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Das '''Thomas-Fermi-Modell''' ist ein [[Atommodell]], | Das '''Thomas-Fermi-Modell''' (TF; auch bekannt als ''statistische Theorie atomarer Systeme bzw. des Atoms''<ref name="Gombas">{{Literatur |Autor=P. Gombás |Titel=Das statistische Modell von Thomas und Fermi |Sammelwerk=Die Statistische Theorie des Atoms und ihre Anwendungen |Verlag=Springer Vienna |Ort=Vienna |Datum=1949 |ISBN=978-3-7091-2101-6 |Seiten=30–76 |Online=https://link.springer.com/chapter/10.1007%2F978-3-7091-2100-9_3 |Abruf=2021-11-13 |DOI=10.1007/978-3-7091-2100-9_3}}</ref> oder ''Thomas-Fermi-Theorie''<ref name=":1">{{Literatur |Autor=Elliott H. Lieb, Barry Simon |Titel=Thomas-Fermi Theory Revisited |Sammelwerk=Physical Review Letters |Band=31 |Nummer=11 |Datum=1973-09-10 |ISSN=0031-9007 |Seiten=681–683 |Online=https://link.aps.org/doi/10.1103/PhysRevLett.31.681 |Abruf=2021-11-13 |DOI=10.1103/PhysRevLett.31.681}}</ref>) ist ein [[Atommodell]], das die Atomhülle als ein Gas von [[Elektron]]en behandelt, welches durch das elektrostatische Feld des [[Atomkern]]s gebunden ist und den Zustand geringstmöglicher Energie einnimmt, wobei die durch die Elektronenwolke selbst bewirkte Abschirmung mit berücksichtigt wird. Es handelt sich um eine [[semiklassische Näherung]], denn die Quantenmechanik wird nur insoweit berücksichtigt, als die Elektronen das [[Pauli-Prinzip|Paulische Ausschließungsprinzip]] befolgen, also ein ideales [[Fermi-Gas]] bilden. Das Thomas-Fermi-Modell wurde unabhängig voneinander 1927 von [[Llewellyn Thomas]]<ref>{{Literatur |Autor=L. H. Thomas |Titel=The Calculation of Atomic Fields |Sammelwerk=Mathematical Proceedings of the Cambridge Philosophical Society |Band=23 |Nummer=5 |Datum=1927 |Seiten=542–548 |DOI=10.1017/S0305004100011683}}</ref> und [[Enrico Fermi]]<ref>{{Literatur |Autor=E. Fermi |Titel=Eine statistische Methode zur Bestimmung einiger Eigenschaften des Atoms und ihre Anwendung auf die Theorie des periodischen Systems der Elemente |Sammelwerk=Zeitschrift für Physik |Band=48 |Nummer=1–2 |Datum=1928 |Seiten=73–79 |DOI=10.1007/BF01351576}}<br />Siehe auch italienische Erstveröffentlichung von {{Literatur |Autor=E. Fermi |Titel=Un metodo statistico per la determinazione di alcune priorieta dell’atome |Sammelwerk=Rendicondi Accademia Nazionale de Lincei |Band=6 |Nummer=32 |Datum=1927 |Seiten=602–607}}</ref> entwickelt und macht noch keinen Gebrauch von der 1926 von [[Erwin Schrödinger]] entwickelten [[Schrödingergleichung|quantenmechanische Wellengleichung]].<ref name="Gombas" /> 1930 erweiterte [[Paul Dirac]] das Modell durch näherungsweise Einbeziehung der [[Austauschintegral|Austauschenergie]] zum TFD-Modell.<ref>{{Literatur |Autor=P. A. M. Dirac |Titel=Note on Exchange Phenomena in the Thomas Atom |Sammelwerk=Mathematical Proceedings of the Cambridge Philosophical Society |Band=26 |Nummer=3 |Datum=1930-07 |ISSN=0305-0041 |Seiten=376–385 |Online=https://www.cambridge.org/core/product/identifier/S0305004100016108/type/journal_article |Abruf=2021-11-14 |DOI=10.1017/S0305004100016108}}</ref> | ||
== | == Aufbau des Modells == | ||
Befinden sich in einem Gebiet mit potentieller Energie <math>V</math> Elektronen, die im Grundzustand dieses Vielteilchensystems alle möglichen Zustände mit Energien <math>E=V+E_{kin}</math> bis zu einer Obergrenze <math>E_{kin} = E_\mathrm{F}</math> besetzen, dann ist nach der Theorie des Fermi-Gases die [[Teilchendichte]] in diesem Gebiet | |||
: <math> \rho = \frac{1}{3 \pi^2} \left [\frac{2m}{ \hbar^2} E_\mathrm{F} \right ]^\frac{3}{2} </math> | |||
== | Darin ist <math> \hbar </math> das (durch <math> 2\pi </math> geteilte) [[Plancksches Wirkungsquantum|Plancksche Wirkungsquantum]] und <math> m </math> die Elektronenmasse. | ||
Die Elektronen (Ladung <math> -e </math>) erzeugen ein elektrostatisches Potential <math> \Phi </math>, das über die [[Poisson-Gleichung]] mit der Ladungsdichte <math> -e\rho</math> zusammenhängt: | |||
:<math>\Delta \Phi(\mathbf r) = 4\pi e\rho(\mathbf r)</math> | |||
Aus diesen beiden allgemeingültigen Zusammenhängen entsteht durch drei weitere Gleichungen ein Atommodell: | |||
# Die gesamte potentielle Energie <math>V(\mathbf r)</math> eines Elektrons im Atom mit der Kernladung <math> Ze </math> ist <math>V(\mathbf r) = -\frac{Ze}{r} - e\Phi(\mathbf r)</math> . | |||
# Die höchste Energie der besetzten Zustände soll an jedem Ort <math>\mathbf r</math> im Atom dieselbe sein: <math>\mu=V(\mathbf r)+E_{F}(\mathbf r) = \mathbf {const}</math> | |||
# Die Gesamtzahl der Elektronen wird durch die Normierung festgelegt: <math>\int \rho(\mathbf r) \; d^3\mathbf r = Z</math> | |||
Die erste der drei Gleichungen bedeutet, dass für jedes Elektron das gleiche Potential gilt und dass weitere quantenmechanische Effekte, die auf Korrelationen zwischen den Elektronen beruhen wie z. B. die [[Austauschintegral|Austauschenergie]], ignoriert werden. Die zweite Gleichung muss für den Grundzustand erfüllt sein, damit die Gesamtenergie nicht durch räumliche Verschiebung eines Elektrons noch abgesenkt werden könnte. <math>\mu</math> ist das räumlich konstante [[chemisches Potential|chemische Potential]]. Damit wird die Fermi-Energie ortsabhängig, mithin auch die Elektronendichte. Die dritte Gleichung legt die Normierung der Teilchendichte für ein neutrales Atom fest, für positive Ionen wäre sie entsprechend abzuändern (für negative Ionen hat das Modell keine stabile Lösung). | |||
Im Thomas-Fermi-Modell bestimmen sich die räumliche Verteilung der Elektronen und das ortsabhängige Potential gegenseitig so, dass alle obigen Gleichungen erfüllt sind. Das heißt, die räumliche Verteilung der Elektronen hat in der gewählten semiklassischen Näherung die Eigenschaft, dass sie (zusammen mit dem Kern) gerade das elektrostatische Potential erzeugt, aus dem sich an jedem Ort die der Dichte entsprechende Fermienergie ergibt. Gesucht ist also eine selbstkonsistente Lösung. | |||
== Umfang und Einschränkungen == | |||
Das Thomas-Fermi-Modell stellt den einfachsten Weg dar, in einem Viel-Elektronensystem nicht nur die gegenseitige elektrostatische Abstoßung der Elektronen zumindest in pauschaler und klassischer Weise zu berücksichtigen, sondern auch das quantenmechanische [[Pauli-Prinzip]]. Ausgangspunkt ist die nur näherungsweise richtige Vorstellung, es gäbe einen festen Potentialtopf und er sei für alle Elektronen gleich. Das Modell ergibt daher für alle Atome (der Form nach) denselben Verlauf der Elektronendichte. Die Größe der Atome wird annähernd richtig wiedergegeben, ihre totale Bindungsenergie aber überschätzt (z. B. bei Hg um 17 %)<ref name="Schwinger"> | |||
{{Literatur |Autor=Julian Schwinger |Titel=Thomas-Fermi model: The leading correction |Sammelwerk=Phys. Rev. A |Band=22 |Datum=1980 |Seiten=1827–1832 |DOI=10.1103/PhysRevA.22.1827}} | |||
</ref>. Genauere Vorstellungen über die Form der Zustände der einzelnen Elektronen, detailliertere Informationen über den Aufbau der Elektronenhülle (z. B. [[Atomorbital]]e) oder die stabile Bindung zwischen Atomen kann das Modell nicht liefern.<ref name="Teller">{{Literatur |Autor=Edward Teller |Titel=On the Stability of Molecules in the Thomas-Fermi Theory |Sammelwerk=Reviews of Modern Physics |Band=34 |Nummer=4 |Datum=1962-10-01 |ISSN=0034-6861 |Seiten=627–631 |Online=https://link.aps.org/doi/10.1103/RevModPhys.34.627 |Abruf=2021-11-13 |DOI=10.1103/RevModPhys.34.627}}</ref><ref name=":1" /> | |||
Im Vergleich zu Methoden, die versuchen die Schrödingergleichung zu lösen (z. B. nach dem [[Hartree-Fock-Verfahren]] bzw. der [[Self-Consistent-Field-Methode]], ''SCF'')<ref>{{Literatur |Autor=D. R. Hartree |Titel=The Wave Mechanics of an Atom with a Non-Coulomb Central Field. Part II. Some Results and Discussion |Sammelwerk=Mathematical Proceedings of the Cambridge Philosophical Society |Band=24 |Nummer=1 |Datum=1928-01 |ISSN=1469-8064 |Seiten=111–132 |Online=https://www.cambridge.org/core/journals/mathematical-proceedings-of-the-cambridge-philosophical-society/article/abs/wave-mechanics-of-an-atom-with-a-noncoulomb-central-field-part-ii-some-results-and-discussion/5916E7A0DEC0A051B435688BE2ACD57E |Abruf=2021-11-14 |DOI=10.1017/S0305004100011920}}</ref><ref name="Slater">{{Literatur |Autor=J. C. Slater, K. H. Johnson |Titel=Self-Consistent-Field Xα Cluster Method for Polyatomic Molecules and Solids |Sammelwerk=Physical Review B |Band=5 |Nummer=3 |Datum=1972-02-01 |ISSN=0556-2805 |Seiten=844–853 |Online=https://link.aps.org/doi/10.1103/PhysRevB.5.844 |Abruf=2021-11-14 |DOI=10.1103/PhysRevB.5.844}}</ref> approximiert die TF-Näherung die [[Elektronendichte]], <math>\rho(\mathbf r)</math> und versucht die Gesamtenergie <math>E(\rho)</math> als [[Funktional]] der Dichte auszudrücken.<ref name="nobelprize">{{Internetquelle |url=https://www.nobelprize.org/prizes/chemistry/1998/press-release/ |titel=The Nobel Prize in Chemistry 1998 |datum=13 October 1998 |sprache=en-US |abruf=2021-11-13}}</ref><ref name=":1" /> | |||
Ca. 40 Jahre nach der TF-Theorie erbrachten die zwei Theoreme von [[Hohenberg-Kohn-Theorem|Hohenberg-Kohn]]<ref>{{Literatur |Autor=P. Hohenberg, W. Kohn |Titel=Inhomogeneous Electron Gas |Sammelwerk=Physical Review |Band=136 |Nummer=3B |Datum=1964-11-09 |Seiten=B864–B871 |Online=https://link.aps.org/doi/10.1103/PhysRev.136.B864 |Abruf=2021-11-14 |DOI=10.1103/PhysRev.136.B864}}</ref> sowie dem [[Dichtefunktionaltheorie (Quantenphysik)#Die Kohn-Sham-Funktionen|Kohn-Sham]]-Ansatz<ref>{{Literatur |Autor=W. Kohn, L. J. Sham |Titel=Self-Consistent Equations Including Exchange and Correlation Effects |Sammelwerk=Physical Review |Band=140 |Nummer=4A |Datum=1965-11-15 |Seiten=A1133–A1138 |Online=https://link.aps.org/doi/10.1103/PhysRev.140.A1133 |Abruf=2021-11-14 |DOI=10.1103/PhysRev.140.A1133}}</ref> den Beweis, dass der Ansatz, gleich von der Elektronendichte anstelle von den Wellenfunktionen auszugehen, für den Grundzustand keine Näherung darstellt, sondern geeignet ist, zu einer exakten Lösung zu führen.<ref name="Young" /><ref name="Becke" /> | |||
== Erweiterungen == | |||
TF-Erweiterungen sind die ''Thomas-Fermi-Dirac-'' (TFD)<ref>{{Literatur |Autor=P. A. M. Dirac |Titel=Note on Exchange Phenomena in the Thomas Atom |Sammelwerk=Mathematical Proceedings of the Cambridge Philosophical Society |Band=26 |Nummer=3 |Datum=1930-07 |ISSN=0305-0041 |Seiten=376–385 |Online=https://www.cambridge.org/core/product/identifier/S0305004100016108/type/journal_article |Abruf=2021-11-14 |DOI=10.1017/S0305004100016108}}</ref> und ''Thomas-Fermi-Dirac-[[Carl Friedrich von Weizsäcker|Weizsäcker]]''-(TFDW)-Näherung,<ref>{{Literatur |Autor=P. Gombás |Titel=Erweiterungen des statistischen Modells |Sammelwerk=Die Statistische Theorie des Atoms und ihre Anwendungen |Verlag=Springer |Ort=Vienna |Datum=1949 |ISBN=978-3-7091-2100-9 |Seiten=76–133 |Online=10.1007/978-3-7091-2100-9_4 |Abruf=2021-11-13 |DOI=10.1007/978-3-7091-2100-9_4}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=E. K. U. Gross, R. M. Dreizler |Titel=Thomas-Fermi approach to diatomic systems. I. Solution of the Thomas-Fermi and Thomas-Fermi-Dirac-Weizs\"acker equations |Sammelwerk=Physical Review A |Band=20 |Nummer=5 |Datum=1979-11-01 |Seiten=1798–1807 |Online=https://link.aps.org/doi/10.1103/PhysRevA.20.1798 |Abruf=2021-11-13 |DOI=10.1103/PhysRevA.20.1798}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=A. Toepfer, E. K. U. Gross, R. M. Dreizler |Titel=Thomas-Fermi approach to diatomic systems. II. Correlation diagrams for N-N and Ne-Ne |Sammelwerk=Physical Review A |Band=20 |Nummer=5 |Datum=1979-11-01 |Seiten=1808–1815 |Online=https://link.aps.org/doi/10.1103/PhysRevA.20.1808 |Abruf=2021-11-13 |DOI=10.1103/PhysRevA.20.1808}}</ref> für welche jedoch wie im Falle der TF-Näherung durch [[Edward Teller|Teller]] gezeigt werden konnte, dass keine stabilen Bindungen möglich sind.<ref name="Teller" /> | |||
Slater modifizierte die TFD-Näherung weiter (Akronym: <math>X_\alpha</math> bzw. [[Hartree-Fock-Methode|Hartree-Fock-Slater]]-Methode).<ref>{{Literatur |Autor=H. Adachi, T. Mukoyama, Jun Kawai |Titel=Hartree-Fock-Slater method for materials science : the DV-Xa method for design and characterization of materials |Verlag=Springer |Ort=Berlin |Datum=2006 |ISBN=978-3-540-31297-0}}</ref><ref name="Slater" /> Slaters <math>X_\alpha</math>-Methode, welche als Vereinfachung der HF-Methode entwickelt wurde, stellte die erste einfache Form einer [[Dichtefunktionaltheorie (Quantenphysik)|Dichtefunktionaltheorie]] (DFT) dar.<ref name="Young">{{Literatur |Autor=David C. Young |Titel=Computational chemistry : a practical guide for applying techniques to real world problems |Verlag=Wiley |Ort=New York |Datum=2001 |ISBN=0-471-33368-9 |Seiten=42 ff.}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Errol Lewars |Titel=Computational chemistry : introduction to the theory and applications of molecular and quantum mechanics |Auflage=Third edition |Ort=Switzerland |Datum=2016 |ISBN=978-3-319-30916-3}}</ref><ref name="Becke">{{Literatur |Autor=Axel D. Becke |Titel=Perspective: Fifty years of density-functional theory in chemical physics |Sammelwerk=The Journal of Chemical Physics |Band=140 |Nummer=18 |Datum=2014-05-14 |ISSN=0021-9606 |Seiten=18A301 |Online=https://aip.scitation.org/doi/10.1063/1.4869598 |Abruf=2021-11-14 |DOI=10.1063/1.4869598}}</ref> | |||
TF bildet die Basis der sog. Dichtefunktionaltheorie (''DFT''; auch: ''KS-DFT''),<ref>{{Literatur |Autor=Eberhard Engel, Reiner M. Dreizler |Titel=Density functional theory : an advanced course |Verlag=Springer |Ort=Berlin |Datum=2011 |ISBN=978-3-642-14090-7}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=H. O. Di Rocco, F. Lanzini, J. C. Aguiar |Titel=Thomas–Fermi approach to density functional theory: binding energy for atomic systems |Sammelwerk=European Journal of Physics |Band=37 |Nummer=6 |Datum=2016-08-19 |ISSN=0143-0807 |Seiten=065402 |DOI=10.1088/0143-0807/37/6/065402}}</ref><ref name="Becke" /> für die [[Walter Kohn]] und [[John Anthony Pople|John A. Pople]] 1998 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurden.<ref name="nobelprize" /><ref>{{Internetquelle |url=https://www.spektrum.de/news/nobelpreis-fuer-chemie-1998/341593 |titel=Nobelpreis für Chemie 1998 |hrsg=Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH |datum=1998-10-14 |sprache=de |abruf=2021-11-14}}</ref> | |||
== Einzelnachweise == | |||
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[[Kategorie:Enrico Fermi]] | [[Kategorie:Enrico Fermi als Namensgeber]] |
Das Thomas-Fermi-Modell (TF; auch bekannt als statistische Theorie atomarer Systeme bzw. des Atoms[1] oder Thomas-Fermi-Theorie[2]) ist ein Atommodell, das die Atomhülle als ein Gas von Elektronen behandelt, welches durch das elektrostatische Feld des Atomkerns gebunden ist und den Zustand geringstmöglicher Energie einnimmt, wobei die durch die Elektronenwolke selbst bewirkte Abschirmung mit berücksichtigt wird. Es handelt sich um eine semiklassische Näherung, denn die Quantenmechanik wird nur insoweit berücksichtigt, als die Elektronen das Paulische Ausschließungsprinzip befolgen, also ein ideales Fermi-Gas bilden. Das Thomas-Fermi-Modell wurde unabhängig voneinander 1927 von Llewellyn Thomas[3] und Enrico Fermi[4] entwickelt und macht noch keinen Gebrauch von der 1926 von Erwin Schrödinger entwickelten quantenmechanische Wellengleichung.[1] 1930 erweiterte Paul Dirac das Modell durch näherungsweise Einbeziehung der Austauschenergie zum TFD-Modell.[5]
Befinden sich in einem Gebiet mit potentieller Energie $ V $ Elektronen, die im Grundzustand dieses Vielteilchensystems alle möglichen Zustände mit Energien $ E=V+E_{kin} $ bis zu einer Obergrenze $ E_{kin}=E_{\mathrm {F} } $ besetzen, dann ist nach der Theorie des Fermi-Gases die Teilchendichte in diesem Gebiet
Darin ist $ \hbar $ das (durch $ 2\pi $ geteilte) Plancksche Wirkungsquantum und $ m $ die Elektronenmasse.
Die Elektronen (Ladung $ -e $) erzeugen ein elektrostatisches Potential $ \Phi $, das über die Poisson-Gleichung mit der Ladungsdichte $ -e\rho $ zusammenhängt:
Aus diesen beiden allgemeingültigen Zusammenhängen entsteht durch drei weitere Gleichungen ein Atommodell:
Die erste der drei Gleichungen bedeutet, dass für jedes Elektron das gleiche Potential gilt und dass weitere quantenmechanische Effekte, die auf Korrelationen zwischen den Elektronen beruhen wie z. B. die Austauschenergie, ignoriert werden. Die zweite Gleichung muss für den Grundzustand erfüllt sein, damit die Gesamtenergie nicht durch räumliche Verschiebung eines Elektrons noch abgesenkt werden könnte. $ \mu $ ist das räumlich konstante chemische Potential. Damit wird die Fermi-Energie ortsabhängig, mithin auch die Elektronendichte. Die dritte Gleichung legt die Normierung der Teilchendichte für ein neutrales Atom fest, für positive Ionen wäre sie entsprechend abzuändern (für negative Ionen hat das Modell keine stabile Lösung).
Im Thomas-Fermi-Modell bestimmen sich die räumliche Verteilung der Elektronen und das ortsabhängige Potential gegenseitig so, dass alle obigen Gleichungen erfüllt sind. Das heißt, die räumliche Verteilung der Elektronen hat in der gewählten semiklassischen Näherung die Eigenschaft, dass sie (zusammen mit dem Kern) gerade das elektrostatische Potential erzeugt, aus dem sich an jedem Ort die der Dichte entsprechende Fermienergie ergibt. Gesucht ist also eine selbstkonsistente Lösung.
Das Thomas-Fermi-Modell stellt den einfachsten Weg dar, in einem Viel-Elektronensystem nicht nur die gegenseitige elektrostatische Abstoßung der Elektronen zumindest in pauschaler und klassischer Weise zu berücksichtigen, sondern auch das quantenmechanische Pauli-Prinzip. Ausgangspunkt ist die nur näherungsweise richtige Vorstellung, es gäbe einen festen Potentialtopf und er sei für alle Elektronen gleich. Das Modell ergibt daher für alle Atome (der Form nach) denselben Verlauf der Elektronendichte. Die Größe der Atome wird annähernd richtig wiedergegeben, ihre totale Bindungsenergie aber überschätzt (z. B. bei Hg um 17 %)[6]. Genauere Vorstellungen über die Form der Zustände der einzelnen Elektronen, detailliertere Informationen über den Aufbau der Elektronenhülle (z. B. Atomorbitale) oder die stabile Bindung zwischen Atomen kann das Modell nicht liefern.[7][2]
Im Vergleich zu Methoden, die versuchen die Schrödingergleichung zu lösen (z. B. nach dem Hartree-Fock-Verfahren bzw. der Self-Consistent-Field-Methode, SCF)[8][9] approximiert die TF-Näherung die Elektronendichte, $ \rho (\mathbf {r} ) $ und versucht die Gesamtenergie $ E(\rho ) $ als Funktional der Dichte auszudrücken.[10][2]
Ca. 40 Jahre nach der TF-Theorie erbrachten die zwei Theoreme von Hohenberg-Kohn[11] sowie dem Kohn-Sham-Ansatz[12] den Beweis, dass der Ansatz, gleich von der Elektronendichte anstelle von den Wellenfunktionen auszugehen, für den Grundzustand keine Näherung darstellt, sondern geeignet ist, zu einer exakten Lösung zu führen.[13][14]
TF-Erweiterungen sind die Thomas-Fermi-Dirac- (TFD)[15] und Thomas-Fermi-Dirac-Weizsäcker-(TFDW)-Näherung,[16][17][18] für welche jedoch wie im Falle der TF-Näherung durch Teller gezeigt werden konnte, dass keine stabilen Bindungen möglich sind.[7]
Slater modifizierte die TFD-Näherung weiter (Akronym: $ X_{\alpha } $ bzw. Hartree-Fock-Slater-Methode).[19][9] Slaters $ X_{\alpha } $-Methode, welche als Vereinfachung der HF-Methode entwickelt wurde, stellte die erste einfache Form einer Dichtefunktionaltheorie (DFT) dar.[13][20][14] TF bildet die Basis der sog. Dichtefunktionaltheorie (DFT; auch: KS-DFT),[21][22][14] für die Walter Kohn und John A. Pople 1998 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurden.[10][23]