Supernovaüberrest | |
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Daten des Krebsnebels | |
Krebsnebel, Aufnahme des Hubble-Weltraumteleskops | |
Sternbild | Stier |
Position Äquinoktium: J2000.0 | |
Rektaszension | 5h 34m 31,97s |
Deklination | +22° 0′ 52,10″ |
Weitere Daten | |
Helligkeit (visuell) |
8,4 mag [1] |
Winkelausdehnung |
6′ × 4′ |
Entfernung |
6300 Lj [2] |
Durchmesser | 11 × 7 Lj |
Geschichte | |
Entdeckung | |
Datum der Entdeckung |
1731 |
Katalogbezeichnungen | |
M 1 • NGC 1952 • IRAS 05314+2200 • Sh 2–244 | |
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Der Krebsnebel ist sowohl ein Supernovaüberrest als auch ein Pulsarwind-Nebel im Sternbild Stier und wird im Messier-Katalog als M 1 sowie im New General Catalogue als NGC 1952 geführt.
Der Krebsnebel erscheint im sichtbaren Licht als ovaler Körper mit breiten Filamenten. Dieser Körper ist rund 6 Bogenminuten lang und 4 Bogenminuten breit und umgibt eine diffuse blaue Region im Zentrum. Die Filamente sind Überreste der Atmosphäre des Ursprungssterns und enthalten zum größten Teil ionisiertes Helium und Wasserstoff und weiterhin Kohlenstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Eisen, Neon und Schwefel. Seine Entfernung lässt sich nur mit Unsicherheiten von ± 500 Parsec auf etwa 2000 Parsec bestimmen.[2][3]
Der Krebsnebel ist eines der am intensivsten erforschten Objekte der Astronomie.[4]
Einem Mönch in Flandern fiel am 11. April 1054 eine „helle Scheibe am Nachmittag“ auf. Dies war die erste überlieferte Beobachtung einer Supernova-Explosion. Bekannter ist, dass am 4. Juli 1054 ein chinesischer Hofastronom einen Stern entdeckte, der auch tagsüber neben der Sonne sichtbar war. Auch in Nordamerika stellen Zeichnungen diese Supernova-Explosion dar, aus der der Nebel anschließend entstand. Insgesamt konnten bisher 13 zeitnahe historische Quellen zu diesem Himmelsereignis von 1054 gefunden werden.
Der nebelartige Überrest wurde im Jahr 1731 von John Bevis sowie, davon unabhängig, von Charles Messier am 28. August 1758 entdeckt. Diese Entdeckung war für Messier der Auslöser zur Erstellung des Messier-Katalogs, in dem der Krebsnebel als erstes Objekt M 1 eingeordnet ist. Die Benennung als Krebsnebel wird häufig Lord Rosse zugeschrieben, der den Nebel mit seinem großen Spiegelteleskop detailliert beobachten konnte und eine Zeichnung im Jahr 1844 publizierte. Jedoch wurde die Ähnlichkeit der Filamente mit den Extremitäten eines Krebses, die in dieser Zeichnung besonders ausgeprägt ist, anderweitig schon früher angedeutet.[5] Gegen Ende des 19. Jahrhunderts publizierte Isaac Roberts, ein Pionier der Astrofotografie, erste Aufnahmen des Krebsnebels und stellte dabei fest, dass der Nebel den zuvorbekannten Zeichnungen nicht ähnelte.[6][7]
Spektroskopische Untersuchungen in den 1910er Jahren von Vesto Slipher zeigten, dass der Nebel aufgrund von Spektrallinien aus Wasserstoff und Helium besteht, wobei deren Spektrallinien aufgespalten sind. Er vermutete den Stark-Effekt als Ursache.[8] Roscoe Frank Sanford überlegte kurz darauf, dass auch entgegengesetzte Dopplerverschiebungen mit Geschwindigkeiten von -600 bis -1000 km/s und 1620 bis 1750 km/s die Aufspaltung erklärt. Bei seinen Untersuchungen erkannte er zudem, dass der hellste Bereich blau leuchtet und ein kontinuierliches Spektrum besitzt.[9] Diese Resultate wurden später von Walter Baade durch Aufnahmen mit schmalbandigen Filtern bestätigt, die zudem zeigten, dass der helle bläuliche Bereich im Zentrum liegt und etwa 80 % der Helligkeit des Nebels ausmachte, während die Linienspektren von den Filamenten herrührten.[10]
Im Jahr 1921 entdeckte Carl Otto Lampland anhand von verschieden weit zurückliegenden Aufnahmen, dass sich der Krebsnebel über die Zeit hinweg verändert.[11] Noch im gleichen Jahr wurde dies anhand weiterer Aufnahmen durch John Charles Duncan bestätigt, der zudem erkannte, dass es sich bei der Veränderung um eine Expansion handelt[12] und Knut Lundmark wies darauf hin, dass auch die in chinesischen Schriften verzeichnete Nova aus dem Jahr 1054 nahe dem Krebsnebel liegen müsse.[13] Sieben Jahre später schloss Edwin Hubble durch Zurückberechnung der Expansion auf diese Nova vor rund 900 Jahren.[14]
Rund 10 Jahre später bestimmte Nicholas Ulrich Mayall anhand der Doppleraufspaltung der Spektrallinien die tatsächliche Ausdehnungsgeschwindigkeit zu 1300 km/s und ermittelte durch Vergleich mit der scheinbaren Expansion die Entfernung von 1500 Parsec (4900 Lichtjahre).[15] Walter Baade und Knut Lundmark erkannten daraufhin, dass es sich aufgrund der großen Distanz zusammen mit der im Jahr 1054 beobachteten hohen Helligkeit um eine sogenannte Supernova handeln müsse:[16] Nur wenige Jahre zuvor entdeckte Walter Baade zusammen mit Fritz Zwicky, dass es neben einer Nova eine viel leuchtkräftigere, aber seltenere „Super-nova“ geben kann, bei der ein (von ihnen postulierter) Neutronenstern entsteht.[17][18] Spektroskopische Untersuchungen Anfang der 1940er Jahre von Rudolph Minkowski erhärteten diese These. Die Spektroskopien deuteten auf etwa eine Sonnenmasse bei einem Durchmesser von höchstens 2 % der Sonne und somit eine zumindest 180.000-fachen Dichte und — was ihn von einem weißen Zwerg unterscheidet — eine Temperatur von 500.000 Kelvin sowie der 30.000-fachen Leuchtkraft der Sonne hin.[19]
Im Jahr 1948 fand John Gatenby Bolton mit weiteren Wissenschaftlern an der Position des Nebels die Radioquelle Taurus A[20][21], und erkannte, dass die hohe Intensität wahrscheinlich nicht durch thermische Prozesse hervorgerufen wird. Hannes Alfvén und Nicolai Herlofson schlugen kurz darauf eine Synchrotronstrahlung als Erklärung vor, die von fast lichtschnellen Elektronen in einem starken Magnetfeld hervorgerufen wird.[22] Im Jahr 1953 vermutete Iosef Shklovsky, dass auch das blaue Leuchten des Zentrums durch Synchrotronstrahlung hervorgerufen wird und dieses aufgrund des Magnetfelds polarisiert ist.[23] Diese Polarisation wiesen Mikheil Vashakidze und Viktor Alekseyevich Dombrovskij im Folgejahr nach, die Quelle der Elektronen und des Magnetfelds blieben jedoch Gegenstand einer Kontroverse.[24][25]
Erste röntgenastronomische Beobachtungen, die nur außerhalb der Atmosphäre möglich sind, wurden ab 1963 mit Aerobee-Raketen durchgeführt. Dabei wurden zunächst nur zwei sehr helle Röntgenquellen entdeckt, und der Krebsnebel mit einer von ihnen, Taurus X-1, identifiziert.[26] Dies gab auch Evidenzen für den Neutronenstern als Ursache des Magnetfeldes.[27] Im Jahr 1967 erkannte man durch Instrumente an einem Höhenballon, dass es eine der stärksten Quellen für Gammastrahlung im Bereich bis 560 keV ist.[28] Zu dieser Zeit begann man auch, Gammastrahlung bis in den Teraelektronenvolt-Energiebereich mithilfe von Tscherenkow-Teleskopen zu untersuchen und konnte diese im Laufe der 1970er Jahre immer deutlicher nachweisen.[29]
Motiviert durch den Bericht über den ersten Pulsar im Jahr 1968 durchmusterten David H. Staelin und Edward C. Reifenstein den Himmel und entdeckten zwei pulsierenden Radioquellen "near the crab nebula that could be coincident with it" mithilfe des rund 90 Meter durchmessenden Radioteleskop in Green Bank.[30][31] Sie bezeichneten die Radioquellen mit NP 0527 und NP 0532. Die Periodendauer und die Position im Krebsnebel von NP 0532 wurde kurz darauf von Richard Lovelace und seinem Team mit dem über dreimal größeren Arecibo-Observatorium ermittelt.[32] Im Jahr 1969 konnte der Pulsar PSR B0531+21 im optischen Bereich mit dem Zentralstern des Krebsnebels identifiziert werden.[33] Die Pulse weisen einen Hauptpuls und einen Nebenpuls auf, wobei die Pulsform und Pulshöhe von dem Spektralbereich abhängen; bei Gammastrahlung kann der Nebenpuls höher als der Hauptpuls ausfallen.
Aufgrund der Beobachtungen vermutete bereits im Jahr 1969 Wallace Hampton Tucker, dass ein sogenannter Pulsarwind aus den fast lichtschnellen geladenene Teilchen beim Auftreffen in den umgebenden Nebel zu leuchten beginnt,[34] und fünf Jahre später präzisierten Martin John Rees und James Edward Gunn, dass die relativistischen Elektronen und Positronen im torodialen magnetischen Feld um den Pulsar entstehen und die Synchrotronstrahlung einsetzt, sobald diese mit dem Nebel kollidieren.[35][36]
Die Intensität der Pulse kann auch vereinzelt in einem Maße höher ausfallen, wie es bei sehr wenigen anderen Pulsaren beobachtet wurde. Diese Pulse höherer Intensität werden als Giant Pulse bezeichnet und treten mit einer 10-fachen Energie im Mittel etwa alle 10 Minuten auf,[37] können aber auch mit der 2000-fachen Energie auftreten.[38] Nachfolgende Untersuchungen zeigten, dass sie teilweise nur 2 Nanosekunden lange Subpulse enthalten, so dass der Emissionsbereich kleiner als 1 Meter sein muss.[39] Der Entstehungsmechanismus ist noch nicht umfassend geklärt.[40]
Bereits im Jahr 1942 berichtete Walter Baade von Aufnahmen der Filamente mit schmalbandigen Filtern, mit denen er deren Ionisation durch charakteristische Spektrallinien von Wasserstoff nachwies.[10] Durch genauere Untersuchungen der ebenfalls vorhandenen Spektrallinien von Sauerstoff und Helium konnte Donald Edward Osterbrock im Jahr 1957 deren Temperatur von rund 15.000 Kelvin und Dichte mit 550 bis 3700 ionisierten Teilchen pro Kubikzentimeter bestimmen,[41] was weitere Untersuchungen bestätigten.[42] Kurz darauf vermutete man, dass die komplexe Gestalt der Filamente durch eine Rayleigh-Taylor-Instabilität an der Grenzschicht zwischen Neutronenstern und abgestoßenem Supernovarest hervorgerufen wird.[43]
Neuere Untersuchungen zeigen, dass der Krebsnebel sich derzeit mit einer Geschwindigkeit von 1500 km/s ausdehnt.[44] Rechnet man die Expansion zurück, erhält man ein Datum für die Bildung des Nebels, das auf mehrere Jahrzehnte nach 1054 verweist. Es scheint, als hätte sich der Nebel beschleunigt ausgedehnt.[45] Man vermutet, dass die notwendige Energie für die Beschleunigung vom Pulsar stammt, der das Magnetfeld verstärkte, und dass dadurch die Filamente vom Zentrum stärker wegbewegt wurden.[46] Unterschiede in der zurückberechneten Expansion der Filamente und des Polarwindnebels stützen zudem die Rayleigh-Taylor-Instabilität als Erklärung der Filament-Morphologie.[4]
Aus seinen Beobachtungen versuchte Osterbrock bereits im Jahr 1957 aus den Daten die Gesamtmasse der Filamente zu bestimmen.[41] Der sich ergebende Wert von 2 Prozent der Sonnenmasse wurde jedoch später als zu gering erachtet. Folgende Untersuchungen deuten auf die 1-fache bis 5-fache Masse der Sonne hin.[47] Lange vermutete man, dass die für eine Supernova zusätzlich erforderliche Masse in einer Hülle um den Krebsnebel liegen könnte, welche sich aber trotz Suche in unterschiedlichen Wellenlängen nicht fand.[47][48] Unter Berücksichtigung von Staub, der im fernen Infrarot mit dem Herschel-Weltraumteleskop beobachte werden konnte, folgerte man im Jahr 2015 eine Gasmasse von 7 Sonnenmassen und eine Staubmasse von etwas weniger als einer Sonnenmasse.[49]
Im Zentrum des Krebsnebels befinden sich zwei schwache Sterne. Einer von ihnen ist für die Entstehung des Nebels verantwortlich.
Pulsare sind Quellen starker elektromagnetischer Strahlung, die in kurzen und extrem regelmäßigen Intervallen mehrmals in der Sekunde emittiert werden. 1967 war es ein großes Rätsel, wie so etwas zu erklären sei. Das Team, welches den Pulsar entdeckte, ging selbst von einem Signal einer fortgeschrittenen Zivilisation aus.[50] Heute weiß man, dass es sich bei Pulsaren um schnell drehende Neutronensterne handelt, deren starkes Magnetfeld in schmalen Strahlen konzentriert ist.
Man vermutet, dass der Pulsar einen Durchmesser von 28 bis 30 km hat.[51] Er sendet alle 33 Millisekunden Strahlungsimpulse aus,[52] die über das gesamte elektromagnetische Spektrum, von Radio- bis Röntgenstrahlung, verteilt sind. Wie bei allen Pulsaren nimmt seine Periode langsam ab. Manchmal zeigt der Pulsar zeitliche Störungen in seiner Periode. Es wird angenommen, dass diese aus einer plötzlichen Umordnung des Materials im Neutronenstern resultieren. Die Energie, die der Pulsar verliert, während er langsamer wird, ist enorm. Allein die Synchrotronstrahlung besitzt eine Leuchtstärke, die rund 75.000 Mal stärker als die der Sonne ist.[53]
Durch die extreme Energiemenge, die der Pulsar abgibt, entsteht eine extrem dynamische Region im Zentrum des Krebsnebels. Während die meisten Veränderungen von astronomischen Objekten so langsam geschehen, dass man sie erst nach vielen Jahren wahrnehmen kann, ändert sich das Innere des Krebsnebels innerhalb einiger Tage.[54] Die Gebiete mit den stärksten Veränderungen im inneren Teil des Nebels sind an dem Punkt, wo die Polarjets des Pulsars mit dem umgebenden Material kollidieren und eine Stoßwelle bilden. Zusammen mit dem äquatorialen Wind erscheinen sie als eine Serie von büschelähnlichen Gebilden, die steil hervorwachsen, aufhellen und dann verblassen, wenn sie sich vom Pulsar weg- und in den Nebel hineinbewegen.
Der Krebsnebel entstand aus der Supernovaexplosion eines Sterns. Aus theoretischen Modellen von Supernovaexplosionen schließt man, dass der Stern eine Masse zwischen 8 und 12 Sonnenmassen gehabt haben musste. Man vermutet, dass Sterne, die weniger als 8 Sonnenmassen haben, zu klein sind, um in einer Supernova zu explodieren und ihr Leben mit der Erzeugung eines Planetarischen Nebels beenden, während Sterne mit mehr als 12 Sonnenmassen einen Nebel mit einer anderen chemischen Zusammensetzung als der des Krebsnebels bilden.[55]
Der Krebsnebel ist rund 1,5° von der Ekliptik der Erdbahn um die Sonne entfernt. Das bedeutet, dass der Mond und manchmal auch Planeten diesen Nebel scheinbar am Himmel durchqueren oder streifen können. Die Sonne selbst durchquert den Nebel nicht, dafür aber ihre Korona. Solche Ereignisse helfen, den Nebel und die Objekte vor dem Nebel besser zu erforschen, indem man untersucht, wie sich die Strahlung des Nebels ändert.
Mondtransits wurden verwendet, um die Quellen der Röntgenstrahlen im Nebel zu finden. Bevor man Satelliten wie das Chandra X-Ray Observatory hatte, die die Röntgenstrahlung beobachten konnten, hatten Röntgenbeobachtungen meist eine geringe Auflösung. Wenn sich jedoch der Mond vor den Nebel schiebt, kann man die Helligkeitsänderungen des Nebels verwenden, um Karten der Röntgenstrahlenemission des Nebels anzufertigen.[56] Als man das erste Mal Röntgenstrahlen im Krebsnebel beobachtet hatte, wurde der Mond, als er den Nebel am Himmel streifte, verwendet, um die genaue Position der Röntgenstrahlung auszumachen.[26]
Die Sonnenkorona durchquert den Krebsnebel jeden Juni. Durch Veränderungen der Radiowellen des Krebsnebels kann man auf die Dichte und Struktur der Sonnenkorona schließen. Die ersten Beobachtungen offenbarten, dass die Sonnenkorona viel ausgedehnter ist als bis dahin angenommen, spätere Beobachtungen zeigten, dass sie beachtliche Dichteschwankungen aufweist.[57]
Sehr selten durchquert der Saturn den Nebel. Sein Transit im Jahr 2003 war der erste seit 1296, der nächste wird 2267 sein. Mit Hilfe des Chandra X-Ray Observatory wurde der Saturnmond Titan genauer untersucht. Dabei stellte sich heraus, dass auch um Titan Röntgenstrahlung emittiert wurde. Der Grund liegt in der Absorption der Röntgenstrahlung in seiner Atmosphäre. Dadurch erhielt man für die Dicke von Titans Atmosphäre einen Wert von 880 km.[58] Der Saturntransit selbst konnte nicht beobachtet werden, da Chandra zu der Zeit den Van-Allen-Gürtel durchquerte.