In der Quantenmechanik muss der Vorgang der Streuung von Quantenobjekten grundsätzlich anders beschrieben werden als in der klassischen Mechanik, da das Konzept einer Trajektorie fehlt. Die quantenmechanische Beschreibung wird Streutheorie genannt.
In der Quantenmechanik wird ein Objekt (z. B. ein Elektron) immer durch einen Zustand beschrieben. Dieser setzt sich zusammen aus einem Ortszustand $ \vert {\text{Ort}}\rangle , $ einem Spinzustand $ \vert s,m_{s}\rangle $ und vielen anderen physikalischen Größen (z. B. dem Isospin):
Im Folgenden wird nur die Ortswellenfunktion $ \vert {\text{Ort}}\rangle $ betrachtet. Dies ist unter folgenden Annahmen gerechtfertigt:
Ähnlich wie in der klassischen Mechanik kann das Zweiteilchenproblem zunächst auf ein äquivalentes Einteilchenproblem reduziert werden, bei dem ein einzelnes Quantenobjekt auf ein im Ursprung ruhendes Kraftzentrum zuläuft. Ausgangspunkt der Streutheorie ist die Beschreibung der Wechselwirkung durch ein Potential $ V(\mathbf {x} ) $ und den davon abgeleiteten Hamiltonoperator:
Die Wellenfunktion des einlaufenden Teilchens wird zu Beginn des Streuprozesses $ (t=t_{0}) $ durch ein Wellenpaket beschrieben:
Diese Fourierdarstellung des Teilchens durch ebene Wellen kann auch über die stationären Zustände (die Eigenzustände des Hamiltonoperators) erfolgen:
wobei die Eigenwerte mit dem Wellenvektor $ \mathbf {k} $ zusammenhängen über
Diese Zustände werden als Streuzustände bezeichnet, da ein Zustand mit positiver Energie ungebunden ist und auch außerhalb der Reichweite des Potentials eine endliche Aufenthaltswahrscheinlichkeit besitzt. Ein einzelner Streuzustand entspricht physikalisch zunächst einer wenig plausiblen Situation, da die Wahrscheinlichkeitsstromdichte
verschwindet, also stets die gleiche Menge des Teilchens auf das Streuzentrum zu- wie abfließt. Das ist aber notwendig, da ein stationärer Zustand einer stehenden Welle analog ist, wie man sie z. B. aus der Akustik kennt. Erst durch Überlagerung gelangt man zu der anschaulichen Situation eines zunächst einlaufenden und danach gestreuten Wellenpaketes. Die stationäre Schrödinger-Gleichung führt auf die Helmholtz-Gleichung und deren inhomogene Lösung auf eine implizite Integralgleichung, die auf die asymptotische Form der Streuzustände führt:
Dieses asymptotische Verhalten, dass sich in großer Entfernung vom Streuzentrum die Wellenfunktion zusammensetzt aus einer ungestört durchlaufenden ebenen Welle und einer auslaufenden Kugelwelle, bezeichnet man auch als Sommerfeldsche Randbedingung. Die physikalische Information über das Streupotential liegt in der Streuamplitude $ f_{\mathbf {k} }(\theta ,\phi ), $ genauer in ihrem Betrag, dem durch Streuexperimente zugängigen differentiellen Wirkungsquerschnitt
Im Falle eines Zentralpotentials ist der Drehimpuls eine Erhaltungsgröße, und man entwickelt die Wellenfunktion nach simultanen Eigenzuständen von $ H,\,L^{2} $ und $ L_{z}. $ Die Streuzustände heißen dann Partialwellen und lassen sich, wie auch die nun nur noch vom Winkel $ \theta $ abhängige Streuamplitude und der Streuquerschnitt, nach Legendre-Polynomen entwickeln, was man auch als Partialwellenentwicklung bezeichnet. Eine andere Methode zur Berechnung der Streuamplitude ist die Bornsche Näherung.