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[[Datei:Wasserstoff Aufspaltung.svg|mini|Lamb-Verschiebung als eine von mehreren Aufspaltungen der Energieniveaus des Wasserstoffatoms]] | [[Datei:Wasserstoff Aufspaltung.svg|mini|hochkant=2|Lamb-Verschiebung als eine von mehreren Aufspaltungen der Energieniveaus des Wasserstoffatoms]] | ||
Die '''Lamb-Verschiebung''' (auch '''Lamb-Shift''') ist ein Effekt in der [[Quantenphysik]], der 1947 von [[Willis Eugene Lamb]] und [[Robert | Die '''Lamb-Verschiebung''' (auch '''Lamb-Shift''') ist ein Effekt in der [[Quantenphysik]], der 1947 von [[Willis Eugene Lamb]] und [[Robert C. Retherford]] entdeckt wurde.<ref>{{Literatur |Autor=Willis E. Lamb, Robert C. Retherford |Titel=Fine Structure of the Hydrogen Atom by a Microwave Method |Sammelwerk=Physical Review |Band=72 |Nummer=3 |Datum=1947 |Seiten=241–243 |DOI=10.1103/PhysRev.72.241}}</ref> | ||
Das Experiment zeigte, dass zwei Atomzustände im Wasserstoffatom, die nach der [[Dirac-Theorie]] der [[Relativistische Quantenmechanik|relativistischen Quantenmechanik]] exakt gleiche Energien haben sollten, eine – sehr geringe – Energiedifferenz aufwiesen. Diese Entdeckung legte einen Grundstein für die [[Quantenelektrodynamik]]. Lamb wurde dafür 1955 mit dem [[Nobelpreis für Physik]] ausgezeichnet.<ref>https://www.nobelprize.org/nobel_prizes/physics/laureates/1955/</ref> Der Nobelpreis bezieht sich auf den Effekt am Wasserstoffatom, aber die Lamb-Verschiebung ist ein allgemeiner quantenelektrodynamischer Effekt. | |||
== Beschreibung == | |||
Die [[Dirac-Gleichung]] besagt, dass Zustände mit gleicher [[Hauptquantenzahl]] <math>n</math> und gleicher Gesamtdrehimpulsquantenzahl (Bahndrehimpuls plus Spin) <math>j</math> im [[Wasserstoff]] oder in [[Ein-Elektron-System|wasserstoffähnlichen Atomen]] bezüglich der Nebenquantenzahl <math>\ell</math> [[Entartung (Quantenmechanik)|entartet]] sind, d. h. dieselbe Energie haben. | |||
Die niedrigsten Zustände, die demnach entartet sein müssten, sind die Zustände <math>2s_{1/2}</math> <math>(\ell=0)</math> und <math>2p_{1/2}</math> <math>(\ell=1)</math>, die beide die Quantenzahlen <math>n=2</math> und <math>j=\tfrac{1}{2}</math> haben. | |||
Lamb und Retherford erzeugten einen Strahl von Wasserstoffatomen im 2s<sub>1/2</sub>-Zustand und setzten ihn einer [[Mikrowellen]]strahlung von 2395 MHz aus. Dadurch wurden die Atome in den 2p<sub>3/2</sub>-Zustand angehoben und fielen von dort auf den 2p<sub>1/2</sub>-Zustand. Ein externes Magnetfeld bewirkte durch den [[Zeeman-Effekt]] eine Aufspaltung der Energieniveaus. Durch Variation des Magnetfeldes konnten sie die Energien der Übergänge sehr genau bestimmen und stellten fest, dass der Zustand 2p<sub>1/2</sub> um 4,37 [[Elektronenvolt|μeV]] niedriger liegt als 2s<sub>1/2</sub>, entsprechend einem Frequenzunterschied Δν = 1058 MHz. Verglichen mit der Energie der beiden Niveaus von −3,4 eV ist das eine sehr kleine Korrektur (um einen Faktor 10 nochmals kleiner als die [[Feinstruktur (Physik)|Feinstruktur]]-Aufspaltung zwischen 2p<sub>1/2</sub> und 2p<sub>3/2</sub>), die aber von fundamentaler Bedeutung ist. | |||
== Erklärung == | |||
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|+ Beiträge zur Lamb-Verschiebung im H-Atom.<ref name="gottfr-weissk" /> | |||
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! Beitrag | |||
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| Selbstenergie des Elektrons | |||
| style="text-align:right" | 4,07 MHz || style="text-align:right" | 16,8 neV | |||
| style="text-align:right" | 1015,52 MHz || style="text-align:right" | 4199,9 neV | |||
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| Vakuumpolarisation | |||
| style="text-align:right" | 0 MHz || style="text-align:right" | 0 neV | |||
| style="text-align:right" | −27,13 MHz || style="text-align:right" | −112,2 neV | |||
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| anomales magn. Moment | |||
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| style="text-align:right" | 50,86 MHz || style="text-align:right" | 210,3 neV | |||
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Die ersten Berechnungen zur Lamb-Verschiebung nahm [[Hans Bethe]] vor, gefolgt von [[Richard Feynman]] und [[Julian Schwinger]]. Drei quantenelektrodynamische Effekte liefern den größten Beitrag: die Selbstenergie des Elektrons, Vakuumpolarisation sowie das anomale magnetische Moment.<ref name="gottfr-weissk" /> | |||
=== Selbstenergie === | |||
[[Datei:SelfE.svg|mini|Feynman-Diagramm der Selbstenergie]] | |||
Den größten Anteil an der Lamb-Verschiebung hat die [[Selbstenergie]] des Elektrons, d. h. seine Wechselwirkung mit [[Vakuumfluktuation]]en. In Übereinstimmung mit der [[Heisenbergsche Unschärferelation|heisenbergschen Unschärferelation]] werden [[Virtuelles Teilchen|virtuelle Photonen]] aus dem Vakuumfeld absorbiert und emittiert. Die dadurch hervorgerufene Bewegung (vgl. auch [[Zitterbewegung]]) verändert im zeitlichen Mittel das auf das Elektron wirkende Potential. Relevant wird der Effekt nahe am Zentrum des Atoms <math>(r=0)</math>, vor allem innerhalb des Kerns, wo das Potential von der [[Coulombsches Gesetz|Coulombform]] abweicht. Dies betrifft vorwiegend Elektronen mit Drehimpulsquantenzahl <math>\ell=0</math> (s-Zustände), deren Aufenthaltswahrscheinlichkeit im Kern klein, aber relevant ist, während für <math>\ell>0</math> die Wellenfunktion des Elektrons im Zentrum Null ist.<ref name="HakenWolf-1552" /> s‑Elektronen sind somit geringfügig schwächer gebunden. | |||
Deshalb wird eine kleine Korrektur <math>\delta r</math> zur Berechnung der [[Potentielle Energie|potentiellen Energie]] hinzugefügt, die näherungsweise wie folgt geschrieben werden kann: | |||
:<math>\langle E_\mathrm{pot} \rangle = - \frac{Ze^2}{4 \pi \varepsilon_0}\left \langle \frac{1}{r + \delta r}\right \rangle</math> | :<math>\langle E_\mathrm{pot} \rangle = - \frac{Ze^2}{4 \pi \varepsilon_0}\left \langle \frac{1}{r + \delta r}\right \rangle</math> | ||
mit | mit | ||
[[Kernladung]]szahl <math>Z</math>, | |||
[[Elementarladung]] <math>e</math>, | |||
[[Elektrische Feldkonstante|elektrischer Feldkonstante]] <math>\varepsilon_0</math> und | |||
Abstand <math>r</math>. | |||
=== Vakuumpolarisation === | |||
[[Datei:Vacuum polarization.svg|mini|Feynman-Diagramm der Vakuum­polarisation]] | |||
Ein weiterer Beitrag zur Lamb-Verschiebung kann auf die [[Vakuumpolarisation]] zurückgeführt werden. Durch Erzeugung und Vernichtung virtueller Teilchenpaare verhält sich das Vakuum wie ein [[Dielektrikum|dielektrisches Medium]], das die Ladung des Kerns abschirmt. Sehr nahe am Kern ist dessen effektive Ladung erhöht, das elektrische Potential ist dadurch tiefer ([[Uehling-Potential|Uehling-Effekt]]). Auch hiervon sind wiederum hauptsächlich s‑Elektronen betroffen. | |||
Die Vakuumpolarisation trägt – mit entgegengesetztem Vorzeichen – kaum mehr als 2 % zum Gesamteffekt bei (in [[Myon#Myonische Atome|myonischen Atomen]] hingegen ist der Anteil dominant), aber die theoretischen Berechnungen und Experimente waren so präzise, dass dieser Beitrag und damit die Vakuumpolarisation bestätigt werden konnte. | |||
=== Anomales magnetisches Moment === | |||
[[Datei:Vertex correction.svg|mini|Feynman-Diagramm einer Vertexkorrektur]] | |||
Ein weiterer Beitrag resultiert aus dem [[Landé-Faktor|anomalen magnetischen Moment]] des Elektrons (das v. a. von [[Vertex]]<nowiki/>korrekturen herrührt). | |||
=== Gesamter Effekt === | |||
Es gibt weitere Beträge höherer Ordnung (d. h. beschrieben durch höhere Potenzen der [[Feinstrukturkonstante]] α). | |||
Die Lamb-Verschiebung ergibt sich so zu: | Die Lamb-Verschiebung ergibt sich so zu: | ||
:<math>\Delta E_\mathrm{Lamb} = \alpha^ | :<math>\Delta E_\mathrm{Lamb}(n, \ell = 0, j = \tfrac 12) = (Z \alpha)^4 \frac{4\alpha}{3 \pi n^3} m_\mathrm e c^2 \left(\ln \left( \frac{m_\mathrm e c^2}{2 R_y }\right) -\gamma(n,\ell ,j) + \frac{19}{30} \right)</math> | ||
respektive | respektive: | ||
:<math>\Delta E_\mathrm{Lamb} = \alpha^ | :<math>\Delta E_\mathrm{Lamb}(n,\ell \neq 0,j) = (Z\alpha)^4 \frac{4 \alpha}{3\pi n^3} m_\mathrm e c^2 \left(\ln \left((Z\alpha)^2 \frac{m_\mathrm e c^2}{2 R_y }\right) - \gamma(n,\ell ,j) + \frac{3}{8} \frac{j(j+1) - \ell (\ell +1)- \frac 34}{\ell (\ell +1)(2\ell +1)}\right)</math> | ||
Dabei sind: | |||
* <math>\alpha</math> die [[Feinstrukturkonstante]] | * <math>\alpha</math> die [[Feinstrukturkonstante]] | ||
* <math> | * <math>m_\mathrm e</math> die Masse des Elektrons | ||
* die [[ | * <math> c</math> die [[Lichtgeschwindigkeit]] | ||
* <math> | * <math> n,\ell ,j</math> die [[Hauptquantenzahl|Haupt-]], [[Nebenquantenzahl|Neben-]] und [[Gesamtdrehimpulsquantenzahl]] | ||
* <math>R_y</math> die [[Rydberg-Energie]] | |||
* <math>\gamma</math> der Bethe-Logarithmus | |||
Der Bethe-Logarithmus kann numerisch berechnet werden und beträgt für die niedrigsten Orbitale<ref>{{Literatur |Autor=Robert W. Huff |Titel=Simplified Calculation of Lamb Shift Using Algebraic Techniques |Sammelwerk=Phys. Rev. |Band=186 |Nummer=5 |Datum=1969 |Seiten=1367–1379 |Sprache=en}}</ref> | |||
:<math>\begin{align} | |||
\gamma(1,0,\tfrac 12) &= 2{,}98\dots \\ | |||
\gamma(2,0,\tfrac 12) &= 2{,}81\dots \\ | |||
\gamma(2,1,j) &= 0{,}03\dots | |||
\end{align}</math> | |||
Mit diesen Werten beträgt die Energiedifferenz <math>\delta E</math> zwischen den <math>2s_{1/2}</math>- und <math>2p_{1/2}</math>-Orbitalen <math>\delta E = 4{,}37\cdot 10^{-6}\,\text{eV}</math>, entsprechend einem [[Frequenz]]unterschied <math>\delta f</math> der Spektrallinien von <math>\delta f = 1058\,\text{MHz}</math>, in präziser Übereinstimmung mit dem Experiment. | |||
== Lamb-Verschiebung in Myonischen Atomen == | |||
Für myonische Atome, also Atomen, in denen ein Elektron durch ein [[Myon]] ersetzt ist, tritt der Effekt deutlich stärker auf, weil der Bahnradius des Myons weit geringer und das anomale magnetische Moment größer ist. Für [[Myonischer Wasserstoff|myonischen Wasserstoff]] liegen die Zustände 2s<sub>1/2</sub> und 2p<sub>1/2</sub> um 202,4 meV auseinander, also rund 46000-mal soviel wie im normalen Wasserstoff.<ref name="Antognini" /> Den größten Anteil hat hierbei die Vakuumpolarisation. Ebenso wächst der Effekt mit Kernladung und -radius. Allerdings wird er bei Atomen mit mehr als einem Elektron durch andere Effekte (Abschirmung der Kernladung durch die anderen Elektronen) überlagert. | |||
== Literatur == | |||
* {{Literatur | |||
|Autor=Steven Weinberg | |||
|Titel=The Quantum Theory of Fields Volume I: Foundations | |||
|Verlag=Cambridge University Press | |||
|Ort=New York | |||
|Datum=1995 | |||
|Sprache=en}} | |||
* {{Literatur | |||
|Autor=Ingolf V. Hertel, Claus-Peter Schulz | |||
|Titel=Atome, Moleküle und optische Physik 1 | |||
|Verlag=Springer-Verlag | |||
|Ort=Berlin/Heidelberg | |||
|Datum=2008 | |||
|Sprache=de}} | |||
* {{Literatur | |||
|Autor=Hermann Haken, Hans Christoph Wolf | |||
|Titel=Atom- und Quantenphysik | |||
|Verlag=Springer-Verlag | |||
|Ort=Berlin/Heidelberg | |||
|Datum=2004 | |||
|Sprache=de}} | |||
== Einzelnachweise == | == Einzelnachweise == | ||
<references /> | <references> | ||
<ref name="gottfr-weissk"> | |||
{{Literatur | |||
|Autor=Kurt Gottfried, Victor F. Weisskopf | |||
|Titel=Concepts of Particle Physics, Vol II | |||
|Auflage= | |||
|Verlag=Clarendon Press | |||
|Ort=Oxford | |||
|Datum=1986 | |||
|ISBN=978-0-19-503393-9 | |||
|Seiten=266–270}} | |||
</ref> | |||
<ref name="HakenWolf-1552"> | |||
{{Literatur | |||
|Autor=Hermann Haken, Hans Christoph Wolf | |||
|Titel=Atom- und Quantenphysik | |||
|Verlag=Springer-Verlag | |||
|Ort=Berlin/Heidelberg | |||
|Datum=2004 | |||
|Kapitel=15.5.2 | |||
|Sprache=de}} | |||
</ref> | |||
<ref name="Antognini"> | |||
{{Literatur | |||
|Autor=Aldo Antognini | |||
|Titel=Muonic atoms and the nuclear structure | |||
|Sammelwerk=arXiv:physics | |||
|Datum=2016-08-10 | |||
|Kommentar=ICOLS 2015, Singapore | |||
|arXiv=1512.01765}} | |||
</ref> | |||
</references> | |||
[[Kategorie:Atomphysik]] | [[Kategorie:Atomphysik]] | ||
[[Kategorie:Quantenfeldtheorie]] | [[Kategorie:Quantenfeldtheorie]] |
Die Lamb-Verschiebung (auch Lamb-Shift) ist ein Effekt in der Quantenphysik, der 1947 von Willis Eugene Lamb und Robert C. Retherford entdeckt wurde.[1]
Das Experiment zeigte, dass zwei Atomzustände im Wasserstoffatom, die nach der Dirac-Theorie der relativistischen Quantenmechanik exakt gleiche Energien haben sollten, eine – sehr geringe – Energiedifferenz aufwiesen. Diese Entdeckung legte einen Grundstein für die Quantenelektrodynamik. Lamb wurde dafür 1955 mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet.[2] Der Nobelpreis bezieht sich auf den Effekt am Wasserstoffatom, aber die Lamb-Verschiebung ist ein allgemeiner quantenelektrodynamischer Effekt.
Die Dirac-Gleichung besagt, dass Zustände mit gleicher Hauptquantenzahl $ n $ und gleicher Gesamtdrehimpulsquantenzahl (Bahndrehimpuls plus Spin) $ j $ im Wasserstoff oder in wasserstoffähnlichen Atomen bezüglich der Nebenquantenzahl $ \ell $ entartet sind, d. h. dieselbe Energie haben. Die niedrigsten Zustände, die demnach entartet sein müssten, sind die Zustände $ 2s_{1/2} $ $ (\ell =0) $ und $ 2p_{1/2} $ $ (\ell =1) $, die beide die Quantenzahlen $ n=2 $ und $ j={\tfrac {1}{2}} $ haben.
Lamb und Retherford erzeugten einen Strahl von Wasserstoffatomen im 2s1/2-Zustand und setzten ihn einer Mikrowellenstrahlung von 2395 MHz aus. Dadurch wurden die Atome in den 2p3/2-Zustand angehoben und fielen von dort auf den 2p1/2-Zustand. Ein externes Magnetfeld bewirkte durch den Zeeman-Effekt eine Aufspaltung der Energieniveaus. Durch Variation des Magnetfeldes konnten sie die Energien der Übergänge sehr genau bestimmen und stellten fest, dass der Zustand 2p1/2 um 4,37 μeV niedriger liegt als 2s1/2, entsprechend einem Frequenzunterschied Δν = 1058 MHz. Verglichen mit der Energie der beiden Niveaus von −3,4 eV ist das eine sehr kleine Korrektur (um einen Faktor 10 nochmals kleiner als die Feinstruktur-Aufspaltung zwischen 2p1/2 und 2p3/2), die aber von fundamentaler Bedeutung ist.
Beitrag | 2p1/2 | 2s1/2 | ||
---|---|---|---|---|
Selbstenergie des Elektrons | 4,07 MHz | 16,8 neV | 1015,52 MHz | 4199,9 neV |
Vakuumpolarisation | 0 MHz | 0 neV | −27,13 MHz | −112,2 neV |
anomales magn. Moment | −16,95 MHz | −70,1 neV | 50,86 MHz | 210,3 neV |
Die ersten Berechnungen zur Lamb-Verschiebung nahm Hans Bethe vor, gefolgt von Richard Feynman und Julian Schwinger. Drei quantenelektrodynamische Effekte liefern den größten Beitrag: die Selbstenergie des Elektrons, Vakuumpolarisation sowie das anomale magnetische Moment.[3]
Den größten Anteil an der Lamb-Verschiebung hat die Selbstenergie des Elektrons, d. h. seine Wechselwirkung mit Vakuumfluktuationen. In Übereinstimmung mit der heisenbergschen Unschärferelation werden virtuelle Photonen aus dem Vakuumfeld absorbiert und emittiert. Die dadurch hervorgerufene Bewegung (vgl. auch Zitterbewegung) verändert im zeitlichen Mittel das auf das Elektron wirkende Potential. Relevant wird der Effekt nahe am Zentrum des Atoms $ (r=0) $, vor allem innerhalb des Kerns, wo das Potential von der Coulombform abweicht. Dies betrifft vorwiegend Elektronen mit Drehimpulsquantenzahl $ \ell =0 $ (s-Zustände), deren Aufenthaltswahrscheinlichkeit im Kern klein, aber relevant ist, während für $ \ell >0 $ die Wellenfunktion des Elektrons im Zentrum Null ist.[4] s‑Elektronen sind somit geringfügig schwächer gebunden.
Deshalb wird eine kleine Korrektur $ \delta r $ zur Berechnung der potentiellen Energie hinzugefügt, die näherungsweise wie folgt geschrieben werden kann:
mit Kernladungszahl $ Z $, Elementarladung $ e $, elektrischer Feldkonstante $ \varepsilon _{0} $ und Abstand $ r $.
Ein weiterer Beitrag zur Lamb-Verschiebung kann auf die Vakuumpolarisation zurückgeführt werden. Durch Erzeugung und Vernichtung virtueller Teilchenpaare verhält sich das Vakuum wie ein dielektrisches Medium, das die Ladung des Kerns abschirmt. Sehr nahe am Kern ist dessen effektive Ladung erhöht, das elektrische Potential ist dadurch tiefer (Uehling-Effekt). Auch hiervon sind wiederum hauptsächlich s‑Elektronen betroffen.
Die Vakuumpolarisation trägt – mit entgegengesetztem Vorzeichen – kaum mehr als 2 % zum Gesamteffekt bei (in myonischen Atomen hingegen ist der Anteil dominant), aber die theoretischen Berechnungen und Experimente waren so präzise, dass dieser Beitrag und damit die Vakuumpolarisation bestätigt werden konnte.
Ein weiterer Beitrag resultiert aus dem anomalen magnetischen Moment des Elektrons (das v. a. von Vertexkorrekturen herrührt).
Es gibt weitere Beträge höherer Ordnung (d. h. beschrieben durch höhere Potenzen der Feinstrukturkonstante α).
Die Lamb-Verschiebung ergibt sich so zu:
respektive:
Dabei sind:
Der Bethe-Logarithmus kann numerisch berechnet werden und beträgt für die niedrigsten Orbitale[5]
Mit diesen Werten beträgt die Energiedifferenz $ \delta E $ zwischen den $ 2s_{1/2} $- und $ 2p_{1/2} $-Orbitalen $ \delta E=4{,}37\cdot 10^{-6}\,{\text{eV}} $, entsprechend einem Frequenzunterschied $ \delta f $ der Spektrallinien von $ \delta f=1058\,{\text{MHz}} $, in präziser Übereinstimmung mit dem Experiment.
Für myonische Atome, also Atomen, in denen ein Elektron durch ein Myon ersetzt ist, tritt der Effekt deutlich stärker auf, weil der Bahnradius des Myons weit geringer und das anomale magnetische Moment größer ist. Für myonischen Wasserstoff liegen die Zustände 2s1/2 und 2p1/2 um 202,4 meV auseinander, also rund 46000-mal soviel wie im normalen Wasserstoff.[6] Den größten Anteil hat hierbei die Vakuumpolarisation. Ebenso wächst der Effekt mit Kernladung und -radius. Allerdings wird er bei Atomen mit mehr als einem Elektron durch andere Effekte (Abschirmung der Kernladung durch die anderen Elektronen) überlagert.