Zyklus der Präzession: Unterschied zwischen den Versionen

Zyklus der Präzession: Unterschied zwischen den Versionen

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{{Weiterleitungshinweis|Das große Jahr|Zu anderen Bedeutungen siehe [[Großes Jahr (Begriffsklärung)]].}}
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[[Datei:Earth precession.svg|mini|hochkant=1.3|Schematische Darstellung der Präzession. Die kurzen Pfeile am Äquator zeigen die Rotation der Erde um ihre Achse (1 Zyklus = 1 Tag), der lange kreisförmige Pfeil an der Achse zeigt die Präzession (1 Zyklus ≈ 25.750 Jahre).]]
[[Datei:Earth precession.svg|mini|hochkant=1.3|Schematische Darstellung der Präzession. Die kurzen Pfeile am Äquator zeigen die Rotation der Erde um ihre Achse (1 Zyklus = 1 Tag), der lange kreisförmige Pfeil an der Achse zeigt die Präzession (1 Zyklus ≈ 25.750 Jahre).]]
Als '''Zyklus der Präzession''' wird die [[Präzession]]speriode der [[Erdachse]] von etwa 25.700 bis 25.800 Jahren bezeichnet. Die zur [[Ekliptik]] schräg stehende Erdachse präzediert in diesem Zeitraum einmal um die senkrecht auf der Ebene der [[Ekliptik]] stehende Achse durch den Erdmittelpunkt, wodurch der [[Frühlingspunkt]] einmal durch alle [[Tierkreis]]zeichen (Sternbilder) wandert. Der Zyklus der Präzession wird auch '''Das Große Jahr''', '''Platonisches Jahr''' oder ''Weltjahr'' genannt.
 
Als '''Zyklus der Präzession''', auch '''Großes Jahr''', '''Platonisches Jahr''' oder '''Weltjahr''', wird die [[Präzession]]s[[Periode (Physik)|periode]] der [[Erdachse]] von etwa 25.700 bis 25.800 Jahren bezeichnet. In diesem Zeitraum präzediert die Erdachse, die ''schräg'' zur Ebene der [[Ekliptik]] steht, einmal um die Achse durch den Erdmittelpunkt, die ''senkrecht'' auf der Ekliptik steht. Dadurch wandert der [[Frühlingspunkt]] einmal durch alle [[Tierkreis]]zeichen (Sternbilder).


== Ursachen und Zahlenwerte ==
== Ursachen und Zahlenwerte ==
Die Präzession wird verursacht durch die [[Gezeitenkräfte]] einiger Himmelskörper auf die sich drehende Erde. Durch den [[Erdabplattung|Äquatorwulst]], d. h. der [[Erdradius]] am Äquator ist größer als an den Polen, verursachen diese Gezeitenkräfte ein [[Drehmoment]], das versucht, die [[Rotationsachse]] der Erde in die Senkrechte zur Ekliptik zu drehen, genaueres unter [[Präzession #Präzession der Erdachse]].
Beiträge zur [[Präzessionskonstante #Werte|Präzessionskonstanten]] sind:
* die Gezeitenkräfte von Mond und Sonne mit zusammen 50,40[[Winkelsekunde|"]] pro Jahr, davon 30" durch den Mond
* die [[planet]]arische Präzession von 0,12" pro Jahr
* die [[geodätische Präzession]] von 0,02" pro Jahr durch die [[Allgemeine Relativitätstheorie]].


Die Präzession wird verursacht durch die Gezeitenkräfte einiger Himmelskörper auf die sich drehende Erde. Durch den Äquatorwulst, d.h. der Erdradius am Äquator ist größer als an den Polen, verursachen die Gezeitenkräfte ein Drehmoment, das versucht, die Rotationsachse in die Senkrechte zur Ekliptik zu drehen, genaueres unter [[Präzession#Präzession der Erdachse]]. Die wichtigsten Beiträge zur Präzession pro Jahr sind die Gezeitenkräfte von Sonne und Mond von 50,40&nbsp;[[Winkelsekunde|"]], davon 30&nbsp;" durch den Mond, weitere Beiträge sind die planetarische Präzession von 0,12&nbsp;" und die geodätische Präzession von 0,02&nbsp;" durch die [[Allgemeine Relativitätstheorie]]. Alle diese Beiträge sind nicht konstant. Da deren Änderung nur begrenzt berechenbar ist, kann sogar der Zyklus der Präzession nur auf etwa ein Jahrhundert genau abgeschätzt werden. Ein Hochrechnen der genannten Werte auf einen kompletten Zyklus ist in diesem Sinne spekulativ.<ref>Joachim Krautter, Erwin Sedlmayr et al.: '''Meyers Handbuch Weltall''', S. 49ff., ISBN 3-411-07757-3, besonders S. 51</ref>
Alle diese Beträge sind ''nicht'' konstant. Da ihre Änderungen nur begrenzt berechenbar sind, kann der Zyklus der Präzession bisher nur auf etwa ein Jahrhundert geschätzt werden. Eine genauere Berechnung der genannten Werte gilt in diesem Sinne als spekulativ.<ref>Joachim Krautter, Erwin Sedlmayr [[et al.]]: ''Meyers Handbuch Weltall.'' ISBN 3-411-07757-3, S.&nbsp;49&nbsp;ff., besonders S.&nbsp;51.</ref>


== Die Präzessionsdrift der Tierkreiszeichen gegenüber den Sternbildern ==
== Die Präzessionsdrift der Tierkreiszeichen gegenüber den Sternbildern ==
[[Datei:Precession N.gif|mini|hochkant=1.3| Weg des Himmelsnordpols (=&nbsp;Nordpol der Erddrehachse) um den Ekliptikpol. +&nbsp;2000&nbsp;=&nbsp;Jahr&nbsp;2000 unserer Zeitrechnung: Der Deichselstern des [[Kleiner Wagen|Kleinen Wagens]] passt [[Polarstern #Polarstern in Vorzeit und Zukunft|zu dieser Zeit als Polarstern]]]]
[[Datei:Precession S.gif|mini|hochkant=1.3| Weg des Himmelssüdpols (=&nbsp;Südpol der Erddrehachse) um den Ekliptikpol]]
Der Zyklus der Präzession ist die Zeit, nach der man ''genau'' ein [[tropisches Jahr]] mehr zählt als [[Siderisches Jahr|siderische Jahre]]. Die Länge dieser beiden Jahre unterliegt –&nbsp;für so lange Zeiträume&nbsp;– trotz prinzipiell exakter Definition solchen Ungenauigkeiten, dass eine exaktere Angabe als auf ein Jahrhundert genau nicht sinnvoll erscheint. Darüber hinaus sind die Geschwindigkeit der [[Präzession]] und sogar der Öffnungswinkel des Präzessionskegels (die doppelte [[Schiefe der Ekliptik]]) über so lange Zeiträume deutlichen Änderungen unterworfen.


[[Datei:Precession N.gif|mini|hochkant=1.3| Weg des Himmelsnordpols um den Ekliptikpol]]
Mit der Bewegung des [[Himmelspol]]s (der [[Zentralprojektion|Projektion]] der Erdachse auf die [[Himmelssphäre]]) korreliert die Drift des [[Frühlingspunkt]]es (auch ''Präzessionsdefekt'' genannt): Auf einer [[Sternkarte]] präzediert der Frühlingspunkt auf einer Linie [[Orthogonal|senkrecht]] zur Linie vom Himmelspol zum [[Ekliptikpol]], der sich im Zentrum des Präzessionskreises befindet (''siehe Abbildung'').
[[Datei:Precession S.gif|mini|hochkant=1.3| Weg des Himmelssüdpols um den Ekliptikpol]]
Der Zyklus der Präzession ist die Zeit, nach der man ''genau'' ein [[tropisches Jahr]] mehr zählt als [[Siderisches Jahr|siderische Jahre]]. Die Länge dieser beiden Jahre unterliegt – für so lange Zeiträume – trotz prinzipiell exakter Definition solchen Ungenauigkeiten, dass eine exaktere Angabe als auf ein [[Jahrhundert]] genau nicht sinnvoll erscheint. (Die zahlreichen Gründe für diesen Sachverhalt sind ausführlich in den Artikeln [[Tropisches Jahr]] und [[Siderisches Jahr]] dargelegt.) Darüber hinaus sind die Geschwindigkeit der [[Präzession]] selbst und sogar der Öffnungswinkel des [[Präzessionskegel]]s (die [[Schiefe der Ekliptik]]) über so lange Zeiträume deutlichen Änderungen unterworfen.


Die Drift des [[Frühlingspunkt]]es (auch ''Präzessionsdefekt'' genannt) korreliert mit der Bewegung des [[Himmelspol]]s (der [[Zentralprojektion|Projektion]] der [[Erdachse]] auf die [[Himmelssphäre]]): Auf einer [[Sternkarte]] präzediert der Frühlingspunkt auf einer Linie [[Orthogonal|senkrecht]] zur Linie vom Himmelspol zum [[Ekliptikpol]], der sich im Zentrum des Präzessionskreises befindet (''Siehe Abbildung'').
Anstelle von ''Frühlingspunkt'' wird in der [[Astrologie]] der seltene Begriff ''Widderpunkt'' verwendet, da der Frühlingspunkt den Beginn der zwölf [[Tierkreiszeichen]], jeweils 30°-Abschnitte auf der Ekliptik, bei&nbsp;0° des Tierkreiszeichens [[Widder (Tierkreiszeichen)|Widder]] markiert.<ref>[[Jürgen Hamel]]: ''Begriffe der Astrologie''. Verlag Harri Deutsch, Frankfurt am Main 2010, S.&nbsp;263.</ref>


Die Präzession ist der Grund für das Auseinanderdriften der 12 [[Tierkreiszeichen]] und der [[Sternbild]]er, die ihnen den Namen gaben: Der Frühlingspunkt wird auch als ''Widderpunkt'' bezeichnet, nach dem Sternbild [[Widder (Sternbild)|Widder]]. Er befindet sich zurzeit aber im westlichen Teil des Sternbildes [[Fische (Sternbild)|Fische]], ist also etwa 25° vom Widder entfernt. So lässt sich das Alter dieser Bezeichnung ungefähr abschätzen. Je nachdem, ob der Punkt ursprünglich den Anfang oder die Mitte des Sternbildes Widder markierte, dürfte er seinen Namen vor grob zwischen 1700 und 3000 Jahren bekommen haben. Leider ist die Quellenlage [[Geschichte der Astronomie|astronomischer Literatur]] in der [[Islamische Expansion|vorarabischen]] Zeit unzureichend. Die Präzession an sich dürfte schon den [[babylon]]ischen Astronomen um 300&nbsp;v.&nbsp;Chr. bekannt gewesen sein, vielleicht – auf [[Assyrien|assyrischen]] Tabellen aufbauend – auch deutlich früher. Da der Grund für die Drift des Frühlingspunktes nicht erkannt wurde (aber auch durch allfällige inkonsistente Übersetzungen), besteht die Möglichkeit, dass die jeweiligen Sternbilder – unter Beibehaltung ihres Namens – auf andere [[Konstellation]]en übertragen wurden, um sie dem Frühlingspunkt nachzuführen.
Die Präzession ist der Grund für das Auseinanderdriften der Tierkreiszeichen und der [[Sternbild]]er, die ihnen den Namen gaben. Der Frühlingspunkt bzw. Widderpunkt befindet sich zurzeit im westlichen Teil des Sternbildes [[Fische (Sternbild)|Fische]], ist also inzwischen etwa&nbsp;25° vom Widder entfernt. So lässt sich das Alter dieser Bezeichnung anhand der Präzessionsgeschwindigkeit von&nbsp;360° in 25.750&nbsp;Jahren abschätzen: je nachdem, ob der Widderpunkt ursprünglich den Anfang oder die Mitte des Sternbildes Widder markierte, dürfte er seinen Namen vor grob&nbsp;1700 bis 3000&nbsp;Jahren bekommen haben. Leider ist die [[Quellenlage]] astronomischer Literatur in der [[Islamische Expansion|vorarabischen]] Zeit unzureichend. Die Präzession an sich dürfte den [[babylon]]ischen Astronomen um und vor 300&nbsp;v.&#8239;Chr. unbekannt gewesen sein; Gegenteiliges hatte man vorübergehend vor einigen Jahrzehnten vermutet, konnte es aber nicht ausreichend erhärten.<ref>[[Otto Neugebauer]]: ''The Alleged Babylonian Discovery of the Precession of the Equinoxes'', in: Otto Neugebauer, ''Astronomy and History. Selected Essays''. Springer Verlag, New York/Berlin/Heidelberg 1983, S.&nbsp;247&nbsp;ff.</ref>


Trotz dieser Vorbehalte ist der Zyklus der Präzession eine Methode der [[Geschichte der Astronomie]] und [[Astronomische Chronologie|Astronomischen Chronologie]] zur Analyse alter himmelskundlicher Aufzeichnungen. Mittels der Frühlingspunktdrift lässt sich etwa eine erstaunlich frühe Wurzel der [[Chinesischer Kalender|chinesischen Kalenderrechnung]]<ref>[[Joseph Needham]]: ''Wissenschaft und Zivilisation in China''. Übers. von Rainer Herbster, Von Colin A. Ronan bearbeitete Ausg., Suhrkamp, Frankfurt am Main 1984, ISBN 3-518-57692-5.</ref> – bis etwa ins 15.&nbsp;Jahrhundert v.&nbsp;Chr. – vermuten oder sich die Tradition der noch immer im Umlauf befindlichen [[Bauernkalender]]<ref>Gottfried Briemle: ''Der Unterschied zwischen Sternzeichen und Sternbildern.'' In: ''Oberösterreichischer Volkskalender 2002.'' Verlag Oberösterr. Bauernbund, Linz, S. 71–78.</ref> ins ausgehende [[Mittelalter]] datieren.
Trotz dieser Vorbehalte ist der Zyklus der Präzession eine Methode der [[Geschichte der Astronomie]] und der [[Astronomische Chronologie|Astronomischen Chronologie]] zur Analyse alter himmelskundlicher Aufzeichnungen. Mittels der Frühlingspunktdrift lässt sich etwa eine erstaunlich frühe Wurzel der [[Chinesischer Kalender|chinesischen Kalenderrechnung]] –&nbsp;bis etwa ins 15.&nbsp;Jahrhundert v.&nbsp;Chr.&nbsp;– vermuten<ref>[[Joseph Needham]]: ''Wissenschaft und Zivilisation in China''. Übers. von Rainer Herbster, Von Colin A. Ronan bearbeitete Ausg., Suhrkamp, Frankfurt am Main 1984, ISBN 3-518-57692-5.</ref> oder die Tradition der noch immer im Umlauf befindlichen [[Bauernkalender]] ins ausgehende [[Mittelalter]] datieren.<ref>Gottfried Briemle: ''Der Unterschied zwischen Sternzeichen und Sternbildern.'' In: ''Oberösterreichischer Volkskalender 2002.'' Verlag Oberösterr. Bauernbund, Linz, S.&nbsp;71–78.</ref>


== Platon und das Platonische Jahr ==
== Platon und das Platonische Jahr ==
Die Namensgebung „Platonisches Jahr“ bezieht sich auf den griechischen Philosophen [[Platon]]. In seinem [[Platonischer Dialog|Dialog]] ''[[Timaios]]'' spricht dieser aber hauptsächlich davon, dass die Planeten im Laufe langer Zeiträume wieder in ihrem gemeinsamen Anfangs- und Frühlingspunkt zusammentreffen und dabei einen [[Weltzyklus]] vollenden;<ref>Timaios 39d</ref> die Präzession kommt hierbei nicht vor. Weiterhin wird betont, dass Platon noch gar nichts von der Präzession gewusst haben konnte, da diese erst später durch [[Hipparchos (Astronom)|Hipparchos]] entdeckt worden sei. Bei dem spätantiken Autor [[Ambrosius Theodosius Macrobius|Macrobius]] findet sich jedoch ein eindeutiger Hinweis auf eine Verknüpfung des Großen Jahres bzw. Weltjahres mit dem Präzessionszyklus der Sterne, so dass dieses Konzept zumindest spätantiken Ursprungs ist. Platon selbst hat an einer anderen Stelle des Timaios auch davon gesprochen, dass die Sterne im Laufe sehr langer Zeiträume bzw. Zyklen von ihren Orten systematisch abweichen, wie er von den „Ägyptern“ erfahren haben will. Dies deutet darauf hin, dass er zumindest ein vages Verständnis des Präzessions-Zyklus besaß und somit auch die Zuweisung „Platonisches Jahr“ gerechtfertigt ist.<ref>Franz Krojer: ''Etwas zum Ursprung des Platonischen Jahrs.'' In: ''Astronomie der Spätantike, die Null und Aryabhata.'' Differenz-Verlag, München 2009, S. 49–61. [http://www.differenz-verlag.de/spaetantike/Platonisches-Jahr.pdf (PDF)]</ref>
Die Namensgebung „Platonisches Jahr“ bezieht sich auf den griechischen Philosophen [[Platon]]. In seinem [[Platonischer Dialog|Dialog]] ''[[Timaios]]'' spricht dieser aber hauptsächlich davon, dass die Planeten im Laufe langer Zeiträume wieder in ihrem gemeinsamen Anfangs- und Frühlingspunkt zusammentreffen und dabei einen [[Weltzyklus]] vollenden;<ref>Timaios 39d</ref> die Präzession kommt hierbei nicht vor. Weiterhin wird betont, dass Platon noch gar nichts von der Präzession gewusst haben konnte, da diese erst später durch [[Hipparchos (Astronom)|Hipparchos]] entdeckt worden sei. Bei dem spätantiken Autor [[Ambrosius Theodosius Macrobius|Macrobius]] findet sich jedoch ein eindeutiger Hinweis auf eine Verknüpfung des Großen Jahres bzw. Weltjahres mit dem Präzessionszyklus der Sterne, so dass dieses Konzept zumindest spätantiken Ursprungs ist. Platon selbst hat an einer anderen Stelle des Timaios auch davon gesprochen, dass die Sterne im Laufe sehr langer Zeiträume bzw. Zyklen von ihren Orten systematisch abweichen, wie er von den „Ägyptern“ erfahren haben will. Dies deutet darauf hin, dass er zumindest ein vages Verständnis des Präzessions-Zyklus besaß und somit auch die Zuweisung „Platonisches Jahr“ gerechtfertigt ist.<ref>Franz Krojer: ''Etwas zum Ursprung des Platonischen Jahrs.'' In: ''Astronomie der Spätantike, die Null und Aryabhata.'' Differenz-Verlag, München 2009, S.&nbsp;49–61. [https://www.differenz-verlag.de/spaetantike/Platonisches-Jahr.pdf (PDF)]</ref>


== Zwölf Platonische Monate ==
== Zwölf Platonische Monate ==
Die jeweiligen Sternbilder eines Zeitalters bestimmen nach [[Astrologie|astrologischer]] Lehre eine langfristige Entwicklungsphase der Menschheit.
Das Platonische Jahr wird in zwölf ''Platonische Monate'' ''(Weltmonate'', ''Große Monate'' auch ''Weltzeitalter)'' zu je etwa 2150&nbsp;Jahren unterteilt. Das [[Sternbild]], in dem sich der [[Frühlingspunkt]] zurzeit befindet, gibt dem Platonsmonat seinen Namen.


Das Platonische Jahr wird in zwölf ''Platonische Monate'' (''Weltmonate'', ''Große Monate'' auch ''Weltzeitalter'') zu je etwa 2150 Jahren unterteilt. Die Weltmonate tragen die Namen nach den zwölf [[Tierkreiszeichen]]. Das [[Sternbild]], in dem sich der [[Frühlingspunkt]] zurzeit befindet, gibt dem Platonsmonat seinen Namen. So gesehen befinden wir uns derzeit im Fische-Monat des Platonischen Jahres.
Legt man die im Jahr 1930 definierten Grenzen der Sternbilder zugrunde, verläuft die [[Ekliptik]] mittlerweile durch 13 Sternbilder&nbsp;– die zwölf Sternbilder des [[Tierkreis]]es und den [[Schlangenträger]] (Ophiuchus). Da die Sternbilder unterschiedlich große Abschnitte auf der Ekliptik einnehmen, müssen sie zunächst auf 30°-Abschnitte gemittelt werden, um auf gleich lange Weltmonate zu kommen. In dieser Angleichung befindet sich der siderische 0°-Widder-Punkt ziemlich genau gegenüber von Spica, das heißt im Jahr 2010 auf 24° Widder im Tierkreis. Aufgrund der Präzession wird der siderische 0°-Widder-Punkt in ungefähr 6&nbsp;×&nbsp;72&nbsp;Jahren auf der Ekliptik bei 0° Stier angekommen und somit genau 30° vom Frühlingspunkt entfernt sein&nbsp;– auf den sich dann das (angeglichene) Sternbild Wassermann bewegt.  


Legt man die im Jahr 1930 definierten Grenzen der Sternbilder zugrunde, so verläuft die [[Ekliptik]] mittlerweile durch dreizehn [[Sternbild]]er – nämlich die zwölf Sternbilder des [[Tierkreis]]es und den [[Schlangenträger]] (Ophiuchus). Der Abschnitt des Schlangenträgers wird bei der Berechnung der Weltzeitalter jedoch nach alter Tradition dem Skorpion zugeordnet, so dass es zwölf Sternbilder bleiben. Die traditionellen Sternbilder zugrunde gelegt, hat das [[Fischezeitalter]] vor knapp 2000 Jahren begonnen und wird mit Beginn des [[Wassermannzeitalter]]s etwa um das Jahr 2600 vorbei sein, wenn der Frühlingspunkt das Sternbild Wassermann betritt. Da die Sternbilder unterschiedlich große Abschnitte auf der Ekliptik einnehmen, müssen sie jedoch auf 30°-Abschnitte gemittelt werden, um auf gleich lange Weltmonate zu kommen. In dieser Angleichung befindet sich der siderische 0°-Widder-Punkt ziemlich genau gegenüber von Spica, das heißt im Jahr 2010 auf 24° Widder im Tierkreis. Aufgrund der Präzession wird der siderische 0°-Widder-Punkt in ungefähr 6 × 72 Jahren auf der Ekliptik bei 0° Stier angekommen und somit genau 30° vom Frühlingspunkt entfernt sein – auf den sich dann das (angeglichene) Sternbild Wassermann bewegt. Demnach dürfte das Wassermann-Zeitalter um das Jahr 2442 beginnen. Andere, leider vielfach und gerne genannten Zeitpunkte sind nicht an den Sternbildern orientiert – und somit eigentlich irrelevant für eine Theorie, die sich an den Sternbildern orientieren will.
Durch die [[Präzession]] wandern die [[Tagundnachtgleiche]]n und die [[Sonnenwende]]n einmal durch alle Sternbilder im Tierkreis. Legt man zwölf Sternbilder mit je 30°, also gleich lange Platonische Monate, sowie eine [[Periodizität|Periode]] von 25.800&nbsp;Jahren zugrunde, dann ergeben sich die Werte für die Weltmonate in folgender Tabelle. Alle anderen Werte in der Tabelle zeigen die Dauer der durch die astronomischen Sternbildgrenzen definierten Zeitphasen (in der Tabelle sind die Weltmonate gerundet auf halbe Jahrhunderte, Hauptstellungen auf Jahrzehnte):


=== Tabelle der Termine ===
Durch die [[Präzession]] wandern die [[Tagundnachtgleiche]]n und die [[Sonnenwende]]n einmal durch alle Sternbilder im [[Tierkreis]]. Legt man zwölf [[Sternbild]]er mit je 30°, also gleich lange Platonische Monate, sowie eine [[Periodizität|Periode]] von 25.800 Jahren zu Grunde, dann ergeben sich die Werte für die Weltmonate in der gelben Spalte folgender Tabelle. Beim Studieren der Tabelle ist zu berücksichtigen, dass hier „Äpfel und Birnen verwechselt“ worden sind: denn die gleiche Auffassung, die den verfrühten Beginn des Fische-Zeitalters um das Jahr 50&nbsp;n.&nbsp;Chr. am ''nicht'' angeglichenen, astronomischen Sternbild festlegt, darf nicht plötzlich als Ausgangsbasis für die ''angeglichenen'' Zeitalter verwendet werden. Alle anderen Spalten in der Tabelle zeigen die Dauer der durch die astronomischen Sternbildgrenzen definierten Zeitphasen (in der Tabelle sind die Weltmonate gerundet auf halbe Jahrhunderte, Hauptstellungen auf Jahrzehnte):
{| class="wikitable" border="1"
{| class="wikitable" border="1"
|-
|-
|
| align="center"| (in Präzessionsabfolge)
|
| align="center"| 12 × 30° Sektoren
|align="center"|30° Sektoren
| colspan="4" align="center" | Eintritt in das Sternbild<br> (13 unterschiedlich breite Sektoren)
|colspan="5" align="center" | Eintritt in das Sternbild (unterschiedliche Sektoren)
| align="center"| Breite
| align="center"| im Sektor
|-
|-
|bgcolor="#EEEEEE" width="120" align="center"|'''Sternbild'''
|bgcolor="#EEEEEE" width="120" align="center"| '''Sternbild'''
|bgcolor="#EEEEEE" width="70" align="center"|'''Sektor'''
|bgcolor="#EEEEEE" width="100" align="center"| '''Weltmonat'''
|bgcolor="#EEEEEE" width="100" align="center"|'''Weltmonat'''
|bgcolor="#EEEEEE" width="100" align="center"| '''Frühlings&shy;punkt'''
|bgcolor="#EEEEEE" width="100" align="center"|'''Frühlingspunkt'''
|bgcolor="#EEEEEE" width="100" align="center"| '''Sommer&shy;punkt'''
|bgcolor="#EEEEEE" width="100" align="center"|'''Sommerpunkt'''
|bgcolor="#EEEEEE" width="100" align="center"| '''Herbst&shy;punkt'''
|bgcolor="#EEEEEE" width="100" align="center"|'''Herbstpunkt'''
|bgcolor="#EEEEEE" width="100" align="center"| '''Winter&shy;punkt'''
|bgcolor="#EEEEEE" width="100" align="center"|'''Winterpunkt'''
|bgcolor="#EEEEEE" width="70" align="center"| '''Sektor'''
|bgcolor="#EEEEEE" width="100" align="center"|'''Dauer'''
|bgcolor="#EEEEEE" width="100" align="center"| '''Dauer'''
|-- align="center"
|-- align="center"
| align="left"| &nbsp; '''[[Jungfrau (Sternbild)|Jungfrau]]'''
| align="left"| '''[[Jungfrau (Sternbild)|Jungfrau]]'''
| 44,1°
! bgcolor="#FFFF80"| + 12950<br /> − 12850
! bgcolor="#FFFF80"| + 12950<br /> − 12850
| + 12170<br /> − 13630
| + 12170<br /> − 13630
Zeile 54: Zeile 62:
| − 730
| − 730
| + 5720
| + 5720
| 44,1°
| 3160 Jahre
| 3160 Jahre
|-- align="center"
|-- align="center"
| align="left"| &nbsp; '''[[Löwe (Sternbild)|Löwe]]'''
| align="left"| '''[[Löwe (Sternbild)|Löwe]]'''
| 35,7°
! bgcolor="#FFFF80"| − 10700
! bgcolor="#FFFF80"| − 10700
| − 10470
| − 10470
Zeile 63: Zeile 71:
| + 2430
| + 2430
| + 8880
| + 8880
| 35,7°
| 2570 Jahre
| 2570 Jahre
|-- align="center"
|-- align="center"
| align="left"| &nbsp; '''[[Krebs (Sternbild)|Krebs]]'''
| align="left"| '''[[Krebs (Sternbild)|Krebs]]'''
| 20,1°
! bgcolor="#FFFF80"| − 8550
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| − 7900
| − 7900
Zeile 72: Zeile 80:
| + 5000
| + 5000
| + 11450
| + 11450
| 20,1°
| 1440 Jahre
| 1440 Jahre
|-- align="center"
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| align="left"| &nbsp; '''[[Zwillinge (Sternbild)|Zwillinge]]'''
| align="left"| '''[[Zwillinge (Sternbild)|Zwillinge]]'''
| 27,9°
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! bgcolor="#FFFF80"| − 6400
| − 6460
| − 6460
Zeile 81: Zeile 89:
| + 6440
| + 6440
| + 12890<br /> − 12910
| + 12890<br /> − 12910
| 27,9°
| 2000 Jahre
| 2000 Jahre
|-- align="center"
|-- align="center"
| align="left"| &nbsp; '''[[Stier (Sternbild)|Stier]]'''
| align="left"| '''[[Stier (Sternbild)|Stier]]'''
| 36,7°
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| − 4460
| − 4460
Zeile 90: Zeile 98:
| + 8440
| + 8440
| − 10910
| − 10910
| 36,7°
| 2620 Jahre
| 2620 Jahre
|-- align="center"
|-- align="center"
| align="left"| &nbsp; '''[[Widder (Sternbild)|Widder]]'''
| align="left"| '''[[Widder (Sternbild)|Widder]]'''
| 24,7°
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| − 1840
| − 1840
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| + 11060
| + 11060
| − 8290
| − 8290
| 24,7°
| 1770 Jahre
| 1770 Jahre
|-- align="center"
|-- align="center"
| align="left"| &nbsp; '''[[Fische (Sternbild)|Fische]]'''
| align="left"| '''[[Fische (Sternbild)|Fische]]'''
| 37,2°
| bgcolor="#FFFF80" align="center"|'''+ 50'''
| bgcolor="#FFFF80" align="center"|'''+ 50'''
| − 70
| − 70
Zeile 108: Zeile 116:
| + 12830<br /> − 12970
| + 12830<br /> − 12970
| − 6520
| − 6520
| 37,2°
| 2670 Jahre
| 2670 Jahre
|-- align="center"
|-- align="center"
| align="left"| &nbsp; '''[[Wassermann (Sternbild)|Wassermann]]'''
| align="left"| '''[[Wassermann (Sternbild)|Wassermann]]'''
| 24,0°
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! bgcolor="#FFFF80"| + 2200
| + 2600
| + 2600
Zeile 117: Zeile 125:
| − 10300
| − 10300
| − 3850
| − 3850
| 24,0°
| 1710 Jahre
| 1710 Jahre
|-- align="center"
|-- align="center"
| align="left"| &nbsp; '''[[Steinbock (Sternbild)|Steinbock]]'''
| align="left"| '''[[Steinbock (Sternbild)|Steinbock]]'''
| 28,0°
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! bgcolor="#FFFF80"| + 4350
| + 4310
| + 4310
Zeile 126: Zeile 134:
| − 8590
| − 8590
| − 2140
| − 2140
| 28,0°
| 2010 Jahre
| 2010 Jahre
|-- align="center"
|-- align="center"
| align="left"| &nbsp; '''[[Schütze (Sternbild)|Schütze]]'''
| align="left"| '''[[Schütze (Sternbild)|Schütze]]'''
| 33,3°
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| + 6320
| + 6320
Zeile 135: Zeile 143:
| − 6580
| − 6580
| − 130
| − 130
| 33,3°
| 2380 Jahre
| 2380 Jahre
|-- align="center"
|-- align="center"
| align="left"| &nbsp; '''[[Schlangenträger]]'''
| align="left"| '''[[Schlangenträger]]'''
| 18,6°
! bgcolor="#FFFF80" rowspan="2"| + 8650
! bgcolor="#FFFF80" rowspan="2"| + 8650
| + 8700
| + 8700
Zeile 144: Zeile 152:
| − 4200
| − 4200
| + 2250
| + 2250
| 18,6°
| 1340 Jahre
| 1340 Jahre
|-- align="center"
|-- align="center"
| align="left"| &nbsp; '''[[Skorpion (Sternbild)|Skorpion]]'''
| align="left"| '''[[Skorpion (Sternbild)|Skorpion]]'''
| 6,7°
| + 10040
| + 10040
| − 9310
| − 9310
| − 2860
| − 2860
| + 3590
| + 3590
| 6,7°
| 480 Jahre
| 480 Jahre
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Die Jahreszahlen sind als Messpunkte auf einer [[Astronomische Zeitrechnung|unter Astronomen gebräuchlichen Zeitskala]] zu verstehen. Der Nullpunkt ist hierbei derselbe wie bei der gebräuchlichen Jahreszählung [[Gregorianischer Kalender|unseres Kalenders]]. Da aber auf einer [[Skala (Bewertung)|Skala]] mit Nullpunkt ''gemessen'' wird, kann im Vergleich zur bei Historikern verbreiteten Jahres''zählung'' eine Differenz von einem Jahr im Bereich [[v.&#8239;u.&#8239;Z.]] auftreten. Die zur Bestimmung der Zeitalter verwendeten Sternbilder sind nicht zu verwechseln mit den Tierkreiszeichen, so dass sich bei deren Berücksichtigung eine andere Relation ergeben würde. Wenn also beispielsweise Anfang Januar die Sonne im [[Steinbock (Tierkreiszeichen)|Tierkreiszeichen Steinbock]] steht, befindet sie sich räumlich im [[Schütze (Sternbild)|Sternbild Schütze]].<ref>[[Massimo Pigliucci]]: ''Nonsense on Stilts. How to Tell Science from Bunk''. University of Chicago Press, Chicago 2010, S.&nbsp;63&nbsp;f.</ref>


== Mutmaßliche Zusammenhänge zwischen Präzessionszyklus und Religionen ==
== Mutmaßliche Zusammenhänge zwischen Präzessionszyklus und Religionen ==
Die Entdeckung des Zyklus der Präzession durch den griechischen Astronomen [[Hipparchos (Astronom)|Hipparchos]] um 128 v. Chr. erschütterte seinerzeit erheblich die gelehrten Kreise, da man doch die großen Himmelskreise des [[Himmelsäquator|Äquators]] und der [[Ekliptik]] bis dahin als unveränderlich und Sinnbild des Ewigen betrachtet hatte. Dennoch scheint es keinen Beleg dafür zu geben, dass dieser Zyklus in der griechischen Philosophie mit Weltuntergangsspekulationen verknüpft wurde.
Die Entdeckung des Zyklus der Präzession durch den griechischen Astronomen [[Hipparchos (Astronom)|Hipparchos]] um 128&nbsp;v.&nbsp;Chr. erschütterte seinerzeit erheblich die gelehrten Kreise, da man doch die großen Himmelskreise des [[Himmelsäquator|Äquators]] und der [[Ekliptik]] bis dahin als unveränderlich und Sinnbild des Ewigen betrachtet hatte. Dennoch scheint es keinen Beleg dafür zu geben, dass dieser Zyklus in der griechischen Philosophie mit Weltuntergangsspekulationen verknüpft wurde.


Allerdings stellte der Religionswissenschaftler David Ulansey 1989 die Theorie auf, die Entdeckung der [[Präzession]] des Frühlingspunktes im 2. Jahrhundert v. Chr. hätte sich unmittelbar auf die Entstehung des [[Mithraskult]]es ausgewirkt: [[Mithras]], der von ihm mit dem Sternbild [[Perseus (Sternbild)|Perseus]] identifiziert wird, sei gewissermaßen der „Gott der Präzession“.<ref>David Ulansey: ''Die Ursprünge des Mithraskultes.'' Stuttgart 1998, S. 68–76 Originalausgabe: ''The Origins of the Mithraic Mysteries: Cosmology and Salvation in the Ancient World''. Oxford University Press, New York 1991. Zu einer Kritik von Ulansey Thesen siehe insbesondere Roger Beck: ''In the Place of the Lion: Mithras in the Tauroctony''. In: in J. R. Hinnells (Hrsg.): ''Studies in Mithraism: Papers associated with the Mithraic Panel organized on the occasion of the XVIth Congress of the International Association for the History of Religions''. L'Erma di Bretschneider, Rom 1994, S. 29–50.</ref> Ähnliche Thesen werden auch von [[Peter Joseph]] im [[Zeitgeist (Film)#Teil I|ersten Teil seines verschwörungstheoretischen Youtube-Filmes ''Zeitgeist'']] propagiert.
Allerdings stellte der Religionswissenschaftler David Ulansey 1989 die Theorie auf, die Entdeckung der [[Präzession]] des Frühlingspunktes im 2.&nbsp;Jahrhundert v.&nbsp;Chr. hätte sich unmittelbar auf die Entstehung des [[Mithraskult]]es ausgewirkt: [[Mithras]], der von ihm mit dem Sternbild [[Perseus (Sternbild)|Perseus]] identifiziert wird, sei gewissermaßen der „Gott der Präzession“.<ref>David Ulansey: ''Die Ursprünge des Mithraskultes.'' Stuttgart 1998, S.&nbsp;68–76. Originalausgabe: ''The Origins of the Mithraic Mysteries: Cosmology and Salvation in the Ancient World''. Oxford University Press, New York 1991. Zu einer Kritik von Ulansey Thesen siehe insbesondere Roger Beck: ''In the Place of the Lion: Mithras in the Tauroctony''. In: J.&nbsp;R. Hinnells (Hrsg.): ''Studies in Mithraism: Papers associated with the Mithraic Panel organized on the occasion of the XVIth Congress of the International Association for the History of Religions''. L'Erma di Bretschneider, Rom 1994, S.&nbsp;29–50.</ref> Ähnliche Thesen werden auch von [[Peter Joseph]] im [[Zeitgeist (2007)#Teil I|ersten Teil seines verschwörungstheoretischen Youtube-Filmes ''Zeitgeist'']] propagiert.


Die neureligiöse Bewegung [[Thelema]] geht ebenfalls von einem Wechsel der [[Äon (Thelema)|Äonen]] mit dem Wandern des Frühlingspunktes aus.
Die neureligiöse Bewegung [[Thelema]] geht ebenfalls von einem Wechsel der [[Äon (Thelema)|Äonen]] mit dem Wandern des Frühlingspunktes aus.


== Weblinks ==
== Weblinks ==
* [http://www.astronomie.de/bibliothek/artikel-und-beitraege/rund-ums-sonnensystem/die-praezession/# Die Präzession] auf astronomie.de
* [https://www.astronomie.de/einstieg-in-die-astronomie/unsere-erde/die-praezession/ Die Präzession] auf astronomie.de


== Quellen ==
== Einzelnachweise ==
<references />
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[[Kategorie:Astronomische Größe der Zeit]]
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[[Kategorie:Himmelsmechanik]]
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Aktuelle Version vom 31. August 2021, 14:09 Uhr

Das große Jahr ist eine Weiterleitung auf diesen Artikel. Zu anderen Bedeutungen siehe Großes Jahr (Begriffsklärung).
Schematische Darstellung der Präzession. Die kurzen Pfeile am Äquator zeigen die Rotation der Erde um ihre Achse (1 Zyklus = 1 Tag), der lange kreisförmige Pfeil an der Achse zeigt die Präzession (1 Zyklus ≈ 25.750 Jahre).

Als Zyklus der Präzession, auch Großes Jahr, Platonisches Jahr oder Weltjahr, wird die Präzessionsperiode der Erdachse von etwa 25.700 bis 25.800 Jahren bezeichnet. In diesem Zeitraum präzediert die Erdachse, die schräg zur Ebene der Ekliptik steht, einmal um die Achse durch den Erdmittelpunkt, die senkrecht auf der Ekliptik steht. Dadurch wandert der Frühlingspunkt einmal durch alle Tierkreiszeichen (Sternbilder).

Ursachen und Zahlenwerte

Die Präzession wird verursacht durch die Gezeitenkräfte einiger Himmelskörper auf die sich drehende Erde. Durch den Äquatorwulst, d. h. der Erdradius am Äquator ist größer als an den Polen, verursachen diese Gezeitenkräfte ein Drehmoment, das versucht, die Rotationsachse der Erde in die Senkrechte zur Ekliptik zu drehen, genaueres unter Präzession #Präzession der Erdachse.

Beiträge zur Präzessionskonstanten sind:

  • die Gezeitenkräfte von Mond und Sonne mit zusammen 50,40" pro Jahr, davon 30" durch den Mond
  • die planetarische Präzession von 0,12" pro Jahr
  • die geodätische Präzession von 0,02" pro Jahr durch die Allgemeine Relativitätstheorie.

Alle diese Beträge sind nicht konstant. Da ihre Änderungen nur begrenzt berechenbar sind, kann der Zyklus der Präzession bisher nur auf etwa ein Jahrhundert geschätzt werden. Eine genauere Berechnung der genannten Werte gilt in diesem Sinne als spekulativ.[1]

Die Präzessionsdrift der Tierkreiszeichen gegenüber den Sternbildern

Weg des Himmelsnordpols (= Nordpol der Erddrehachse) um den Ekliptikpol. + 2000 = Jahr 2000 unserer Zeitrechnung: Der Deichselstern des Kleinen Wagens passt zu dieser Zeit als Polarstern
Weg des Himmelssüdpols (= Südpol der Erddrehachse) um den Ekliptikpol

Der Zyklus der Präzession ist die Zeit, nach der man genau ein tropisches Jahr mehr zählt als siderische Jahre. Die Länge dieser beiden Jahre unterliegt – für so lange Zeiträume – trotz prinzipiell exakter Definition solchen Ungenauigkeiten, dass eine exaktere Angabe als auf ein Jahrhundert genau nicht sinnvoll erscheint. Darüber hinaus sind die Geschwindigkeit der Präzession und sogar der Öffnungswinkel des Präzessionskegels (die doppelte Schiefe der Ekliptik) über so lange Zeiträume deutlichen Änderungen unterworfen.

Mit der Bewegung des Himmelspols (der Projektion der Erdachse auf die Himmelssphäre) korreliert die Drift des Frühlingspunktes (auch Präzessionsdefekt genannt): Auf einer Sternkarte präzediert der Frühlingspunkt auf einer Linie senkrecht zur Linie vom Himmelspol zum Ekliptikpol, der sich im Zentrum des Präzessionskreises befindet (siehe Abbildung).

Anstelle von Frühlingspunkt wird in der Astrologie der seltene Begriff Widderpunkt verwendet, da der Frühlingspunkt den Beginn der zwölf Tierkreiszeichen, jeweils 30°-Abschnitte auf der Ekliptik, bei 0° des Tierkreiszeichens Widder markiert.[2]

Die Präzession ist der Grund für das Auseinanderdriften der Tierkreiszeichen und der Sternbilder, die ihnen den Namen gaben. Der Frühlingspunkt bzw. Widderpunkt befindet sich zurzeit im westlichen Teil des Sternbildes Fische, ist also inzwischen etwa 25° vom Widder entfernt. So lässt sich das Alter dieser Bezeichnung anhand der Präzessionsgeschwindigkeit von 360° in 25.750 Jahren abschätzen: je nachdem, ob der Widderpunkt ursprünglich den Anfang oder die Mitte des Sternbildes Widder markierte, dürfte er seinen Namen vor grob 1700 bis 3000 Jahren bekommen haben. Leider ist die Quellenlage astronomischer Literatur in der vorarabischen Zeit unzureichend. Die Präzession an sich dürfte den babylonischen Astronomen um und vor 300 v. Chr. unbekannt gewesen sein; Gegenteiliges hatte man vorübergehend vor einigen Jahrzehnten vermutet, konnte es aber nicht ausreichend erhärten.[3]

Trotz dieser Vorbehalte ist der Zyklus der Präzession eine Methode der Geschichte der Astronomie und der Astronomischen Chronologie zur Analyse alter himmelskundlicher Aufzeichnungen. Mittels der Frühlingspunktdrift lässt sich etwa eine erstaunlich frühe Wurzel der chinesischen Kalenderrechnung – bis etwa ins 15. Jahrhundert v. Chr. – vermuten[4] oder die Tradition der noch immer im Umlauf befindlichen Bauernkalender ins ausgehende Mittelalter datieren.[5]

Platon und das Platonische Jahr

Die Namensgebung „Platonisches Jahr“ bezieht sich auf den griechischen Philosophen Platon. In seinem Dialog Timaios spricht dieser aber hauptsächlich davon, dass die Planeten im Laufe langer Zeiträume wieder in ihrem gemeinsamen Anfangs- und Frühlingspunkt zusammentreffen und dabei einen Weltzyklus vollenden;[6] die Präzession kommt hierbei nicht vor. Weiterhin wird betont, dass Platon noch gar nichts von der Präzession gewusst haben konnte, da diese erst später durch Hipparchos entdeckt worden sei. Bei dem spätantiken Autor Macrobius findet sich jedoch ein eindeutiger Hinweis auf eine Verknüpfung des Großen Jahres bzw. Weltjahres mit dem Präzessionszyklus der Sterne, so dass dieses Konzept zumindest spätantiken Ursprungs ist. Platon selbst hat an einer anderen Stelle des Timaios auch davon gesprochen, dass die Sterne im Laufe sehr langer Zeiträume bzw. Zyklen von ihren Orten systematisch abweichen, wie er von den „Ägyptern“ erfahren haben will. Dies deutet darauf hin, dass er zumindest ein vages Verständnis des Präzessions-Zyklus besaß und somit auch die Zuweisung „Platonisches Jahr“ gerechtfertigt ist.[7]

Zwölf Platonische Monate

Das Platonische Jahr wird in zwölf Platonische Monate (Weltmonate, Große Monate auch Weltzeitalter) zu je etwa 2150 Jahren unterteilt. Das Sternbild, in dem sich der Frühlingspunkt zurzeit befindet, gibt dem Platonsmonat seinen Namen.

Legt man die im Jahr 1930 definierten Grenzen der Sternbilder zugrunde, verläuft die Ekliptik mittlerweile durch 13 Sternbilder – die zwölf Sternbilder des Tierkreises und den Schlangenträger (Ophiuchus). Da die Sternbilder unterschiedlich große Abschnitte auf der Ekliptik einnehmen, müssen sie zunächst auf 30°-Abschnitte gemittelt werden, um auf gleich lange Weltmonate zu kommen. In dieser Angleichung befindet sich der siderische 0°-Widder-Punkt ziemlich genau gegenüber von Spica, das heißt im Jahr 2010 auf 24° Widder im Tierkreis. Aufgrund der Präzession wird der siderische 0°-Widder-Punkt in ungefähr 6 × 72 Jahren auf der Ekliptik bei 0° Stier angekommen und somit genau 30° vom Frühlingspunkt entfernt sein – auf den sich dann das (angeglichene) Sternbild Wassermann bewegt.

Durch die Präzession wandern die Tagundnachtgleichen und die Sonnenwenden einmal durch alle Sternbilder im Tierkreis. Legt man zwölf Sternbilder mit je 30°, also gleich lange Platonische Monate, sowie eine Periode von 25.800 Jahren zugrunde, dann ergeben sich die Werte für die Weltmonate in folgender Tabelle. Alle anderen Werte in der Tabelle zeigen die Dauer der durch die astronomischen Sternbildgrenzen definierten Zeitphasen (in der Tabelle sind die Weltmonate gerundet auf halbe Jahrhunderte, Hauptstellungen auf Jahrzehnte):

(in Präzessionsabfolge) 12 × 30° Sektoren Eintritt in das Sternbild
(13 unterschiedlich breite Sektoren)
Breite im Sektor
Sternbild Weltmonat Frühlings­punkt Sommer­punkt Herbst­punkt Winter­punkt Sektor Dauer
Jungfrau + 12950
− 12850
+ 12170
− 13630
− 7180 − 730 + 5720 44,1° 3160 Jahre
Löwe − 10700 − 10470 − 4020 + 2430 + 8880 35,7° 2570 Jahre
Krebs − 8550 − 7900 − 1450 + 5000 + 11450 20,1° 1440 Jahre
Zwillinge − 6400 − 6460 − 10 + 6440 + 12890
− 12910
27,9° 2000 Jahre
Stier − 4250 − 4460 + 1990 + 8440 − 10910 36,7° 2620 Jahre
Widder − 2100 − 1840 + 4610 + 11060 − 8290 24,7° 1770 Jahre
Fische + 50 − 70 + 6380 + 12830
− 12970
− 6520 37,2° 2670 Jahre
Wassermann + 2200 + 2600 + 9050 − 10300 − 3850 24,0° 1710 Jahre
Steinbock + 4350 + 4310 + 10760 − 8590 − 2140 28,0° 2010 Jahre
Schütze + 6500 + 6320 + 12770
− 13030
− 6580 − 130 33,3° 2380 Jahre
Schlangenträger + 8650 + 8700 − 10650 − 4200 + 2250 18,6° 1340 Jahre
Skorpion + 10040 − 9310 − 2860 + 3590 6,7° 480 Jahre
Waage + 10800 + 10520 − 8830 − 2380 + 4070 23,0° 1650 Jahre

Die Jahreszahlen sind als Messpunkte auf einer unter Astronomen gebräuchlichen Zeitskala zu verstehen. Der Nullpunkt ist hierbei derselbe wie bei der gebräuchlichen Jahreszählung unseres Kalenders. Da aber auf einer Skala mit Nullpunkt gemessen wird, kann im Vergleich zur bei Historikern verbreiteten Jahreszählung eine Differenz von einem Jahr im Bereich v. u. Z. auftreten. Die zur Bestimmung der Zeitalter verwendeten Sternbilder sind nicht zu verwechseln mit den Tierkreiszeichen, so dass sich bei deren Berücksichtigung eine andere Relation ergeben würde. Wenn also beispielsweise Anfang Januar die Sonne im Tierkreiszeichen Steinbock steht, befindet sie sich räumlich im Sternbild Schütze.[8]

Mutmaßliche Zusammenhänge zwischen Präzessionszyklus und Religionen

Die Entdeckung des Zyklus der Präzession durch den griechischen Astronomen Hipparchos um 128 v. Chr. erschütterte seinerzeit erheblich die gelehrten Kreise, da man doch die großen Himmelskreise des Äquators und der Ekliptik bis dahin als unveränderlich und Sinnbild des Ewigen betrachtet hatte. Dennoch scheint es keinen Beleg dafür zu geben, dass dieser Zyklus in der griechischen Philosophie mit Weltuntergangsspekulationen verknüpft wurde.

Allerdings stellte der Religionswissenschaftler David Ulansey 1989 die Theorie auf, die Entdeckung der Präzession des Frühlingspunktes im 2. Jahrhundert v. Chr. hätte sich unmittelbar auf die Entstehung des Mithraskultes ausgewirkt: Mithras, der von ihm mit dem Sternbild Perseus identifiziert wird, sei gewissermaßen der „Gott der Präzession“.[9] Ähnliche Thesen werden auch von Peter Joseph im ersten Teil seines verschwörungstheoretischen Youtube-Filmes Zeitgeist propagiert.

Die neureligiöse Bewegung Thelema geht ebenfalls von einem Wechsel der Äonen mit dem Wandern des Frühlingspunktes aus.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Joachim Krautter, Erwin Sedlmayr et al.: Meyers Handbuch Weltall. ISBN 3-411-07757-3, S. 49 ff., besonders S. 51.
  2. Jürgen Hamel: Begriffe der Astrologie. Verlag Harri Deutsch, Frankfurt am Main 2010, S. 263.
  3. Otto Neugebauer: The Alleged Babylonian Discovery of the Precession of the Equinoxes, in: Otto Neugebauer, Astronomy and History. Selected Essays. Springer Verlag, New York/Berlin/Heidelberg 1983, S. 247 ff.
  4. Joseph Needham: Wissenschaft und Zivilisation in China. Übers. von Rainer Herbster, Von Colin A. Ronan bearbeitete Ausg., Suhrkamp, Frankfurt am Main 1984, ISBN 3-518-57692-5.
  5. Gottfried Briemle: Der Unterschied zwischen Sternzeichen und Sternbildern. In: Oberösterreichischer Volkskalender 2002. Verlag Oberösterr. Bauernbund, Linz, S. 71–78.
  6. Timaios 39d
  7. Franz Krojer: Etwas zum Ursprung des Platonischen Jahrs. In: Astronomie der Spätantike, die Null und Aryabhata. Differenz-Verlag, München 2009, S. 49–61. (PDF)
  8. Massimo Pigliucci: Nonsense on Stilts. How to Tell Science from Bunk. University of Chicago Press, Chicago 2010, S. 63 f.
  9. David Ulansey: Die Ursprünge des Mithraskultes. Stuttgart 1998, S. 68–76. Originalausgabe: The Origins of the Mithraic Mysteries: Cosmology and Salvation in the Ancient World. Oxford University Press, New York 1991. Zu einer Kritik von Ulansey Thesen siehe insbesondere Roger Beck: In the Place of the Lion: Mithras in the Tauroctony. In: J. R. Hinnells (Hrsg.): Studies in Mithraism: Papers associated with the Mithraic Panel organized on the occasion of the XVIth Congress of the International Association for the History of Religions. L'Erma di Bretschneider, Rom 1994, S. 29–50.