Poisson-Klammer

Poisson-Klammer

Version vom 17. September 2017, 11:46 Uhr von imported>Acky69 (zus. Links)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)

Die Poisson-Klammer, benannt nach Siméon Denis Poisson, ist ein bilinearer Differentialoperator in der kanonischen (hamiltonschen) Mechanik. Sie ist ein Beispiel für eine Lie-Klammer, also für eine Multiplikation in einer Lie-Algebra.

Definition

Die Poisson-Klammer ist definiert als

$ \left\{f,g\right\}:=\sum _{k=1}^{s}{\left({\frac {\partial f}{\partial q_{k}}}{\frac {\partial g}{\partial p_{k}}}-{\frac {\partial f}{\partial p_{k}}}{\frac {\partial g}{\partial q_{k}}}\right)} $

mit

Allgemein kann die Poisson-Klammer auch für Funktionen $ F $ und $ G $ definiert werden, die nicht von generalisierten Koordinaten und kanonischen Impulsen abhängen. Zur Verdeutlichung, auf welche Variablen sich die Poisson-Klammer beziehen soll, werden diese als Indizes an die Klammer geschrieben:

$ \{F,G\}_{ab}:=\sum _{k=1}^{s}\left({\frac {\partial F}{\partial a_{k}}}{\frac {\partial G}{\partial b_{k}}}-{\frac {\partial F}{\partial b_{k}}}{\frac {\partial G}{\partial a_{k}}}\right) $.

Eigenschaften

  • Bilinearität
$ \,\{c_{1}f_{1}+c_{2}f_{2},g\}=c_{1}\{f_{1},g\}+c_{2}\{f_{2},g\} $
  • Antisymmetrie
$ \{f,g\}=-\{g,f\}\,\Rightarrow \,\{f,f\}=0 $
  • Produktregel
$ \,\{f,gh\}=\{f,g\}h+g\{f,h\} $
  • Jacobi-Identität
$ \,\{f,\{g,h\}\}+\{g,\{h,f\}\}+\{h,\{f,g\}\}=0 $
  • Invarianz
Physikalisch liegt es nahe, anzunehmen, dass die Zeitentwicklung einer Eigenschaft eines Systems nicht von den verwendeten Koordinaten abhängen sollte; damit sollten auch die Poisson-Klammern unabhängig von den verwendeten kanonischen Koordinaten sein. Seien $ (\mathbf {q} ,\mathbf {p} ) $ und $ (\mathbf {Q} ,\mathbf {P} ) $ zwei verschiedene Sätze von Koordinaten, die durch kanonische Transformationen transformiert werden, so gilt:
$ \{f,g\}_{\mathbf {qp} }=\{f,g\}_{\mathbf {QP} }=\{f,g\} $.
Der Beweis ist länglich, sodass wir ihn hier auslassen.

Fundamentale Poisson-Klammern

Für die kanonische Mechanik wichtig sind die fundamentalen Poisson-Klammern

$ \left\{q_{k},q_{l}\right\}=0 $
$ \left\{p_{k},p_{l}\right\}=0 $
$ \left\{q_{k},p_{l}\right\}=\delta _{kl} $ (Kronecker-Delta).

Sie folgen aus den trivialen Beziehungen

$ {\begin{alignedat}{2}&{\frac {\partial q_{k}}{\partial q_{l}}}=\delta _{kl}\quad &&{\frac {\partial p_{k}}{\partial q_{l}}}=0\\&{\frac {\partial q_{k}}{\partial p_{l}}}=0\quad &&{\frac {\partial p_{k}}{\partial p_{l}}}=\delta _{kl}\end{alignedat}} $.

Anwendung

Hamiltonsche Bewegungsgleichung

Mit Hilfe der Poisson-Klammer kann die Zeitevolution einer beliebigen Observablen $ f(q_{k},p_{k},t) $ eines Hamiltonschen Systems $ H(q_{k},p_{k}) $ ausgedrückt werden.

Diese Zeitevolution einer beliebigen Observablen wird beschrieben durch die totale Ableitung nach der Zeit:

$ {\frac {\mathrm {d} f}{\mathrm {d} t}}=\sum _{k=1}^{s}\left({\frac {\partial f}{\partial q_{k}}}{\frac {\mathrm {d} q_{k}}{\mathrm {d} t}}+{\frac {\partial f}{\partial p_{k}}}{\frac {\mathrm {d} p_{k}}{\mathrm {d} t}}\right)+{\frac {\partial f}{\partial t}} $.

Einsetzen der Hamiltonschen Gleichungen

$ {\dot {q}}_{k}={\frac {\partial H}{\partial p_{k}}} $

und

$ {\dot {p}}_{k}=-{\frac {\partial H}{\partial q_{k}}} $

ergibt

$ {\frac {\mathrm {d} f}{\mathrm {d} t}}=\sum _{k=1}^{s}\left({\frac {\partial f}{\partial q_{k}}}{\frac {\partial H}{\partial p_{k}}}-{\frac {\partial f}{\partial p_{k}}}{\frac {\partial H}{\partial q_{k}}}\right)+{\frac {\partial f}{\partial t}} $.

Der vordere Teil entspricht der Definition der Poisson-Klammer:

$ {\frac {\mathrm {d} f}{\mathrm {d} t}}=\{f,H\}+{\frac {\partial f}{\partial t}} $.

Insbesondere kann man mit dieser Gleichung Konstanten der Bewegung (Erhaltungsgrößen) charakterisieren. Eine Observable ist nämlich genau dann eine Erhaltungsgröße, wenn gilt:

$ \{f,H\}+{\frac {\partial f}{\partial t}}=0 $

Ist $ f $ nicht explizit zeitabhängig $ \left(f(q_{k},p_{k})\neq f(t)\right) $, so wird daraus:

$ \{f,H\}=0 $

Weiteres

$ {\dot {\rho }}=\{H,\rho \}. $
$ \{H,f\}\rightarrow -{\frac {i}{\hbar }}[{\hat {H}},{\hat {f}}] $
Außerdem werden Observablen durch Operatoren dargestellt. Die oben angeführte Gleichung der Zeitevolution einer Observablen führt so auf die Zeitevolution von Operatoren eines quantenmechanischen Systems mit Hamiltonoperator $ {\hat {H}} $ im Heisenberg-Bild. Diese Bewegungsgleichung heißt Heisenbergsche Bewegungsgleichung. Die Liouville-Gleichung findet ihre Entsprechung dabei in der Von-Neumann’schen Bewegungsgleichung.
  • Sowohl die Phasenraumfunktionen der kanonischen Mechanik als auch die Operatoren der Quantenmechanik bilden mit ihren Klammern jeweils eine Lie-Algebra.
  • Allgemein definiert man auf einer symplektischen Mannigfaltigkeit mit symplektischer Form, die in lokalen Koordinaten gegeben ist durch $ \textstyle \omega =\sum _{ij}\omega _{ij}\,\mathrm {d} x^{i}\wedge \mathrm {d} x^{j} $, die Poisson-Klammer der Funktionen $ f $ und $ g $ durch:
$ \{f,g\}=\sum _{ij}\omega ^{ij}\,\partial _{i}f\,\partial _{j}g\,. $

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Hong-Tao Zhang: A Simple Method of Calculating Commutators in Hamilton System with Mathematica Software, arxiv:quant-ph/0204081