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{{Begriffsklärungshinweis}} | {{Begriffsklärungshinweis}} | ||
[[Datei:Ilc 9yr moll4096.png|mini|Temperaturschwankungen in der Hintergrundstrahlung, aufgenommen durch die Raumsonde [[Wilkinson Microwave Anisotropy Probe|WMAP]] (Mission 2001–2010)]] | |||
[[Datei:COBE cmb fluctuations.png|mini|Temperaturschwankungen in der Hintergrundstrahlung, aufgenommen durch den Satelliten [[COBE]] (Mission 1989–1993)]] | [[Datei:COBE cmb fluctuations.png|mini|Temperaturschwankungen in der Hintergrundstrahlung, aufgenommen durch den Satelliten [[COBE]] (Mission 1989–1993)]] | ||
Die '''Hintergrundstrahlung | Die '''Hintergrundstrahlung''', genauer '''kosmische Mikrowellenhintergrundstrahlung''', {{enS|cosmic microwave background (CMB)}}, wegen ihrer niedrigen [[Temperatur]] bzw. [[Energiedichte]] auch '''Drei-Kelvin-Strahlung''' genannt, ist eine das ganze Universum erfüllende nahezu [[isotrop]]e Strahlung im [[Mikrowellen]]bereich, die kurz nach dem [[Urknall]] entstanden ist. Sie hat eine herausragende Bedeutung für die physikalische [[Kosmologie]], da sie als Beleg für die Urknalltheorie ([[Lambda-CDM-Modell|Standardmodell]]) gilt. | ||
Die kosmische Hintergrundstrahlung ist nicht zu verwechseln mit der [[Kosmische Strahlung|kosmischen Strahlung]]. | Die kosmische Hintergrundstrahlung ist nicht zu verwechseln mit der [[Kosmische Strahlung|kosmischen Strahlung]]. | ||
== Theorie == | == Theorie == | ||
Nach dem Urknall standen Strahlung und Materie zunächst im [[Thermisches Gleichgewicht|thermischen Gleichgewicht]]. Infolge der [[Expansion des Universums]] sanken die Temperatur und die Dichte des gekoppelten Strahlung-Materie-Gemisches mit der Zeit. Schließlich konnten nach etwa 380.000 Jahren, bei einer Temperatur von etwa 3000 [[Kelvin]], [[Proton]]en und [[Elektron]]en elektrisch neutralen [[Wasserstoff]] bilden, was in der Physik als [[Rekombination (Physik)|Rekombination]] bezeichnet wird. Weil nun freie Elektronen und Protonen fehlten, konnte die Strahlung nicht mehr durch [[Thomson-Streuung]] von [[Photon]]en mit der Materie wechselwirken – das Universum wurde „durchsichtig“. Aus dieser Zeit, der [[Urknall #Stark gekoppeltes Plasma|Rekombinationsepoche]], stammt die kosmische Mikrowellenstrahlung.<ref name="Bennett2003">{{Literatur |Autor=C. L. Bennett, M. Halpern, G. Hinshaw, N. Jarosik, A. Kogut, M. Limon, S. S. Meyer, L. Page, D. N. Spergel, G. S. Tucker, E. Wollack, E. L. Wright, C. Barnes, M. R. Greason, R. S. Hill, E. Komatsu, M. R. Nolta, N. Odegard, H. V. Peirs, L. Verde, J. L. Weiland |Titel=First Year Wilkinson Microwave Anisotropy Probe (WMAP) Observations: Preliminary Maps and Basic Results |Sammelwerk=Astrophys. J. Suppl. |Band=148 |Datum=2003 |Seiten=1–27 |arXiv=astro-ph/0302207 |DOI=10.1086/377253}}</ref> Sie wurde zum Zeitpunkt ihrer Entstehung im sichtbaren Spektrum ausgestrahlt. | |||
Die weitergehende Expansion des Universums verursachte durch die Dehnung der [[Raumzeit]] auch eine Dehnung der [[Wellenlänge]] der vorhandenen Photonen, also eine [[Rotverschiebung]]. Wir beobachten daher diese Photonen heute als kosmische Hintergrundstrahlung im Mikrowellenbereich. Sie ist in jeder Richtung des Himmels auf normalen Skalen in etwa gleichförmig und ''nicht'' durch Überlagerung einzelner Quellen wie Galaxien entstanden. | |||
Die weitergehende Expansion des Universums verursachte durch die Dehnung der Raumzeit auch eine Dehnung der Wellenlänge der vorhandenen Photonen, also eine [[Rotverschiebung]]. Wir beobachten daher diese Photonen heute als kosmische Hintergrundstrahlung im Mikrowellenbereich. Sie ist in jeder Richtung des Himmels auf normalen Skalen in etwa gleichförmig und nicht durch Überlagerung einzelner Quellen wie Galaxien entstanden. | |||
Die Strahlung hat als Folge des thermischen Gleichgewichts vor der Rekombination das fast perfekte Intensitätsspektrum eines [[Schwarzer Körper|schwarzen Körpers]] (auch Schwarzkörperstrahlung genannt) mit einer Temperatur von heute 2,725 (± 0,002) Kelvin.<ref>Kenneth R. Lang: ''A Companion to Astronomy and Astrophysics. Chronology and Glossary with Data Tables.'' Springer, 2006, S. 242.</ref> | Die Strahlung hat als Folge des thermischen Gleichgewichts vor der Rekombination das fast perfekte Intensitätsspektrum eines [[Schwarzer Körper|schwarzen Körpers]] (auch Schwarzkörperstrahlung genannt) mit einer Temperatur von heute 2,725 (± 0,002) Kelvin.<ref>Kenneth R. Lang: ''A Companion to Astronomy and Astrophysics. Chronology and Glossary with Data Tables.'' Springer, 2006, S. 242.</ref> | ||
Einer kosmologischen Modellrechnung zufolge<ref name="Bennett2003" /> beträgt die Rotverschiebung der Hintergrundstrahlung ''z'' = 1089 ± 0,1, und jeder Kubikzentimeter des [[Vakuum]]s des Weltraums enthält durchschnittlich 400 Photonen der Hintergrundstrahlung. | |||
== Geschichte == | == Geschichte == | ||
[[Datei:Bell Labs Horn Antenna Crawford Hill NJ.jpg|mini|hochkant=1.5|„[[Bell Laboratories|Bell Labs’]]“ | [[Datei:Bell Labs Horn Antenna Crawford Hill NJ.jpg|mini|hochkant=1.5|[[Hornstrahler]]-Antenne der „[[Bell Laboratories|Bell Labs’]]“ in [[Holmdel]], [[New Jersey]] (USA), wo 1964 die vorhergesagte Mikrowellenstrahlung als Störsignal empfangen wurde]] | ||
Eine Strahlung aus dem intergalaktischen Raum mit 2,8 K wurde bereits 1933 von [[Erich Regener]] vorhergesagt.<ref>E. Regener: ''[http://www.wolff.ch/astro/All-Temperatur_Regener.pdf Der Energiestrom der Ultrastrahlung.]'' (PDF; 166 kB, PDF). Bei: ''wolff.ch.'' In: ''Zeitschrift für Physik.'' 80, 9–10, 1933, S. 666–669.<br />Zur weiteren Vorgeschichte siehe z. B. A. K. T. Assis, M. C. D. Neves: ''[http://redshift.vif.com/JournalFiles/Pre2001/V02NO3PDF/V02N3ASS.PDF History of the 2.7 K Temperature Prior to Penzias and Wilson.]'' (PDF; 94,4 kB).</ref> | Eine Strahlung aus dem [[intergalaktischer Raum|intergalaktischen Raum]] mit 2,8 K wurde bereits 1933 von [[Erich Regener]] vorhergesagt.<ref>E. Regener: ''[http://www.wolff.ch/astro/All-Temperatur_Regener.pdf Der Energiestrom der Ultrastrahlung.]'' (PDF; 166 kB, PDF). Bei: ''wolff.ch.'' In: ''Zeitschrift für Physik.'' 80, 9–10, 1933, S. 666–669.<br />Zur weiteren Vorgeschichte siehe z. B. A. K. T. Assis, M. C. D. Neves: ''[http://redshift.vif.com/JournalFiles/Pre2001/V02NO3PDF/V02N3ASS.PDF History of the 2.7 K Temperature Prior to Penzias and Wilson.]'' (PDF; 94,4 kB).</ref> | ||
Als Folge eines Urknalls wurde sie erst in den 1940ern von [[George Gamow]], [[Ralph Alpher]] und [[Robert Herman]] mit höheren Werten postuliert. Die Entdeckung erfolgte aber zufällig 1964 durch [[Arno Penzias]] und [[Robert Woodrow Wilson]] beim Test einer neuen empfindlichen Antenne, die für Experimente mit künstlichen Erdsatelliten gebaut worden war. In derselben Ausgabe des [[Astrophysical Journal]], in der Penzias und Wilson ihre Ergebnisse veröffentlichten, interpretierten [[Robert Henry Dicke]] u. a. die Entdeckung bereits als kosmische Schwarzkörperstrahlung, in einer Arbeit, in der sie ihrerseits die Vorbereitung eines ähnlichen Experiments (bei anderen Wellenlängen) bekanntgaben, bei dem ihnen Penzias und Wilson zuvorgekommen waren. Penzias und Wilson erhielten für diese Entdeckung 1978 den [[Physiknobelpreis]].<ref>{{cite web |url=http://nobelprize.org/nobel_prizes/physics/laureates/1978/penzias-lecture.html |title=The Origin of Elements, Nobel Lecture |accessdate=2009-12-11 |date=1978-12-08 |author=Arno Penzias |language=English |publisher=Nobel Foundation}}</ref><ref>{{cite web |url=http://nobelprize.org/nobel_prizes/physics/laureates/1978/wilson-lecture.html |title=The Cosmic Microwave Background adiation, Nobel Lecture |accessdate=2009-12-11 |date=1978-12-08 |author=Robert Woodrow Wilson |language=English |publisher=Nobel Foundation}}</ref> | Als Folge eines Urknalls wurde sie erst in den 1940ern von [[George Gamow]], [[Ralph Alpher]] und [[Robert Herman]] mit höheren Werten postuliert. Die Entdeckung erfolgte aber zufällig 1964 durch [[Arno Penzias]] und [[Robert Woodrow Wilson]] beim Test einer neuen empfindlichen Antenne, die für Experimente mit künstlichen Erdsatelliten gebaut worden war. In derselben Ausgabe des [[Astrophysical Journal]], in der Penzias und Wilson ihre Ergebnisse veröffentlichten, interpretierten [[Robert Henry Dicke]] u. a. die Entdeckung bereits als kosmische Schwarzkörperstrahlung, in einer Arbeit, in der sie ihrerseits die Vorbereitung eines ähnlichen Experiments (bei anderen Wellenlängen) bekanntgaben, bei dem ihnen Penzias und Wilson zuvorgekommen waren. Penzias und Wilson erhielten für diese Entdeckung 1978 den [[Physiknobelpreis]].<ref>{{cite web |url=http://nobelprize.org/nobel_prizes/physics/laureates/1978/penzias-lecture.html |title=The Origin of Elements, Nobel Lecture |accessdate=2009-12-11 |date=1978-12-08 |author=Arno Penzias |language=English |publisher=Nobel Foundation}}</ref><ref>{{cite web |url=http://nobelprize.org/nobel_prizes/physics/laureates/1978/wilson-lecture.html |title=The Cosmic Microwave Background adiation, Nobel Lecture |accessdate=2009-12-11 |date=1978-12-08 |author=Robert Woodrow Wilson |language=English |publisher=Nobel Foundation}}</ref> | ||
Hinweise auf die Hintergrundstrahlung fand schon [[Andrew McKellar]] 1940/1941<ref>McKellar: Publ. Astron. Soc. Pacific, Band 52, 1940, S. 187, Band 53, 1941, S. 233, Publ. Dom. Astrophys. Observ., Band 7, 1941, Nr. 15, S. 251.</ref> am [[Mount-Wilson-Observatorium]], indem er die Temperatur des Rotationsspektrums von CN-Molekülen im interstellaren Medium bestimmte. Seine Entdeckung fand sogar ihren Weg in das bekannte Lehrbuch ''Spectra of diatomic molecules'' (1950) von [[Gerhard Herzberg]],<ref>Dort S. 496. Er schrieb: „From the intensity ratio of the CN lines with K = 0 and K = 1 a rotational temperature of 2.3 K follows, which has of course only a very restricted meaning.“</ref> die Tragweite der Entdeckung erkannten aber beide nicht.<ref>Paul A. Feldman: [http://www.casca.ca/ecass/issues/1999-JS/feldman2.html ''Interstellar Molecules from a Canadian Perspective. Part I: The Early Years.'']</ref> | Hinweise auf die Hintergrundstrahlung fand schon [[Andrew McKellar]] 1940/1941<ref>McKellar: Publ. Astron. Soc. Pacific, Band 52, 1940, S. 187, Band 53, 1941, S. 233, Publ. Dom. Astrophys. Observ., Band 7, 1941, Nr. 15, S. 251.</ref> am [[Mount-Wilson-Observatorium]], indem er die Temperatur des [[Mikrowellenspektroskopie #Rotationsspektrum|Rotationsspektrums]] von CN-Molekülen im interstellaren Medium bestimmte. Seine Entdeckung fand sogar ihren Weg in das bekannte Lehrbuch ''Spectra of diatomic molecules'' (1950) von [[Gerhard Herzberg]],<ref>Dort S. 496. Er schrieb: „From the intensity ratio of the CN lines with K = 0 and K = 1 a rotational temperature of 2.3 K follows, which has of course only a very restricted meaning.“</ref> die Tragweite der Entdeckung erkannten aber beide nicht.<ref>Paul A. Feldman: [http://www.casca.ca/ecass/issues/1999-JS/feldman2.html ''Interstellar Molecules from a Canadian Perspective. Part I: The Early Years.'']</ref> | ||
Auch in der UdSSR wurde von A. Doroshkevich und [[Igor Dmitrijewitsch Nowikow]] 1964 ein Vorschlag zur Beobachtung der Reliktstrahlung gemacht.<ref>Doroshkevich, Novikov. In: ''Doklady Akad. Nauka USSR.'' Band 154, 1964, S. 809. Die Geschichte ist auch von Igor Nowikow, Dmitri Nowikow und Pavel Naselsky in ihrem Buch ''Physics of the Cosmic Microwave Background,'' Cambridge University Press 2006, diskutiert, insbesondere weisen sie die in Penzias’ Nobelvortrag publizierte Meinung zurück, in dem Aufsatz wäre der CMB aufgrund 1961 publizierter Messungen von Ohm ausgeschlossen worden.</ref> | Auch in der UdSSR wurde von A. Doroshkevich und [[Igor Dmitrijewitsch Nowikow]] 1964 ein Vorschlag zur Beobachtung der Reliktstrahlung gemacht.<ref>Doroshkevich, Novikov. In: ''Doklady Akad. Nauka USSR.'' Band 154, 1964, S. 809. Die Geschichte ist auch von Igor Nowikow, Dmitri Nowikow und Pavel Naselsky in ihrem Buch ''Physics of the Cosmic Microwave Background,'' Cambridge University Press 2006, diskutiert, insbesondere weisen sie die in Penzias’ Nobelvortrag publizierte Meinung zurück, in dem Aufsatz wäre der CMB aufgrund 1961 publizierter Messungen von Ohm ausgeschlossen worden.</ref> | ||
== Messungen == | == Messungen == | ||
[[Datei:Cmbr.svg|mini|hochkant=1.5|Durch den Satelliten COBE gemessenes Spektrum (Intensität als Funktion der [[Wellenzahl]]) der kosmischen Mikrowellenhintergrundstrahlung, ein Planck-Spektrum mit der Temperatur {{ | [[Datei:Cmbr.svg|mini|hochkant=1.5|Durch den Satelliten COBE gemessenes Spektrum (Intensität als Funktion der [[Wellenzahl]]) der kosmischen Mikrowellenhintergrundstrahlung, ein [[Planck-Spektrum]] mit der Temperatur {{nowrap|1=T = 2,725 K.}} Die [[Messfehler|Fehlerbalken]] der Datenpunkte sind zu klein,<ref>[https://lambda.gsfc.nasa.gov/data/cobe/firas/monopole_spec/firas_monopole_spec_v1.txt Originaldaten des FIRAS Teams.]</ref> um von einem Bildschirm dargestellt werden zu können, wesentlich größere Fehlerbalken wurden eingefügt um die Messpunkte sichtbar zu machen.<ref>Fixsen u. a.: ''The Cosmic Microwave Background Spectrum from the Full COBE FIRAS Data Sets.'' Astrophysical Journal, 473, 576. 1996.</ref> Das Maximum liegt bei einer Wellenlänge von ca. 2 mm, was einer Frequenz von ca. 150 [[GHz]] entspricht.]] | ||
Bei den Experimenten von Penzias und Wilson wurde nur auf einer Frequenz gemessen, weshalb in den folgenden Jahren weitere Messungen auf anderen Frequenzen durchgeführt wurden. Dadurch konnte bestätigt werden, dass es sich bei der Strahlung tatsächlich um [[Schwarzkörperstrahlung]] handelt. Diese Art der Strahlung hat den typisch glockenförmigen Intensitätsverlauf, der im Bild | Bei den Experimenten von Penzias und Wilson wurde nur auf einer [[Frequenz]] gemessen, weshalb in den folgenden Jahren weitere Messungen auf anderen Frequenzen durchgeführt wurden. Dadurch konnte bestätigt werden, dass es sich bei der Strahlung tatsächlich um [[Schwarzkörperstrahlung]] handelt. Diese Art der Strahlung hat den typisch glockenförmigen Intensitätsverlauf, der im Bild dargestellt ist. Da die erdgebundenen Beobachtungsmöglichkeiten im Mikrowellenbereich aufgrund der atmosphärischen Absorption eingeschränkt sind, wurde die Satellitenmission [[COBE]] ins Leben gerufen. | ||
* Mit hochempfindlichen Mikrowellenempfängern wurde die Rauschspannung auf möglichst vielen Frequenzen aus möglichst vielen Richtungen gemessen. | * Mit hochempfindlichen Mikrowellenempfängern wurde die [[Rauschspannung]] auf möglichst vielen Frequenzen aus möglichst vielen Richtungen gemessen. | ||
* Wegen des breiten Frequenzbandes mussten unterschiedliche Antennen und Empfänger eingesetzt werden. Also waren Normierungen und Umrechnungen auf absolute Empfangsleistung erforderlich. | * Wegen des breiten Frequenzbandes mussten unterschiedliche Antennen und Empfänger eingesetzt werden. Also waren Normierungen und Umrechnungen auf absolute Empfangsleistung erforderlich. | ||
* Ziel war, ''nur'' Daten zur schwachen Hintergrundstrahlung zu erhalten. Deshalb musste das Strahlungsverhalten aller bekannten und teilweise sehr intensiven Vordergrundquellen wie [[Krebsnebel]] oder andere [[Supernovaüberrest]]e für alle Frequenzen modelliert und subtrahiert werden. | * Ziel war, ''nur'' Daten zur schwachen Hintergrundstrahlung zu erhalten. Deshalb musste das Strahlungsverhalten aller bekannten und teilweise sehr intensiven Vordergrundquellen wie [[Krebsnebel]] oder andere [[Supernovaüberrest]]e für alle Frequenzen modelliert und subtrahiert werden. | ||
* Die verbleibenden Messwerte zeigen ein auffallendes Dipolmuster: Das Maximum der Strahlung aus einer ganz bestimmten Richtung (ungefähr entgegengesetzt der momentanen Rotationsrichtung des Sonnensystems in der Milchstraße) ist deutlich blauverschoben, in entgegengesetzter Richtung rotverschoben ([[Dopplereffekt]]). Das wird damit erklärt, dass sich unser [[Sonnensystem]] mit etwa 369 km/s gegenüber einem Bezugssystem bewegt, in dem die Strahlung isotrop ist.<ref>{{Literatur |Autor=G. Hinshaw u. a. | * Die verbleibenden Messwerte zeigen ein auffallendes Dipolmuster: Das Maximum der Strahlung aus einer ganz bestimmten Richtung (ungefähr entgegengesetzt der momentanen Rotationsrichtung des Sonnensystems in der Milchstraße) ist deutlich blauverschoben, in entgegengesetzter Richtung rotverschoben ([[Dopplereffekt]]). Das wird damit erklärt, dass sich unser [[Sonnensystem]] mit etwa 369 km/s gegenüber einem Bezugssystem bewegt, in dem die Strahlung isotrop ist.<ref>{{Literatur |Autor=G. Hinshaw u. a. |Titel=Five-Year Wilkinson Microwave Anisotropy Probe (WMAP) Observations: Data Processing, Sky Maps, and Basic Results |Sammelwerk=The Astrophysical Journal Supplement Series |Band=180 |Datum=2008-10-17 |Seiten=225–245 |arXiv=0803.0732 |DOI=10.1088/0067-0049/180/2/225}}</ref> | ||
* Dieses Dipolmuster wird subtrahiert und die mehrfach modifizierten Messwerte wurden als Funktion der Wellenlänge aufgetragen (siehe rechtes Bild). | * Dieses Dipolmuster wird subtrahiert und die mehrfach modifizierten Messwerte wurden als Funktion der Wellenlänge aufgetragen (siehe rechtes Bild). | ||
* Mit der Formel des [[Plancksches Strahlungsgesetz|Planckschen Strahlungsgesetzes]] wurden Modellkurven für unterschiedliche Temperaturen berechnet und in das gleiche Diagramm eingezeichnet. | * Mit der Formel des [[Plancksches Strahlungsgesetz|Planckschen Strahlungsgesetzes]] wurden Modellkurven für unterschiedliche Temperaturen berechnet und in das gleiche Diagramm eingezeichnet. | ||
* Die Modellkurve für 2,725 K ist diejenige, die (im Sinne der [[Methode der kleinsten Quadrate|kleinsten Fehlerquadrate]]) am besten zu den Messpunkten passt. | * Die Modellkurve für 2,725 K ist diejenige, die (im Sinne der [[Methode der kleinsten Quadrate|kleinsten Fehlerquadrate]]) am besten zu den Messpunkten passt. | ||
== | == Anisotropie == | ||
[[Datei: | [[Datei:PowerSpectrumExt.svg|mini|hochkant=1.5|[[Frequenzspektrum|Leistungsspektrum]] der Temperaturschwankungen der kosmischen Hintergrundstrahlung]] | ||
Die Temperatur des Mikrowellenhintergrundes ist über den gesamten Himmel sehr gleichförmig ([[Isotropie|isotrop]]). Die stärkste Abhängigkeit von der Beobachtungsrichtung beträgt nur etwa 0,1 % und entsteht aufgrund der Bewegung der Milchstraße (und damit der Erde) relativ zum Mikrowellenhintergrund | Die Temperatur des Mikrowellenhintergrundes ist über den gesamten Himmel sehr gleichförmig ([[Isotropie|isotrop]]). Die stärkste Abhängigkeit von der Beobachtungsrichtung beträgt nur etwa 0,1 % und entsteht aufgrund der Bewegung der Milchstraße (und damit der Erde) relativ zum Mikrowellenhintergrund: | ||
* Photonen, die aus der Bewegungsrichtung kommen, sind durch den [[Dopplereffekt]] blauverschoben, die Temperatur der Hintergrundstrahlung ist in dieser Richtung erhöht. | |||
* Photonen, die aus der Gegenrichtung kommen, sind entsprechend rotverschoben, die Hintergrundstrahlung erscheint kühler. | |||
Somit ergibt sich eine [[Dipolanisotropie]] der Temperaturverteilung. Mit diesem in der Astronomie üblichen Verfahren ist es auch möglich, die Eigenbewegung im Raum gegenüber der Hintergrundstrahlung zu bestimmen. | |||
Die Temperaturschwankungen auf kleineren Winkelskalen können in primäre | Die Temperaturschwankungen auf kleineren Winkelskalen können unterteilt werden in: | ||
* primäre [[Anisotropie]]n: Anisotropien durch Effekte, die zum Zeitpunkt der Entstehung der Strahlung wirkten. Zu den wichtigsten gehören: | |||
** Der [[Sachs-Wolfe-Effekt]]: Strahlung, die aus überdichten Regionen entweicht, erfährt eine [[Gravitationsrotverschiebung]], sodass die Hintergrundstrahlung in der entsprechenden Richtung eine geringfügig niedrigere Temperatur hat; andererseits wird dieser Effekt teilweise dadurch kompensiert, dass die Gravitation zu einer [[Zeitdilatation]] führt. Daher stammen die Photonen der dichteren Regionen aus einer geringfügig früheren Zeit, zu der das Universum noch heißer war. Beide Effekte werden gemeinsam durch den Sachs-Wolfe-Effekt beschrieben.<ref name="Schneider">Peter Schneider: ''Extragalaktische Astronomie und Kosmologie.'' Springer, 2008.</ref> | |||
** Die Dichteschwankungen im frühen Universum führen zu [[Pekuliargeschwindigkeit]]en. Das sind Geschwindigkeiten der Materie, die zusätzlich zur Geschwindigkeit der [[Expansion des Universums|Expansion des Raumes]] auftreten. Die Elektronen, mit denen die Photonen das letzte Mal [[Streuung (Physik)|streuen]], haben also eine von der Dichte abhängige zusätzliche Geschwindigkeitskomponente.<ref name="Schneider" /> | |||
** Wird in einem kleinen Gebiet die [[Baryon]]en<nowiki/>dichte erhöht (durch [[Baryonische akustische Oszillation|baryonische akustische Oszillationen]]), so werden die Baryonen [[adiabatisch]] komprimiert und dadurch heißer. Da die Baryonen mit den Photonen im [[thermisches Gleichgewicht|thermischen Gleichgewicht]] stehen, werden somit auch die Photonen energiereicher.<ref name="Schneider" /> | |||
* sekundäre Anisotropien: Anisotropien durch Effekte, die erst später auf dem Weg der Photonen durch das Weltall entstanden. Dazu gehören insbesondere: | |||
** Es gibt im Universum [[Freies Teilchen|freie]] Elektronen, an denen die Photonen streuen können. Da die [[Thomson-Streuung]] weitgehend isotrop ist, ist die Richtung des Photons ''nach'' der Streuung weitgehend unabhängig von seiner Richtung ''vor'' der Streuung. Die gestreuten Photonen tragen keine Information über die [[Fluktuation #Fluktuation in der Naturwissenschaft|Fluktuation]]en des CMB mehr. Dadurch werden die Anisotropien teilweise ausgewaschen.<ref name="Schneider" /> | |||
* | ** Beim Durchlaufen des Universums durchqueren die Photonen eine Reihe von [[Potentialtopf|Potentialtöpfen]] der Strukturen des Universums (z. B. durch [[Galaxie]]n, [[Galaxienhaufen]] etc.). Dabei erhalten sie immer einmal eine [[gravitative Blauverschiebung]] und dann wieder eine Rotverschiebung. Da sich das Gesamt[[gravitationspotential]] des Universums im Laufe der Zeit ändert, heben sich die Effekte nicht vollständig auf. Man bezeichnet dies als [[Sachs-Wolfe-Effekt #Integrierter Sachs-Wolfe-Effekt|Integrierten Sachs-Wolfe-Effekt]]. | ||
** Außerdem werden die Photonen beim Durchlaufen der Potentialtöpfe abgelenkt. Der Winkel, unter dem wir die Photonen beobachten, entspricht also nicht genau ihrer Position zum Zeitpunkt der Rekombination – dadurch werden die Anisotropien auf kleinen Winkelskalen verschmiert.<ref name="Schneider" /> | |||
** An den Elektronen des heißen Gases von Galaxienhaufen können Photonen streuen. Durch diese [[Compton-Streuung]] steigen Energie und [[Frequenz]] der Photonen im Mittel ein wenig. Dadurch wird die Zahl der hochfrequenten Photonen relativ zum [[Planckspektrum]] erhöht, während die Zahl der niederfrequenten Photonen abnimmt. Dies nennt man den [[Sunjajew-Seldowitsch-Effekt]].<ref name="Schneider" /> | |||
* Beim Durchlaufen des Universums durchqueren die Photonen eine Reihe von [[Potentialtopf|Potentialtöpfen]] der Strukturen des Universums ( | |||
* Außerdem werden die Photonen beim Durchlaufen der Potentialtöpfe abgelenkt. Der Winkel, unter dem wir die Photonen beobachten, entspricht also nicht genau ihrer Position zum Zeitpunkt der Rekombination – dadurch werden die Anisotropien auf kleinen Winkelskalen verschmiert.<ref name="Schneider" /> | |||
* An den Elektronen des heißen Gases von Galaxienhaufen können Photonen streuen. Durch | |||
Die statistischen Eigenschaften der Dichteverteilung zum Zeitpunkt der Rekombination – und somit die primären Anisotropien – lassen sich im Rahmen der | Die statistischen Eigenschaften der Dichteverteilung zum [[Urknall #Stark gekoppeltes Plasma|Zeitpunkt der Rekombination]] – und somit die primären Anisotropien – lassen sich im Rahmen der [[relativistisch]]en [[Kosmologie]] als Funktion weniger [[Dichteparameter|kosmologischer Parameter]] genau modellieren. Auch die sekundären Anisotropien lassen sich entweder herausrechnen oder bei der [[Modellierung]] berücksichtigen. Daher kann man – in Abhängigkeit von den kosmologischen Parametern – Vorhersagen über die Temperaturverteilung machen, insbesondere über das Winkelleistungsspektrum (siehe Abbildung). Vergleicht man dies mit dem gemessenen Winkelleistungsspektrum, so kann man die kosmologischen Parameter bestimmen. | ||
Die Entdeckung dieser schwachen Temperaturschwankungen (ca. 0,001 %) in kleineren Bereichen durch den Satelliten [[COBE]] im Jahr 1993 war ein Durchbruch in der Beobachtung des frühen Universums. Die Messung der Stärke dieser Schwankungen machte deutlich, dass die Materie zum Zeitpunkt der Rekombination außerordentlich homogen verteilt war. Weitere Untersuchungen durch bodengebundene Experimente, Ballonteleskope und besonders die Raumsonden [[Wilkinson Microwave Anisotropy Probe|WMAP]] und [[Planck-Weltraumteleskop|Planck]] haben die Stärke dieser Temperaturschwankungen in Abhängigkeit von ihrer Winkelausdehnung am Himmel noch wesentlich besser charakterisiert. | Die Entdeckung dieser schwachen Temperaturschwankungen (ca. 0,001 %) in kleineren Bereichen durch den Satelliten [[COBE]] im Jahr 1993 war ein Durchbruch in der Beobachtung des frühen Universums. Die Messung der Stärke dieser Schwankungen machte deutlich, dass die Materie zum Zeitpunkt der Rekombination außerordentlich [[Homogenität|homogen]] verteilt war. Weitere Untersuchungen durch bodengebundene Experimente, Ballonteleskope und besonders die Raumsonden [[Wilkinson Microwave Anisotropy Probe|WMAP]] und [[Planck-Weltraumteleskop|Planck]] haben die Stärke dieser Temperaturschwankungen in Abhängigkeit von ihrer Winkelausdehnung am Himmel noch wesentlich besser charakterisiert. Dass die gemessenen Eigenschaften des Mikrowellenhintergrundes gut mit den theoretischen Vorhersagen übereinstimmen, ist ein herausragender Beleg dafür, dass die Urknalltheorie gültig ist. Die Messung der Parameter dieser Theorie favorisiert das [[Lambda-CDM-Modell]]. | ||
Von August 2009 bis Februar 2012 vermaß die europäische Raumsonde | Von August 2009 bis Februar 2012 vermaß die europäische Raumsonde Planck die Strahlung mit noch dreifach höherer [[Auflösung (Messtechnik)|Auflösung]], bei besserer Ausblendung von Störstrahlung.<ref>[http://www.esa.int/esaCP/SEMXWNMXDXG_index_0.html Pressemitteilung der ESA (englisch),], abgerufen am 6. Februar 2012.</ref><ref>''[http://www.weltderphysik.de/gebiet/astro/news/2012/planck-vollendet-kartierung-des-mikrowellenhintergrunds/ Welt der Physik.]'' Abgerufen am 6. Februar 2012.</ref> Die Temperaturschwankungen gehören zu den zurzeit wichtigsten Messgrößen der Kosmologie und der Theorien zur [[Strukturbildung|Bildung von Strukturen]] im frühen Universum. | ||
== Neue Fragen == | == Neue Fragen == | ||
Trotz der generell ausgezeichneten Übereinstimmung der gemessenen Eigenschaften des kosmischen Mikrowellenhintergrunds mit den theoretischen Vorhersagen gibt es einige Aspekte in den Daten, die nicht vollständig verstanden sind und zu anhaltenden Diskussionen führten. So sind einige der niedrigsten Momente in der Winkelverteilung der Temperatur niedriger als vorhergesagt. Die gemessenen Extremwerte der Hintergrundstrahlung verlaufen fast senkrecht zur [[Ekliptik]] des Sonnensystems, wobei die Abweichung von der Senkrechten sich im Rahmen der Messungenauigkeiten bewegt. Darüber hinaus gibt es eine deutliche Nord-Süd-Asymmetrie mit einem Maximum im Norden.<ref>{{cite journal | Trotz der generell ausgezeichneten Übereinstimmung der gemessenen Eigenschaften des kosmischen Mikrowellenhintergrunds mit den theoretischen Vorhersagen gibt es einige Aspekte in den Daten, die nicht vollständig verstanden sind und zu anhaltenden Diskussionen führten. | ||
| last=de Oliveira-Costa |first=A. |coauthors=u. a. | |||
So sind einige der niedrigsten Momente in der Winkelverteilung der Temperatur niedriger als vorhergesagt. Die gemessenen Extremwerte der Hintergrundstrahlung verlaufen fast senkrecht zur [[Ekliptik]] des Sonnensystems, wobei die Abweichung von der Senkrechten sich im Rahmen der Messungenauigkeiten bewegt. Darüber hinaus gibt es eine deutliche Nord-Süd-Asymmetrie mit einem Maximum im Norden.<ref>{{cite journal | |||
| last=de Oliveira-Costa |first=A. |coauthors=u. a. | |||
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| title = The significance of the largest scale CMB fluctuations in WMAP | | title = The significance of the largest scale CMB fluctuations in WMAP | ||
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| arxiv = astro-ph/0405007 | | arxiv = astro-ph/0405007 | ||
}}</ref> Dies ist überraschend | }}</ref> Dies ist überraschend. Das [[Lambda-CDM-Modell|Standardmodell der Kosmologie]] kennt keine global ausgezeichnete Raumrichtung. Daher sollte die kosmische Hintergrundstrahlung aus allen Raumrichtungen im Mittel gleich stark ausfallen.<ref>O. Preuss, H. Dittus, C. Lämmerzahl: ''Sterne und Weltraum.'' April 2007, S. 34.</ref> | ||
Außerdem gibt es eine [[CMB Cold Spot]] genannte Region mit etwa 5° Durchmesser, in der die Temperatur der Hintergrundstrahlung signifikant niedriger ist als der Durchschnitt. Dieser ''CMB Cold Spot'' wird meist als Abbild eines besonders großen, besonders [[Void (Astronomie)|leeren Raumbereichs]] interpretiert. Es wurde versucht, diesen leeren Raumbereich direkt durch eine dreidimensionale Kartierung der in dieser Richtung zu beobachtenden Galaxien nachzuweisen. Dabei kamen unterschiedliche Forschergruppen zu entgegengesetzten Ergebnissen. Eine Studie von 2016 bestätigt in der fraglichen Himmelsregion eine Void.<ref>{{Cite journal |authorlink=|arxiv=1608.08638 |title=A detection of the integrated Sachs-Wolfe imprint of cosmic superstructures using a matched-filter approach |journal=The Astrophysical Journal |volume=830 |issue=2016 |pages=L19 |year=2016 |accessdate=|last1=Seshadri |first1=Nadatur |last2=Crittenden |first2=Robert |doi=10.3847/2041-8205/830/1/L19 |bibcode=2016ApJ...830L..19N}}</ref> Eine Studie von 2017 kommt dagegen zu dem Schluss, dass es in der Himmelsregion keine mit dem CMB Cold Spot verträgliche räumliche Struktur in der Verteilung der beobachtbaren Galaxien gibt.<ref name="Mackenzie">{{cite journal |last1=Mackenzie |first1=Ruari |arxiv=1704.03814|year=2017 |title=Evidence against a supervoid causing the CMB Cold Spot |quote=Another explanation could be that the Cold Spot is the remnant of a collision between our Universe and another ‘bubble’ universe during an early inflationary phase (Chang et al. 2009, Larjo & Levi 2010). |doi=10.1093/mnras/stx931 |volume=470 |issue=2 |journal=Monthly Notices of the Royal Astronomical Society |pages=2328–2338|bibcode = 2017MNRAS.470.2328M }}</ref> | |||
Diese bereits in den Ergebnissen der WMAP-Mission sichtbaren Abweichungen von der erwarteten Verteilung der Hintergrundstrahlung wurden durch Messungen mit dem [[Planck-Weltraumteleskop|Planck]] in höherer Auflösung und Genauigkeit bestätigt.<ref>{{Internetquelle |autor=ESA |url=http://www.esa.int/ger/ESA_in_your_country/Germany/Planck_offenbart_uns_ein_fast_perfektes_Universum |titel=Planck Published Papers |datum=2013-03-21 |abruf=2016-12-23}}</ref> | |||
Verschiedene Kollaborationen suchen in der Feinverteilung der gemessenen Hintergrundstrahlung nach Hinweisen auf die [[Inflation (Kosmologie)|Inflation]] und [[Gravitationswelle]]n aus der Frühzeit des Universums. Eine erste Meldung auf der Grundlage von Messungen des [[Background Imaging of Cosmic Extragalactic Polarization|BICEP2-Detektors]] sorgte 2014 für Medienaufmerksamkeit.<ref name="BICEP2-2014">{{cite web |author=Staff |title=BICEP2 2014 Results Release |url=http://bicepkeck.org/ |date=2014-03-17 |website=[[National Science Foundation]] |accessdate=2014-03-18 }}</ref> Ein Jahr später kamen die gleichen Autoren jedoch zu dem Schluss, dass sich die Abweichungen von der Isotropie als Folge von Staub der [[Milchstraße]] erklären lassen.<ref name="nature-20150130">{{cite news|title=Gravitational waves discovery now officially dead|last=Cowen|first=Ron|date=2015-01-30|newspaper=nature|doi=10.1038/nature.2015.16830}}</ref> | |||
2022 wurde die Temperatur der kosmischen Hintergrundstrahlung vor 13 Milliarden Jahren, also 800 Millionen Jahre nach dem Urknall, zu 16 bis 30 Kelvin bestimmt, in Übereinstimmung mit dem kosmischen Standardmodell. Das war die erste Messung der Temperatur der Hintergrundstrahlung für das frühe Universum. Die Werte ergaben sich aus den Beobachtungen der Galaxie HFLS3, einer sog. Starburst-Galaxie mit vielen neuen Sternen, durch das [[Northern Extended Millimeter Array]] (Noema). Aus den Absorptionsspektren der Wasserdampfwolken in der Galaxie, die von der Wechselwirkung mit der Hintergrundstrahlung abhingen, ergaben sich die Schranken für die Temperatur der Hintergrundstrahlung.<ref>[https://www.nature.com/articles/s41586-021-04294-5 Dominik A. Riechers, Roberto Neri u.a., Microwave background temperature at a redshift of 6.34 from H2O absorption], Nature, Band 602, 2022, S. 58–62</ref> | |||
== Literatur == | == Literatur == | ||
* Gerhard Börner, Matthias Bartelmann: ''Astronomen entziffern das Buch der Schöpfung.'' In: ''[[Physik in unserer Zeit]].'' Wiley 33.2002,3, {{ISSN|0031-9252}}, S. 114–120. | * [[Gerhard Börner]], Matthias Bartelmann: ''Astronomen entziffern das Buch der Schöpfung.'' In: ''[[Physik in unserer Zeit]].'' Wiley 33.2002,3, {{ISSN|0031-9252}}, S. 114–120. | ||
* G. D. Starkman, D. J. Schwarz: ''Missklänge im Universum.'' In: ''[[Spektrum der Wissenschaft]].'' Heidelberg 2005, 12, {{ISSN|0170-2971}}, S. 30 ff. | * G. D. Starkman, D. J. Schwarz: ''Missklänge im Universum.'' In: ''[[Spektrum der Wissenschaft]].'' Heidelberg 2005, 12, {{ISSN|0170-2971}}, S. 30 ff. | ||
* Marc Lachièze-Rey, Edgard Gunzig: ''The cosmological background radiation.'' Cambridge Univ. Press, Cambridge 1999, ISBN 0-521-57437-4. | * Marc Lachièze-Rey, Edgard Gunzig: ''The cosmological background radiation.'' Cambridge Univ. Press, Cambridge 1999, ISBN 0-521-57437-4. | ||
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{{Commonscat|Cosmic microwave background|Kosmische Hintergrundstrahlung}} | {{Commonscat|Cosmic microwave background|Kosmische Hintergrundstrahlung}} | ||
* | * [[Harald Lesch]], [https://www.ardmediathek.de/video/alpha-centauri/was-ist-hintergrundstrahlung/ard-alpha/Y3JpZDovL2JyLmRlL3ZpZGVvLzgzNDc1ZDg5LTQzZmMtNDEzOS04M2VkLTM3OTE2NWMwYjFmNA/ Was ist Hintergrundstrahlung?], [[alpha-Centauri]] – ARD-alpha, 12. Oktober 2021, Video verfügbar bis 12. Oktober 2026 | ||
* [[:Datei:CMB-de-2012.pdf|Der Kosmische Mikrowellenhintergrund und seine Anisotropien]] | * [[:Datei:CMB-de-2012.pdf|Der Kosmische Mikrowellenhintergrund und seine Anisotropien]] | ||
* [http://www.esa.int/spaceinimages/Images/2013/03/Planck_CMB Temperaturschwankungen in der Hintergrundstrahlung], aufgenommen durch die Raumsonde [[Planck-Weltraumteleskop|Planck]] (Mission 2009–2013) | |||
* [http://lambda.gsfc.nasa.gov/product/cobe/ NASA Satelliten (Cobe, WMAP)] | * [http://lambda.gsfc.nasa.gov/product/cobe/ NASA Satelliten (Cobe, WMAP)] | ||
== Einzelnachweise == | == Einzelnachweise == | ||
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Die Hintergrundstrahlung, genauer kosmische Mikrowellenhintergrundstrahlung, englisch cosmic microwave background (CMB), wegen ihrer niedrigen Temperatur bzw. Energiedichte auch Drei-Kelvin-Strahlung genannt, ist eine das ganze Universum erfüllende nahezu isotrope Strahlung im Mikrowellenbereich, die kurz nach dem Urknall entstanden ist. Sie hat eine herausragende Bedeutung für die physikalische Kosmologie, da sie als Beleg für die Urknalltheorie (Standardmodell) gilt.
Die kosmische Hintergrundstrahlung ist nicht zu verwechseln mit der kosmischen Strahlung.
Nach dem Urknall standen Strahlung und Materie zunächst im thermischen Gleichgewicht. Infolge der Expansion des Universums sanken die Temperatur und die Dichte des gekoppelten Strahlung-Materie-Gemisches mit der Zeit. Schließlich konnten nach etwa 380.000 Jahren, bei einer Temperatur von etwa 3000 Kelvin, Protonen und Elektronen elektrisch neutralen Wasserstoff bilden, was in der Physik als Rekombination bezeichnet wird. Weil nun freie Elektronen und Protonen fehlten, konnte die Strahlung nicht mehr durch Thomson-Streuung von Photonen mit der Materie wechselwirken – das Universum wurde „durchsichtig“. Aus dieser Zeit, der Rekombinationsepoche, stammt die kosmische Mikrowellenstrahlung.[1] Sie wurde zum Zeitpunkt ihrer Entstehung im sichtbaren Spektrum ausgestrahlt.
Die weitergehende Expansion des Universums verursachte durch die Dehnung der Raumzeit auch eine Dehnung der Wellenlänge der vorhandenen Photonen, also eine Rotverschiebung. Wir beobachten daher diese Photonen heute als kosmische Hintergrundstrahlung im Mikrowellenbereich. Sie ist in jeder Richtung des Himmels auf normalen Skalen in etwa gleichförmig und nicht durch Überlagerung einzelner Quellen wie Galaxien entstanden.
Die Strahlung hat als Folge des thermischen Gleichgewichts vor der Rekombination das fast perfekte Intensitätsspektrum eines schwarzen Körpers (auch Schwarzkörperstrahlung genannt) mit einer Temperatur von heute 2,725 (± 0,002) Kelvin.[2]
Einer kosmologischen Modellrechnung zufolge[1] beträgt die Rotverschiebung der Hintergrundstrahlung z = 1089 ± 0,1, und jeder Kubikzentimeter des Vakuums des Weltraums enthält durchschnittlich 400 Photonen der Hintergrundstrahlung.
Eine Strahlung aus dem intergalaktischen Raum mit 2,8 K wurde bereits 1933 von Erich Regener vorhergesagt.[3]
Als Folge eines Urknalls wurde sie erst in den 1940ern von George Gamow, Ralph Alpher und Robert Herman mit höheren Werten postuliert. Die Entdeckung erfolgte aber zufällig 1964 durch Arno Penzias und Robert Woodrow Wilson beim Test einer neuen empfindlichen Antenne, die für Experimente mit künstlichen Erdsatelliten gebaut worden war. In derselben Ausgabe des Astrophysical Journal, in der Penzias und Wilson ihre Ergebnisse veröffentlichten, interpretierten Robert Henry Dicke u. a. die Entdeckung bereits als kosmische Schwarzkörperstrahlung, in einer Arbeit, in der sie ihrerseits die Vorbereitung eines ähnlichen Experiments (bei anderen Wellenlängen) bekanntgaben, bei dem ihnen Penzias und Wilson zuvorgekommen waren. Penzias und Wilson erhielten für diese Entdeckung 1978 den Physiknobelpreis.[4][5]
Hinweise auf die Hintergrundstrahlung fand schon Andrew McKellar 1940/1941[6] am Mount-Wilson-Observatorium, indem er die Temperatur des Rotationsspektrums von CN-Molekülen im interstellaren Medium bestimmte. Seine Entdeckung fand sogar ihren Weg in das bekannte Lehrbuch Spectra of diatomic molecules (1950) von Gerhard Herzberg,[7] die Tragweite der Entdeckung erkannten aber beide nicht.[8]
Auch in der UdSSR wurde von A. Doroshkevich und Igor Dmitrijewitsch Nowikow 1964 ein Vorschlag zur Beobachtung der Reliktstrahlung gemacht.[9]
Bei den Experimenten von Penzias und Wilson wurde nur auf einer Frequenz gemessen, weshalb in den folgenden Jahren weitere Messungen auf anderen Frequenzen durchgeführt wurden. Dadurch konnte bestätigt werden, dass es sich bei der Strahlung tatsächlich um Schwarzkörperstrahlung handelt. Diese Art der Strahlung hat den typisch glockenförmigen Intensitätsverlauf, der im Bild dargestellt ist. Da die erdgebundenen Beobachtungsmöglichkeiten im Mikrowellenbereich aufgrund der atmosphärischen Absorption eingeschränkt sind, wurde die Satellitenmission COBE ins Leben gerufen.
Die Temperatur des Mikrowellenhintergrundes ist über den gesamten Himmel sehr gleichförmig (isotrop). Die stärkste Abhängigkeit von der Beobachtungsrichtung beträgt nur etwa 0,1 % und entsteht aufgrund der Bewegung der Milchstraße (und damit der Erde) relativ zum Mikrowellenhintergrund:
Somit ergibt sich eine Dipolanisotropie der Temperaturverteilung. Mit diesem in der Astronomie üblichen Verfahren ist es auch möglich, die Eigenbewegung im Raum gegenüber der Hintergrundstrahlung zu bestimmen.
Die Temperaturschwankungen auf kleineren Winkelskalen können unterteilt werden in:
Die statistischen Eigenschaften der Dichteverteilung zum Zeitpunkt der Rekombination – und somit die primären Anisotropien – lassen sich im Rahmen der relativistischen Kosmologie als Funktion weniger kosmologischer Parameter genau modellieren. Auch die sekundären Anisotropien lassen sich entweder herausrechnen oder bei der Modellierung berücksichtigen. Daher kann man – in Abhängigkeit von den kosmologischen Parametern – Vorhersagen über die Temperaturverteilung machen, insbesondere über das Winkelleistungsspektrum (siehe Abbildung). Vergleicht man dies mit dem gemessenen Winkelleistungsspektrum, so kann man die kosmologischen Parameter bestimmen.
Die Entdeckung dieser schwachen Temperaturschwankungen (ca. 0,001 %) in kleineren Bereichen durch den Satelliten COBE im Jahr 1993 war ein Durchbruch in der Beobachtung des frühen Universums. Die Messung der Stärke dieser Schwankungen machte deutlich, dass die Materie zum Zeitpunkt der Rekombination außerordentlich homogen verteilt war. Weitere Untersuchungen durch bodengebundene Experimente, Ballonteleskope und besonders die Raumsonden WMAP und Planck haben die Stärke dieser Temperaturschwankungen in Abhängigkeit von ihrer Winkelausdehnung am Himmel noch wesentlich besser charakterisiert. Dass die gemessenen Eigenschaften des Mikrowellenhintergrundes gut mit den theoretischen Vorhersagen übereinstimmen, ist ein herausragender Beleg dafür, dass die Urknalltheorie gültig ist. Die Messung der Parameter dieser Theorie favorisiert das Lambda-CDM-Modell.
Von August 2009 bis Februar 2012 vermaß die europäische Raumsonde Planck die Strahlung mit noch dreifach höherer Auflösung, bei besserer Ausblendung von Störstrahlung.[14][15] Die Temperaturschwankungen gehören zu den zurzeit wichtigsten Messgrößen der Kosmologie und der Theorien zur Bildung von Strukturen im frühen Universum.
Trotz der generell ausgezeichneten Übereinstimmung der gemessenen Eigenschaften des kosmischen Mikrowellenhintergrunds mit den theoretischen Vorhersagen gibt es einige Aspekte in den Daten, die nicht vollständig verstanden sind und zu anhaltenden Diskussionen führten.
So sind einige der niedrigsten Momente in der Winkelverteilung der Temperatur niedriger als vorhergesagt. Die gemessenen Extremwerte der Hintergrundstrahlung verlaufen fast senkrecht zur Ekliptik des Sonnensystems, wobei die Abweichung von der Senkrechten sich im Rahmen der Messungenauigkeiten bewegt. Darüber hinaus gibt es eine deutliche Nord-Süd-Asymmetrie mit einem Maximum im Norden.[16][17][18] Dies ist überraschend. Das Standardmodell der Kosmologie kennt keine global ausgezeichnete Raumrichtung. Daher sollte die kosmische Hintergrundstrahlung aus allen Raumrichtungen im Mittel gleich stark ausfallen.[19]
Außerdem gibt es eine CMB Cold Spot genannte Region mit etwa 5° Durchmesser, in der die Temperatur der Hintergrundstrahlung signifikant niedriger ist als der Durchschnitt. Dieser CMB Cold Spot wird meist als Abbild eines besonders großen, besonders leeren Raumbereichs interpretiert. Es wurde versucht, diesen leeren Raumbereich direkt durch eine dreidimensionale Kartierung der in dieser Richtung zu beobachtenden Galaxien nachzuweisen. Dabei kamen unterschiedliche Forschergruppen zu entgegengesetzten Ergebnissen. Eine Studie von 2016 bestätigt in der fraglichen Himmelsregion eine Void.[20] Eine Studie von 2017 kommt dagegen zu dem Schluss, dass es in der Himmelsregion keine mit dem CMB Cold Spot verträgliche räumliche Struktur in der Verteilung der beobachtbaren Galaxien gibt.[21]
Diese bereits in den Ergebnissen der WMAP-Mission sichtbaren Abweichungen von der erwarteten Verteilung der Hintergrundstrahlung wurden durch Messungen mit dem Planck in höherer Auflösung und Genauigkeit bestätigt.[22]
Verschiedene Kollaborationen suchen in der Feinverteilung der gemessenen Hintergrundstrahlung nach Hinweisen auf die Inflation und Gravitationswellen aus der Frühzeit des Universums. Eine erste Meldung auf der Grundlage von Messungen des BICEP2-Detektors sorgte 2014 für Medienaufmerksamkeit.[23] Ein Jahr später kamen die gleichen Autoren jedoch zu dem Schluss, dass sich die Abweichungen von der Isotropie als Folge von Staub der Milchstraße erklären lassen.[24]
2022 wurde die Temperatur der kosmischen Hintergrundstrahlung vor 13 Milliarden Jahren, also 800 Millionen Jahre nach dem Urknall, zu 16 bis 30 Kelvin bestimmt, in Übereinstimmung mit dem kosmischen Standardmodell. Das war die erste Messung der Temperatur der Hintergrundstrahlung für das frühe Universum. Die Werte ergaben sich aus den Beobachtungen der Galaxie HFLS3, einer sog. Starburst-Galaxie mit vielen neuen Sternen, durch das Northern Extended Millimeter Array (Noema). Aus den Absorptionsspektren der Wasserdampfwolken in der Galaxie, die von der Wechselwirkung mit der Hintergrundstrahlung abhingen, ergaben sich die Schranken für die Temperatur der Hintergrundstrahlung.[25]