Das Wilberforce-Pendel ist eine Kombination aus Feder- und Torsionspendel. Es besteht aus einer Masse, die an einer langen Schraubenfeder aufgehängt ist, sodass die Schraubenfeder leicht verdrillt wird wenn die Masse um ihre vertikale Achse gedreht wird. Es handelt sich um ein gekoppeltes Pendel, das in der Physikdidaktik als Beispielexperiment verwendet wird. Es wurde um 1896 vom britischen Physiker Lionel Robert Wilberforce entworfen.[1]
Die Masse an der Feder kann sowohl auf und ab schwingen, als auch wie bei einem Torsionspendel, um seine vertikale Achse hin und zurück rotieren. Mit einer bestimmten Einstellung zeigt sich eine interessante Bewegung, bei der sich ständig eine ausschließliche Rotationsschwingung und eine ausschließliche „auf und ab“ Schwingung gegenseitig ablösen. Die Energie des Pendels wird also abwechselnd von der Translationsschwingung in eine Rotationsschwingung und zurück übertragen, bis die Bewegung aufgrund der Dämpfung langsam abklingt.[2][3]
Trotz seines Namens, führt das Pendel bei einem normalen Betrieb keine horizontale Pendelbewegung aus, wie es bei normalen Pendeln der Fall ist. An der Masse sind meist horizontal gegenüberliegende „Arme“ angebracht, an die sich kleine Gewichte anschrauben lassen, um das Trägheitsmoment für die Torsionsschwingung anzupassen.
Die zunächst überraschende Eigenschaft resultiert aus einer leichten Kopplung der zwei Bewegungen aufgrund der Geometrie der Feder. Wenn sich die Masse auf und ab bewegt, führt jede Abwärtsbewegung zu einer leichten Abwicklung der Feder, wodurch die Masse ein kleines Drehmoment erfährt. Eine Aufwärtsbewegung der Masse dagegen lässt die Windungszahl der Feder leicht ansteigen, wickelt sie also auf, und gibt damit der Masse ein kleines Drehmoment in die andere Richtung. Jede „auf und ab“ Schwingung führt also zu einem Drehmoment, das sich dann in einer leichten Rechts- und Linksdrehung zeigt. Bei einem Pendel, das nur auf und ab schwingt, wird damit mit jeder Schwingung Energie von der Translationsschwingung in die Rotationsschwingung übertragen, sodass die Amplitude der Rotationsschwingung anwächst und gleichzeitig die der Translationsschwingung abnimmt, bis die Masse nach einiger Zeit ausschließlich eine Rotationsbewegung durchführt.
Ähnlich verhält es sich, wenn die Masse zunächst nur hin und zurück rotiert. Dann führt eine Drehung in einer Richtung dazu, dass die Feder aufgewickelt wird, eine Drehung in der anderen Richtung dazu, dass sie abgewickelt wird. Jede Abwicklung reduziert dabei die Zugkraft der Feder, sodass die Masse weiter absinken kann; eine Aufwicklung lässt die Zugkraft ansteigen, zieht die Masse als weiter nach oben. Jede Rotation sorgt somit dafür, dass die Masse stärker auf- und abschwingt, bis die Energie wieder von der Rotationsbewegung zurück in die Translationsbewegung übertragen ist und sich das Pendel nur noch auf und ab bewegt.
Das Pendel lässt sich als zwei gekoppelte harmonische Oszillatoren betrachten. Die Bewegung lässt sich jeweils als eine harmonische Schwingung mit variabler Amplitude beschreiben, wobei die Amplituden gegenphasig mit einer sinusförmigen Funktion schwingen.
Die Frequenz, mit der das Pendel zwischen beiden Schwingungsformen wechselt, ist die Differenz der Eigenfrequenzen der einzelnen Schwingungen. Je geringer der Abstand dieser beiden Eigenfrequenzen ist, desto langsamer ist der Wechsel zwischen den beiden Schwingungsformen. Dieses Verhalten, das sich bei allen gekoppelten Pendeln zeigt, lässt sich mit dem akustischen Phänomen einer Schwebung bei Musikinstrumenten vergleichen. Dort werden zwei Sinustöne kombiniert und produzieren so einen Ton mit einer Frequenz, die dem Unterschied der einzelnen Frequenzen entspricht.
Beispielsweise bei einem Wilberforce-Pendel, bei dem die Masse mit Frequenz $ f_{\mathrm {T} }=4\,\mathrm {Hz} $ auf- und abschwingt und sich mit einer Frequenz von $ f_{\mathrm {R} }=4{,}1\,\mathrm {Hz} $ hin und zurück dreht, liegt die Frequenz $ f_{\mathrm {alt} } $ und die entsprechende Periode, mit der sich beide Schwingungsformen abwechseln, bei
Die Bewegung verändert sich daher innerhalb von fünf Sekunden von einer Translation zur Rotation und zurück zur Translation in den folgenden fünf Sekunden.
Üblicherweise wird das Trägheitsmoment der Masse angepasst, bis die Rotationsfrequenz sehr nahe an der Translationsfrequenz liegt, damit der Übergang zwischen den beiden Schwingungsformen klar erkennbar ist. Dies ist meist durch Auf- und Zurückschrauben der Gewichte an den Armen möglich.