Das CGS-Einheitensystem (auch CGS-System, cgs-System, CGS oder cgs, aus dem Englischen „centimetre gram second“) ist ein metrisches, kohärentes Einheitensystem basierend auf den Einheiten Zentimeter, Gramm und Sekunde. Die CGS-Einheiten der Mechanik lassen sich eindeutig aus diesen Basiseinheiten ableiten. Für elektromagnetische Einheiten existieren mehrere konkurrierende Erweiterungen des CGS-Systems. Von diesen hat heute nur noch das Gaußsche Einheitensystem nennenswerte Bedeutung; mit „CGS-Einheit“ ist in moderner Literatur meistens eine gaußsche CGS-Einheit gemeint.
Das CGS-System wurde 1874 von der British Association for the Advancement of Science eingeführt und 1889 durch das MKS-Einheitensystem, basierend auf den Basiseinheiten Meter, Kilogramm und Sekunde, abgelöst. Das MKS wurde seinerseits um die elektromagnetische Basiseinheit Ampere erweitert (dann häufig als MKSA-System bezeichnet) und ging schließlich 1960 im Système International d’Unités (SI) auf, welches heute zusätzlich die Basiseinheiten Mol, Candela und Kelvin umfasst. Auf den meisten Feldern ist das SI das einzig gebräuchliche Einheitensystem, es existieren jedoch Bereiche, in denen das CGS – insbesondere dessen erweiterte Formen – noch Verwendung findet.
Da CGS und MKS (bzw. das SI) im Bereich der Mechanik auf dem gleichen Größensystem mit den Basisgrößen Länge, Masse und Zeit fußen, sind die Dimensionsprodukte der abgeleiteten Einheiten in beiden Systemen gleich. Eine Umrechnung zwischen Einheiten beschränkt sich auf die Multiplikation mit einem reinen Zahlenfaktor. Vereinfachend kommt hinzu, dass nur Umrechnungsfaktoren in Potenzen von 10 auftreten, wie es sich ausgehend von den Beziehungen 100 cm = 1 m und 1000 g = 1 kg ergibt. Ein Beispiel: Für die Kraft ist die abgeleitete CGS-Einheit das Dyn (entspricht 1 g·cm·s−2) und die abgeleitete MKS-Einheit das Newton (entspricht 1 kg·m·s−2). Damit lautet die Umrechnung 1 dyn = 10−5 N.
Auf der anderen Seite sind Umrechnungen zwischen elektromagnetischen Einheiten des CGS und denen des MKSA recht umständlich. Während das MKSA hierfür das Ampere als Einheit für die elektrische Stromstärke einführt, benötigt keine der Erweiterungen des CGS eine weitere Basiseinheit. Stattdessen werden die Proportionalitätskonstanten im Coulomb-Gesetz (elektrische Permittivität), im ampèreschen Gesetz und im faradayschen Induktionsgesetz per Definition festgelegt. Die verschiedenen sinnvollen Wahlmöglichkeiten bei der Festlegung haben zu den verschiedenen Ausprägungen des CGS-Systems geführt. In jedem Fall lassen sich alle elektromagnetischen Einheiten auf die drei rein mechanischen Basiseinheiten zurückführen. Allerdings ändern sich dadurch nicht nur die Dimensionsprodukte jener abgeleiteten Einheiten, sondern auch die Form von physikalischen Größengleichungen der Elektrodynamik (siehe z. B. Maxwell-Gleichungen). Es gibt damit keine Eins-zu-Eins-Entsprechung zwischen den elektromagnetischen Einheiten des MKSA (bzw. des SI) und des CGS, auch nicht zwischen den verschiedenen CGS-Varianten untereinander. Umrechnungen beinhalten neben einem reinen Zahlenfaktor eben auch die Größenwerte der obigen, im CGS eingesparten Konstanten.
Wie in anderen Einheitensystemen umfassen die CGS-Einheiten zwei Einheitengruppen, die Basiseinheiten und die abgeleiteten Einheiten. Letztere lassen sich jeweils als Produkt von Potenzen (Potenzprodukt) der Basiseinheiten schreiben. Da das System kohärent („zusammenhängend“) ist, kommen in den Potenzprodukten keine weiteren Zahlenfaktoren vor. Für die CGS-Einheit einer beliebigen Größe G heißt das mathematisch:
Dabei sind
Obige Einheitengleichung kann auch als entsprechende Dimensionsgleichung dargestellt werden:
Dabei sind L, M und T die Dimensionszeichen der Basisgrößen Länge, Masse und Zeit (englisch time).
Da das MKS-Einheitensystem die gleichen Basisgrößen benutzt, ist die Dimension einer Größe in beiden Systemen gleich (gleiche Basen und gleiche Exponenten im Dimensionsprodukt), d. h. die Dimensionsgleichung ist in beiden Systemen identisch. Wegen der zwei unterschiedlichen Basiseinheiten stimmen in den Einheitengleichungen der beiden Systeme jedoch neben der gemeinsamen Basiseinheit s nur die Exponenten überein. Formal lautet die Umrechnung:
Jeder CGS-Einheit entspricht somit eindeutig eine MKS-Einheit, sie unterscheiden sich nur um eine Zehnerpotenz als Zahlenfaktor.
Einigen abgeleiteten CGS-Einheiten wurden eigene Namen und Einheitenzeichen (Symbole) zugeordnet, die selbst wieder mit allen Basis- und abgeleiteten Einheiten kombiniert werden können. So eignet sich zum Beispiel die CGS-Einheit der Kraft, das Dyn (= g·cm/s2), um die Einheit der Energie, das Erg, als Dyn mal Zentimeter (dyn·cm) auszudrücken. Die folgende Tabelle listet die benannten Einheiten auf.
Größe | Einheit | Zeichen | Definition | SI | |
---|---|---|---|---|---|
Schwerebeschleunigung | Gal | Gal | cm/s2 | = cm·s−2 | 10−2 m·s−2 |
Kraft | Dyn | dyn | g·cm/s2 | = cm·g·s−2 | 10−5 N |
Druck | Barye | Ba | dyn/cm2 | = cm−1·g·s−2 | 10−1 Pa |
Energie, Arbeit | Erg | erg | dyn·cm | = cm2·g·s−2 | 10−7 J |
Kinematische Viskosität | Stokes | St | cm2/s | = cm2·s−1 | 10−4 m2·s−1 |
Dynamische Viskosität | Poise | P | g/(cm·s) | = cm−1·g·s−1 | 10−1 Pa·s |
Wellenzahl | Kayser | kayser | 1/cm | = cm−1 | 102 m−1 |
Das erste System zur Beschreibung elektrischer und magnetischer Größen wurde 1832 von Carl Friedrich Gauß und in der Folge von Wilhelm Eduard Weber entwickelt. Sie verwendeten dabei die drei Grundgrößen der Mechanik: Länge, Masse und Zeit. In der Folge entwickelte man mehrere Varianten dieses Systems, und als Basiseinheiten wurden schließlich Centimeter, Gramm und Sekunde festgelegt:
Da das Gauß-System zu recht unhandlichen Größen führte, definierte man die Einheiten
Für die so definierten „absoluten Einheiten“ schuf man international einheitliche Normale, mit denen man „internationale Einheiten“ definierte.
Die Dimensionen in CGS-Systemen sind oft unanschaulich – so hat die elektrische Kapazität im elektrostatischen und im Gauß’schen CGS-System die Einheit „cm“, ebenso wie die Induktivität im elektromagnetischen CGS-System. Viele Größen haben halbzahlige Dimensionsexponenten, was bei Systemen mit nur drei Basiseinheiten unvermeidbar ist.
1901 zeigte Giovanni Giorgi, dass man ein kohärentes System mit durchgehend ganzzahligen Dimensionsexponenten schaffen kann, wenn man eine vierte Basiseinheit einführt. Das MKS-System wurde daher durch Hinzunahme des Ampere als vierte Basiseinheit zum MKSA-System erweitert, aus dem sich das Internationale Einheitensystem (SI) entwickelte. Durch einen „extrem glücklichen Zufall“[1] waren die „handlichen“ Einheiten „Volt“ und „Ampere“ im Gauß-System so definiert worden, dass sich 1 V·A = 107 erg/s ergibt, was im MKS-System gerade 1 J/s entspricht. Daher konnten sie unverändert in das MKS-System übernommen werden, ohne dass im Bezug zu den Einheiten der Mechanik Vorfaktoren auftraten.
Während das MKSA-System zwei dimensionsbehaftete Konstanten erfordert (Lichtgeschwindigkeit $ {\textstyle c} $ und magnetische Feldkonstante $ {\textstyle \mu _{0}} $ oder äquivalent dazu $ {\textstyle \mu _{0}} $ und elektrische Feldkonstante $ {\textstyle \varepsilon _{0}} $), kommen die CGS-Systeme mit der einen Konstante $ {\textstyle c} $ aus.
MKSA und CGS sowie teilweise auch die CGS-Varianten untereinander unterscheiden sich in den Dimensionen. So haben die magnetische Flussdichte $ B $ und die magnetische Feldstärke $ H $ im elektromagnetischen und im Gauß’schen CGS-System die gleiche Dimension, während das im SI und im elektrostatischen CGS-System nicht der Fall ist.
Die Gleichungen der Elektrodynamik unterscheiden sich zwischen MKSA und CGS, aber auch in den einzelnen CGS-Varianten. Formeln können nicht immer 1:1 zu übertragen werden, und auch die Maßeinheiten unterscheiden sich nicht immer nur durch einen Faktor.
System | $ \alpha _{1} $ | $ \alpha _{2} $ | $ \alpha _{2}/\alpha _{1} $ |
---|---|---|---|
esE | $ 4\pi $ | $ 4\pi $ | 1 |
emE | $ 4\pi c^{2} $ | $ 4\pi c^{2} $ | 1 |
Gauß | $ 4\pi $ | $ 4\pi c $ | $ c $ |
HLE | 1 | $ c $ | $ c $ |
SI | $ {\textstyle {\frac {1}{\varepsilon _{0}}}=\mu _{0}c^{2}} $ | 1 |
Die Elektrodynamik wird vollständig durch die Maxwell’schen Gleichungen beschrieben, die sich unabhängig vom Einheitensystem mit Hilfe dreier Proportionalitätskonstanten $ c $, $ \alpha _{1} $ und $ \alpha _{2} $ formulieren lassen:
wobei $ \rho $ die Ladungsdichte und $ {\vec {j}} $ die elektrische Stromdichte ist. Die Konstante $ \alpha _{1} $ verknüpft die elektrische Ladung $ Q $ mit der elektrischen Feldstärke $ {\vec {E}} $ (Coulomb-Gesetz) und die Konstante $ \alpha _{2} $ den elektrischen Strom $ I $ mit der magnetischen Flussdichte $ {\vec {B}} $ (Ampèresches Gesetz). Das konstante Verhältnis $ \alpha _{2}/\alpha _{1} $ und dessen Kehrwert beschreibt die Abhängigkeit von elektrischem und magnetischem Feld, wenn diese sich zeitlich ändern (Verschiebungsstrom und Induktionsgesetz).
Die folgende Tabelle gibt die elektrodynamischen Einheiten von drei CGS-Varianten sowie deren Beziehung zum SI an. Außerdem sind die Dimensionen im Gauß-System (die gleichermaßen für das Heaviside-Lorentz-System gelten) angegeben. Man beachte, dass im Gauß-System elektrische und magnetische Felder (Feldstärke und Flussdichte) dieselben Dimensionen haben.
Vorlage:Elektromagnetische Einheiten
Die CGS-Einheiten der Photometrie sind heute weitgehend außer Gebrauch.
Größe | Einheit | Zeichen | Definition | SI |
---|---|---|---|---|
Beleuchtungsstärke | Phot | ph | lm/cm2 | 104 lx = 104 lm/m2 |
Leuchtdichte | Stilb | sb | cd/cm2 | 104 cd/m2 |
Vorlage:Navigationsleiste CGS-Einheiten