Inflation (Kosmologie): Unterschied zwischen den Versionen

Inflation (Kosmologie): Unterschied zwischen den Versionen

imported>TaxonBot
K (Bot: Korrektur Halbgeviertstrich)
 
84.175.12.143 (Diskussion)
 
Zeile 1: Zeile 1:
{{Weiterleitungshinweis|Inflationstheorie|Zur Teuerung siehe [[Inflation]].}}
{{Weiterleitungshinweis|Inflationstheorie|Zur Teuerung siehe [[Inflation]].}}
[[Datei:History of the Universe.svg|mini|upright=1.6|Zeitlicher und räumlicher Ablauf der Ausdehnung des [[Universum]]s, nicht maßstabsgetreu.
[[Datei:History of the Universe lang.svg|mini|upright=1.6|lang=de|Zeitlicher und räumlicher Ablauf der Ausdehnung des [[Universum]]s, nicht maßstabsgetreu.
Man beachte die Inflationsphase am linken Rand des gelben Bereichs.]]
Man beachte die Inflationsphase am linken Rand des gelben Bereichs.]]
Als [[Kosmologie|kosmologische]] '''Inflation''' wird eine Phase extrem rascher [[Expansion des Universums]] bezeichnet, von der man annimmt, dass sie unmittelbar nach dem [[Urknall]] stattgefunden hat. Dieser sehr kurze Zeitabschnitt wird auch [[Große vereinheitlichte Theorie|GUT]]­-Ära genannt.
Als [[Kosmologie|kosmologische]] '''Inflation''' wird eine Phase extrem rascher [[Expansion des Universums]] bezeichnet, von der man annimmt, dass sie unmittelbar nach dem [[Urknall]] stattgefunden hat. Dieser sehr kurze Zeitabschnitt wird auch [[Große vereinheitlichte Theorie|GUT]]­-Ära genannt.


== Beschreibung ==
== Beschreibung ==
In der [[Kosmologie]] wird für die allererste Zeit nach der [[Planck-Zeit]] ab 10<sup>−43</sup>&nbsp;s der Begriff GUT-Ära<ref name="lesch2010" /> verwendet.
In der Kosmologie wird für die allererste Zeit nach der [[Planck-Zeit]] ab 10<sup>−43</sup>&nbsp;s der Begriff GUT-Ära<ref name="lesch2010" /> verwendet. Innerhalb dieser Ära begann die Inflation etwa bei 10<sup>−35</sup>&nbsp;s und dauerte bis zu einem Zeitpunkt zwischen 10<sup>−33</sup>&nbsp;s und 10<sup>−30</sup>&nbsp;s nach dem Urknall. Man geht davon aus, dass sich das [[Universum]] in dieser Zeit um mindestens den Faktor&nbsp;10<sup>26</sup> ausgedehnt hat. Konkret: Der Bereich, der dem [[Beobachtbares Universum|heute beobachtbaren Universum]] entspricht, hätte dabei der Theorie zufolge von einem Durchmesser, der den eines [[Proton]]s weit unterschreitet, auf etwa 10&nbsp;cm expandieren müssen. Anschließend setzte das Universum seine Expansion im Rahmen des Standard-Urknall-Modells fort, wie von den [[Friedmann-Gleichung]]en beschrieben.
Innerhalb dieser Ära begann die Inflation etwa bei 10<sup>−35</sup>&nbsp;s und dauerte bis zu einem Zeitpunkt zwischen 10<sup>−33</sup>&nbsp;s und 10<sup>−30</sup>&nbsp;s nach dem Urknall. Dabei steht GUT für ‚Grand Unified Theory‘, auf Deutsch [[große vereinheitlichte Theorie]]. Diese würde die [[starke Kernkraft]], die [[schwache Kernkraft]] und die [[elektromagnetische Kraft]] vereinigen. Hochenergie-Experimente an [[Teilchenbeschleuniger]]n deuten darauf hin, dass bei einer Energie von etwa 2×10<sup>16</sup>&nbsp;GeV die drei genannten Kräfte nicht mehr voneinander unterscheidbar sind. Oberhalb dieser Energie gäbe es daher nur eine Kraft, die als GUT-Kraft bezeichnet wird. Dies wäre ein Zustand höherer Symmetrie. Bei Energien unter diesem Wert bricht diese Symmetrie auf und die drei genannten Kräfte würden sichtbar.<ref name="lex_gut" />
Es wird davon ausgegangen, dass sich das [[Universum (Astronomie)|Universum]] in dieser Zeit um mindestens den Faktor 10<sup>26</sup> ausgedehnt hat. Anschließend setzte das Universum seine Expansion im Rahmen des Standard-Urknall-Modells fort, wie von den [[Friedmann-Gleichungen]] beschrieben.


Die [[Hypothese]] dieser inflationären Expansion wurde 1981 von [[Alan H. Guth]] vorgeschlagen und ist kein Element des ursprünglichen Urknallmodells. Anlass war die Feststellung, dass die relativistische Kosmologie zur Erklärung einiger fundamentaler Beobachtungen (siehe unten) eine Feinabstimmung („fine tuning“) von kosmologischen Parametern erfordert, die ihrerseits wiederum einer Erklärung bedurfte. Die Inflationshypothese bietet dafür einen physikalischen Mechanismus, aus dem sich einige grundlegende Eigenschaften des Universums direkt ergeben.
GUT steht für ‚Grand Unified Theory‘, auf Deutsch ‚[[große vereinheitlichte Theorie]]‘. Gemäß dieser sind bei hohen Energien die [[Starke Wechselwirkung|starke Kernkraft]], die [[Schwache Wechselwirkung|schwache Kernkraft]] und die [[Fundamentale Wechselwirkung|elektromagnetische Kraft]] nicht unterscheidbar. Diese vereinigte Kraft wird als GUT-Kraft bezeichnet. Die Hochenergie-Experimente an [[Teilchenbeschleuniger]]n deuten darauf hin, dass bei einer Energie von etwa 2×10<sup>16</sup>&nbsp;[[Elektronenvolt #Dezimale Vielfache|GeV]] (Gigaelektronenvolt) dies der Fall ist. Dies ist ein Zustand höherer [[Symmetrie (Physik)|Symmetrie]]. Bei Energien unter diesem Wert [[Symmetriebrechung|bricht diese Symmetrie auf]] und die drei genannten Kräfte werden sichtbar.<ref name="lex_gut" />


Danach ist die Ursache dieser Expansion die Zustandsänderung eines skalaren [[Feld (Physik)|Feldes]] mit einem extrem flachen Potential. Dieses '''Inflatonfeld''' genannte skalare Feld hat eine [[Zustandsgleichung]] mit negativem Druck. Nach der [[Allgemeine Relativitätstheorie|allgemeinen Relativitätstheorie]] führt dies zu einer abstoßenden Kraft und damit zu einer Ausdehnung des Universums. Die Zustandsänderung des Feldes während der inflationären Phase ist mit einem [[Phasenübergang]] 1.&nbsp;Ordnung vergleichbar. Im Rahmen der [[Große vereinheitlichte Theorie|großen vereinheitlichten Theorie]] werden die Bedingungen, unter denen der Phasenübergang auftritt, durch [[Higgs-Feld]]er bestimmt.
Die [[Hypothese]] dieser inflationären Expansion wurde 1981 von [[Alan Guth]] vorgeschlagen und ist kein Element des ursprünglichen Urknallmodells. Vorarbeiten zur Entwicklung der Inflationstheorie wurden bereits in den 1970er-Jahren von [[Andrei Dmitrijewitsch Linde|Andrei Linde]] geleistet, womit ihm dafür 2004 der [[Gruber-Preis für Kosmologie]] verliehen wurde.
Anlass war die Feststellung, dass die relativistische Kosmologie zur Erklärung einiger fundamentaler Beobachtungen (siehe unten) eine [[Feinabstimmung der Naturkonstanten|Feinabstimmung]] („fine tuning“) von kosmologischen Parametern erfordert, die ihrerseits wiederum einer Erklärung bedurfte. Die Inflationshypothese bietet dafür einen physikalischen Mechanismus, aus dem sich einige grundlegende Eigenschaften des Universums direkt ergeben.


Die Annahme einer derartigen inflationären Expansion erscheint einerseits willkürlich, andererseits löst sie elegant mehrere größere [[Kosmologie|kosmologische]] Probleme:
Danach ist die Ursache dieser Expansion die Zustandsänderung eines [[Skalar (Mathematik)|skalar]]en [[Feld (Physik)|Feldes]] mit einem extrem flachen [[Potential (Physik)|Potential]]. Dieses ''Inflatonfeld'' genannte skalare Feld hat eine [[Zustandsgleichung]] mit negativem Druck. Nach der [[Allgemeine Relativitätstheorie|allgemeinen Relativitätstheorie]] führt dies zu einer abstoßenden Kraft und damit zu einer Ausdehnung des Universums. Die Zustandsänderung des Feldes während der inflationären Phase ist mit einem [[Phasenübergang]] 1.&nbsp;Ordnung vergleichbar. Im Rahmen der großen vereinheitlichten Theorie werden die Bedingungen, unter denen der Phasenübergang auftritt, durch [[Higgs-Mechanismus|Higgs-Feld]]er bestimmt.


* Das heute sichtbare Universum enthält überall im Wesentlichen ähnliche Strukturen. Andererseits besteht es aus Gebieten, die bei einer Standard-Expansion erst sehr spät kausal miteinander in Wechselwirkung treten konnten, da sie sich unmittelbar nach dem Urknall zunächst zu schnell voneinander entfernt haben. Die Tatsache, dass man dennoch eine hochgradige [[Homogenität]] des Universums und [[Isotropie]] der [[Kosmischer Mikrowellenhintergrund|kosmischen Hintergrundstrahlung]] beobachtet, wird als [[Horizontproblem]] bezeichnet und ist im Rahmen einer Standard-Expansion nicht erklärbar. Bei Existenz einer inflationären Expansion dagegen hätten alle Bereiche des heute sichtbaren Universums vor dieser Inflation bereits vorübergehend in Wechselwirkung gestanden.
Die Annahme einer derartigen inflationären Expansion erscheint einerseits willkürlich, andererseits löst sie elegant mehrere größere kosmologische Probleme:
* Das [[Sichtbares Universum|heute sichtbare Universum]] enthält überall im Wesentlichen ähnliche Strukturen. Andererseits besteht es aus Gebieten, die bei einer Standard-Expansion erst sehr spät kausal miteinander in Wechselwirkung treten konnten, da sie sich unmittelbar nach dem Urknall zunächst zu schnell voneinander entfernt haben. Die Tatsache, dass man dennoch eine hochgradige [[Homogenität (Physik)|Homogenität]] des Universums und [[Isotropie]] der [[Hintergrundstrahlung|kosmischen Hintergrundstrahlung]] beobachtet, wird als [[Horizontproblem]] bezeichnet und ist im Rahmen einer Standard-Expansion nicht erklärbar. Bei Existenz einer inflationären Expansion dagegen hätten alle Bereiche des heute sichtbaren Universums vor dieser Inflation bereits vorübergehend in Wechselwirkung gestanden.


* Der Bereich des heute sichtbaren Universums weist keine messbare [[Raumkrümmung]] auf. Im Rahmen einer Standard-Expansion wäre dazu unmittelbar nach dem Urknall eine extrem exakte Abstimmung von Materiedichte und kinetischer Energie erforderlich gewesen, für die es keine Erklärung gibt. Für den Fall einer inflationären Expansion dagegen wäre die beobachtete Flachheit des Raumes lediglich eine Folge seiner ungeheuren Ausdehnung, da das heute sichtbare Universum nur einen winzigen Ausschnitt repräsentieren würde.
* Der Bereich des heute sichtbaren Universums weist keine messbare [[Raumkrümmung]] auf. Im Rahmen einer Standard-Expansion wäre dazu unmittelbar nach dem Urknall eine extrem exakte Abstimmung von Materiedichte und kinetischer Energie erforderlich gewesen ([[Flachheitsproblem]]), für die es keine Erklärung gibt. Für den Fall einer inflationären Expansion dagegen wäre die beobachtete Flachheit des Raumes lediglich eine Folge seiner ungeheuren Ausdehnung, da das heute sichtbare Universum nur einen winzigen Ausschnitt repräsentieren würde.


* Die Inflations-Hypothese erklärt darüber hinaus die Dichtefluktuationen, aus denen die [[Galaxie]]n und [[Galaxienhaufen]] hervorgegangen sind, als Folge von [[Quantenfluktuation]]en des Inflatonfeldes. Die extreme Expansion vergrößerte diese Fluktuationen auf entsprechend makroskopische Größe, was eine Standard-Expansion nicht in ausreichendem Maße hätte leisten können.
* Die Inflations-Hypothese erklärt darüber hinaus die Dichtefluktuationen, aus denen die [[Galaxie]]n und [[Galaxienhaufen]] hervorgegangen sind, als Folge von [[Vakuumfluktuation|Quantenfluktuation]]en des Inflationsfeldes. Die extreme Expansion vergrößerte diese Fluktuationen auf entsprechend makroskopische Größe, was eine Standard-Expansion nicht in ausreichendem Maße hätte leisten können.


* Nach gewissen Theorien sollten beim Urknall auch [[Magnetischer Monopol|magnetische Monopole]] entstanden sein, die sich jedoch bis heute einem experimentellen Nachweis entzogen haben. Während einer inflationären Expansion hätte die [[Teilchenzahldichte]] dieser Monopole jedoch dermaßen abgenommen, dass die Wahrscheinlichkeit, im Bereich des heute sichtbaren Universums einzelne zu finden, äußerst gering wäre&nbsp;– in Übereinstimmung mit der experimentellen Datenlage.
* Nach gewissen Theorien sollten beim Urknall auch [[Magnetischer Monopol|magnetische Monopole]] entstanden sein, die sich jedoch bis heute einem experimentellen Nachweis entzogen haben. Während einer inflationären Expansion hätte die [[Teilchendichte]] dieser Monopole jedoch dermaßen abgenommen, dass die Wahrscheinlichkeit, im Bereich des heute sichtbaren Universums einzelne zu finden, äußerst gering wäre&nbsp;– in Übereinstimmung mit der experimentellen Datenlage.


== Felddynamik ==
== Felddynamik ==
Zur Erklärung der Dynamik der Inflation wird ein skalares Quantenfeld benötigt, das räumlich homogen ist und eine endliche Energiedichte aufweist. Wenn sich das Feld zeitlich genügend langsam ändert (nämlich in Richtung einer Verringerung der Energiedichte), so hat es negativen Druck und verhält sich effektiv wie eine [[kosmologische Konstante]], führt also zu einer beschleunigten Expansion des Universums. Die Expansion ist exponentiell, wenn die Energiedichte des Quantenfeldes die dominante Komponente im Universum darstellt. Derzeit ist kein konkreter Kandidat für dieses Quantenfeld bekannt. Die Bezeichnung für ein Quantenfeld, das inflationäre Expansion bewirkt, ist ''Inflatonfeld'' mit dem ''Inflaton'' als [[Eichboson|Vermittlerteilchen]].
Um die Dynamik der Inflation zu erklären, wird ein skalares [[Quantenfeldtheorie|Quantenfeld]] benötigt, das räumlich homogen ist und eine endliche [[Energiedichte]] aufweist. Wenn sich das Feld zeitlich langsam genug ändert (nämlich in Richtung einer Verringerung der Energiedichte), so hat es negativen Druck und verhält sich effektiv wie eine [[kosmologische Konstante]], führt also zu einer beschleunigten Expansion des Universums. Die Expansion ist [[exponentiell]], wenn die Energiedichte des Quantenfeldes im Universum dominiert. Derzeit ist kein konkreter Kandidat für dieses Quantenfeld bekannt. Die Bezeichnung für ein Quantenfeld, das inflationäre Expansion bewirkt, ist ''Inflatonfeld'' mit dem ''Inflaton'' als [[Eichboson|Vermittlerteilchen]].


Der niedrigste [[Energiezustand]] des Inflatonfeldes muss nicht, kann aber von Null verschieden sein. Das hängt von der als Parameter vorgegebenen Dichte der [[potentielle Energie|potentiellen Energie]] des Feldes ab. Vor der Expansionsperiode war das Inflatonfeld in einem höheren Energiezustand. Zufällige Quantenfluktuationen lösten einen [[Phasenübergang]] aus, wobei das Inflaton seine potentielle Energie in Form von Materie und Strahlung abgab, als es in den niedrigeren Energiezustand wechselte. Dieser Vorgang erzeugte eine abstoßende Kraft, die die Ausdehnung des Universums beschleunigte.
Vor der Expansionsperiode war das Inflatonfeld in einem höheren [[Energiezustand]]. Zufällige [[Quantenfluktuation]]en lösten einen [[Phasenübergang]] aus, wobei das Inflaton seine [[potentielle Energie]] in Form von Materie und Strahlung abgab, als es in den niedrigeren Energiezustand wechselte. Dieser Vorgang erzeugte eine abstoßende Kraft, die die Ausdehnung des Universums beschleunigte. Der niedrigste Energiezustand des Inflationsfeldes muss nicht, kann aber von Null verschieden sein; das hängt von der als Parameter vorgegebenen Dichte der potentiellen Energie des Feldes ab.  


Ein einfaches Modell für ein Inflatonfeld <math>\Phi</math> ist durch das [[Potential (Physik)|Potential]]
Ein einfaches Modell für ein Inflatonfeld <math>\Phi</math> ist gegeben durch das [[Potential (Physik)|Potential]]


:<math>V_{\rm eff}(\Phi, T) = \lambda |\Phi|^4 - b |\Phi|^3 + a T^2 |\Phi|^2</math>
:<math>V_{\rm eff}(\Phi, T) = \lambda |\Phi|^4 - b |\Phi|^3 + a T^2 |\Phi|^2, </math><!-- was ist Phi? -->


gegeben, wobei die Temperaturabhängigkeit durch die Wechselwirkung mit den thermischen Fluktuationen der übrigen Teilchen und Felder im Universum zustande kommt. Bei hoher Temperatur hat dieses Potential ein einziges Minimum bei <math>|\Phi|=0</math>. Sinkt die Temperatur durch die Expansion des Universums unter eine erste kritische Temperatur <math>T_1</math>, so erscheint ein zweites lokales Minimum der Potentialfunktion bei <math>|\Phi|\neq 0</math>. Zunächst hat das Potential bei diesem sekundären Minimum einen höheren Wert als in dem globalen Minimum <math>\Phi=0</math>, in dem sich das Feld befindet. Wenn die Temperatur aber einen zweiten kritischen Wert <math>T_2</math> unterschreitet, so hat das Potential im sekundären Minimum einen niedrigeren Wert als im primären Minimum. Man bezeichnet das globale Minimum der Potentialfunktion als das ''wahre Vakuum'' und das lokale Minimum als das ''falsche Vakuum.''
wobei die Temperaturabhängigkeit durch die Wechselwirkung mit den thermischen Fluktuationen der übrigen Teilchen und Felder im Universum zustande kommt.


Um vom falschen in das energetisch bevorzugte wahre Vakuum überzugehen, muss das Feld eine Energiebarriere überwinden oder sie durchtunneln (dies ist durch den quantenmechanischen [[Tunneleffekt]] möglich). Da sich auch bei einer Expansion des Weltraums die Energiedichte des falschen Vakuums nicht ändert, vorausgesetzt der quantenmechanische [[Tunneleffekt|Tunnelprozess]] läuft genügend langsam ab, muss der Druck des falschen Vakuums negativ sein und führt gemäß den [[Friedmann-Gleichungen]] zu einer exponentiellen Expansion.
Bei hoher Temperatur hat dieses Potential ein einziges, globales Minimum bei <math>|\Phi|=0</math>. Sinkt die Temperatur durch die Expansion des Universums unter eine erste kritische Temperatur <math>T_1</math>, so erscheint ein zweites, lokales Minimum der [[Potentialfunktion]] bei <math>|\Phi|\neq 0</math>. Zunächst hat das Potential bei diesem sekundären Minimum einen höheren Wert als in dem globalen Minimum <math>\Phi=0</math>, in dem sich das Feld befindet. Wenn die Temperatur aber einen zweiten kritischen Wert <math>T_2</math> unterschreitet, so hat das Potential im sekundären Minimum einen niedrigeren Wert als im primären Minimum. Man bezeichnet das globale Minimum der Potentialfunktion als das ''wahre Vakuum'' und das lokale Minimum als das ''falsche Vakuum.''
 
Um vom falschen in das energetisch bevorzugte wahre Vakuum überzugehen, muss das Feld eine Energiebarriere überwinden oder sie durchtunneln (dies ist durch den quantenmechanischen [[Tunneleffekt]] möglich). Da sich auch bei einer Expansion des Weltraums die Energiedichte des falschen Vakuums nicht ändert, vorausgesetzt der quantenmechanische Tunnelprozess läuft genügend langsam ab, muss der Druck des falschen Vakuums negativ sein und führt gemäß den Friedmann-Gleichungen zu einer exponentiellen Expansion.


== Ausblick ==
== Ausblick ==
Die Hypothese von einer inflationären Expansion ist ein Forschungsgebiet, auf dem noch zahlreiche Varianten diskutiert werden. Insbesondere ist die Natur der Teilchen bzw. Felder, die den erforderlichen Vakuumzustand verursacht haben könnten, noch völlig ungeklärt.
Die [[Hypothese]] einer inflationären Expansion ist ein Forschungsgebiet, auf dem noch zahlreiche Varianten diskutiert werden. Insbesondere ist die Natur der Teilchen bzw. Felder, die den erforderlichen [[Vakuum]]zustand verursacht haben könnten, noch völlig ungeklärt.


Ob es in der Frühzeit unseres Universums tatsächlich eine inflationäre Phase gab, muss durch Beobachtungen entschieden werden; dies ist Gegenstand aktueller Forschung. Derzeitige Beobachtungen etwa der Temperaturschwankungen in der [[Kosmische Hintergrundstrahlung|kosmischen Hintergrundstrahlung]] durch die US-amerikanische Raumsonde [[WMAP]] sind mit der Inflationshypothese kompatibel, erlauben aber noch kein abschließendes Urteil.
Ob es in der Frühzeit unseres Universums tatsächlich eine inflationäre Phase gab, muss durch Beobachtungen entschieden werden; dies ist Gegenstand aktueller Forschung. Beobachtungen etwa der Temperaturschwankungen in der [[Kosmische Hintergrundstrahlung|kosmischen Hintergrundstrahlung]] durch die US-amerikanische Raumsonde&nbsp;[[Wilkinson Microwave Anisotropy Probe|WMAP]] und dem [[Planck-Weltraumteleskop]]<ref>{{Internetquelle |autor=Planck Collaboration 2020 (insgesamt ~170 Autoren) |url=https://www.aanda.org/articles/aa/full_html/2020/09/aa33887-18/aa33887-18.html |titel=Planck 2018 results / X. Constraints on inflation |hrsg=[[Astronomy & Astrophysics]] |datum=2020-09-11 |sprache=en |abruf=2022-01-06}}</ref> sind mit der Inflationshypothese kompatibel, erlauben aber noch kein abschließendes Urteil.


Die derzeitige beschleunigte Expansion des Universums, auf die insbesondere aus Beobachtungen von weit entfernten [[Supernova]]e geschlossen wird, wird auf das Vorhandensein von [[Dunkle Energie|Dunkler Energie]] mit negativem Druck zurückgeführt und damit auf einen physikalischen Mechanismus, der dem der eigentlichen Inflation in der Frühzeit des Universums verwandt ist.
Die derzeitige beschleunigte Expansion des Universums, auf die insbesondere aus Beobachtungen von weit entfernten [[Supernova]]e geschlossen wird, wird auf das Vorhandensein [[Dunkle Energie|Dunkler Energie]] mit negativem Druck zurückgeführt und damit auf einen physikalischen Mechanismus, der mit dem der eigentlichen Inflation in der Frühzeit des Universums verwandt ist.


Trotz der Komplexität dieser Theorie ist sie unter den meisten Wissenschaftlern weitgehend anerkannt, da sie eine erste logisch nachvollziehbare Hypothese bietet.
Trotz der Komplexität dieser Theorie ist sie unter den meisten Wissenschaftlern weitgehend anerkannt, da sie eine erste logisch nachvollziehbare Hypothese bietet.


Gemäß dem aktuellen Modell entstanden kurz nach dem [[Urknall]] in der Inflationsphase [[Gravitationswellen]], die der kosmischen [[Hintergrundstrahlung]] ein charakteristisches [[Polarisationsmuster]] aufprägten. Das würde prinzipiell eine experimentelle Überprüfbarkeit von Inflationstheorien ermöglichen, eine 2014 gemeldete Beobachtung bei [[Background Imaging of Cosmic Extragalactic Polarization|BICEP2]] erwies sich jedoch als voreilig.
Gemäß dem aktuellen Modell entstanden kurz nach dem [[Urknall]] in der Inflationsphase [[Gravitationswellen]], die der kosmischen Hintergrundstrahlung ein charakteristisches [[Polarisationsmuster]] aufprägten. Das würde prinzipiell eine experimentelle Überprüfbarkeit von Inflationstheorien ermöglichen, eine 2014 gemeldete Beobachtung bei&nbsp;[[Background Imaging of Cosmic Extragalactic Polarization|BICEP2]] erwies sich jedoch als voreilig.


== Kritik und Alternativen ==
== Rezeption und Alternativen ==
Das Inflationsmodell benötigt ein eigenes Skalarfeld, das Inflaton. Dennoch kann es die Entwicklung des Universums zunächst nur unzureichend beschreiben. Es werden je nach Variante entweder weitere Felder oder zusätzliche Parameter benötigt. Das Problem der kleinen [[kosmologische Konstante|Kosmologischen Konstante]] <math>\Lambda</math> ist auch im Inflationsmodell unerklärt. Der heutige Wert weicht um 120 Größenordnungen von dem der Inflationphase ab.<ref name="lex_infl" />
Obwohl das Inflationsmodell ein eigenes Skalarfeld benötigt, das Inflaton, kann es die Entwicklung des Universums zunächst nur unzureichend beschreiben; je nach Variante werden weitere Felder oder zusätzliche Parameter benötigt. Auch kann das Inflationsmodell das Problem der kleinen [[kosmologische Konstante|Kosmologischen Konstante]] <math>\Lambda</math> nicht erklären: ihr heutiger Wert weicht um 120&nbsp;Größenordnungen von dem der Inflationsphase ab.<ref name="lex_infl" />


Big Bang und Inflation ermöglichen ein Multiversum mit über die Universen zufallsverteilten Eigenschaften. [[Steven Weinberg]] moniert, dass außer mit dem [[Anthropisches Prinzip|anthropischen Prinzip]] die Größe physikalischer Konstanten oder der Dunklen Energie in unserem Universum prinzipiell nicht mehr vernünftig erklärbar wäre.<ref name="weinberg2013" /> Aus ähnlichen Gründen lehnt auch der Mitbegründer Paul Steinhardt die Inflationstheorie ab und hält sie aufgrund ihrer prognostischen Beliebigkeit für nicht falsifizierbar.<ref name="steinhardt2014" />
Big Bang und Inflation ermöglichen ein [[Multiversum]] mit über die Universen zufallsverteilten Eigenschaften. [[Steven Weinberg]] vertritt die Auffassung, dass außer mit dem [[Anthropisches Prinzip|anthropischen Prinzip]] die Größe physikalischer Konstanten oder der Dunklen Energie in unserem Universum prinzipiell nicht mehr vernünftig erklärbar wäre.<ref>[https://www.wissenschaft.de/umwelt-natur/unser-universum-ist-nicht-das-einzige/ Unser Universum ist nicht das einzige], auf wissenschaft.de</ref><ref name="weinberg2013" /> Der Mitbegründer der Inflationstheorie, [[Paul Steinhardt]], hält die Inflationstheorie aufgrund ihrer prognostischen Beliebigkeit für nicht falsifizierbar.<ref name="steinhardt2014" />


Zur Inflationstheorie konkurrierende Modelle sind u.&nbsp;a.:
Mit der Inflationstheorie konkurrieren u.&nbsp;a. folgende Modelle:
 
* [[Ekpyrotisches Universum]]: Paul Steinhardt und [[Neil Turok]] postulieren alternativ eine [[Brane]]n<nowiki/>kollision im extradimensionalen Raum der [[Stringtheorie]]. Das Ekpyrotische Modell produziert kein Multiversum. Nachweisbar wäre es über hochfrequente Gravitationswellen und die [[Polarisation]] der Hintergrundstrahlung.
* [[Ekpyrotisches Universum]]: [[Paul Steinhardt]] und [[Neil Turok]] postulieren alternativ eine [[Brane]]nkollision im extradimensionalen Raum der [[Stringtheorie]]. Das Ekpyrotische Modell produziert kein Multiversum. Nachweisbar wäre es über hochfrequente Gravitationswellen und die Polarisation der Hintergrundstrahlung.
* [[Schleifenquantengravitation]]: Diese benötigt keine zusätzlichen Felder. Die Inflationsphase ergibt sich in diesem Modell nach David Sloan und [[Abhay Ashtekar]] zwanglos aus der Annahme einer [[Quantisierung|quantisiert]]en [[Raumzeit]].<ref>[https://www.newscientist.com/article/mg20827825.200-big-bounce-cosmos-makes-inflation-a-sure-thing/#.UoOwOdcu-XU Anil Ananthaswamy, Big bounce cosmos makes inflation a sure thing], New Scientist, 13. Oktober 2010</ref> Sloan und Ashtekar führen aus, dass Inflation in den Standardkosmologien basierend auf der Allgemeinen Relativitätstheorie sehr spezielle Anfangsbedingungen verlangt und unwahrscheinlich ist (nach [[Neil Turok]], [[Gary Gibbons]])<ref>Gibbons, Turok, Measure problem in cosmology, Phys. Rev. D, Band 77, 2008, S. 063516, [http://journals.aps.org/prd/abstract/10.1103/PhysRevD.77.063516 Abstract]</ref>, nach der Schleifen-Quantenkosmologie aber sehr wahrscheinlich.<ref>Ashtekar, Sloan, Loop quantum cosmology and slow roll inflation, Phys. Lett. B, Band 694, 2010, S. 108–110, [http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0370269310011585 Abstract]</ref>
 
* [[Überlichtgeschwindigkeit#Kosmologische Theorien mit variabler Lichtgeschwindigkeit|Variable Speed of Light]]: [[John Moffat]]&nbsp;(1992) und später [[João Magueijo]]&nbsp;(1998) [[Postulat|postulieren]] eine im frühen Universum sehr viel höhere [[Lichtgeschwindigkeit]] als heute. Nachweisbar wäre dies über einen in der Vergangenheit abweichenden Wert der [[Feinstrukturkonstante]] <math>\alpha</math>.
* [[Schleifenquantengravitation]]: Diese benötigt keine zusätzlichen Felder. Die Inflationsphase ergibt sich in diesem Modell nach David Sloan und [[Abhay Ashtekar]] zwanglos aus der Annahme einer quantisierten Raumzeit.<ref>[https://www.newscientist.com/article/mg20827825.200-big-bounce-cosmos-makes-inflation-a-sure-thing/#.UoOwOdcu-XU Anil Ananthaswamy, Big bounce cosmos makes inflation a sure thing], New Scientist, 13. Oktober 2010</ref> Sloan und Ashtekar führen aus, dass Inflation in den Standardkosmologien basierend auf der Allgemeinen Relativitätstheorie sehr spezielle Anfangsbedingungen verlangt und unwahrscheinlich ist (nach [[Neil Turok]], [[Gary Gibbons]])<ref>Gibbons, Turok, Measure problem in cosmology, Phys. Rev. D, Band 77, 2008, S. 063516, [http://journals.aps.org/prd/abstract/10.1103/PhysRevD.77.063516 Abstract]</ref>, nach der Schleifen-Quantenkosmologie aber sehr wahrscheinlich ist.<ref>Ashtekar, Sloan, Loop quantum cosmology and slow roll inflation, Phys. Lett. B, Band 694, 2010, S. 108–110, [http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0370269310011585 Abstract]</ref>
 
* [[Überlichtgeschwindigkeit#Kosmologische Theorien mit variabler Lichtgeschwindigkeit|Variable Speed of Light]]: [[John Moffat]] (1992) und später [[João Magueijo]] (1998) postulieren eine im frühen Universum sehr viel höhere Lichtgeschwindigkeit als heute. Nachweisbar wäre dies über einen in der Vergangenheit abweichenden Wert der [[Feinstrukturkonstante]] <math>\alpha</math>.


== Literatur ==
== Literatur ==
Zeile 64: Zeile 63:
* Alan H. Guth, [[Paul Steinhardt|Paul J. Steinhardt]]: ''Das inflationäre Universum.'' Spektrum der Wissenschaft, 7/1984.
* Alan H. Guth, [[Paul Steinhardt|Paul J. Steinhardt]]: ''Das inflationäre Universum.'' Spektrum der Wissenschaft, 7/1984.
* [[Jonathan J. Halliwell]]: ''Quantenkosmologie und die Entstehung des Universums.'' Spektrum der Wissenschaft, 2/1992, S. 50.
* [[Jonathan J. Halliwell]]: ''Quantenkosmologie und die Entstehung des Universums.'' Spektrum der Wissenschaft, 2/1992, S. 50.
* Jörg Resag: ''Zeitpfad. Die Geschichte unseres Universums und unseres Planeten.'' Springer Verlag, Berlin Heidelberg 2012, ISBN 978-3-8274-2973-5, S. 23 ff.
* [[Rüdiger Vaas]]: ''[[Stephen Hawking|Hawkings]] neues Universum.'' Franckh-Kosmos-Vlg., Stuttgart 2008, ISBN 978-3-440-11378-3.
* [[Rüdiger Vaas]]: ''[[Stephen Hawking|Hawkings]] neues Universum.'' Franckh-Kosmos-Vlg., Stuttgart 2008, ISBN 978-3-440-11378-3.


== Weblinks ==
== Weblinks ==
* [[Ulf von Rauchhaupt]]: [http://www.faz.net/aktuell/wissen/weltraum/fruehphase-der-letzte-horizont-11571561.html ''Der letzte Horizont.''] Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 5. September 2010, S. 62, 65.
* [[Ulf von Rauchhaupt]]: [http://www.faz.net/aktuell/wissen/weltraum/fruehphase-der-letzte-horizont-11571561.html ''Der letzte Horizont.''] Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 5. September 2010, S. 62, 65.
* scinexx.de: [https://www.scinexx.de/dossier/der-grosse-schub/ ''Rätsel um die kosmische Inflation''] 22. Mai 2015
==Einzelnachweise==
==Einzelnachweise==
<references>
<references>
Zeile 88: Zeile 90:


<ref name="steinhardt2014">
<ref name="steinhardt2014">
{{Internetquelle |url= https://blogs.scientificamerican.com/cross-check/physicist-slams-cosmic-theory-he-helped-conceive/ |titel= Physicist Slams Cosmic Theory He Helped Conceive |autor= [[John Horgan]] |werk= Scientific American |datum= 2014-12-01 |zugriff= 2016-12-08 |sprache= en |kommentar= ''„inflation is very flexible (parameters can be adjusted to give any result) and generically leads to a multiverse […] in which any outcome is possible. […] It rules out nothing and can never be put to a real test.“''}}
{{Internetquelle |url= https://blogs.scientificamerican.com/cross-check/physicist-slams-cosmic-theory-he-helped-conceive/ |titel= Physicist Slams Cosmic Theory He Helped Conceive |autor= [[John Horgan (Journalist)|John Horgan]] |werk= Scientific American |datum= 2014-12-01 |zugriff= 2016-12-08 |sprache= en |kommentar= ''„inflation is very flexible (parameters can be adjusted to give any result) and generically leads to a multiverse […] in which any outcome is possible. […] It rules out nothing and can never be put to a real test.“''}}
</ref>
</ref>



Aktuelle Version vom 3. März 2022, 04:26 Uhr

Inflationstheorie ist eine Weiterleitung auf diesen Artikel. Zur Teuerung siehe Inflation.
Zeitlicher und räumlicher Ablauf der Ausdehnung des Universums, nicht maßstabsgetreu. Man beachte die Inflationsphase am linken Rand des gelben Bereichs.

Als kosmologische Inflation wird eine Phase extrem rascher Expansion des Universums bezeichnet, von der man annimmt, dass sie unmittelbar nach dem Urknall stattgefunden hat. Dieser sehr kurze Zeitabschnitt wird auch GUT­-Ära genannt.

Beschreibung

In der Kosmologie wird für die allererste Zeit nach der Planck-Zeit ab 10−43 s der Begriff GUT-Ära[1] verwendet. Innerhalb dieser Ära begann die Inflation etwa bei 10−35 s und dauerte bis zu einem Zeitpunkt zwischen 10−33 s und 10−30 s nach dem Urknall. Man geht davon aus, dass sich das Universum in dieser Zeit um mindestens den Faktor 1026 ausgedehnt hat. Konkret: Der Bereich, der dem heute beobachtbaren Universum entspricht, hätte dabei der Theorie zufolge von einem Durchmesser, der den eines Protons weit unterschreitet, auf etwa 10 cm expandieren müssen. Anschließend setzte das Universum seine Expansion im Rahmen des Standard-Urknall-Modells fort, wie von den Friedmann-Gleichungen beschrieben.

GUT steht für ‚Grand Unified Theory‘, auf Deutsch ‚große vereinheitlichte Theorie‘. Gemäß dieser sind bei hohen Energien die starke Kernkraft, die schwache Kernkraft und die elektromagnetische Kraft nicht unterscheidbar. Diese vereinigte Kraft wird als GUT-Kraft bezeichnet. Die Hochenergie-Experimente an Teilchenbeschleunigern deuten darauf hin, dass bei einer Energie von etwa 2×1016 GeV (Gigaelektronenvolt) dies der Fall ist. Dies ist ein Zustand höherer Symmetrie. Bei Energien unter diesem Wert bricht diese Symmetrie auf und die drei genannten Kräfte werden sichtbar.[2]

Die Hypothese dieser inflationären Expansion wurde 1981 von Alan Guth vorgeschlagen und ist kein Element des ursprünglichen Urknallmodells. Vorarbeiten zur Entwicklung der Inflationstheorie wurden bereits in den 1970er-Jahren von Andrei Linde geleistet, womit ihm dafür 2004 der Gruber-Preis für Kosmologie verliehen wurde. Anlass war die Feststellung, dass die relativistische Kosmologie zur Erklärung einiger fundamentaler Beobachtungen (siehe unten) eine Feinabstimmung („fine tuning“) von kosmologischen Parametern erfordert, die ihrerseits wiederum einer Erklärung bedurfte. Die Inflationshypothese bietet dafür einen physikalischen Mechanismus, aus dem sich einige grundlegende Eigenschaften des Universums direkt ergeben.

Danach ist die Ursache dieser Expansion die Zustandsänderung eines skalaren Feldes mit einem extrem flachen Potential. Dieses Inflatonfeld genannte skalare Feld hat eine Zustandsgleichung mit negativem Druck. Nach der allgemeinen Relativitätstheorie führt dies zu einer abstoßenden Kraft und damit zu einer Ausdehnung des Universums. Die Zustandsänderung des Feldes während der inflationären Phase ist mit einem Phasenübergang 1. Ordnung vergleichbar. Im Rahmen der großen vereinheitlichten Theorie werden die Bedingungen, unter denen der Phasenübergang auftritt, durch Higgs-Felder bestimmt.

Die Annahme einer derartigen inflationären Expansion erscheint einerseits willkürlich, andererseits löst sie elegant mehrere größere kosmologische Probleme:

  • Das heute sichtbare Universum enthält überall im Wesentlichen ähnliche Strukturen. Andererseits besteht es aus Gebieten, die bei einer Standard-Expansion erst sehr spät kausal miteinander in Wechselwirkung treten konnten, da sie sich unmittelbar nach dem Urknall zunächst zu schnell voneinander entfernt haben. Die Tatsache, dass man dennoch eine hochgradige Homogenität des Universums und Isotropie der kosmischen Hintergrundstrahlung beobachtet, wird als Horizontproblem bezeichnet und ist im Rahmen einer Standard-Expansion nicht erklärbar. Bei Existenz einer inflationären Expansion dagegen hätten alle Bereiche des heute sichtbaren Universums vor dieser Inflation bereits vorübergehend in Wechselwirkung gestanden.
  • Der Bereich des heute sichtbaren Universums weist keine messbare Raumkrümmung auf. Im Rahmen einer Standard-Expansion wäre dazu unmittelbar nach dem Urknall eine extrem exakte Abstimmung von Materiedichte und kinetischer Energie erforderlich gewesen (Flachheitsproblem), für die es keine Erklärung gibt. Für den Fall einer inflationären Expansion dagegen wäre die beobachtete Flachheit des Raumes lediglich eine Folge seiner ungeheuren Ausdehnung, da das heute sichtbare Universum nur einen winzigen Ausschnitt repräsentieren würde.
  • Die Inflations-Hypothese erklärt darüber hinaus die Dichtefluktuationen, aus denen die Galaxien und Galaxienhaufen hervorgegangen sind, als Folge von Quantenfluktuationen des Inflationsfeldes. Die extreme Expansion vergrößerte diese Fluktuationen auf entsprechend makroskopische Größe, was eine Standard-Expansion nicht in ausreichendem Maße hätte leisten können.
  • Nach gewissen Theorien sollten beim Urknall auch magnetische Monopole entstanden sein, die sich jedoch bis heute einem experimentellen Nachweis entzogen haben. Während einer inflationären Expansion hätte die Teilchendichte dieser Monopole jedoch dermaßen abgenommen, dass die Wahrscheinlichkeit, im Bereich des heute sichtbaren Universums einzelne zu finden, äußerst gering wäre – in Übereinstimmung mit der experimentellen Datenlage.

Felddynamik

Um die Dynamik der Inflation zu erklären, wird ein skalares Quantenfeld benötigt, das räumlich homogen ist und eine endliche Energiedichte aufweist. Wenn sich das Feld zeitlich langsam genug ändert (nämlich in Richtung einer Verringerung der Energiedichte), so hat es negativen Druck und verhält sich effektiv wie eine kosmologische Konstante, führt also zu einer beschleunigten Expansion des Universums. Die Expansion ist exponentiell, wenn die Energiedichte des Quantenfeldes im Universum dominiert. Derzeit ist kein konkreter Kandidat für dieses Quantenfeld bekannt. Die Bezeichnung für ein Quantenfeld, das inflationäre Expansion bewirkt, ist Inflatonfeld mit dem Inflaton als Vermittlerteilchen.

Vor der Expansionsperiode war das Inflatonfeld in einem höheren Energiezustand. Zufällige Quantenfluktuationen lösten einen Phasenübergang aus, wobei das Inflaton seine potentielle Energie in Form von Materie und Strahlung abgab, als es in den niedrigeren Energiezustand wechselte. Dieser Vorgang erzeugte eine abstoßende Kraft, die die Ausdehnung des Universums beschleunigte. Der niedrigste Energiezustand des Inflationsfeldes muss nicht, kann aber von Null verschieden sein; das hängt von der als Parameter vorgegebenen Dichte der potentiellen Energie des Feldes ab.

Ein einfaches Modell für ein Inflatonfeld $ \Phi $ ist gegeben durch das Potential

$ V_{\rm {eff}}(\Phi ,T)=\lambda |\Phi |^{4}-b|\Phi |^{3}+aT^{2}|\Phi |^{2}, $

wobei die Temperaturabhängigkeit durch die Wechselwirkung mit den thermischen Fluktuationen der übrigen Teilchen und Felder im Universum zustande kommt.

Bei hoher Temperatur hat dieses Potential ein einziges, globales Minimum bei $ |\Phi |=0 $. Sinkt die Temperatur durch die Expansion des Universums unter eine erste kritische Temperatur $ T_{1} $, so erscheint ein zweites, lokales Minimum der Potentialfunktion bei $ |\Phi |\neq 0 $. Zunächst hat das Potential bei diesem sekundären Minimum einen höheren Wert als in dem globalen Minimum $ \Phi =0 $, in dem sich das Feld befindet. Wenn die Temperatur aber einen zweiten kritischen Wert $ T_{2} $ unterschreitet, so hat das Potential im sekundären Minimum einen niedrigeren Wert als im primären Minimum. Man bezeichnet das globale Minimum der Potentialfunktion als das wahre Vakuum und das lokale Minimum als das falsche Vakuum.

Um vom falschen in das energetisch bevorzugte wahre Vakuum überzugehen, muss das Feld eine Energiebarriere überwinden oder sie durchtunneln (dies ist durch den quantenmechanischen Tunneleffekt möglich). Da sich auch bei einer Expansion des Weltraums die Energiedichte des falschen Vakuums nicht ändert, vorausgesetzt der quantenmechanische Tunnelprozess läuft genügend langsam ab, muss der Druck des falschen Vakuums negativ sein und führt gemäß den Friedmann-Gleichungen zu einer exponentiellen Expansion.

Ausblick

Die Hypothese einer inflationären Expansion ist ein Forschungsgebiet, auf dem noch zahlreiche Varianten diskutiert werden. Insbesondere ist die Natur der Teilchen bzw. Felder, die den erforderlichen Vakuumzustand verursacht haben könnten, noch völlig ungeklärt.

Ob es in der Frühzeit unseres Universums tatsächlich eine inflationäre Phase gab, muss durch Beobachtungen entschieden werden; dies ist Gegenstand aktueller Forschung. Beobachtungen etwa der Temperaturschwankungen in der kosmischen Hintergrundstrahlung durch die US-amerikanische Raumsonde WMAP und dem Planck-Weltraumteleskop[3] sind mit der Inflationshypothese kompatibel, erlauben aber noch kein abschließendes Urteil.

Die derzeitige beschleunigte Expansion des Universums, auf die insbesondere aus Beobachtungen von weit entfernten Supernovae geschlossen wird, wird auf das Vorhandensein Dunkler Energie mit negativem Druck zurückgeführt und damit auf einen physikalischen Mechanismus, der mit dem der eigentlichen Inflation in der Frühzeit des Universums verwandt ist.

Trotz der Komplexität dieser Theorie ist sie unter den meisten Wissenschaftlern weitgehend anerkannt, da sie eine erste logisch nachvollziehbare Hypothese bietet.

Gemäß dem aktuellen Modell entstanden kurz nach dem Urknall in der Inflationsphase Gravitationswellen, die der kosmischen Hintergrundstrahlung ein charakteristisches Polarisationsmuster aufprägten. Das würde prinzipiell eine experimentelle Überprüfbarkeit von Inflationstheorien ermöglichen, eine 2014 gemeldete Beobachtung bei BICEP2 erwies sich jedoch als voreilig.

Rezeption und Alternativen

Obwohl das Inflationsmodell ein eigenes Skalarfeld benötigt, das Inflaton, kann es die Entwicklung des Universums zunächst nur unzureichend beschreiben; je nach Variante werden weitere Felder oder zusätzliche Parameter benötigt. Auch kann das Inflationsmodell das Problem der kleinen Kosmologischen Konstante $ \Lambda $ nicht erklären: ihr heutiger Wert weicht um 120 Größenordnungen von dem der Inflationsphase ab.[4]

Big Bang und Inflation ermöglichen ein Multiversum mit über die Universen zufallsverteilten Eigenschaften. Steven Weinberg vertritt die Auffassung, dass außer mit dem anthropischen Prinzip die Größe physikalischer Konstanten oder der Dunklen Energie in unserem Universum prinzipiell nicht mehr vernünftig erklärbar wäre.[5][6] Der Mitbegründer der Inflationstheorie, Paul Steinhardt, hält die Inflationstheorie aufgrund ihrer prognostischen Beliebigkeit für nicht falsifizierbar.[7]

Mit der Inflationstheorie konkurrieren u. a. folgende Modelle:

Literatur

  • Alan H. Guth: Die Geburt des Kosmos aus dem Nichts – Die Theorie des inflationären Universums. Knaur Verlag, München 1999.
  • Alan H. Guth, Paul J. Steinhardt: Das inflationäre Universum. Spektrum der Wissenschaft, 7/1984.
  • Jonathan J. Halliwell: Quantenkosmologie und die Entstehung des Universums. Spektrum der Wissenschaft, 2/1992, S. 50.
  • Jörg Resag: Zeitpfad. Die Geschichte unseres Universums und unseres Planeten. Springer Verlag, Berlin Heidelberg 2012, ISBN 978-3-8274-2973-5, S. 23 ff.
  • Rüdiger Vaas: Hawkings neues Universum. Franckh-Kosmos-Vlg., Stuttgart 2008, ISBN 978-3-440-11378-3.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Harald Lesch: Astronomie: die kosmische Perspektive. 2010, abgerufen im September 2014.
  2. Andreas Müller: GUT-Ära. In: Astro-Lexikon. spektrum.de, abgerufen im September 2014.
  3. Planck Collaboration 2020 (insgesamt ~170 Autoren): Planck 2018 results / X. Constraints on inflation. Astronomy & Astrophysics, 11. September 2020, abgerufen am 6. Januar 2022 (Lua-Fehler in Modul:Multilingual, Zeile 149: attempt to index field 'data' (a nil value)).
  4. Andreas Müller: Inflation. In: Astro-Lexikon. spektrum.de, abgerufen am 8. Dezember 2016.
  5. Unser Universum ist nicht das einzige, auf wissenschaft.de
  6. Steven Weinberg: Physics: What We Do and Don’t Know. In: The New York Review of Books. 7. November 2013, abgerufen am 8. Dezember 2016 (Lua-Fehler in Modul:Multilingual, Zeile 149: attempt to index field 'data' (a nil value)).
  7. John Horgan: Physicist Slams Cosmic Theory He Helped Conceive. In: Scientific American. 1. Dezember 2014, abgerufen am 8. Dezember 2016 (Lua-Fehler in Modul:Multilingual, Zeile 149: attempt to index field 'data' (a nil value), „inflation is very flexible (parameters can be adjusted to give any result) and generically leads to a multiverse […] in which any outcome is possible. […] It rules out nothing and can never be put to a real test.“).
  8. Anil Ananthaswamy, Big bounce cosmos makes inflation a sure thing, New Scientist, 13. Oktober 2010
  9. Gibbons, Turok, Measure problem in cosmology, Phys. Rev. D, Band 77, 2008, S. 063516, Abstract
  10. Ashtekar, Sloan, Loop quantum cosmology and slow roll inflation, Phys. Lett. B, Band 694, 2010, S. 108–110, Abstract