Hauptinvariante

Hauptinvariante

Die Hauptinvarianten eines Tensors sind die Koeffizienten seines charakteristischen Polynoms.

Die Komponenten eines Tensors referenzieren auf Dyaden von Vektoren, die sich ihrerseits komponentenweise bezüglich einer Vektorraumbasis darstellen lassen. Bei einem Wechsel der Basis ändern sich die Komponenten der Vektoren in charakteristischer Weise, nicht aber die Beträge der Vektoren. Der Betrag eines Vektors ist also invariant gegenüber einem Wechsel der Basis. In gleicher Weise sind die Hauptinvarianten des Tensors invariant gegenüber einem Wechsel der Basis, daher der Name.

Die Hauptinvarianten symmetrischer Tensoren spielen eine zentrale Rolle in der Materialtheorie. Eine wichtige Anforderung an Materialmodelle leitet sich daraus ab, dass ein bewegter Beobachter immer dasselbe Materialverhalten misst wie ein ruhender. Diese Eigenschaft wird materielle Objektivität genannt. Die Bewegung eines Beobachters wird mathematisch als Wechsel des Bezugssystems und somit als Wechsel der Vektorraumbasis beschrieben. Die Hauptinvarianten sind also Größen, die alle Beobachter in gleicher Weise wahrnehmen und die daher für die Materialmodellierung geeignet sind. Beispiele für Materialmodelle, die die Hauptinvarianten benutzen, sind das Hooke'sche Gesetz, die Hyperelastizität und Plastizitätstheorie.

Die Darstellung erfolgt in drei Dimensionen für Tensoren zweiter Stufe, lässt sich aber in einfacher Weise auf mehr Dimensionen verallgemeinern.

Definition

Gegeben sei ein Tensor zweiter Stufe T. Dann lautet sein charakteristisches Polynom:

p(λ):=det(Tλ1)=λ3+I1λ2I2λ+I3.

Darin ist det die Determinante, 1 der Einheitstensor, λ eine reelle oder komplexe Zahl und die Koeffizienten I1,2,3 sind die drei Hauptinvarianten

I1:=Sp(T)I2:=12[Sp(T)2Sp(TT)]=Sp(adj(T))=Sp(cof(T))I3:=det(T)

Der Operator Sp liefert die Spur seines Arguments, adj(T) ist die Adjunkte und cof(T) der Kofaktor

adj(T):=cof(T):=TTI1T+I21=det(T)T1

wobei letztere Identität nur gilt, wenn der Tensor invertierbar ist und mithin det(T)0 ist.

Berechnung der Hauptinvarianten

Für Tensoren zweiter Stufe ist die Addition und Multiplikation mit einem Skalar definiert, weshalb die Menge aller Tensoren zweiter Stufe einen Vektorraum bildet, der Vektorraumbasen besitzt, die aus Dyaden bestehen, die sich wiederum mit dem dyadischen Produkt zweier Vektoren berechnen. Sei V3 der Vektorraum der geometrischen Vektoren. Dann ist Lin(V3,V3) der Vektorraum der Tensoren zweiter Stufe, die Vektoren aus V3 in den V3 abbilden. Bezüglich einer Vektorraumbasis des Lin(V3,V3) kann jeder Tensor komponentenweise dargestellt werden und aus diesen Komponenten können die Hauptinvarianten berechnet werden, die ja unabhängig von der Wahl der Basis sind.

Hauptinvarianten in Komponenten bezüglich der Standardbasis

Sei e^1,2,3 die Standardbasis des V3 und

T=i,j=13Tije^ie^j=(T11T12T13T21T22T23T31T32T33)

ein Tensor mit den Komponenten Tij bezüglich dieser Standardbasis. Dann berechnet sich

I1(T)=T11+T22+T33I2(T)=T11T22+T11T33+T22T33T12T21T13T31T23T32I3(T)=T11(T22T33T23T32)+T12(T23T31T21T33)+T13(T21T32T22T31)

Hauptinvarianten in Komponenten bezüglich einer allgemeinen Basis

Seien a1,2,3 und b1,2,3 zwei beliebige Basissysteme des V3 und

T=i,j=13Tijaibj=(T11T12T13T21T22T23T31T32T33)aibj

ein Tensor mit den Komponenten Tij bezüglich dieser Basen. Dann berechnet sich

I1(T)=i,j=13Tijaibj
I2(T)=12i,j,k,l=13TijTkl[(aibj)(akbl)(aibl)(akbj)]
I3(T)=|T11T12T13T21T22T23T31T32T33||a1a2a3||b1b2b3|

wo die letzten beiden Determinanten den Spatprodukten der Basisvektoren entsprechen.

Zusammenhang mit dem äußeren Tensorprodukt

Das äußere Tensorprodukt # ist mittels Dyaden definiert über

(ag)#(bh):=(a×b)(g×h)

Mit diesem und dem Frobenius-Skalarprodukt „:“ von Tensoren bekommen die drei Hauptinvarianten die Darstellungen

I1(T)=12(T#1):1,I2(T)=12(T#T):1,I3(T)=16(T#T):T.

Zusammenhang mit anderen Invarianten

Eigenwerte

Die Eigenwerte λ1,2,3 eines Tensors zweiter Stufe sind die Lösungen p(λ)=0 seines charakteristischen Polynoms und ebenfalls Invarianten. Nach dem Satz von Vieta gilt:

I1=λ1+λ2+λ3I2=λ1λ2+λ2λ3+λ3λ1I3=λ1λ2λ3.

Betrag eines Tensors

Der Betrag eines Tensors

T:=T:T:=Sp(TT),

definiert mit der Frobeniusnorm () und dem Frobenius-Skalarprodukt „:“, lässt sich im Allgemeinen nicht mit den drei Hauptinvarianten darstellen. Es gelingt aber bei symmetrischen oder schiefsymmetrischen Tensoren.

Bei symmetrischen Tensoren ist T=T, d. h. der Tensor ist mit seiner transponierten identisch, und daher

I2=12[Sp(T)2Sp(TT)]=12[I12Sp(TT)]=12[I12T2]T=I122I2.

Bei schiefsymmetrischen Tensoren ist T=T und daher Sp(T)=0 und

I2=12[Sp(T)2Sp(TT)]=12Sp(TT)=12T2T=2I2.

Spuren der Potenzen eines Tensors

Die drei Hauptinvarianten lassen sich auch mit den Spuren der Potenzen eines Tensors darstellen, die ebenfalls Invarianten sind. Sei

Jn:=Sp(Tn):=Sp(TTTn-mal),n=1,2,3,,

dann gilt

I1=J1,I2=12(J12J2),I3=16(2J3+J133J1J2)=13(J3+3I1I2I13).

Ableitungen der Hauptinvarianten

In der Hyperelastizität wird die Formänderungsenergie, die aufgebracht werden muss um einen Körper zu verformen, manchmal als Funktion der Hauptinvarianten des Verzerrungstensors modelliert. Die Spannungen ergeben sich dann aus der Ableitung der Formänderungsenergie nach dem Verzerrungstensor, wofür die Ableitungen der Hauptinvarianten nach dem Verzerrungstensor benötigt werden. Daher lohnt es sich, diese Ableitungen bereitzustellen.

Die Ableitung einer skalarwertigen Funktion f(T) nach dem Tensor T ist der Tensor A für den gilt

A:H=df(T+sH)ds|s=0HLin(V3,V3)

Man schreibt dann auch

dfdT=A.

So berechnet sich:

dI1(T+sH)ds|s=0=I1(H)=1:HdI1(T)dT=1dI2(T+sH)ds|s=0=dds12[I1(T+sH)2I1((T+sH)2)]|s=0=12[2I1(T+sH)I1(H)2I1((T+sH)H)]|s=0=I1(T)I1(H)I1(TH)dI2(T)dT=I1(T)1T

Mit dem charakteristischen Polynom und dem Determinantenproduktsatz zeigt sich

det(T+sH)=det(sT(1s1+T1H))=det(T)s3det(T1H+1s1)=det(T)s3(1s3+1s2I1(T1H)+1sI2(T1H)+I3(T1H))=det(T)[1+sI1(T1H)+s2I2(T1H)+s3I3(T1H)]

Daraus berechnet sich die Ableitung

ddsdet(T+sH)|s=0=det(T)I1(T1H)dI3(T)dT=det(T)T1.

Diese Ableitung existiert nur, wenn T invertierbar, also det(T) ≠ 0 ist.

Anwendungen

Die folgenden Beispiele zeigen die Benutzung der Hauptinvarianten in Materialtheorien und oft benutzten Materialmodellen:

  1. Hookesches Gesetz: Der Spannungstensor σ berechnet sich aus dem Verzerrungstensor ε gemäß σ=2G(ε+ν12νI1(ε)1). Darin ist G der Schubmodul und ν die Querkontraktionszahl.
  2. Hyperelastizität: Die Formänderungsenergiedichte ψ im Neo-Hooke Modell ist ψ=μ(I1(b)3). Darin ist μ ein Materialparameter und b der linke Cauchy-Green Tensor.
  3. Plastizitätstheorie, Festigkeitslehre: Die v. Mises Vergleichsspannung σv=3I2(σD) ist eine Funktion der zweiten Hauptinvariante des Spannungsdeviators σD:=σI1(σ)31.
  4. Inkompressibilität: Hier ist die dritte Hauptinvariante des Deformationsgradienten F an jedem materiellen Punkt konstant: I3(F)1.

Beispiel

Es wird der Nachweis der Invarianz der Spur eines Tensors erbracht. Seien a1,2,3 und b1,2,3 zwei beliebige Basissysteme des V3 und

T=i,j=13TijaibjSp(T)=i,j=13Tijaibj.

Beim Wechsel zu anderen Basen c1,2,3 und d1,2,3 mit dualen Basen c1,2,3 und d1,2,3 berechnen sich die neuen Komponenten Tij gemäß

T=i,j=13Tijaibj=i,j,k,l=13Tij(aick)ck(bjdl)dl=:k,lTklckdl=:TTkl=i,j=13Tij(aick)(bjdl)

Die Spur mit den neuen Komponenten Tij ergibt sich also zu

Sp(T)=Sp(k,l=13Tklckdl)=k,l=13Tklckdl=i,j,k,l=13Tij(aick)(bjdl)ckdl=i,j,k,l=13Tij(aick)ck(bjdl)dl=i,j=13Tijaibj=Sp(T)

was zu zeigen war.

Siehe auch

Literatur

  • H. Altenbach: Kontinuumsmechanik. Springer 2012, ISBN 978-3-642-24118-5.