Pauli-Matrizen

Pauli-Matrizen

Die Pauli-Matrizen σ1,σ2,σ3 (nach Wolfgang Pauli) sind spezielle komplexe hermitesche 2×2-Matrizen. Zusammen mit der 2×2-Einheitsmatrix, die in diesem Zusammenhang mit σ0 bezeichnet wird, bilden sie sowohl eine Basis des 4-dimensionalen reellen Vektorraums aller komplexen hermiteschen 2×2-Matrizen als auch eine Basis des 4-dimensionalen komplexen Vektorraums aller komplexen 2×2-Matrizen.

Sie wurden von Wolfgang Pauli 1927 zur Beschreibung des Spins eingeführt,[1] waren in der Mathematik aber auch schon vorher bekannt.

Definition

Die Pauli-Matrizen lauten ursprünglich:

σ1=(0110),σ2=(0ii0),σ3=(1001).

Hierbei bezeichnet i die imaginäre Einheit. Die Matrizen wurden ursprünglich in der Quantenmechanik eingeführt, um die grundlegenden Kommutationsregeln der Komponenten des Spin-Operators zu erfüllen (siehe unten). Häufig wird, besonders in der relativistischen Quantenmechanik, noch die Einheitsmatrix als nullte Paulimatrix dazugenommen:

σ0=(1001).

Multiplikation

Für die Multiplikation einer Pauli-Matrix mit einer anderen Pauli-Matrix ergibt sich aus den Rechenregeln der Matrixmultiplikation folgende Tafel:

σ0 σ1 σ2 σ3
σ0 σ0 σ1 σ2 σ3
σ1 σ1 σ0 iσ3 iσ2
σ2 σ2 iσ3 σ0 iσ1
σ3 σ3 iσ2 iσ1 σ0

Das Produkt σiσj befindet sich in der mit σi gekennzeichneten Zeile und der mit σj gekennzeichneten Spalte. Das Beispiel σ2σ1=iσ3 zeigt, dass die Pauli-Matrizen mit der Matrixmultiplikation als Verknüpfung keine Gruppe bilden.

Die von ihnen erzeugte Gruppe hat den Namen G1610.[2] Sie enthält das Element σ1σ2σ3=iσ0=(i00i), welches im Zentrum liegt, also mit allen Elementen kommutiert. Die Gruppe G1610 besteht somit aus den 16 Elementen ijσk(j,k=0,1,2,3). Sie enthält die Quaternionengruppe Q8 als Normalteiler (siehe Die Quaternionen als Unterring von C4 und Liste kleiner Gruppen), woraus sich G1610Q8{σ0,σ1} ergibt. Der Zykel-Graph ist Zykel-Graph der von den Pauli-Matrizen gebildeten Gruppe.[3]

Dekomposition von Matrizen

Gegeben sei eine komplexe 2×2-Matrix A mit den Elementen {aij | i,j{0,1},aijC}. Dann lassen sich komplexe Zahlen {zi | i{0,1,2,3},ziC} finden, für die gilt:

     A =(a00a01a10a11)=(z0+z3z1iz2z1+iz2z0z3)
=z0(1001) +z1(0110) +z2(0ii0) +z3(1001)
=z0σ0 +z1σ1 +z2σ2 +z3σ3.

Es gelten die Umrechnungen:

a00=z0+z3,a01=z1iz2,a10=z1+iz2,a11=z0z3,

bzw.:

z0=a00+a112,z1=a01+a102,z2=ia01a102,z3=a00a112.

Eine komplexe 2×2-Matrix kann demnach als Linearkombination der σi geschrieben werden, und diese Darstellung ist eindeutig. Die Pauli-Matrizen bilden also eine Basis des C-Vektorraums (und Matrizenrings) C2×2, und diese Basis ist eine orthogonale unter dem Frobenius-Skalarprodukt.

Die Umrechnungen definieren einen Ringisomorphismus

C2×2C4

mit der üblichen Vektoraddition, der üblichen C-Skalarmultiplikation und der Vektor-Multiplikation

     (x0,x1,x2,x3)(y0,y1,y2,y3):=( x0y0+x1y1+x2y2+x3y3,
x0y1+x1y0+ix2y3ix3y2,
x0y2ix1y3+x2y0+ix3y1,
x0y3+ix1y2ix2y1+x3y0)

in C4. Zwei Vektoren sind genau dann miteinander vertauschbar, wenn

x2y3x3y2=|x2x3y2y3|=0x3y1x1y3=|x3x1y3y1|=0x1y2x2y1=|x1x2y1y2|=0,

wenn also die Vektorteile (x1,x2,x3) und (y1,y2,y3) C-linear voneinander abhängen.

Die inverse Matrix von A=z0σ0+z1σ1+z2σ2+z3σ3 berechnet sich im Fall von z02z12z22z320 hieraus zu

A1=z0σ0z1σ1z2σ2z3σ3z02z12z22z32.

Hermitesche 2×2-Matrizen

Die Teilmenge der hermiteschen 2×2-Matrizen, also der Matrizen A mit

A=AT,

ist ein R-Untervektorraum, für den die Pauli-Matrizen ebenfalls eine Basis bilden, die Koeffizienten zi sind aber reell. Anders gesagt: es gibt bei hermiteschen 2×2-Matrizen vier (reelle) freie Parameter, da a00 und a11 reell sind und a01=a10.

Das Produkt zweier hermitescher Matrizen ist hermitesch, wenn sie kommutieren. Der Untervektorraum ist also kein (Unter)ring.

Die Quaternionen als Unterring von C4

(Unter)ring ist aber ein anderer Untervektorraum von C4, der sich durch Koeffizienten z0R, z1iR, z2iR, z3iR von (σ0,σ1,σ2,σ3) aufspannen lässt. Er ist ebenfalls mit der R-Skalarmultiplikation verträglich und zusätzlich hinsichtlich der Multiplikation abgeschlossen. Dieser R-Untervektorraum ist isomorph zu den Quaternionen H.

Als Basis für reelle Koeffizienten kann man die mit der imaginären Einheit multiplizierten Pauli-Matrizen zusammen mit der Einheitsmatrix nehmen, also die Menge {σ0,iσ1,iσ2,iσ3}, mit der isomorphen Zuordnung:

1σ0,iHiσ1,jHiσ2,kHiσ3,

mit iH,jH,kH als den bekannten Einheitsquaternionen. Vor diese Zuordnung lässt sich jeder der 24 Automorphismen der Quaternionengruppe Q8 schalten. So kann auch ein Isomorphismus „in umgekehrter Ordnung“ gebaut werden:[4]

1σ0,iH+iσ3,jH+iσ2,kH+iσ1.

Anwendung

In der Quantenphysik, in der den physikalischen Observablen auf mathematischer Seite hermitesche Operatoren bzw. Matrizen entsprechen, wird der Drehimpulsoperator S^i, i{1,2,3} von Spin-½-Zuständen, beispielsweise bei Elektronen, durch die Paulimatrizen dargestellt:

S^i2σi,

wobei „wird dargestellt durch“ bedeutet.

In der relativistischen Quantenmechanik, wo man entsprechend dem relativistischen Vierervektor Formalismus vier Raum-Zeit bzw. Energie-Impuls Variablen hat, tritt die Einheitsmatrix gleichberechtigt zu den drei Pauli-Matrizen (als „nullte“ Pauli-Matrix) und es wird mit ihrer Hilfe die Dirac-Gleichung mit den Dirac-Matrizen aufgebaut.

Direkt tauchen die Pauli-Matrizen in der Pauli-Gleichung zur quantenmechanischen Beschreibung von Teilchen mit Spin im Magnetfeld auf, die sich aus der nichtrelativistischen Reduktion der Diracgleichung ergibt, und in der Beschreibung von Majorana-Fermionen (Majorana-Gleichung).

Darstellung

Die Pauli-Matrizen können neben der Darstellung als Matrizen mit Hilfe der Dirac-Notation dargestellt werden: Dabei können für die Linearkombination entweder die Standard-Basisvektoren oder die Eigenvektoren der Pauli-Matrizen verwendet werden.

Pauli-Matrix Matrix Linearkombination (Standard-Basisvektoren) Linearkombination (Eigenvektoren)
σ1=σx (0110) |01|+|10| |++|||
σ2=σy (0ii0) i(|10||01|) |ϕ+ϕ+||ϕϕ|
σ3=σz (1001) |00||11| |00||11|

Die verwendeten Vektoren sind wie folgt definiert, wobei die verwendeten Kets durch Vektoren des C2 dargestellt werden, was durch „“ gekennzeichnet ist:

|0=|sz+ (10) |1=|sz (01)
|+ 12(11) | 12(11)
|ϕ+ 12(1i) |ϕ 12(1i).

Eigenschaften

Die Pauli-Matrizen sind hermitesch und unitär. Daraus folgt mit dem durch σ0:=(1001) definierten vierten Basiselement

σ12=σ22=σ32=σ02=σ0.

Die Determinanten und Spuren der Pauli-Matrizen sind

detσi=1trσi=0   für i=1,2,3.

Aus Obigem folgt, dass jede Pauli-Matrix σi die Eigenwerte +1 und −1 besitzt.

Des Weiteren:

σ1σ2σ3=iσ0.

Die Pauli-Matrizen erfüllen die algebraische Relation

σiσj=δijσ0+ik=13ϵijkσk   für i,j=1,2,3

(ϵijk ist das Levi-Civita-Symbol), also insbesondere bis auf einen Faktor 2 dieselben Relationen wie die Drehimpulsalgebra

[σi,σj]=σiσjσjσi=2ik=13ϵijkσk   für i,j=1,2,3.

und die Clifford- oder Dirac-Algebra Cl(0,3,R)

{σi,σj}=σiσj+σjσi=2δijσ0   für i,j=1,2,3.

Die Pauli-Matrizen gehören zum Spezialfall l=1/2 von Drehimpulsoperatoren, die auf Basisvektoren Λm eines Drehimpuls-l-Multipletts mit Quantenzahlen m in Maßsystemen mit =1 folgendermaßen wirken:

L3Λm=mΛm, m{l,l+1,,l},
L+Λm=(lm)(l+m+1)Λm+1,
LΛm=(l+m)(lm+1)Λm1.

Dabei ist 2l+1 eine natürliche Zahl und für m treten die 2l+1 verschiedenen Quantenzahlen m=l,l+1,,l auf. Für l=1/2 wirken die Drehimpulsoperatoren auf die Komponenten von Linearkombinationen der beiden Basisvektoren Λ1/2 und Λ1/2 demnach durch Multiplikation mit den folgenden Matrizen

L3=12(1001),L+=(0100),L=(0010).

Mit L1=12(L++L) und L2=12i(L+L) ergibt sich dann, dass die Drehimpulsoperatoren auf die Komponenten von Spin-1/2-Zuständen durch Multiplikation mit den halben Pauli-Matrizen wirken.

Zugeordnete Drehgruppe, Zusammenhang mit Spin-1/2-Systemen

Die lineare Hülle der mit i multiplizierten[5] Pauli-Matrizen iσ1,iσ2,iσ3 ist mit der üblichen Matrizenmultiplikation eine Lie-Algebra. Aufgrund der mit nσ=n1σ1+n2σ2+n3σ3 für jeden Einheitsvektor nR3 geltenden Identität[6]

exp(iα2nσ)=σ0cosα2i(nσ)sinα2

sind diese drei Matrizen die Generatoren der komplexen Drehgruppe SU(2).

Der Faktor 1/2 in der obigen Gleichung ist zwar mathematisch verzichtbar. Die Gleichung wird jedoch in der physikalischen Anwendung häufig in genau dieser Form benötigt. Denn (wie in der Einleitung erwähnt) stellen in der Quantenphysik die Matrizen Si=2σi die Operatoren für die Spinkomponenten eines Spin-1/2-Systems (beispielsweise eines Elektrons) dar. Andererseits beschreibt die durch den Exponentialausdruck gegebene Matrix die Veränderung des Spinzustands bei einer räumlichen Drehung. α ist dabei der Drehwinkel, n die Drehachse. Für α=2π ergibt sich exp(iπnσ)=σ0; d. h. der Zustandsvektor eines Spin-1/2-Systems wird durch Drehung um den Winkel 2π in sein Negatives und erst durch Drehung um den Winkel 4π wieder in sich selbst übergeführt („Spinordrehungen“).

Eigenvektoren

Die Matrix σ3 hat die Eigenvektoren

χ31=(10),χ32=(01)

wie man leicht erkennen kann:

σ3χ31=(1001)(10)=(10),σ3χ32=(1001)(01)=(01)=1(01)

entsprechend den Eigenwerten ±1. Die Eigenvektoren von σ1 sind

χ11=(11),χ12=(11):
σ1χ11=(0110)(11)=(11),σ1χ12=(0110)(11)=(11)=1(11)

und die Eigenvektoren von σ2

χ21=(1i),χ22=(i1):
σ2χ21=(0ii0)(1i)=(1i),σ2χ22=(0ii0)(i1)=(i1)=1(i1).

Kronecker-Produkt von Pauli-Matrizen

In der Mathematik können mit Hilfe des Tensorprodukts (Kronecker-Produkts) von Pauli-Matrizen (mit Einheitsmatrix) die Darstellungen der höheren Clifford-Algebren über den reellen Zahlen aufgebaut werden.

Pauli-Matrizen können zur Darstellung von Hamilton-Operatoren und zur Näherung der Exponentialfunktion solcher Operatoren verwendet werden. Sind σ0,σ1,σ2,σ3 die vier Pauli-Matrizen, so kann man mit Hilfe des Kronecker-Produkt höherdimensionale Matrizen erzeugen.

p:=σμ1σμ2...σμn;μ1,μ2,...,μn{0,1,2,3};nN

Eigenschaften der Pauli-Matrizen vererben sich auf diese Matrizen. Sind p1 und p2 zwei Kronecker Produkte von Pauli-Matrizen, so gilt:

  • p1,p2 sind 2n×2n Matrizen
  • p12=p22=1 (Die 2n×2n Einheitsmatrix)
  • p1p2=p2p1 oder p1p2=p2p1 (Kommutativität)
  • Spurσμ1σμ2...σμn=2nδμ1,0δμ2,0...δμn,0
  • Die Kronecker-Produkte von Pauli-Matrizen sind linear unabhängig und bilden eine Basis im Vektorraum der 2n×2n-Matrizen. Hamilton-Operatoren H vieler physikalischer Modelle lassen sich aufgrund der Basiseigenschaft als Summe solcher Matrizen ausdrücken (Linearkombination). Insbesondere lassen sich Erzeuger und Vernichter von Fermionen, die endlich viele Zustände einnehmen können, einfach durch sie ausdrücken.
H=k=0Nhkpk mit NN,hkR,pk ist Kronecker-Produkt von Pauli-Matrizen.

Beispiele für derartige Modelle sind Hubbard-Modell, Heisenberg-Modell und Anderson-Modell.

Das Kronecker-Produkt von Pauli-Matrizen tritt bei der Beschreibung von Spin-1/2-Systemen auf, die aus mehreren Teilsystemen aufgebaut sind. Der Zusammenhang ist dadurch gegeben, dass das Tensorprodukt zweier Operatoren in der zugehörigen Matrixdarstellung gerade durch das Kronecker-Produkt der Matrizen gegeben ist (siehe Kronecker-Produkt#Zusammenhang mit Tensorprodukten).

Näherung der Exponentialfunktion des Hamilton-Operators

Häufig interessiert man sich für die Exponentialfunktion des Hamilton-Operators.

exp{βH}=l=0(β)ll!(k=0Nhkpk)l   mit   βR

Aufgrund der Kommutativität kann man in einem Produkt die Matrizen beliebig anordnen. Ist π eine Permutation, so ist:

pπ1pπ2...pπn=ap1p2...pn   mit   nN,a{1,1}

Deshalb existieren rationale Zahlen Ek1k2...kN mit:

exp{βH}=k1=0k2=0...kN=0Ek1k2...kN(βh1)k1(βh2)k2...(βhN)kNp1k1p2k2...pNkN

Diese rationalen Zahlen sind, von Ausnahmen abgesehen, schwer zu berechnen.

Eine erste Näherung ergibt sich, indem man nur Summanden berücksichtigt, die aus kommutierenden Matrizen bestehen.

Ek1k2...kN=0 falls ein Paar 1a,bN mit papb=pbpa und ka,kb>0 existiert
Ek1k2...kN=1k1!1k2!...1kN! sonst

Die Näherung lässt sich weiter verbessern, indem man Paare, Tripel, … von nicht kommutierenden Matrizen berücksichtigt.

Siehe auch

Literatur

  • Willi-Hans Steeb: Kronecker Product of Matrices and Applications. B.I. Wissenschaftsverlag, Mannheim 1991, ISBN 3-411-14811-X.

Weblinks

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Wolfgang Pauli: Zur Quantenmechanik des magnetischen Elektrons. In: Zeitschrift für Physik, Band 43, 1927, S. 601
  2. Nummerierung nach The Small Groups library. zitiert nach R. J. Mathar: Zykel-Graphen Plots endlicher Gruppen bis zur Ordnung 36. 2014.
  3. R. J. Mathar: Zykel-Graphen Plots endlicher Gruppen bis zur Ordnung 36. 2014.
  4. Mikio Nakahara: Geometry, topology, and physics. CRC Press, 2003, S. xxii ff. (Google Books).
  5. Durch die Multiplikation mit ±i entstehen aus hermiteschen Matrizen schiefhermitesche Matrizen. Eine Darstellung mit Hilfe von Hermiteschen Operatoren und Matrizen wird von Physikern bevorzugt, weil in der Quantenmechanik messbare Größen (sog. Observablen) stets durch Hermitesche Operatoren beschrieben werden.
  6. Charles Misner, Kip S. Thorne, John. A. Wheeler: Gravitation. W. H. Freeman, San Francisco 1973, ISBN 0-7167-0344-0, S. 1142