Hypo-Elastizität (hypo- , altgriechisch „unter“) ist ein von Clifford Truesdell vorgeschlagenes Materialmodell für Elastizität, in dem die Änderung der Spannungen eine ausschließlich von den Spannungen bestimmte, lineare Funktion der Änderung der Dehnungen ist. Erst indem dieser Zusammenhang über die Zeit verfolgt wird, ergibt sich für das vorliegende Materialgesetz die Spannungs-Dehnungs-Beziehung.
Es gibt Materialmodelle, die sowohl zur Hypo- als auch zur Cauchy-Elastizität gehören. Beide Theorien besitzen aber auch Mitglieder, die von der anderen Theorie nicht erfasst werden. Die Formulierung der Hypo-Elastizität ist derart allgemein, dass sie sogar Verbindungen zur Plastizitätstheorie aufweist.
Ursprünglich beabsichtigte Truesdell ein neues Konzept für elastisches Verhalten zu formulieren, das, außer im linearen Sonderfall, exklusiv für große Deformationen sein sollte. Truesdell selbst meinte 1963: „Hypo-elasticity seems to offer a convenient summary of certain aspects of response common to many materials, rather than a theory of any particular material“ (zu deutsch etwa: „Hypo-Elastizität scheint eher eine geeignete Möglichkeit zu sein, gewisse Aspekte des Verhaltens, das vielen Materialien gemeinsam ist, nachzubilden, als eine Theorie für ein konkretes Material zu sein.“)
C. Truesdell beschreibt den Werdegang seiner Theorie wie folgt:[1]
Das grundlegende Konzept wurde von Augustin-Louis Cauchy selbst in seiner Theorie über elastische Medien mit Eigenspannungen vorgeschlagen,[2] wobei er Raten nicht direkt erwähnte, sondern in infinitesimalen statischen Deformationen implizierte. Spezialfälle der Hypo-Elastizität mit konstanten Raten wurden von C. Jaumann[3] und Erwin Lohr angegeben. Eine Theorie der Visco-Elastizität, die einen Spezialfall der Hypo-Elastizität beinhaltete, wurde von Stanisław Zaremba ohne eine Erwähnung der Implikationen für eine Elastizitätstheorie vorgeschlagen.[4] Die allgemeine Theorie wurde von F. Fromm formuliert, aber nicht weiter untersucht.[5] Letztendlich wurde die Theorie dann von C. Truesdell vorgeschlagen.[6] Barry Bernstein entdeckte den Zusammenhang mit der Plastizität und formulierte Integrabilitätsbedingungen. Die Erforschung der Theorie dauert bis ins einundzwanzigste Jahrhundert an.
Ein hypo-elastisches Material gehorcht einem konstitutiven Gesetz der Form
Darin ist
Als Zeitableitungen
Name | Formel |
---|---|
Zaremba-Jaumann Ableitung | |
Konvektive kontravariante Oldroyd Ableitung | |
Cauchy-Ableitung[8] |
Der Tensor
heißt Spin- oder Wirbel-Tensor.
In der Definition der Hypo-Elastizität wurde bei den Zeitableitungen bereits darauf geachtet, dass sie nicht von einer euklidischen Transformation des Beobachters abhängen. Dadurch ist aber noch nicht gewährleistet, dass das Produkt
für beliebige orthogonale Tensoren
also eine isotrope Tensorfunktion von
In einem von Eigenspannungen freien, unbelasteten Partikel eines hypo-elastischen Materials ist
unabhängig davon, welche objektive Zeitableitung
Umgekehrt ist ein Material, das aus einem spannungsfreien Zustand heraus bei kleinen Deformationen nicht isotrop – sondern anisotrop – reagiert, nicht hypo-elastisch.
Bei einem isotropen Cauchy-elastischen Material ergibt sich der Cauchy’sche Spannungstensor als isotrope Tensorfunktion des linken Cauchy-Green Tensors
Die Koeffizienten
berechnet sich[9]
Die Ableitung des Spannungstensors nach der Zeit liefert so:
Wenn also die Spannungs-Deformationsbeziehung invertierbar ist
dann ist ein isotropes, Cauchy-elastisches Material auch hypo-elastisch, was erstmals Walter Noll[10] aufzeigte.
Hypo-Elastizität beinhaltet auch Modelle, die mit Elastizität unverträglich sind. Wenn beispielsweise der konstitutive Tensor
Barry Bernstein[11] formulierte Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit Hypo-Elastizität konsistent mit einer bestimmten Spannungs-Dehnungs-Beziehung ist.