Debye-Waller-Faktor: Unterschied zwischen den Versionen

Debye-Waller-Faktor: Unterschied zwischen den Versionen

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Der '''Debye-Waller Faktor''' ('''DWF''', nach [[Petrus Josephus Wilhelmus Debye|Peter Debye]] und [[Ivar Waller]]) beschreibt die Temperaturabhängigkeit der Intensität der kohärent elastisch gestreuten Strahlung an einem [[Kristall]]gitter.<ref name="Debye1913">{{cite journal  
Der '''Debye-Waller-Faktor''' ('''DWF''', nach [[Peter Debye]] und [[Ivar Waller]]) beschreibt, wie die [[Intensität (Physik)|Intensität]] der an einem [[Kristallgitter]] [[Kohärenz (Physik)|kohärent]] elastisch [[Streuung (Physik)|gestreut]]en Strahlung von der Temperatur abhängt.<ref name="Debye1913">{{cite journal  
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|bibcode = 1923ZPhy...17..398W }}</ref> Nur diese elastische Streuung unterliegt den [[Laue-Bedingung]]en; die komplementäre, inelastische Streuung wird als [[thermisch-diffuse Streuung|thermisch-diffus]] bezeichnet.
|bibcode = 1923ZPhy...17..398W }}</ref> Nur diese elastische Streuung unterliegt den [[Laue-Bedingung]]en; die komplementäre, inelastische Streuung wird als [[thermisch-diffuse Streuung|thermisch-diffus]] bezeichnet.
Durch [[thermische Bewegung]] der Atome werden die Reflexe der elastischen Streuung nicht verbreitert, sondern ihre Intensität herabgesetzt. Es erscheint allerdings ein diffuser Untergrund zwischen den Reflexen als Folge der [[Energieerhaltung]].


In der [[Neutronenstreuung]] wird der Begriff Debye-Waller-Faktor teilweise unterschiedslos auf kohärente und inkohärente Streuung angewandt; teilweise wird für letztere aber auch der genauere Begriff [[Lamb-Mößbauer-Faktor]] benutzt.
In der [[Neutronenstreuung]] wird der Begriff Debye-Waller-Faktor teilweise unterschiedslos auf kohärente und inkohärente Streuung angewandt; teilweise wird für letztere aber auch der genauere Begriff [[Lamb-Mößbauer-Faktor]] benutzt.


:<math> I=I_{{0}} \mathrm{e}^{-1/3\, \left| \vec G \right|^{2}\overline {{u}^{2}}}</math>
== Definition ==
Die Intensität <math>I_{0}</math> der einfallenden Welle wird durch Multiplikation mit dem Debye-Waller-Faktor auf die Intensität <math>I</math> der gestreuten Welle reduziert, und zwar um den Faktor <math>(1 - DWF)</math>:
 
:<math>I = I_{0} \cdot \underbrace{\exp \left( -\frac{1}{3} \, \left| \vec G \right| ^{2} \, \overline{{u}^{2}} \right)}_{DWF < 1}</math>
 
mit
* der natürlichen [[Exponentialfunktion]] <math>\exp()</math>
* einem [[Gittervektor]] <math>G</math> des [[reziprokes Gitter|reziproken Gitters]]
* der temperaturabhängigen [[Schwingung|Oszillation]]s&shy;[[amplitude]] <math>u = u(T)</math> der Atome.
 
Die [[Bragg-Gleichung|Bragg]]-[[Beugung (Physik)|Beugung]]s[[Reflexion (Physik)|reflex]]e werden also aufgrund der [[Gitterschwingung]]en umso mehr [[Dämpfung|gedämpft]], je höher die Temperatur und je höher ihre Ordnung ist:
* Der&nbsp;DWF ist maximal, wenn die Atome in der Nähe des [[absoluter Nullpunkt|absoluten Nullpunkts]] nicht schwingen (entspricht dem statischen Fall):
::<math>T \approx 0K \Rightarrow u \approx 0 \Rightarrow DWF \approx 1</math>.
* Bei größerer Temperatur wird <math>\overline{|\vec{u}|^{2}}</math> größer und somit der Exponentialfaktor kleiner.
* Der&nbsp;DWF und somit die Reflex-Intensität ist außerdem umso kleiner, je größer <math>|\vec{G}|^{2}</math> ist, also je höher die [[Millersche Indizes|Millerschen Indizes]] der [[Gitterebene|Netzebene]]n<nowiki></nowiki>schar sind, an der die Bragg-Reflexion stattfindet.
 
Bei Betrachtung eines [[harmonischer Oszillator|harmonischen Oszillators]] mit der Energie:<ref>C. Kittel, ''Einführung in die Festkörperphysik'', 7. Auflage, Oldenbourg, 1986, ISBN 3-486-20240-5, Anhang A, S. 680ff</ref>
 
:<math>\begin{alignat}{2}
\overline{E}  &= \frac{1}{2} M {\omega}^{2} &&\overline {{u}^{2}} = \frac{3}{2}k_{b} T\\
              &\Leftrightarrow              &&\overline {{u}^{2}} = \frac{3 k_{b} T}{M {\omega}^{2} }
\end{alignat}</math>


Hier ist I<sub>0</sub> die Intensität der einfallenden Welle, die um den Faktor der [[Exponentialfunktion|e-Funktion]] auf I reduziert wird. G ist ein [[reziprokes Gitter|reziproker Gittervektor]], und u die temperaturabhängige Oszillations&shy;amplitude der Atome.
mit
* der [[Boltzmann-Konstante]] <math>k_{b}</math><!-- Was sind M und omega? -->


Dabei werden die [[Bragg-Gleichung|Bragg]]-Beugungsreflexe aufgrund der Gitterschwingungen umso mehr gedämpft, je höher die Temperatur ist und je höher ihre Ordnung ist.
lässt sich der temperaturabhängige Debye-Waller-Faktor auch schreiben als:


Bei Betrachtung eines [[harmonischer Oszillator|harmonischen Oszillators]] mit der Energie<ref>C. Kittel, ''Einführung in die Festkörperphysik'', 7. Auflage, Oldenbourg, 1986, ISBN 3-486-20240-5 , Anhang A, S. 680ff</ref>:
:<math>DWF = \exp \left( -\frac{k_{b} T \, \left| \vec G \right|^{2}}{M {\omega}^{2}} \right)</math>
:<math>{\overline{E}}=\frac{1}{2} M {{\omega}^{2}}\overline {{u}^{2}}=\frac{3}{2}k_{b} T </math>
lässt sich der temperaturabhängige Debye-Waller Faktor wie folgt schreiben:
:<math> {DWF}=\mathrm{e}^{-k_{b} T  \left| \vec G \right|^{2} /{ M {\omega}^{2}}}</math>


== Herleitung ==
== Herleitung ==
Der [[Strukturfaktor]] <math>F_{hkl}</math> ist ein Maß für die relative Intensität eines durch die Millerschen Indizes <math>h</math>, <math>k</math>, <math>l</math> bestimmten Beugungsreflexes.
Der [[Strukturfaktor]] <math>F_{hkl}</math> ist ein Maß für die relative Intensität eines durch die [[Millersche Indizes|Millerschen Indizes]] <math>h</math>, <math>k</math>, <math>l</math> bestimmten Beugungsreflexes:
 
:<math>F_{hkl}=\sum_{i}f_{i}\,\exp\left[i\,\vec{G}\cdot\vec{r}_{i}\right]</math>


Die Summe läuft über alle Atome der Basis. Dabei ist <math>\vec{r}_{i}</math> ein Ortsvektor, der von einem festen Bezugspunkt innerhalb der Elementarzelle zum Kern des <math>i</math>-ten Atom zeigt, <math>\vec{G}=h\vec{b}_{1}+k\vec{b}_{2}+l\vec{b}_{3}</math> ein reziproker Gittervektor und <math>f_{i}</math> der [[Strukturfaktor|atomare Streufaktor]] des <math>i</math>-ten Atoms:
:<math>F_{hkl} = \sum_{i}f_{i} \, \exp \left[ i \, \vec{G} \cdot \vec{r}_{i} \right]</math>


:<math>f_{i}=\int_{V_{A_{i}}}n_{i}(\vec{\tilde{r}}\,)\,\exp\left[i\,\vec{G}\cdot\vec{\tilde{r}}\right]\mathrm{d}^{3}\tilde{r}</math>
Die Summe läuft über alle Atome der [[Kristallbasis|Basis]]. Dabei ist
* <math>i</math> die [[imaginäre Einheit]]
* <math>\vec{G} = h\vec{b}_{1} + k\vec{b}_{2} + l\vec{b}_{3}</math> ein reziproker Gittervektor
* <math>\vec{r}_{i}</math> ein [[Ortsvektor]], der von einem festen Bezugspunkt innerhalb der [[Elementarzelle]] zum Kern des <math>i</math>-ten Atom zeigt
* <math>f_{i}</math> der [[Strukturfaktor #Atomarer Streufaktor|atomare Streufaktor]] des <math>i</math>-ten Atoms:
::<math>f_{i} = \int_{V_{A_{i}}}n_{i}(\vec{\tilde{r}} \, ) \, \exp \left[ i \, \vec{G} \cdot \vec{\tilde{r}} \right] \mathrm{d}^{3}\tilde{r}</math>
:* <math>V_{A_{i}}</math> das Volumen
:* <math>n_{i}(\vec{\tilde{r}})</math> das Streuvermögen (z.&nbsp;B. [[Elektronendichte]] bei [[Röntgenbeugung]], [[Ladungsdichte]] bei [[Elektronenbeugung]]) des <math>i</math>-ten Atoms.


<math>V_{A_{i}}</math> ist das Volumen und <math>n_{i}(\vec{\tilde{r}}\,)</math> das Streuvermögen (z.&nbsp;B. Elektronendichte bei Röntgenbeugung, Ladungsdichte bei Elektronenbeugung) des <math>i</math>-ten Atoms.
Betrachtet man die thermische Bewegung der Atome, so ist <math>\vec{r}_{i}</math> zeitabhängig. Nun zerlegt man <math>\vec{r}_{i}</math> in einen mittleren Aufenthaltsort <math>\vec{r}_{i,0}</math> ([[Gleichgewichtslage]], ruhend) und die [[Auslenkung]] <math>\vec{u}_{i}(t)</math> (zeitabhängig):


Betrachtet man die thermische Bewegung der Atome, so ist <math>\vec{r}_{i}</math> zeitabhängig. Nun zerlegt man <math>\vec{r}_{i}</math> in einen mittleren Aufenthaltsort <math>\vec{r}_{i,0}</math> (Gleichgewichtslage, ruhend) und die Auslenkung <math>\vec{u}_{i}(t)</math> (zeitabhängig). Letztere führt auf den Debye-Waller-Faktor.
::<math>\vec{r}_{i}(t) = \vec{r}_{i,0} + \vec{u}_{i}(t)</math>


:<math>\vec{r}_{i}(t)=\vec{r}_{i,0}+\vec{u}_{i}(t)</math>
Die Schwingungsperioden sind sehr kurz (<math><10^{-10}</math>s) gegenüber der Beobachtungsdauer, sodass immer ein zeitlicher Mittelwert gemessen wird:


Die Schwingungsperioden sind sehr kurz (<math><10^{-10}</math>s) gegenüber der Beobachtungsdauer, sodass immer ein zeitlicher Mittelwert gemessen wird. Der zeitliche Mittelwert des Strukturfaktors ist
:<math>\begin{align}
\overline{F_{hkl}} &= \sum_{i}f_{i} \, \overline{\exp \left[ i \, \vec{G} \cdot \left( \vec{r}_{i.0} + \vec{u}_{i}(t) \right) \right]}\\
                  &= \sum_{i}f_{i} \, \exp \left[ i \, \vec{G} \cdot \vec{r}_{i.0} \right] \, \overline{\exp \left[ i \, \vec{G} \cdot \vec{u}_{i}(t) \right]}
\end{align}</math>


:<math>\overline{F_{hkl}}=\sum_{i}f_{i}\,\overline{\exp\left[i\,\vec{G}\cdot\left(\vec{r}_{i.0}+\vec{u}_{i}(t)\right)\right]}=\sum_{i}f_{i}\,\exp\left[i\,\vec{G}\cdot\vec{r}_{i.0}\right]\,\overline{\exp\left[i\,\vec{G}\cdot\vec{u}_{i}(t)\right]}</math>
Für kleine Auslenkungen [[Reihenentwicklung|entwickelt]] man die Exponentialfunktion bis zur zweiten Ordnung


Für kleine Auslenkungen entwickelt man die Exponentialfunktion bis zur zweiten Ordnung
::<math>\overline{\exp \left[ i \, \vec{G} \cdot \vec{u}_{i}(t) \right] } \approx 1 + i \, \overline{\vec{G} \cdot \vec{u}_{i}(t)} - \frac{1}{2}\overline{ \left( \vec{G} \cdot \vec{u}_{i}(t) \right) ^{2}}</math>


:<math>\overline{\exp\left[i\,\vec{G}\cdot\vec{u}_{i}(t)\right]}\approx1+i\,\overline{\vec{G}\cdot\vec{u}_{i}(t)}-\frac{1}{2}\overline{\left(\vec{G}\cdot\vec{u}_{i}(t)\right)^{2}}</math>
Die erste Ordnung verschwindet <math>\left( \overline{\vec{G}\cdot\vec{u}_{i}(t)} = 0 \right)</math>, da die Auslenkungen <math>\vec{u}_{i}(t)</math> [[statistisch]] in alle Raumrichtungen erfolgen <math>\left( \overline{\vec{u}_{i}(t)} = 0 \right)</math> und nicht mit der Richtung von <math>\vec{G}</math> [[Korrelation|korreliert]] sind.


Die erste Ordnung verschwindet <math>\overline{\vec{G}\cdot\vec{u}_{i}(t)}=0</math>, da die Auslenkungen <math>\vec{u}_{i}(t)</math> statistisch in alle Raumrichtungen erfolgen (zeitlicher Mittelwert von <math>\vec{u}_{i}</math> ist Null) und nicht mit der Richtung von <math>\vec{G}</math> korreliert sind. Die zweite Ordnung ist
Die zweite Ordnung ist


:<math>\overline{\left(\vec{G}\cdot\vec{u}_{i}(t)\right)^{2}}=|\vec{G}|^{2}\,\overline{|\vec{u}_{i}(t)|^{2}}\,\overline{\cos^{2}\theta}</math>
:::<math>\overline{ \left( \vec{G} \cdot \vec{u}_{i}(t) \right) ^{2}} = |\vec{G}|^{2} \, \overline{|\vec{u}_{i}(t)|^{2}}\, \overline{\cos^{2}\theta}</math>


Dabei ist <math>\theta</math> der Winkel zwischen <math>\vec{G}</math> und <math>\vec{u}_{i}(t)</math>. Man mittelt <math>\cos^{2}{\theta}</math> über alle Richtungen im dreidimensionalen Raum, also Integration über die Einheitskugel:
Dabei ist <math>\theta</math> der Winkel zwischen <math>\vec{G}</math> und <math>\vec{u}_{i}(t)</math>. Man mittelt <math>\cos^{2}{\theta}</math> über alle Richtungen im dreidimensionalen Raum, also Integration über die [[Einheitskugel]]:


:<math>\overline{\cos^{2}\theta}=\frac{\int_{0}^{2\pi}\mathrm{d}\phi\int_{0}^{\pi}\mathrm{d}\theta\,\sin\theta\cos^{2}\theta}{\int_{0}^{2\pi}\mathrm{d}\phi\int_{0}^{\pi}\mathrm{d}\theta\,\sin\theta}=\frac{1}{3}</math>
::::<math>\overline{\cos^{2}\theta} = \frac{\int_{0}^{2\pi}\mathrm{d}\phi\int_{0}^{\pi}\mathrm{d}\theta \, \sin\theta\cos^{2}\theta}{\int_{0}^{2\pi}\mathrm{d}\phi\int_{0}^{\pi}\mathrm{d}\theta \, \sin\theta} = \frac{1}{3}</math>


In die Exponentialfunktion eingesetzt ergibt dies:
In die Exponentialfunktion eingesetzt ergibt dies:


:<math>\overline{\exp\left[i\,\vec{G}\cdot\vec{u}_{i}(t)\right]}\approx1-\frac{1}{6}\,|\vec{G}|^{2}\,\overline{|\vec{u}_{i}(t)|^{2}}\approx\exp\left[-\frac{1}{6}\,|\vec{G}|^{2}\,\overline{|\vec{u}_{i}(t)|^{2}}\right]</math>
::<math>\begin{align}
\overline{\exp \left[ i \, \vec{G} \cdot \vec{u}_{i}(t) \right] } &\approx 1 - \frac{1}{6} \, |\vec{G}|^{2} \, \overline{|\vec{u}_{i}(t)|^{2}}\\
                                                                  &\approx \exp \left[ -\frac{1}{6} \, |\vec{G}|^{2} \, \overline{|\vec{u}_{i}(t)|^{2}} \right]
\end{align}</math><!-- Begründung für den zweiten Schritt / wo bleibt das "1 - ..."? -->


Der Strukturfaktor schreibt sich nun:
Der Strukturfaktor schreibt sich nun:


:<math>\overline{F_{hkl}}=\sum_{i}f_{i}\,\exp\left[i\,\vec{G}\cdot\vec{r}_{i.0}\right]\,\exp\left[-\frac{1}{6}\,|\vec{G}|^{2}\,\overline{|\vec{u}_{i}(t)|^{2}}\right]</math>
:<math>\overline{F_{hkl}} = \sum_{i}f_{i} \, \exp \left[ i \, \vec{G} \cdot \vec{r}_{i.0} \right] \, \exp \left[ -\frac{1}{6} \, |\vec{G}|^{2} \, \overline{|\vec{u}_{i}(t)|^{2}} \right]</math>


Für gleichartige Atome ist <math>\overline{|\vec{u}_{i}(t)|^{2}}</math> für alle <math>i</math> annähernd gleich <math>\overline{|\vec{u}\,|^{2}}</math>. Somit kann man den zweiten Exponentialfaktor vor die Summe ziehen:
Für gleichartige Atome ist <math>\overline{|\vec{u}_{i}(t)|^{2}}</math> für alle <math>i</math> annähernd gleich <math>\overline{|\vec{u}\,|^{2}}</math>. Somit kann man den zweiten Exponentialfaktor vor die Summe ziehen:


:<math>\overline{F_{hkl}}=\exp\left[-\frac{1}{6}\,|\vec{G}|^{2}\,\overline{|\vec{u}(t)|^{2}}\right]\,\sum_{i}f_{i}\,\exp\left[i\,\vec{G}\cdot\vec{r}_{i.0}\right]=\exp\left[-\frac{1}{6}\,|\vec{G}|^{2}\,\overline{|\vec{u}(t)|^{2}}\right]\, F_{hkl}^{\, 0}</math>
:<math>\begin{align}
 
\overline{F_{hkl}} &= \exp \left[ -\frac{1}{6} \, |\vec{G}|^{2} \, \overline{|\vec{u}(t)|^{2}} \right] \, \sum_{i}f_{i} \, \exp \left[ i \, \vec{G} \cdot \vec{r}_{i.0} \right]\\
<math>F_{hkl}^{\, 0}</math> ist der Strukturfaktor des statischen Falls (starres Gitter, keine Bewegung der Atome). Die Intensität ist proportional zum [[Betragsquadrat]] des Strukturfaktors <math>I = c |F_{hkl}|^{2}</math>. Die zeitlich gemittelte Intensität ist somit
                  &=\exp \left[ -\frac{1}{6} \, |\vec{G}|^{2} \, \overline{|\vec{u}(t)|^{2}} \right] \, F_{hkl}^{0}
\end{align}</math>


:<math>\overline{I}=c\,|\overline{F_{hkl}}|^{2}=c\,|F_{hkl}^{\, 0}|^{2}\,\exp\left[-\frac{1}{3}\,|\vec{G}|^{2}\,\overline{|\vec{u}|^{2}}\right]=I_{0}\exp\left[-\frac{1}{3}\,|\vec{G}|^{2}\,\overline{|\vec{u}|^{2}}\right]</math>
Darin ist <math>F_{hkl}^{\, 0}</math> der Strukturfaktor des statischen Falls (starres Gitter, keine Bewegung der Atome).


Die gemittelte Intensität ist gegenüber dem statischen Fall <math>I_{0} = c |F_{hkl}^{\, 0}|^{2}</math> um den '''Debye-Waller-Faktor''' <math>\exp\left[-\frac{1}{3}\,|\vec{G}|^{2}\,\overline{|\vec{u}|^{2}}\right]</math> erniedrigt.
Die Intensität ist proportional zum [[Betragsquadrat]] des Strukturfaktors: <math>I = c |F_{hkl}|^{2}</math>. Die zeitlich gemittelte Intensität ist somit


Der Debye-Waller-Faktor ist maximal 1, dann wenn die Atome nicht schwingen (entspricht dem statischen Fall, näherungsweise bei <math>T=0</math>K). Bei größerer Temperatur wird <math>\overline{|\vec{u}|^{2}}</math> größer, somit der Exponentialfaktor kleiner. Durch thermische Bewegung der Atome werden die Reflexe nicht verbreitert, sondern deren Intensität herabgesetzt. Es erscheint allerdings ein diffuser Untergrund zwischen den Reflexen als Folge der Energieerhaltung.
:<math>\begin{align}
\overline{I} &= c\,|\overline{F_{hkl}}|^{2}\\
            &= c \, |F_{hkl}^{0}|^{2} \, \exp \left[ -\frac{1}{3} \, |\vec{G}|^{2} \, \overline{|\vec{u}|^{2}} \right]\\
            &= I_{0}\exp \left[ -\frac{1}{3} \, |\vec{G}|^{2} \, \overline{|\vec{u}|^{2}} \right]
\end{align}</math>


Der Debye-Waller-Faktor und somit die Intensität ist außerdem umso kleiner, je größer <math>|\vec{G}|^{2}</math> ist, also je höher die Millerschen Indizes der Netzebenenschar, an der die Bragg-Reflexion stattfindet, sind.
Die gemittelte Intensität ist also gegenüber dem statischen Fall <math>I_{0} = c |F_{hkl}^{0}|^{2}</math> um den '''Debye-Waller-Faktor''' <math>\exp \left[ -\frac{1}{3} \, |\vec{G}|^{2} \, \overline{|\vec{u}|^{2}} \right]</math> erniedrigt.


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references />
<references />


{{SORTIERUNG:Debyewallerfaktor}}
[[Kategorie:Kristallographie]]
[[Kategorie:Kristallographie]]
[[Kategorie:Peter Debye]]

Aktuelle Version vom 9. Februar 2022, 10:40 Uhr

Der Debye-Waller-Faktor (DWF, nach Peter Debye und Ivar Waller) beschreibt, wie die Intensität der an einem Kristallgitter kohärent elastisch gestreuten Strahlung von der Temperatur abhängt.[1][2] Nur diese elastische Streuung unterliegt den Laue-Bedingungen; die komplementäre, inelastische Streuung wird als thermisch-diffus bezeichnet.

Durch thermische Bewegung der Atome werden die Reflexe der elastischen Streuung nicht verbreitert, sondern ihre Intensität herabgesetzt. Es erscheint allerdings ein diffuser Untergrund zwischen den Reflexen als Folge der Energieerhaltung.

In der Neutronenstreuung wird der Begriff Debye-Waller-Faktor teilweise unterschiedslos auf kohärente und inkohärente Streuung angewandt; teilweise wird für letztere aber auch der genauere Begriff Lamb-Mößbauer-Faktor benutzt.

Definition

Die Intensität $ I_{0} $ der einfallenden Welle wird durch Multiplikation mit dem Debye-Waller-Faktor auf die Intensität $ I $ der gestreuten Welle reduziert, und zwar um den Faktor $ (1-DWF) $:

$ I=I_{0}\cdot \underbrace {\exp \left(-{\frac {1}{3}}\,\left|{\vec {G}}\right|^{2}\,{\overline {{u}^{2}}}\right)} _{DWF<1} $

mit

  • der natürlichen Exponentialfunktion $ \exp() $
  • einem Gittervektor $ G $ des reziproken Gitters
  • der temperaturabhängigen Oszillations­amplitude $ u=u(T) $ der Atome.

Die Bragg-Beugungsreflexe werden also aufgrund der Gitterschwingungen umso mehr gedämpft, je höher die Temperatur und je höher ihre Ordnung ist:

  • Der DWF ist maximal, wenn die Atome in der Nähe des absoluten Nullpunkts nicht schwingen (entspricht dem statischen Fall):
$ T\approx 0K\Rightarrow u\approx 0\Rightarrow DWF\approx 1 $.
  • Bei größerer Temperatur wird $ {\overline {|{\vec {u}}|^{2}}} $ größer und somit der Exponentialfaktor kleiner.
  • Der DWF und somit die Reflex-Intensität ist außerdem umso kleiner, je größer $ |{\vec {G}}|^{2} $ ist, also je höher die Millerschen Indizes der Netzebenenschar sind, an der die Bragg-Reflexion stattfindet.

Bei Betrachtung eines harmonischen Oszillators mit der Energie:[3]

$ {\begin{alignedat}{2}{\overline {E}}&={\frac {1}{2}}M{\omega }^{2}&&{\overline {{u}^{2}}}={\frac {3}{2}}k_{b}T\\&\Leftrightarrow &&{\overline {{u}^{2}}}={\frac {3k_{b}T}{M{\omega }^{2}}}\end{alignedat}} $

mit

lässt sich der temperaturabhängige Debye-Waller-Faktor auch schreiben als:

$ DWF=\exp \left(-{\frac {k_{b}T\,\left|{\vec {G}}\right|^{2}}{M{\omega }^{2}}}\right) $

Herleitung

Der Strukturfaktor $ F_{hkl} $ ist ein Maß für die relative Intensität eines durch die Millerschen Indizes $ h $, $ k $, $ l $ bestimmten Beugungsreflexes:

$ F_{hkl}=\sum _{i}f_{i}\,\exp \left[i\,{\vec {G}}\cdot {\vec {r}}_{i}\right] $

Die Summe läuft über alle Atome der Basis. Dabei ist

  • $ i $ die imaginäre Einheit
  • $ {\vec {G}}=h{\vec {b}}_{1}+k{\vec {b}}_{2}+l{\vec {b}}_{3} $ ein reziproker Gittervektor
  • $ {\vec {r}}_{i} $ ein Ortsvektor, der von einem festen Bezugspunkt innerhalb der Elementarzelle zum Kern des $ i $-ten Atom zeigt
  • $ f_{i} $ der atomare Streufaktor des $ i $-ten Atoms:
$ f_{i}=\int _{V_{A_{i}}}n_{i}({\vec {\tilde {r}}}\,)\,\exp \left[i\,{\vec {G}}\cdot {\vec {\tilde {r}}}\right]\mathrm {d} ^{3}{\tilde {r}} $

Betrachtet man die thermische Bewegung der Atome, so ist $ {\vec {r}}_{i} $ zeitabhängig. Nun zerlegt man $ {\vec {r}}_{i} $ in einen mittleren Aufenthaltsort $ {\vec {r}}_{i,0} $ (Gleichgewichtslage, ruhend) und die Auslenkung $ {\vec {u}}_{i}(t) $ (zeitabhängig):

$ {\vec {r}}_{i}(t)={\vec {r}}_{i,0}+{\vec {u}}_{i}(t) $

Die Schwingungsperioden sind sehr kurz ($ <10^{-10} $s) gegenüber der Beobachtungsdauer, sodass immer ein zeitlicher Mittelwert gemessen wird:

$ {\begin{aligned}{\overline {F_{hkl}}}&=\sum _{i}f_{i}\,{\overline {\exp \left[i\,{\vec {G}}\cdot \left({\vec {r}}_{i.0}+{\vec {u}}_{i}(t)\right)\right]}}\\&=\sum _{i}f_{i}\,\exp \left[i\,{\vec {G}}\cdot {\vec {r}}_{i.0}\right]\,{\overline {\exp \left[i\,{\vec {G}}\cdot {\vec {u}}_{i}(t)\right]}}\end{aligned}} $

Für kleine Auslenkungen entwickelt man die Exponentialfunktion bis zur zweiten Ordnung

$ {\overline {\exp \left[i\,{\vec {G}}\cdot {\vec {u}}_{i}(t)\right]}}\approx 1+i\,{\overline {{\vec {G}}\cdot {\vec {u}}_{i}(t)}}-{\frac {1}{2}}{\overline {\left({\vec {G}}\cdot {\vec {u}}_{i}(t)\right)^{2}}} $

Die erste Ordnung verschwindet $ \left({\overline {{\vec {G}}\cdot {\vec {u}}_{i}(t)}}=0\right) $, da die Auslenkungen $ {\vec {u}}_{i}(t) $ statistisch in alle Raumrichtungen erfolgen $ \left({\overline {{\vec {u}}_{i}(t)}}=0\right) $ und nicht mit der Richtung von $ {\vec {G}} $ korreliert sind.

Die zweite Ordnung ist

$ {\overline {\left({\vec {G}}\cdot {\vec {u}}_{i}(t)\right)^{2}}}=|{\vec {G}}|^{2}\,{\overline {|{\vec {u}}_{i}(t)|^{2}}}\,{\overline {\cos ^{2}\theta }} $

Dabei ist $ \theta $ der Winkel zwischen $ {\vec {G}} $ und $ {\vec {u}}_{i}(t) $. Man mittelt $ \cos ^{2}{\theta } $ über alle Richtungen im dreidimensionalen Raum, also Integration über die Einheitskugel:

$ {\overline {\cos ^{2}\theta }}={\frac {\int _{0}^{2\pi }\mathrm {d} \phi \int _{0}^{\pi }\mathrm {d} \theta \,\sin \theta \cos ^{2}\theta }{\int _{0}^{2\pi }\mathrm {d} \phi \int _{0}^{\pi }\mathrm {d} \theta \,\sin \theta }}={\frac {1}{3}} $

In die Exponentialfunktion eingesetzt ergibt dies:

$ {\begin{aligned}{\overline {\exp \left[i\,{\vec {G}}\cdot {\vec {u}}_{i}(t)\right]}}&\approx 1-{\frac {1}{6}}\,|{\vec {G}}|^{2}\,{\overline {|{\vec {u}}_{i}(t)|^{2}}}\\&\approx \exp \left[-{\frac {1}{6}}\,|{\vec {G}}|^{2}\,{\overline {|{\vec {u}}_{i}(t)|^{2}}}\right]\end{aligned}} $

Der Strukturfaktor schreibt sich nun:

$ {\overline {F_{hkl}}}=\sum _{i}f_{i}\,\exp \left[i\,{\vec {G}}\cdot {\vec {r}}_{i.0}\right]\,\exp \left[-{\frac {1}{6}}\,|{\vec {G}}|^{2}\,{\overline {|{\vec {u}}_{i}(t)|^{2}}}\right] $

Für gleichartige Atome ist $ {\overline {|{\vec {u}}_{i}(t)|^{2}}} $ für alle $ i $ annähernd gleich $ {\overline {|{\vec {u}}\,|^{2}}} $. Somit kann man den zweiten Exponentialfaktor vor die Summe ziehen:

$ {\begin{aligned}{\overline {F_{hkl}}}&=\exp \left[-{\frac {1}{6}}\,|{\vec {G}}|^{2}\,{\overline {|{\vec {u}}(t)|^{2}}}\right]\,\sum _{i}f_{i}\,\exp \left[i\,{\vec {G}}\cdot {\vec {r}}_{i.0}\right]\\&=\exp \left[-{\frac {1}{6}}\,|{\vec {G}}|^{2}\,{\overline {|{\vec {u}}(t)|^{2}}}\right]\,F_{hkl}^{0}\end{aligned}} $

Darin ist $ F_{hkl}^{\,0} $ der Strukturfaktor des statischen Falls (starres Gitter, keine Bewegung der Atome).

Die Intensität ist proportional zum Betragsquadrat des Strukturfaktors: $ I=c|F_{hkl}|^{2} $. Die zeitlich gemittelte Intensität ist somit

$ {\begin{aligned}{\overline {I}}&=c\,|{\overline {F_{hkl}}}|^{2}\\&=c\,|F_{hkl}^{0}|^{2}\,\exp \left[-{\frac {1}{3}}\,|{\vec {G}}|^{2}\,{\overline {|{\vec {u}}|^{2}}}\right]\\&=I_{0}\exp \left[-{\frac {1}{3}}\,|{\vec {G}}|^{2}\,{\overline {|{\vec {u}}|^{2}}}\right]\end{aligned}} $

Die gemittelte Intensität ist also gegenüber dem statischen Fall $ I_{0}=c|F_{hkl}^{0}|^{2} $ um den Debye-Waller-Faktor $ \exp \left[-{\frac {1}{3}}\,|{\vec {G}}|^{2}\,{\overline {|{\vec {u}}|^{2}}}\right] $ erniedrigt.

Einzelnachweise

  1. Peter Debye: Interferenz von Röntgenstrahlen und Wärmebewegung. In: Ann. d. Phys. 348. Jahrgang, Nr. 1, 1913, S. 49–92, doi:10.1002/andp.19133480105, bibcode:1913AnP...348...49D (german).
  2. Ivar Waller: Zur Frage der Einwirkung der Wärmebewegung auf die Interferenz von Röntgenstrahlen. In: Zeitschrift für Physik A. 17. Jahrgang. Springer, Berlin / Heidelberg 1923, S. 398–408, doi:10.1007/BF01328696, bibcode:1923ZPhy...17..398W (german).
  3. C. Kittel, Einführung in die Festkörperphysik, 7. Auflage, Oldenbourg, 1986, ISBN 3-486-20240-5, Anhang A, S. 680ff