Anderson-Lokalisierung: Unterschied zwischen den Versionen

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Als '''Anderson-Lokalisierung''' wird die Unterdrückung der [[Diffusion]] in ungeordneten Umgebungen bezeichnet, falls der Grad der Unordnung (Konzentration der [[Störstelle]]n) eine bestimmte Schwelle überschreitet. Der Effekt ist nach [[Philip Warren Anderson]] benannt, der 1958 im Paper ''Absence of Diffusion in Certain Random Lattices'' ein einfaches Modell zur Beschreibung solcher Transportprozesse vorschlug, und den Effekt vorhersagte.
Als '''Anderson-Lokalisierung''' oder '''starke Lokalisierung''' wird in der Physik die Unterdrückung der [[Diffusion]] in ungeordneten Umgebungen bezeichnet, falls der Grad der Unordnung (Konzentration der [[Störstelle]]n) eine bestimmte Schwelle überschreitet. Der Effekt ist nach [[Philip Warren Anderson]] benannt, der 1958 im Paper ''Absence of Diffusion in Certain Random Lattices'' ein einfaches Modell zur Beschreibung solcher Transportprozesse vorschlug und den Effekt vorhersagte.


Der [[Hamiltonoperator|Hamilton-Operator]] für dieses sogenannte '''Anderson-Modell''' ist:
Der [[Hamiltonoperator|Hamilton-Operator]] für das '''Anderson-Modell''' ist:


:<math>H = \sum\limits_{n,m} t_{nm} \big( |n\rangle\langle m| + |m\rangle\langle n| \big) + W \sum\limits_n v_n |n\rangle\langle n|</math>,
:<math>H = \sum\limits_{n,m} t_{nm} \big( |n\rangle\langle m| + |m\rangle\langle n| \big) + W \sum\limits_n v_n |n\rangle\langle n|</math>


wobei <math>|n\rangle</math> den Zustand am Gitterplatz <math>n</math> (siehe [[Wannier-Darstellung|Wannier-Basis]]) bezeichnet und die Summen über alle Gitterplätze des <math>d</math>-dimensionalen hyperkubischen Gitters laufen, <math>t_{nm}</math> das Hüpfmatrix-Element für den Hüpfprozess zwischen den Gitterplätzen <math>n</math> und <math>m</math> (und umgekehrt) ist, <math>W</math> die Potentialstärke und die Menge der <math>v_n \in \left[ -\tfrac{1}{2}, \tfrac{1}{2} \right]</math> eine zufällige Anordnung der ''on-site''-Energien ist. Vereinfacht werden oft nur Hüpfprozesse zwischen nächsten Nachbarn betrachtet, die dann alle dasselbe Hüpfmatrix-Element haben<ref name=":0">{{Literatur|Autor=André Wobst|Titel=Phase-space signatures of the Anderson transition|Sammelwerk=Physical Review B|Band=68|Nummer=8|Datum=2003-01-01|DOI=10.1103/PhysRevB.68.085103|Online=http://link.aps.org/doi/10.1103/PhysRevB.68.085103|Abruf=2016-07-29}}</ref>; dann erkennt man ein [[Tight-Binding-Methode|Tight-Binding-Modell]], d.h. das Teilchen (hier keine Wechselwirkungseffekte, daher Einteilchenbild) erhält kinetische Energie durch Hüpfprozesse, muss allerdings eine vom Gitterplatz abhängige potentielle Energie bezahlen (daher on-site-Energie). Wie bereits zuvor erwähnt, kann es in diesem Modell nun aus zwei Gründen zur Lokalisierung des Elektrons kommen: Wenn das Potential sehr stark wird und wenn es hinreichend ungeordnet ist<ref name=":0" />.
mit
* <math>|n\rangle</math> den Zustand am Gitterplatz <math>n</math> (siehe [[Wannier-Darstellung|Wannier-Basis]]); die Summen laufen über alle Gitterplätze des <math>d</math>-dimensionalen hyperkubischen Gitters
* dem Hüpfmatrix-Element <math>t_{nm}</math> für den Hüpfprozess zwischen den Gitterplätzen <math>n</math> und <math>m</math> (und umgekehrt)
* der [[Potential (Physik)|Potential]]<nowiki/>stärke <math>W</math>
* der Menge <math>v_n \in \left[ -\tfrac{1}{2}, \tfrac{1}{2} \right]</math> als zufällige Anordnung der ''on-site''-Energien.


Infolge der Anderson-Lokalisierung verschwinden am [[Absoluter Nullpunkt|absoluten Temperaturnullpunkt]] bei Überschreiten der erwähnten Schwelle die [[elektrische Leitfähigkeit]] und alle anderen mit der Diffusivität zusammenhängenden Größen; man spricht deshalb auch von einem (Anderson’schen) [[Metall-Isolator-Übergang]] (es gibt auch den sog. [[Nevill Francis Mott|Mott’schen]] Metall-Isolator-Übergang; dieser wird nicht durch Unordnung, sondern durch elektrostatische Korrelationseffekte verursacht).
Vereinfacht werden oft nur Hüpfprozesse zwischen nächsten Nachbarn betrachtet, die dann alle dasselbe Hüpfmatrix-Element haben;<ref name=":0">{{Literatur|Autor=André Wobst|Titel=Phase-space signatures of the Anderson transition|Sammelwerk=Physical Review B|Band=68|Nummer=8|Datum=2003-01-01|DOI=10.1103/PhysRevB.68.085103|Online=https://journals.aps.org/prb/abstract/10.1103/PhysRevB.68.085103|Abruf=2016-07-29}}</ref> dann erkennt man ein [[Tight-Binding-Methode|Tight-Binding-Modell]], d.&nbsp;h. das Teilchen (hier keine Wechselwirkungseffekte, daher Einteilchenbild) erhält [[kinetische Energie]] durch Hüpfprozesse, muss allerdings eine vom Gitterplatz abhängige [[potentielle Energie]] bezahlen (daher ''on-site''-Energie). In diesem Modell kann es aus zwei Gründen zur [[Lokalisierung (Physik)|Lokalisierung]] des Elektrons kommen: Wenn das Potential sehr stark wird und wenn es hinreichend ungeordnet ist.<ref name=":0" />


In der quantenmechanischen [[Lokalisierung (Physik)|Lokalisierungstheorie]] wird ein Teilchen in einer mikroskopisch ungeordneten Umgebung  betrachtet (sog. ''zufälliges Potential''), während beim analogen klassischen Problem, dem [[Perkolationstheorie|Perkolationsproblem]], ein makroskopisch inhomogenes System vorliegt. In beiden Fällen tritt ein Phasenübergang auf, der durch die [[Existenz]] einer kritischen [[Energie]] <math>E_\mathrm{c}</math> charakterisiert wird. Bei der Behandlung von [[Metall-Isolator-Übergang|Leiter-Isolator-Übergängen]] vom Anderson-Typ sind speziell die Einelektronen-Wellenfunktionen „ausgedehnt“ (also nicht-quadratintegrierbar und leitfähig), wenn <math>E > E_\mathrm{c}</math> ist, und sie fallen exponentiell ab (d.&thinsp;h. sie sind „lokalisiert“, also quadratintegrierbar und nicht-leitfähig) für <math>E < E_\mathrm{c}</math>. Daher ist der elektronische Transport in einem ungeordneten System bei <math>T = 0</math> wesentlich von der Lage der [[Fermi-Kante]] <math>E_\mathrm{F}</math> relativ zu <math>E_{\rm c}</math> abhängig. Für <math>E_\mathrm{F} > E_\mathrm{c}</math> liegt ein Leiter vor, für <math>E_\mathrm{F} < E_\mathrm{c}</math> dagegen ein Isolator. Dieser Übergang heißt, wie erwähnt, Anderson-Übergang.
Die Anderson-Lokalisierung beschreibt nur Einteilchensysteme  oder Vielteilchensysteme ohne Wechselwirkung unter den Teilchen. Vielteilchensysteme mit wechselwirkenden Teilchen können ebenfalls eine lokalisierte Phase ausprägen. Dieser Prozess wird [[Vielteilchenlokalisierung]] genannt.
 
== Auswirkung ==
Infolge der Anderson-Lokalisierung verschwinden am [[Absoluter Nullpunkt|absoluten Temperaturnullpunkt]] bei Überschreiten der erwähnten Schwelle die [[elektrische Leitfähigkeit]] und alle anderen mit der [[Diffusivität]] zusammenhängenden Größen; man spricht deshalb auch von einem (Anderson’schen) [[Metall-Isolator-Übergang]] (es gibt auch den [[Nevill Francis Mott|Mott’schen]] Metall-Isolator-Übergang; dieser wird nicht durch Unordnung, sondern durch [[elektrostatisch]]e [[Korrelation]]seffekte verursacht).
 
In der [[quantenmechanisch]]en Lokalisierungstheorie wird ein Teilchen in einer [[mikroskopisch]] ungeordneten Umgebung  betrachtet (''zufälliges Potential''), während beim analogen [[klassische Physik|klassischen]] Problem, dem [[Perkolationstheorie|Perkolationsproblem]], ein makroskopisch [[inhomogen]]es System vorliegt. In beiden Fällen tritt ein [[Phasenübergang]] auf, der durch die [[Existenz]] einer kritischen [[Energie]] <math>E_\mathrm{c}</math> charakterisiert wird.
 
Bei der Behandlung von Anderson-Übergängen sind speziell die Einelektronen-[[Wellenfunktion]]en
* für <math>E > E_\mathrm{c}</math> „ausgedehnt“ (also nicht-[[quadratintegrierbar]], aber leitfähig)
* für <math>E < E_\mathrm{c}</math> fallen sie exponentiell ab (d.&thinsp;h. sie sind „lokalisiert“, also quadratintegrierbar und nicht-leitfähig).
Daher hängt der elektronische Transport in einem ungeordneten System bei <math>T = 0</math> wesentlich von der Lage der [[Fermi-Kante]] <math>E_\mathrm{F}</math> relativ zu <math>E_{\rm c}</math> ab:
* für <math>E_\mathrm{F} > E_\mathrm{c}</math> liegt ein Leiter vor,
* für <math>E_\mathrm{F} < E_\mathrm{c}</math> dagegen ein Isolator.


== Literatur ==
== Literatur ==
*{{Literatur | Autor = P. W. Anderson | Titel = Absence of Diffusion in Certain Random Lattices | Sammelwerk = Physical Review | Band = 109 |  Datum = 1958-03-01| Nummer = 5| Seiten = 1492–1505| DOI= 10.1103/PhysRev.109.1492}}
* {{Literatur | Autor = P. W. Anderson | Titel = Absence of Diffusion in Certain Random Lattices | Sammelwerk = Physical Review | Band = 109 |  Datum = 1958-03-01| Nummer = 5| Seiten = 1492–1505| DOI= 10.1103/PhysRev.109.1492}}
*{{Literatur | Autor = Diederik S. Wiersma, Paolo Bartolini, Ad Lagendijk, Roberto Righini | Titel = Localization of light in a disordered medium | Sammelwerk = Nature | Band = 390 | Datum = 1997-12-18| Nummer = 6661| Seiten = 671–673| DOI= 10.1038/37757}}
* {{Literatur | Autor = Diederik S. Wiersma, Paolo Bartolini, Ad Lagendijk, Roberto Righini | Titel = Localization of light in a disordered medium | Sammelwerk = Nature | Band = 390 | Datum = 1997-12-18| Nummer = 6661| Seiten = 671–673| DOI= 10.1038/37757}}


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==

Aktuelle Version vom 21. Januar 2021, 18:32 Uhr

Als Anderson-Lokalisierung oder starke Lokalisierung wird in der Physik die Unterdrückung der Diffusion in ungeordneten Umgebungen bezeichnet, falls der Grad der Unordnung (Konzentration der Störstellen) eine bestimmte Schwelle überschreitet. Der Effekt ist nach Philip Warren Anderson benannt, der 1958 im Paper Absence of Diffusion in Certain Random Lattices ein einfaches Modell zur Beschreibung solcher Transportprozesse vorschlug und den Effekt vorhersagte.

Der Hamilton-Operator für das Anderson-Modell ist:

$ H=\sum \limits _{n,m}t_{nm}{\big (}|n\rangle \langle m|+|m\rangle \langle n|{\big )}+W\sum \limits _{n}v_{n}|n\rangle \langle n| $

mit

  • $ |n\rangle $ den Zustand am Gitterplatz $ n $ (siehe Wannier-Basis); die Summen laufen über alle Gitterplätze des $ d $-dimensionalen hyperkubischen Gitters
  • dem Hüpfmatrix-Element $ t_{nm} $ für den Hüpfprozess zwischen den Gitterplätzen $ n $ und $ m $ (und umgekehrt)
  • der Potentialstärke $ W $
  • der Menge $ v_{n}\in \left[-{\tfrac {1}{2}},{\tfrac {1}{2}}\right] $ als zufällige Anordnung der on-site-Energien.

Vereinfacht werden oft nur Hüpfprozesse zwischen nächsten Nachbarn betrachtet, die dann alle dasselbe Hüpfmatrix-Element haben;[1] dann erkennt man ein Tight-Binding-Modell, d. h. das Teilchen (hier keine Wechselwirkungseffekte, daher Einteilchenbild) erhält kinetische Energie durch Hüpfprozesse, muss allerdings eine vom Gitterplatz abhängige potentielle Energie bezahlen (daher on-site-Energie). In diesem Modell kann es aus zwei Gründen zur Lokalisierung des Elektrons kommen: Wenn das Potential sehr stark wird und wenn es hinreichend ungeordnet ist.[1]

Die Anderson-Lokalisierung beschreibt nur Einteilchensysteme oder Vielteilchensysteme ohne Wechselwirkung unter den Teilchen. Vielteilchensysteme mit wechselwirkenden Teilchen können ebenfalls eine lokalisierte Phase ausprägen. Dieser Prozess wird Vielteilchenlokalisierung genannt.

Auswirkung

Infolge der Anderson-Lokalisierung verschwinden am absoluten Temperaturnullpunkt bei Überschreiten der erwähnten Schwelle die elektrische Leitfähigkeit und alle anderen mit der Diffusivität zusammenhängenden Größen; man spricht deshalb auch von einem (Anderson’schen) Metall-Isolator-Übergang (es gibt auch den Mott’schen Metall-Isolator-Übergang; dieser wird nicht durch Unordnung, sondern durch elektrostatische Korrelationseffekte verursacht).

In der quantenmechanischen Lokalisierungstheorie wird ein Teilchen in einer mikroskopisch ungeordneten Umgebung betrachtet (zufälliges Potential), während beim analogen klassischen Problem, dem Perkolationsproblem, ein makroskopisch inhomogenes System vorliegt. In beiden Fällen tritt ein Phasenübergang auf, der durch die Existenz einer kritischen Energie $ E_{\mathrm {c} } $ charakterisiert wird.

Bei der Behandlung von Anderson-Übergängen sind speziell die Einelektronen-Wellenfunktionen

  • für $ E>E_{\mathrm {c} } $ „ausgedehnt“ (also nicht-quadratintegrierbar, aber leitfähig)
  • für $ E<E_{\mathrm {c} } $ fallen sie exponentiell ab (d. h. sie sind „lokalisiert“, also quadratintegrierbar und nicht-leitfähig).

Daher hängt der elektronische Transport in einem ungeordneten System bei $ T=0 $ wesentlich von der Lage der Fermi-Kante $ E_{\mathrm {F} } $ relativ zu $ E_{\rm {c}} $ ab:

  • für $ E_{\mathrm {F} }>E_{\mathrm {c} } $ liegt ein Leiter vor,
  • für $ E_{\mathrm {F} }<E_{\mathrm {c} } $ dagegen ein Isolator.

Literatur

  • P. W. Anderson: Absence of Diffusion in Certain Random Lattices. In: Physical Review. Band 109, Nr. 5, 1. März 1958, S. 1492–1505, doi:10.1103/PhysRev.109.1492.
  • Diederik S. Wiersma, Paolo Bartolini, Ad Lagendijk, Roberto Righini: Localization of light in a disordered medium. In: Nature. Band 390, Nr. 6661, 18. Dezember 1997, S. 671–673, doi:10.1038/37757.

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 André Wobst: Phase-space signatures of the Anderson transition. In: Physical Review B. Band 68, Nr. 8, 1. Januar 2003, doi:10.1103/PhysRevB.68.085103 (aps.org [abgerufen am 29. Juli 2016]).