Poisson-Klammer: Unterschied zwischen den Versionen

Poisson-Klammer: Unterschied zwischen den Versionen

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* <math>f</math> und <math>g</math> [[Funktion (Mathematik)|Funktionen]] der [[generalisierte Koordinate|generalisierten Koordinaten]] <math>q_k</math> und der [[kanonischer Impuls|kanonisch konjugierten Impulse]] <math>p_k</math>
* <math>f</math> und <math>g</math> [[Funktion (Mathematik)|Funktionen]] der [[Generalisierte Koordinate|generalisierten Koordinaten]] <math>q_k</math> und der [[Kanonischer Impuls|kanonisch konjugierten Impulse]] <math>p_k</math>
* <math>s</math> Anzahl der [[Freiheitsgrad]]e.
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* [[Antisymmetrische Bilinearform|Antisymmetrie]]
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:<math>\{f,g\}=-\{g,f\}\,\Rightarrow\, \{f,f\}=0</math>
:<math>\{f,g\}=-\{g,f\}</math>, insbesondere <math>\{f,f\}=0</math>


* [[Produktregel]]
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* [[Jacobi-Identität]]
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:<math>\,\{f,\{g,h\}\}+\{g,\{h,f\}\}+\{h,\{f,g\}\}=0</math>
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* [[Invarianz]]
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Für die kanonische Mechanik wichtig sind die fundamentalen Poisson-Klammern
Für die kanonische Mechanik wichtig sind die fundamentalen Poisson-Klammern


:<math>\left \{ q_k, q_l \right \} = 0</math><br>
:<math>\left \{ q_k, q_l \right \} = 0</math>
:<math>\left \{ p_k, p_l \right \} = 0</math><br>
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:<math>\left \{ q_k, p_l \right \} = \delta_{kl}</math> ([[Kronecker-Delta]]).<br>
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Sie folgen aus den trivialen Beziehungen
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& \frac{\partial q_k}{\partial q_l} = \delta_{kl} \quad && \frac{\partial p_k}{\partial q_l} = 0\
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& \frac{\partial q_k}{\partial p_l} = 0          \quad && \frac{\partial p_k}{\partial p_l} = \delta_{kl}
& \frac{\partial q_k}{\partial p_l} = 0          \quad && \frac{\partial p_k}{\partial p_l} = \delta_{kl}
\end{alignat}</math>.
\end{alignat}</math>


== Anwendung ==
== Anwendung ==
=== Hamiltonsche Bewegungsgleichung ===
* Mithilfe der Poisson-Klammer kann die [[Evolution (Mathematik)|Zeitevolution]] einer beliebigen [[Observable]]n <math>f(q_k,p_k,t)</math> eines [[Hamiltonsches System|Hamiltonschen Systems]] <math>H(q_k,p_k)</math> ausgedrückt werden ([[Hamiltonsche Bewegungsgleichungen]]):
Mit Hilfe der Poisson-Klammer kann die Zeit[[Evolution (Mathematik)|evolution]] einer beliebigen [[Observable]]n <math>f(q_k,p_k,t)</math> eines [[Hamiltonsches System|Hamiltonschen System]]s <math>H(q_k,p_k)</math> ausgedrückt werden.


Diese Zeitevolution einer beliebigen Observablen wird beschrieben durch die [[totale Ableitung]] nach der Zeit:
::<math>\frac{\mathrm{d}f}{\mathrm{d}t} = \{f,H\} +\frac{\partial f}{\partial t}</math>.


:<math>\frac{\mathrm{d}f}{\mathrm{d}t} = \sum_{k=1}^s \left(\frac{\partial f}{\partial q_k}\frac{\mathrm{d}q_k}{\mathrm{d}t} + \frac{\partial f}{\partial p_k}\frac{\mathrm{d}p_k}{\mathrm{d}t}\right)+\frac{\partial f}{\partial t}</math>.
* Dual zur [[Bewegungsgleichung]] der [[Observable]]n ist die [[Liouville-Gleichung]], die die Dynamik der [[Verteilungsdichte]] in der [[Statistische Mechanik|statistischen Mechanik]] beschreibt:
 
Einsetzen der [[Hamiltonsche Bewegungsgleichungen|Hamiltonschen Gleichungen]]
 
::<math>\dot{q}_k = \frac{\partial H}{\partial p_k}</math>
 
und
 
::<math>\dot{p}_k = -\frac{\partial H}{\partial q_k}</math>
 
ergibt
 
:<math>\frac{\mathrm{d}f}{\mathrm{d}t} = \sum^s_{k=1}\left(\frac{\partial f}{\partial q_k}\frac{\partial H}{\partial p_k}-\frac{\partial f}{\partial p_k}\frac{\partial H}{\partial q_k}\right)+\frac{\partial f}{\partial t}</math>.
 
Der vordere Teil entspricht der Definition der Poisson-Klammer:
 
:<math>\frac{\mathrm{d}f}{\mathrm{d}t} = \{f,H\} + \frac{\partial f}{\partial t}</math>.
 
Insbesondere kann man mit dieser Gleichung ''Konstanten der Bewegung'' ([[Erhaltungsgröße]]n) charakterisieren. Eine Observable ist nämlich genau dann eine Erhaltungsgröße, wenn gilt:
 
:<math>\{f,H\} + \frac{\partial f}{\partial t} = 0</math>
 
Ist <math>f</math> nicht explizit zeitabhängig <math>\left (f(q_k,p_k) \neq f(t) \right)</math>, so wird daraus:
 
:<math>\{f,H\} = 0</math>
 
=== Weiteres ===
* Dual zur [[Bewegungsgleichung]] der [[Observable|Observablen]] ist die [[Liouville-Gleichung]], die die Dynamik der [[Verteilungsdichte]] in der [[statistische Mechanik|statistischen Mechanik]] beschreibt:


::<math> \dot{\rho}=\{H,\rho\}.</math>
::<math> \dot{\rho}=\{H,\rho\}.</math>


* In der [[Quantenmechanik]] wird im Rahmen der kanonischen [[Quantisierung (Physik)|Quantisierung]] die Poisson-Klammer ersetzt durch <math>\textstyle \left(-\frac{{\rm i}}{\hbar}\right)</math> mal den [[Kommutator (Mathematik)|Kommutator]]:<ref>Hong-Tao Zhang: ''A Simple Method of Calculating Commutators in Hamilton System with Mathematica Software'', {{arxiv|quant-ph/0204081}}</ref>
* In der [[Quantenmechanik]] wird im Rahmen der kanonischen [[Quantisierung (Physik)|Quantisierung]] die Poisson-Klammer ersetzt durch <math>\textstyle \left(-\frac{{\rm i}}{\hbar}\right)</math> mal den [[Kommutator (Mathematik)|Kommutator]]:<ref>Hong-Tao Zhang: ''A Simple Method of Calculating Commutators in Hamilton System with Mathematica Software'', {{arXiv|quant-ph/0204081}}</ref>


::<math>\{H,f\}\rightarrow-\frac{i}{\hbar}[\hat{H},\hat{f}]</math>
::<math>\{H,f\}\rightarrow-\frac{i}{\hbar}[\hat{H},\hat{f}]</math>
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:Außerdem werden Observablen durch [[Operator (Mathematik)|Operatoren]] dargestellt. Die oben angeführte Gleichung der Zeitevolution einer Observablen führt so auf die Zeitevolution von Operatoren eines quantenmechanischen Systems mit [[Hamiltonoperator]] <math>\hat{H}</math> im [[Heisenberg-Bild]]. Diese Bewegungsgleichung heißt [[Heisenbergsche Bewegungsgleichung]]. Die Liouville-Gleichung findet ihre Entsprechung dabei in der [[Dichtematrix#Zeitentwicklung|Von-Neumann’schen Bewegungsgleichung]].
:Außerdem werden Observablen durch [[Operator (Mathematik)|Operatoren]] dargestellt. Die oben angeführte Gleichung der Zeitevolution einer Observablen führt so auf die Zeitevolution von Operatoren eines quantenmechanischen Systems mit [[Hamiltonoperator]] <math>\hat{H}</math> im [[Heisenberg-Bild]]. Diese Bewegungsgleichung heißt [[Heisenbergsche Bewegungsgleichung]]. Die Liouville-Gleichung findet ihre Entsprechung dabei in der [[Dichtematrix#Zeitentwicklung|Von-Neumann’schen Bewegungsgleichung]].


* Sowohl die Phasenraumfunktionen der kanonischen Mechanik als auch die [[Operator (Mathematik)|Operatoren]] der Quantenmechanik bilden mit ihren Klammern jeweils eine [[Lie-Algebra]].
* Sowohl die Phasenraumfunktionen der kanonischen Mechanik als auch die [[Operator (Mathematik)|Operatoren]] der Quantenmechanik bilden mit ihren Klammern jeweils eine [[Lie-Algebra]].


* Allgemein definiert man auf einer [[Symplektische Mannigfaltigkeit|symplektischen Mannigfaltigkeit]] mit symplektischer Form, die in lokalen Koordinaten gegeben ist durch <math>\textstyle \omega=\sum_{ij}\omega_{ij}\,\mathrm dx^i\wedge\mathrm d x^j</math>, die Poisson-Klammer der Funktionen <math>f</math> und <math>g</math> durch:
* Allgemein definiert man auf einer [[Symplektische Mannigfaltigkeit|symplektischen Mannigfaltigkeit]] mit symplektischer Form, die in lokalen Koordinaten gegeben ist durch <math>\textstyle \omega=\sum_{ij}\omega_{ij}\,\mathrm dx^i\wedge\mathrm d x^j</math>, die Poisson-Klammer der Funktionen <math>f</math> und <math>g</math> durch:


:<math>\{f, g\} = \sum_{ij}\omega^{ij}\,\partial_i f\, \partial_j g\,.</math>
:<math>\{f, g\} = \sum_{ij}\omega^{ij}\,\partial_i f\, \partial_j g\,.</math>
* Koordinatenunabhängig lässt sich die Poisson-Klammer wie folgt darstellen: es sei <math>J: T^*M \rightarrow TM</math> der durch <math>J^{-1}(v)(w) = \omega(v, w)</math> beschriebene Isomorphismus. Weiter sei für eine Funktion <math>f</math> das Vektorfeld <math>X_f</math> definiert als <math>J(\mathrm d f)</math>. Damit gilt dann
:<math>\{f, g\} = \omega(X_f, X_g).</math>


== Weblinks ==
== Weblinks ==
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<references />
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[[Kategorie:Klassische_Mechanik]]
[[Kategorie:Klassische Mechanik]]
[[Kategorie:Differentialgeometrie]]
[[Kategorie:Differentialgeometrie]]
[[Kategorie:Notation (Physik)]]
[[Kategorie:Notation (Physik)]]
[[Kategorie:Siméon Denis Poisson als Namensgeber]]

Aktuelle Version vom 1. März 2022, 11:55 Uhr

Die Poisson-Klammer, benannt nach Siméon Denis Poisson, ist ein bilinearer Differentialoperator in der kanonischen (hamiltonschen) Mechanik. Sie ist ein Beispiel für eine Lie-Klammer, also für eine Multiplikation in einer Lie-Algebra.

Definition

Die Poisson-Klammer ist definiert als

{f,g}:=k=1s(fqkgpkfpkgqk)

mit

Allgemein kann die Poisson-Klammer auch für Funktionen F und G definiert werden, die nicht von generalisierten Koordinaten und kanonischen Impulsen abhängen. Zur Verdeutlichung, auf welche Variablen sich die Poisson-Klammer beziehen soll, werden diese als Indizes an die Klammer geschrieben:

{F,G}ab:=k=1s(FakGbkFbkGak).

Eigenschaften

  • Bilinearität
{c1f1+c2f2,g}=c1{f1,g}+c2{f2,g}
  • Antisymmetrie
{f,g}={g,f}, insbesondere {f,f}=0
  • Produktregel
{f,gh}={f,g}h+g{f,h}
  • Jacobi-Identität
{f,{g,h}}+{h,{f,g}}+{g,{h,f}}=0
  • Invarianz
Physikalisch liegt es nahe, anzunehmen, dass die Zeitentwicklung einer Eigenschaft eines Systems nicht von den verwendeten Koordinaten abhängen sollte; damit sollten auch die Poisson-Klammern unabhängig von den verwendeten kanonischen Koordinaten sein. Seien (q,p) und (Q,P) zwei verschiedene Sätze von Koordinaten, die durch kanonische Transformationen transformiert werden, so gilt:
{f,g}qp={f,g}QP={f,g}.
Der Beweis ist länglich, sodass wir ihn hier auslassen.

Fundamentale Poisson-Klammern

Für die kanonische Mechanik wichtig sind die fundamentalen Poisson-Klammern

{qk,ql}=0
{pk,pl}=0
{qk,pl}=δkl (Kronecker-Delta)

Sie folgen aus den trivialen Beziehungen

qkql=δklpkql=0qkpl=0pkpl=δkl

Anwendung

  • Mithilfe der Poisson-Klammer kann die Zeitevolution einer beliebigen Observablen f(qk,pk,t) eines Hamiltonschen Systems H(qk,pk) ausgedrückt werden (Hamiltonsche Bewegungsgleichungen):
dfdt={f,H}+ft.
ρ˙={H,ρ}.
{H,f}i[H^,f^]
Außerdem werden Observablen durch Operatoren dargestellt. Die oben angeführte Gleichung der Zeitevolution einer Observablen führt so auf die Zeitevolution von Operatoren eines quantenmechanischen Systems mit Hamiltonoperator H^ im Heisenberg-Bild. Diese Bewegungsgleichung heißt Heisenbergsche Bewegungsgleichung. Die Liouville-Gleichung findet ihre Entsprechung dabei in der Von-Neumann’schen Bewegungsgleichung.
  • Sowohl die Phasenraumfunktionen der kanonischen Mechanik als auch die Operatoren der Quantenmechanik bilden mit ihren Klammern jeweils eine Lie-Algebra.
  • Allgemein definiert man auf einer symplektischen Mannigfaltigkeit mit symplektischer Form, die in lokalen Koordinaten gegeben ist durch ω=ijωijdxidxj, die Poisson-Klammer der Funktionen f und g durch:
{f,g}=ijωijifjg.
  • Koordinatenunabhängig lässt sich die Poisson-Klammer wie folgt darstellen: es sei J:TMTM der durch J1(v)(w)=ω(v,w) beschriebene Isomorphismus. Weiter sei für eine Funktion f das Vektorfeld Xf definiert als J(df). Damit gilt dann
{f,g}=ω(Xf,Xg).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Hong-Tao Zhang: A Simple Method of Calculating Commutators in Hamilton System with Mathematica Software, arxiv:quant-ph/0204081