktors n. Mit diesen Ergebnissen berechnet sich die kinetische Energie – wie angekündigt – zu
Ek=ρΓ024π[f(r)]0nr0=ρΓ024π[f(nr0)f(0)]=ρΓ028π[ln(n22)2Ei(n2)+Ei(2n2)+γ].

Zirkulation

Zirkulation im Oseen’schen Wirbel

Ein Maß für die Drehgeschwindigkeit in einem Fluid ist die Zirkulation, die das Kurvenintegral der Geschwindigkeit entlang eines geschlossenen Weges ist. Entlang eines Kreises K mit Radius r berechnet sich:

Γ:=Kvdr=02πvφrdφ=2πrvφ=Γ0(1er24νt).

Der Funktionsverlauf ist im Bild rechts dargestellt (r0=2νt.) In weiter Ferne vom Wirbelzentrum (r/r0) nähert sich die Zirkulation dem Parameter Γ0 an, der die über den Radius konstante Zirkulation des Potentialwirbels ist (blaue Linie), der sich an den Oseen’schen Wirbel außen anschmiegt. Im Abstand des doppelten Kernradius weicht die Zirkulation nur noch um 2 % vom Parameter Γ0 ab. Die Zeitabhängigkeit der Zirkulation widerspricht dem Kelvin’schen Wirbelsatz für reibungsfreie Fluide und dieser Widerspruch löst sich mit ν0 auf.

Im Zentrum ist die Geschwindigkeit proportional zum Radius und dann lautet die Zirkulation:

vφs=Γ08πνtrΓs=02πvφsrdφ=2πΓ08πνtr2=Γ0r2r02.

Sie ist im Bild rot gezeichnet. Zur Zeit t=0 startet der Wirbel mit der Zirkulation Γ0, die in einem vorgegebenen Abstand mit fortschreitender Zeit gegen null geht, weil die Viskosität – vor allem im Wirbelkern – die kinetische Energie aufzehrt und sich der Kernradius r0 mit der Zeit ausdehnt. Bei festgehaltenem Verhältnis n:=r/r0 ist die Zirkulation über die Zeit konstant, oder – anders ausgedrückt – weiten sich die Kreise bei festgehaltener Zirkulation wie der Kernradius mit der Zeit aus.

Schubverzerrungsgeschwindigkeit

Umfangs- und Verzerrungsgeschwindigkeit im Oseen’schen Wirbel

Die Schubverzerrungsgeschwindigkeit im Fluid ergibt sich gemäß γ˙rφ=2e^rde^φ aus dem Verzerrungsgeschwindigkeitstensor d, der der symmetrische Anteil des Geschwindigkeitsgradienten gradv ist. In den hier verwendeten Zylinderkoordinaten berechnet sich der Gradient zu:[F 1]

gradv=e^φvφre^rvφre^re^φ=e^φ[Γ02πr2(1er24νt)Γ02πrer24νt(2r4νt)]e^rΓ02πr2(1er24νt)e^re^φd:=12[grad(v)+grad(v)]=[Γ08πνt(1+4νtr2)er24νtΓ02πr2](e^re^φ+e^φe^r)γ˙rφ=2e^rde^φ=Γ04πνt(1+4νtr2)er24νtΓ0πr2=Γ04πνt[(1+r02r2)er2r02r02r2].

Das Superskript kennzeichnet die Transposition und das Rechenzeichen „“ bildet das dyadischen Produkt. Bei der starren Rotation tritt keine Schubverzerrung auf (γ˙rφs=0) und der in obiger Formel unterstrichene Term ist die Schubverzerrungsgeschwindigkeit γ˙rφp im Potentialwirbel, siehe Bild.

Die maximale Schubverzerrungsgeschwindigkeit tritt dort auf, wo ihre Steigung null ist:

ddrγ˙rφ=!0q(q+1)eq+eq1=0mitq:=r2r02.

Das ist bei rm:=1,339r0=2,678νt näherungsweise der Fall. Die maximale Schubverzerrungsgeschwindigkeit zeigt sich also beim etwa 1,2-fachen des Kernradius rk=1,121r0.

Bemerkung
Der schiefsymmetrische Anteil des Geschwindigkeitsgradienten ist der Wirbeltensor.
w:=12[grad(v)grad(v)]=Γ08πνter24νt(e^re^φe^φe^r),
dessen dualer Vektor Ω – definiert über Ω×u=wuu – die Winkelgeschwindigkeit oder die halbe Wirbelstärke ist:
Ω=12[Γ08πνter24νt(e^r×e^φe^φ×e^r)]=Γ08πνter24νte^z=12ω.

Zeitverläufe

Geschwindigkeit, Wirbelstärke, Druck und Schubverzerrungsgeschwindigkeit eines Fluidelements über die Zeit

In den vorangegangenen Abschnitten wurden die Verläufe der Größen zu einer bestimmten Zeit als Funktion des Radius beleuchtet. In diesem Abschnitt soll der Zeitverlauf bei einem bestimmten Radius in den Blick gerückt werden.

Der Kernradius dehnt sich mit der Zeit aus. Sei

tr:=r24ν

die Kernzeit, die verstreicht, bis der Rankine-Kernradius auf eine vorgegebene Größe r angewachsen ist. Die Kernzeit nimmt mit dem Quadrat des Radius zu.

Die Geschwindigkeit eines Fluidelementes in einem bestimmten Abstand r vom Zentrum ist

vφ=Γ02πr(1er24νt)=vφp(1etrt)vφvφp=1etrt.

Bis t=tr/4 weicht die Umfangsgeschwindigkeit um maximal 2 % von der des Potentialwirbels ab. Danach nimmt die Geschwindigkeit rasch ab, siehe die rote Kurve im Bild. Das Verhältnis der Zirkulation zu Γ0 hat bei einem gegebenen Radius denselben Zeitverlauf.

Bei einem festen Radius r nimmt die Wirbelstärke zunächst zu und später wieder ab und durchläuft dazwischen ein Maximum. Anfangs ist die Rotation geringer, weil sich das Fluidelement etwa wie im rotationsfreien Potentialwirbel bewegt, dann nimmt sie auf Grund von Reibeffekten zu und später, wenn das Fluidelement innerhalb des Kernradius ist, nimmt die Wirbelstärke wegen der Aufzehrung der kinetischen Energie wieder ab. Im Maximum verschwindet die Zeitableitung ω˙ der Wirbelstärke:

ω˙=Γ04πνt2er24νt+r24νt2Γ04πνter24νt=Γ04πνt2er24νt(r24νt1)=0r24νt=trt=1.

Die Wirbelstärke kann mit der Kernzeit ausgedrückt werden und so ihr Maximum dargestellt werden:

ω=Γ04πνter24νt=Γ04πνtrtrtetrt=Γ0πr2trtetrtωmax=Γ0πer2

Das Verhältnis der Wirbelstärke zu ihrem Maximum bei gegebenem Radius r (grüne Kurve im Bild) ist demnach:

ωωmax=Γ0πr2πer2Γ0trtetrt=trte1trt.

Bei t=tr, wenn das Fluidelement auf dem Rankine-Kernradius liegt, rotiert es am schnellsten um sich selbst.

Der Druck-Zeit-Verlauf (blaue Kurve im Bild) ergibt sich aus

pppr=(1etrt)22trtEi(trt)+2trtEi(2trt)mitpr=ρΓ028π2r2=4νtr2pz=ttrpz

Für t folgt aus der Reihenentwicklung der Integralexponentialfunktion

Ei(x)=γ+ln|x|+k=1xkk!klimx0[Ei(2x)Ei(x)]=limx0[γ+ln|2x|+k=1(2x)kk!kγln|x|k=1xkk!k]=limx0[ln2+ln|x|ln|x|]=ln2.

Daher geht die Druckdifferenz pp mit der Zeit gegen null.

Die Schubverzerrungsgeschwindigkeit über die Zeit (orange Kurve im Bild) ergibt sich zu:

γ˙rφ=Γ0πr2[trt(1+ttr)etrt1]γ˙rφγ˙rφp=1trt(1+ttr)etrt.

Navier-Stokes-Gleichungen

Dass die Modellgleichungen des Oseen’schen Wirbels die Navier-Stokes-Gleichungen erfüllen, lässt sich an den Gleichungen für ein dichtebeständiges Fluid ohne Schwerefeld in Zylinderkoordinaten nachweisen. Unter diesen Umständen lauten die Navier-Stokes-Gleichungen, wenn alle Variablen nur vom Radius oder der Zeit abhängen und die Bewegung rein kreisend ist (v=vφ(r,t)e^φ)[L 2]:

vφ2r=1ρprvφt=ν(Δvφvφr2)=νrvφr+ν2vφr2νvφr2

Aus der ersten Gleichung berechnete sich oben der Druck. Die zweite Gleichung wird mit dem angegebenen Geschwindigkeitsfeld

vφ=Γ02πr(1er24νt)

erfüllt, was mit

vφt=Γ0r8πνt2er24νtvφr=Γ02πr2(1er24νt)+Γ04πνter24νt2vφr2=Γ0πr3(1er24νt)Γ04πνrter24νtΓ0r8πν2t2er24νt

nachgewiesen werden kann.

In Zylinderkoordinaten ergibt sich aus

div(v)=div(vφe^φ)=1rr(rvr)+1rvφφ+vzz=0

die Divergenzfreiheit der Wirbelströmung, die über die Massenbilanz ρ˙+ρdivv=ρ˙=0 eine zeitlich konstante Dichte bedingt, die wiederum im Einklang mit der Inkompressibilität des Fluids ist.

Siehe auch

Fußnoten

  1. In Zylinderkoordinaten berechnet sich der Gradient eines Vektorfeldes gemäß
    grad(f)=e^rgrad(fr)+frre^φe^φ+e^φgrad(fφ)fφre^re^φ+e^zgrad(fz)
    und der Gradient eines Skalarfeldes mit
    grad(f)=fre^r+1rfφe^φ+fze^z

Einzelnachweise

  1. Bestehorn, 2006, S. 87
  2. M. Bestehorn: Hydrodynamik und Strukturbildung. Springer, 2006, ISBN 978-3-540-33796-6, S. 380.

Literatur

  • F. Kameier, C. O. Paschereit: Strömungslehre. Walter de Gruyter, 2013, ISBN 978-3-11-018972-8, S. 274 ff.

Weblinks

  • Thomas Fischer: Oseenscher Wirbel. Universität Stuttgart, abgerufen am 17. September 2015.