Reduzierte Masse

Reduzierte Masse

Die reduzierte Masse mred ist eine fiktive Masse, die unter bestimmten Voraussetzungen die Eigenschaften zweier Einzelmassen eines Systems repräsentiert. Verallgemeinert für ein System mit N Einzelmassen ist sie das 1N-fache des harmonischen Mittels dieser Massen.

Astronomie, Teilchenbewegung

Wenn sich zwei Körper mit Massen m1 und m2 bewegen, ohne dem Einfluss einer Gesamtkraft zu unterliegen, so lassen sich die Bewegungsgleichungen aufspalten in die freie Bewegung des Schwerpunktes und das Ein-Körper-Problem der Relativbewegung. Dabei verhält sich das leichtere Teilchen im relativen Abstand zum schwereren Teilchen wie ein Teilchen, das die durch

1mred=1m1+1m2

charakterisierte reduzierte Masse[1]

mred:=m1m2m1+m2

hat.

Je nach Masse m1 des schwereren Körpers (m1m2) gilt für die reduzierte Masse:

m22mred<m2

mit den Randwerten

  • mredm2/2 für m1m2 und
  • mredm2 für m1m2m2/m11.

In wichtigen Fällen (Planetenbewegung, Bewegung eines Elektrons im Coulombfeld des Atomkerns) unterscheiden sich die Massen des schwereren und des leichteren Körpers sehr stark (m2/m11). Dann ist die reduzierte Masse fast die Masse des leichteren Teilchens:

mred=m21+m2/m1m2(1m2m1)m2

So lässt sich zum Beispiel die Relativbewegung Mond-Erde auf ein Ein-Körper-Problem reduzieren: Der Mond bewegt sich wie ein Körper mit reduzierter Masse mred im Gravitationsfeld der Erde.

In vielen Lehrbüchern wird die reduzierte Masse mit dem griechischen Buchstaben μ abgekürzt.

Herleitung

  • Bei verschwindender Gesamtkraft lauten die Bewegungsgleichungen für die Orte r1 und r2 der beiden Körper:
m1d2r1dt2=F
m2d2r2dt2=F
  • Addiert man diese zwei Gleichungen, so erhält man für den Schwerpunkt
R:=m1r1+m2r2M
mit der Massensumme M:=m1+m2 die Bewegungsgleichung
R¨=0
eines freien Teilchens. Also bewegt sich der Schwerpunkt geradlinig gleichförmig:
R(t)=R(0)+tv(0)
  • Subtrahiert man die durch die jeweilige Masse dividierten Bewegungsgleichungen der Teilchen, so erhält man
d2dt2(r1r2)=(1m1+1m2)F=1mredF
mredd2rdt2=F
als Bewegungsgleichung für den relativen Ortsvektor r:=r1r2. Dieser bewegt sich also wie ein Teilchen der reduzierten Masse mred unter dem Einfluss der Kraft F.

Drehimpuls

Für ein System aus zwei Teilchen kann mithilfe der reduzierten Masse der Drehimpuls im Schwerpunktsystem angegeben werden als

LS=i=12LiS=(r1S×p1S)+(r2S×p2S)=(r1Sr2S)×p1S=r12×mredv12

Hier bezeichnen

  • riS,piS jeweils den Ortsvektor bzw. den Impuls des Teilchens i bezogen auf den Schwerpunkt.
  • r12,v12 jeweils den relativen Abstand bzw. die relative Geschwindigkeit der beiden Teilchen.

Auf den Schwerpunkt bezogen ist der Drehimpuls eines Gesamtsystems von zwei Teilchen also genau so groß wie der Drehimpuls eines Teilchens mit dem Impuls mredv12 und dem Ortsvektor r12.[2]

Technische Mechanik

Eine Punktmasse m, die im Abstand rm um eine Achse rotiert, kann auf einen anderen Abstand r umgerechnet werden. Die reduzierte Masse im neuen Abstand r hat das gleiche Trägheitsmoment bezüglich der Drehachse wie die ursprüngliche Masse. Mit der Übersetzung

i=rmr

berechnet sich die reduzierte Masse zu:

mred=i2m

Anwendung z. B. in der Schwingungslehre.

Einzelnachweise

  1. C. Czeslik, H. Seemann, R. Winter: Basiswissen Physikalische Chemie. 4. Auflage. Vieweg+Teubner, Wiesbaden 2010, ISBN 978-3-8348-0937-7 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  2. W.Demtröder: Experimentalphysik 1. 7. Auflage. Springer-Verlag, Berlin 2015, ISBN 978-3-662-46415-1.