Kuboformel

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Die Kuboformel (nach Ryōgo Kubo)[1][2] ist ein Resultat der Quantenstatistik. Sie gibt die Lineare Antwortfunktion einer messbaren Größe (Observable) in zeitabhängiger Störungstheorie bei endlicher Temperatur als thermischen Erwartungswert hermitescher Operatoren im Wechselwirkungsbild an .

Zu den zahlreichen Anwendungen der Kubo-Formel gehört die Berechnung magnetischer und elektrischer Suszeptibilitäten und abstrakter Verallgemeinerungen davon als Folge einer zeitabhängigen Störung des Hamiltonoperators des Systems.

Details

Die Kuboformel führt auf eine Beziehung zwischen

  • dem quantenstatistischen Erwartungswert $ \langle A\rangle _{0} $ einer Observable $ A $ in einem ungestörten System mit Hamilton-Operator $ H_{0} $ zu einer Zeit $ t_{0} $ und
  • dem Erwartungswert $ \langle A(t)\rangle $ derselben Observable nach Einführung einer kleinen Störung des Systems in Form eines Störoperators $ V(t) $ zu einer Zeit $ t $:
$ \langle A(t)\rangle -\langle A\rangle _{0}=-\mathrm {i} \int _{t_{0}}^{t}\mathrm {d} t'\langle [A(t),V(t')]\rangle $

Dabei bezeichnen

  • spitze Klammern den quantenstatistischen Erwartungswert $ \langle A\rangle =\operatorname {Tr} [\rho A] $ mit der Dichtematrix $ \rho $
  • eckige Klammern den Kommutator $ [A,V]=AV-VA $
  • ein Subskript Null das ungestörte System
  • i die imaginäre Einheit.

Herleitung und Formulierung

Ein Quantensystem habe den zeitunabhängigen Hamiltonoperator $ {\hat {H}}_{0} $ mit den als diskret angenommenen Energiewerten $ E_{n} $. Der quantenmechanische und thermische Erwartungswert einer physikalischen Größe mit dem hermiteschen Operator $ {\hat {A}} $ ist dann:

$ \langle {\hat {A}}\rangle ={1 \over Z_{0}}\operatorname {Tr} [{\hat {\rho }}_{0}{\hat {A}}]={1 \over Z_{0}}\sum _{n}\langle n|{\hat {A}}|n\rangle e^{-\beta E_{n}} $
$ {\hat {\rho }}_{0}=e^{-\beta {\hat {H}}_{0}}=\sum _{n}|n\rangle \langle n|e^{-\beta E_{n}} $

wobei $ Z_{0}=\operatorname {Tr} [\rho _{0}] $ die Zustandssumme und $ \beta $ die reziproke absolute Temperatur $ 1/(k_{\text{B}}T) $ mit der Boltzmann-Konstanten $ k_{\text{B}} $ und der Temperatur $ T $ ist. Im letzten Gleichheitszeichen wurde dabei nach den ungestörten Energieeigenzuständen $ |n\rangle $ mit $ {\hat {H}}_{0}|n\rangle =E_{n}|n\rangle $ entwickelt und deren Vollständigkeit ausgenutzt.

Wenn zur Zeit $ t=t_{0} $ eine externe Störung eingeschaltet wird, verlässt das System das thermische Gleichgewicht. Die Störung wird durch einen zeitabhängigen Zusatz zum Hamiltonoperator beschrieben:

$ {\hat {H}}(t)={\hat {H}}_{0}+{\hat {V}}(t)\Theta (t-t_{0}), $

Dabei bezeichnet $ \Theta (t) $ die Heaviside-Funktion, die für nichtnegative Werte von $ t-t_{0} $ den Wert Eins annimmt und für alle anderen $ t-t_{0} $ den Wert Null. Damit wird dem instantanen „Einschaltprozess“ zum Zeitpunkt $ t_{0} $ Rechnung getragen. $ {\hat {V}}(t) $ ist ein für alle $ t $ definierter hermitescher Operator, sodass $ {\hat {H}}(t) $ für alle $ t $ ein vollständiges Orthonormalsystem von Eigenfunktionen $ |n(t)\rangle $ und Eigenwerten $ E_{n}(t) $ besitzt.

Aus der Zeitentwicklung der Dichtematrix $ {\hat {\rho }}(t) $

$ {\hat {\rho }}(t)=\sum _{n}|n(t)\rangle \langle n(t)|e^{-\beta E_{n}(t)} $

folgt unter der Annahme, dass zu jedem Zeitpunkt der quantenstatistische Gleichgewichtsformalismus gültig bleibt[3] , der thermische Erwartungswert der Operatoren $ {\hat {A}} $:

$ \langle {\hat {A}}\rangle ={\frac {1}{Z(t)}}\operatorname {Tr} [{\hat {\rho }}(t){\hat {A}}]={\frac {1}{Z(t)}}\sum _{n}\langle n(t)|{\hat {A}}|n(t)\rangle e^{-\beta E_{n}(t)}, $

mit der Zustandssumme $ Z(t)=\operatorname {Tr} [{\hat {\rho }}(t)] $.

Hier wird noch das quantenmechanische Schrödingerbild benutzt, allerdings mit zeitabhängigen Hamiltonoperatoren. Es wird aber an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass sich im Allgemeinen sowohl die Eigenfunktionen $ |n(t)\rangle $ als auch die Eigenwerte $ E_{n}(t) $ des Hamiltonoperators mit $ t $ ändern werden. Die Zeitabhängigkeit der $ |n(t)\rangle $ folgt aus der Schrödingergleichung $ \mathrm {i} \partial _{t}|n(t)\rangle ={\hat {H}}(t)|n(t)\rangle . $ Da $ {\hat {V}}(t) $ „schwach“ sein soll, liegt es nahe, die niedrigste Ordnung der zeitabhängigen Störungstheorie zu benutzen und zum Wechselwirkungsbild überzugehen (Zustände $ |n\rangle \to |{\hat {n}}\rangle $). Das Ergebnis ist:

$ |n(t)\rangle =:e^{-\mathrm {i} {\hat {H}}_{0}t_{0}}|{\hat {n}}(t)\rangle =e^{-\mathrm {i} {\hat {H}}_{0}t}{\hat {U}}(t,t_{0})|{\hat {n}}(t_{0})\rangle $, wobei per Definition $ |{\hat {n}}(t_{0})\rangle =e^{+\mathrm {i} {\hat {H}}_{0}t_{0}}|n(t_{0})\rangle $ ist.

In linearer Ordnung in $ {\hat {V}}(t) $ gilt:

$ {\hat {U}}(t,t_{0})=1-\mathrm {i} \int _{t_{0}}^{t}\mathrm {d} t'{\hat {V}}(t') $.

Auf diese Weise erhält man für $ {\hat {A}}(t) $ in linearer Ordnung das Endresultat (in dieser Ordnung sind ferner alle oben angesprochenen Probleme beseitigt, weil bei Störungsrechnungen erster Ordnung nur die Eigenfunktionen nullter Ordnung benötigt werden):

$ {\begin{aligned}\langle {\hat {A}}(t)\rangle _{T}&=\langle {\hat {A}}\rangle _{0,T}-\mathrm {i} \int _{t_{0}}^{t}\mathrm {d} t'{1 \over Z_{0}}\ \sum _{n}e^{-\beta E_{n}}\langle n(t_{0})|{\hat {A}}(t){\hat {V}}(t')-{\hat {V}}(t'){\hat {A}}(t)|n(t_{0})\rangle \\&=\langle {\hat {A}}\rangle _{0,T}-\mathrm {i} \int _{t_{0}}^{t}\mathrm {d} t'\langle [{\hat {A}}(t),{\hat {V}}(t')]\rangle _{0,T}\end{aligned}} $

Hier bedeutet der Ausdruck $ \langle \dots \rangle _{0,T} $ einen mit dem Hamiltonoperator $ {\hat {H}}_{0} $ berechneten quantenstatistischen Erwartungswert, bei der Temperatur $ T $, während die Ausdrücke darüber, $ \langle n(t_{0})|\dots |n(t_{0})\rangle , $ gewöhnliche quantenmechanische Erwartungswerte sind, welche die Temperatur nicht berücksichtigen. Ferner sind in $ e^{-\beta E_{n}} $ mit $ E_{n} $ die Eigenwerte von $ {\hat {H}}(t_{0}) $ gemeint.

Da zum Zeitpunkt $ t_{0} $ die verschiedenen Bilder identisch sind, gilt dasselbe auch für obiges Endresultat.

Hier wurden bosonische Zustände betrachtet. Für fermionische Zustände ergeben sich zusätzliche Besonderheiten.[4] Die reduzierte Planck'sche Konstante $ \hbar $ wurde Eins gesetzt.

Einzelnachweise und Fußnoten

  1. Ryogo Kubo: Statistical-Mechanical Theory of Irreversible Processes. I. General Theory and Simple Applications to Magnetic and Conduction Problems. In: J. Phys. Soc. Jpn. 12. Jahrgang, 1957, S. 570–586, doi:10.1143/JPSJ.12.570 (jps.jp [PDF]).
  2. Ryogo Kubo, Mario Yokota, Sadao Nakajima: Statistical-Mechanical Theory of Irreversible Processes. II. Response to Thermal Disturbance. In: J. Phys. Soc. Jpn. 12. Jahrgang, 1957, S. 1203–1211, doi:10.1143/JPSJ.12.1203.
  3. Im allgemeinsten Fall der Quantenstatistik kann $ {\hat {\rho }}(t)=e^{-\beta {\hat {H}}(t)} $ durch einen beliebigen hermiteschen Operator ersetzt werden, dessen Eigenwerte $ w_{n} $ die beiden Bedingungen $ \sum w_{n}=1 $ und $ \sum w_{n}^{2}<1 $ erfüllen.
  4. GD Mahan: Many-particle physics. Springer, New York 1981, ISBN 0306463385.