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[[Datei:Piezoeffekt350px.gif|mini|hochkant=2 | [[Datei:Piezoeffekt350px.gif|mini|hochkant=2|Direkter Piezoeffekt: Durch mechanischen Druck verlagert sich der positive (Q+) und negative Ladungsschwerpunkt (Q–). Dadurch entsteht ein [[Elektrischer Dipol|Dipol]], eine [[elektrische Spannung]] am Element.]] | ||
Die '''Piezoelektrizität''', auch '''piezoelektrischer Effekt''' oder kurz '''Piezoeffekt''', | Die '''Piezoelektrizität''', auch '''piezoelektrischer Effekt''' oder kurz '''Piezoeffekt''', (von [[Altgriechische Sprache|altgr.]] {{lang|grc|πιέζειν}} ''piezein'' ‚drücken‘, ‚pressen‘ und {{lang|grc|ἤλεκτρον}} ''ēlektron'' ‚Bernstein‘) beschreibt die Änderung der elektrischen [[Polarisation (Elektrizität)|Polarisation]] und somit das Auftreten einer elektrischen Spannung an Festkörpern, wenn sie elastisch verformt werden ''(direkter Piezoeffekt)''. Umgekehrt verformen sich Materialien bei Anlegen einer elektrischen Spannung ''(inverser Piezoeffekt)''. | ||
== Geschichte == | == Geschichte == | ||
[[Datei:Quadrant electrometer built by Pierre Curie, 1880-1890. (9660571325).jpg|mini|Quadrantenelektrometer von Pierre Curie, 1880–1890. [[Science Museum London]].]] | [[Datei:Quadrant electrometer built by Pierre Curie, 1880-1890. (9660571325).jpg|mini|Quadrantenelektrometer von [[Pierre Curie]], 1880–1890. [[Science Museum London]].]] | ||
Der direkte Piezoeffekt wurde im Jahre 1880 von den Brüdern [[Jacques Curie|Jacques]] und [[Pierre Curie]] entdeckt. Bei Versuchen mit [[Turmalingruppe|Turmalinkristallen]] fanden sie heraus, dass bei mechanischer Verformung der [[Kristall]]e auf der Kristalloberfläche [[elektrische Ladung]]en entstehen, deren Menge sich proportional zur Beanspruchung verhält. Heute werden für [[Piezoelement]]e meist PZT-Keramiken (wie [[Blei-Zirkonat-Titanat]]) benutzt. | Der direkte Piezoeffekt wurde im Jahre 1880 von den Brüdern [[Jacques Curie|Jacques]] und [[Pierre Curie]] entdeckt. Bei Versuchen mit [[Turmalingruppe|Turmalinkristallen]] fanden sie heraus, dass bei mechanischer Verformung der [[Kristall]]e auf der Kristalloberfläche [[elektrische Ladung]]en entstehen, deren Menge sich proportional zur Beanspruchung verhält. Heute werden für [[Piezoelement]]e meist PZT-Keramiken (wie [[Blei-Zirkonat-Titanat]]) benutzt. | ||
[[Makroskopisch]] konnte der Effekt im Rahmen der [[Kontinuumsmechanik]] schon Anfang des 20. Jahrhunderts beschrieben werden. Die [[Mikrokosmos|mikroskopische Beschreibung]] wurde erst durch ein tiefgehendes Verständnis der diskreten Struktur der [[Kondensierte Materie|kondensierten Materie]] möglich. Eine genauere mikroskopische Abhandlung wurde von [[Richard M. Martin]] 1972 gegeben.<ref name="MartinRichard1972">{{Literatur|Autor=Richard | [[Makroskopisch]] konnte der Effekt im Rahmen der [[Kontinuumsmechanik]] schon Anfang des 20. Jahrhunderts beschrieben werden. Die [[Mikrokosmos|mikroskopische Beschreibung]] wurde erst durch ein tiefgehendes Verständnis der diskreten Struktur der [[Kondensierte Materie|kondensierten Materie]] möglich. Eine genauere mikroskopische Abhandlung wurde von [[Richard M. Martin]] 1972 gegeben.<ref name="MartinRichard1972">{{Literatur |Autor=Richard M. Martin |Titel=Piezoelectricity |Sammelwerk=Physical Review B |Band=Jg. 5 |Nummer=4 |Datum=1972 |ISSN=1098-0121 |Seiten=1607–1613 |DOI=10.1103/PhysRevB.5.1607}}</ref> | ||
Die ersten Anwendungen waren piezoelektrische [[Ultraschall]]wandler und bald darauf [[Schwingquarz]]e für die Frequenzstabilisierung. Durch das 1950 an [[Kistler Instrumente|Walter P. Kistler]] erteilte Patent auf den [[Ladungsverstärker]] gelang der piezoelektrischen Messtechnik der Durchbruch zur breiten industriellen Anwendung.<!--Quelle fehlt. Es gibt schon Patente des Autoren von 1946 und früher zu diesem Thema--> | Die ersten Anwendungen waren piezoelektrische [[Ultraschall]]wandler und bald darauf [[Schwingquarz]]e für die Frequenzstabilisierung. Durch das 1950 an [[Kistler Instrumente|Walter P. Kistler]] erteilte Patent auf den [[Ladungsverstärker]] gelang der piezoelektrischen Messtechnik der Durchbruch zur breiten industriellen Anwendung.<!--Quelle fehlt. Es gibt schon Patente des Autoren von 1946 und früher zu diesem Thema--> | ||
== Prinzip == | == Prinzip == | ||
Durch die gerichtete Verformung eines piezoelektrischen Materials bilden sich mikroskopische Dipole innerhalb der [[Elementarzelle]]n (Verschiebung der [[Elektrische Ladung|Ladungs]][[Geometrischer Schwerpunkt|schwerpunkte]]). Die Aufsummierung über das damit verbundene elektrische Feld in allen Elementarzellen des Kristalls führt zu einer makroskopisch messbaren elektrischen Spannung. ''Gerichtete'' Verformung bedeutet, dass der angelegte Druck nicht von allen Seiten auf die Probe wirkt, sondern (beispielsweise) nur von gegenüberliegenden Seiten aus. Umgekehrt kann durch Anlegen einer elektrischen Spannung eine Verformung des Kristalls oder des Piezokeramik-Bauteils erreicht werden. | |||
Im Wesentlichen unterscheidet man drei Effekte<ref name="PhysikIngs">{{Literatur |Autor=Ekbert Hering; Rolf Martin; Martin Stohrer |Titel=Physik für Ingenieure |Auflage=12 |Verlag=Springer-Verlag |Datum=2016 |ISBN=978-3-662-49354-0 |Kapitel=9.3.3 Piezoelektrizität}}</ref>: | |||
* Längs-Effekt: Die [[Kraft]] erzeugt eine [[Polarisation (Elektrizität)|Polarisation]] in Kraftrichtung und die elektrische Spannung kann in der gleichen Richtung gemessen werden. | |||
* Quer-Effekt: Die Polarisation ist [[transversal]] zur Kraft, so dass die Spannung quer zur Kraftrichtung entsteht. | |||
* Scher-Effekt: Die Spannung entsteht diagonal zu den Ebenen der [[Scherung (Mechanik)|Scherung]]. | |||
Alle drei Effekte lassen sich auch umkehren, d. h., durch Einwirkung einer Spannung kann durch Volumenänderung eine Kraft erzeugt werden. | |||
Wie jeder andere Festkörper können auch piezoelektrische Körper mechanische Schwingungen ausführen. Bei Piezoelektrika können diese Schwingungen elektrisch angeregt werden und bewirken ihrerseits wieder eine elektrische Spannung. Die Frequenz der Schwingung ist nur von der [[Schallgeschwindigkeit]] (eine Materialkonstante) und den Abmessungen des piezoelektrischen Körpers abhängig. Bei geeigneter Befestigung werden diese [[Eigenfrequenz]]en kaum von | Wie jeder andere Festkörper können auch piezoelektrische Körper mechanische Schwingungen ausführen. Bei Piezoelektrika können diese Schwingungen elektrisch angeregt werden und bewirken ihrerseits wieder eine elektrische Spannung. Die Frequenz der Schwingung ist nur von der [[Schallgeschwindigkeit]] (eine Materialkonstante) und den Abmessungen des piezoelektrischen Körpers abhängig. Bei geeigneter Befestigung werden diese [[Eigenfrequenz]]en kaum von der Umgebung beeinflusst, wodurch piezoelektrische Bauteile wie [[Schwingquarz]]e sehr gut für den Einsatz in präzisen [[Quarzoszillator|Oszillatoren]] geeignet sind, beispielsweise für [[Quarzuhr]]en. | ||
== Piezoelektrische Materialien == | == Piezoelektrische Materialien == | ||
=== Grundlagen === | === Grundlagen === | ||
Der piezoelektrische Effekt kann zunächst durch die Änderung der Geometrie erklärt werden. | Der piezoelektrische Effekt kann zunächst durch die Änderung der Geometrie erklärt werden. Alle [[Ferroelektrizität|ferroelektrischen]] Materialien und Materialien mit permanentem elektrischen Dipol sind auch piezoelektrisch, beispielsweise [[Bariumtitanat]] und [[Blei-Zirkonat-Titanat]] (PZT). Jedoch verhält sich nur ein Teil der Piezoelektrika ferroelektrisch. | ||
Bei Kristallen ist die Kristallsymmetrie ein weiteres Kriterium für das Auftreten der Piezoelektrizität. Die piezoelektrische Polarisation tritt nicht auf, wenn der Kristall ein Inversionszentrum besitzt. Bei allen 21 nicht-zentrosymmetrischen [[Punktgruppe]]n kann Piezoelektrizität auftreten, mit Ausnahme der kubischen Punktgruppe ''432''. Anders gesagt darf eine Elementarzelle keinen Punkt besitzen, an dem eine Punktspiegelung den Kristall in sich selbst überführt. | Bei Kristallen ist die Kristallsymmetrie ein weiteres Kriterium für das Auftreten der Piezoelektrizität. Die piezoelektrische Polarisation tritt nicht auf, wenn der Kristall ein Inversionszentrum besitzt. Bei allen 21 nicht-zentrosymmetrischen [[Punktgruppe]]n kann Piezoelektrizität auftreten, mit Ausnahme der kubischen Punktgruppe ''432''. Anders gesagt darf eine Elementarzelle keinen Punkt besitzen, an dem eine Punktspiegelung den Kristall in sich selbst überführt. | ||
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Das bekannteste Material mit Piezoeigenschaften ist [[Quarz]] (SiO<sub>2</sub>). Quarzkristalle besitzen die nicht-zentrosymmetrische Punktgruppe ''32''. Jedes Si-Atom sitzt in der Mitte eines [[Tetraeder]]s aus vier Sauerstoffatomen. Eine in Richtung Grundfläche-Spitze (Kristallografische Richtung: [111]) wirkende Kraft verformt nun diese Tetraeder derart, dass die zusammengedrückten Tetraeder elektrisch polarisiert sind und so auf den Oberflächen des Kristalls (in [111]-Richtung) eine Nettospannung auftritt. | Das bekannteste Material mit Piezoeigenschaften ist [[Quarz]] (SiO<sub>2</sub>). Quarzkristalle besitzen die nicht-zentrosymmetrische Punktgruppe ''32''. Jedes Si-Atom sitzt in der Mitte eines [[Tetraeder]]s aus vier Sauerstoffatomen. Eine in Richtung Grundfläche-Spitze (Kristallografische Richtung: [111]) wirkende Kraft verformt nun diese Tetraeder derart, dass die zusammengedrückten Tetraeder elektrisch polarisiert sind und so auf den Oberflächen des Kristalls (in [111]-Richtung) eine Nettospannung auftritt. | ||
Technisch genutzte Materialien, die einen stärkeren Piezo-Effekt als Quarz zeigen, leiten sich oft von der [[Perowskit]]-Struktur ab, z. B.: Bariumtitanat (BaTiO<sub>3</sub>). Die [[Kubisches Gitter|kubische]] Perowskit-Modifikation selbst besitzt die zentrosymmetrische Punktgruppe <math>m\bar3 m</math> und ist somit nicht-piezoelektrisch, das Material kann aber unterhalb einer kritischen Temperatur – | Technisch genutzte Materialien, die einen stärkeren Piezo-Effekt als Quarz zeigen, leiten sich oft von der [[Perowskit]]-Struktur ab, z. B.: Bariumtitanat (BaTiO<sub>3</sub>). Die [[Kubisches Gitter|kubische]] Perowskit-Modifikation selbst besitzt die zentrosymmetrische Punktgruppe <math>m\bar3 m</math> und ist somit nicht-piezoelektrisch, das Material kann aber unterhalb einer kritischen Temperatur – der piezoelektrischen [[Curie-Temperatur]] T<sub>C</sub> – in eine nicht-zentrosymmetrische Perowskit-Struktur übergehen (rhomboedrisch/tetragonal, siehe [[Blei-Zirkonat-Titanat]]). Es zeigt dann eine [[spontane Polarisation]] und besitzt ferroelektrische Eigenschaften. | ||
=== Piezoelektrische Kristalle === | === Piezoelektrische Kristalle === | ||
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Weitere piezoelektrische Kristalle sind [[Berlinit (Mineral)|Berlinit]], Minerale der [[Turmalingruppe]], [[Seignettesalz]] und alle [[Ferroelektrikum|Ferroelektrika]] wie Bariumtitanat (BTO) oder Blei-Zirkonat-Titanat (PZT). BTO und PZT werden jedoch normalerweise nicht als Einkristalle, sondern in polykristalliner Form (Keramiken) verwendet. | Weitere piezoelektrische Kristalle sind [[Berlinit (Mineral)|Berlinit]], Minerale der [[Turmalingruppe]], [[Seignettesalz]] und alle [[Ferroelektrikum|Ferroelektrika]] wie Bariumtitanat (BTO) oder Blei-Zirkonat-Titanat (PZT). BTO und PZT werden jedoch normalerweise nicht als Einkristalle, sondern in polykristalliner Form (Keramiken) verwendet. | ||
Gegenüber piezoelektrischen Kristallen haben piezoelektrische Keramiken wie PZT den Vorteil wesentlich höherer piezoelektrischer Koeffizienten. Vorteile der Kristalle Quarz, Galliumorthophosphat und | Gegenüber piezoelektrischen Kristallen haben piezoelektrische Keramiken wie PZT den Vorteil wesentlich höherer piezoelektrischer Koeffizienten. Vorteile der Kristalle Quarz, Galliumorthophosphat und Lithiumniobat sind höhere Temperaturstabilität, geringere Verluste, eine wesentlich geringere [[Hysterese]] und kaum vorhandenes Kriechen (also verzögerte Verformung) nach Änderung der angelegten Spannung. | ||
=== Piezoelektrische Keramiken === | === Piezoelektrische Keramiken === | ||
[[Datei:Perovskite.svg|mini|Perowskit-[[ | [[Datei:Perovskite.svg|mini|Perowskit-[[Elementarzelle]] von PZT-Piezokeramik. Unterhalb der Curie-Temperatur bildet sich ein Dipol aus.]] | ||
[[Datei:Piezokeramik.svg|mini|Einprägen einer Polarisationsrichtung durch Ausrichtung der Dipole in einem elektrischen Feld]] | [[Datei:Piezokeramik.svg|mini|Einprägen einer Polarisationsrichtung durch Ausrichtung der Dipole in einem elektrischen Feld]] | ||
Industriell hergestellte [[Piezoelement]]e sind zumeist [[Keramik]]en. Diese Keramiken werden aus [[synthetisch]]en, [[anorganisch]]en, [[ferroelektrisch]]en und [[polykristallin]]en Keramikwerkstoffen gefertigt. Typische Basismaterialien für Hochvolt-Aktoren sind modifizierte Blei-Zirkonat-Titanate (PZT) und für Niedervolt-Aktoren [[Blei-Magnesium-Niobat]] | Industriell hergestellte [[Piezoelement]]e sind zumeist [[Keramik]]en. Diese Keramiken werden aus [[synthetisch]]en, [[anorganisch]]en, [[ferroelektrisch]]en und [[polykristallin]]en Keramikwerkstoffen gefertigt. Typische Basismaterialien für Hochvolt-Aktoren sind modifizierte Blei-Zirkonat-Titanate (PZT) und für Niedervolt-Aktoren [[Blei-Magnesium-Niobat]] (PMN). | ||
Der Stoffverbund der PZT-Keramiken (Pb, O, Ti/Zr) kristallisiert in der Perowskit-Kristallstruktur. Unterhalb der piezoelektrischen Curietemperatur bildet sich durch Verzerrungen der idealen Perowskit-Struktur ein [[Elektrisches Dipolmoment|Dipolmoment]] aus. | |||
Bei keramischen Piezoelementen sind die internen Dipole nach dem [[Sintern|Sinterprozess]] noch ungeordnet, weshalb sich keine piezoelektrischen Eigenschaften zeigen. Die [[Weiss-Bezirk|Weissschen Bezirke]] oder Domänen besitzen eine willkürliche räumliche Orientierung und gleichen sich gegenseitig aus. Eine deutlich messbare piezoelektrische Eigenschaft lässt sich erst durch ein äußeres [[Elektrisches Feld|elektrisches Gleichfeld]] mit einigen MV/m aufprägen, wobei das Material bis knapp unter die [[Curie-Temperatur]] erwärmt und wieder abgekühlt wird. Die eingeprägte Orientierung bleibt danach zum großen Teil erhalten (''remanente'' [[Polarisation (Elektrizität)|Polarisation]]) und wird als ''Polarisationsrichtung'' bezeichnet. | Bei keramischen Piezoelementen sind die internen Dipole nach dem [[Sintern|Sinterprozess]] noch ungeordnet, weshalb sich keine piezoelektrischen Eigenschaften zeigen. Die [[Weiss-Bezirk|Weissschen Bezirke]] oder Domänen besitzen eine willkürliche räumliche Orientierung und gleichen sich gegenseitig aus. Eine deutlich messbare piezoelektrische Eigenschaft lässt sich erst durch ein äußeres [[Elektrisches Feld|elektrisches Gleichfeld]] mit einigen MV/m aufprägen, wobei das Material bis knapp unter die [[Curie-Temperatur]] erwärmt und wieder abgekühlt wird. Die eingeprägte Orientierung bleibt danach zum großen Teil erhalten (''remanente'' [[Polarisation (Elektrizität)|Polarisation]]) und wird als ''Polarisationsrichtung'' bezeichnet. | ||
Gesinterte Piezoelemente zeichnen sich durch Wirkungsgrade von 25 % – 50 % und Permittivitätszahlen ε<sub>r</sub> um 1000 aus<ref name="PhysikIngs" />. | |||
Das Drehen der Weissschen Bezirke durch die Polarisation führt zu einer leichten Verzerrung des Materials sowie einer makroskopischen Längenzunahme in Polarisationsrichtung. | Das Drehen der Weissschen Bezirke durch die Polarisation führt zu einer leichten Verzerrung des Materials sowie einer makroskopischen Längenzunahme in Polarisationsrichtung. | ||
=== Weitere piezoelektrische Materialien === | === Weitere piezoelektrische Materialien === | ||
* Als aktive Sensormaterialien werden zunehmend auch piezoelektrische [[Dünne Schichten|Dünnschichten]] eingesetzt. Mit Hilfe von Halbleitertechnologien ist es möglich, diese aktiven piezoelektrischen Dünnschichten auf Silizium abzuscheiden. Hierbei handelt es sich meist um [[Zinkoxid]] (ZnO) oder [[Aluminiumnitrid]] (AlN). | |||
* Der Kunststoff [[Polyvinylidenfluorid]] (PVDF) lässt sich – ähnlich wie piezoelektrische Keramiken – polarisieren und ist dann piezoelektrisch. Anwendungen hierfür sind [[Hydrophon]]e. | |||
=== Biologisches Gewebe === | |||
Ein piezoelektrischer Effekt wurde 1957 für Knochen entdeckt.<ref>{{Internetquelle |url=https://phys.org/news/2017-10-straight-heart-piezoelectric-tissues.html |titel=Researchers get straight to the heart of piezoelectric tissues |werk=Phys.org, American Institute of Physics |datum=2017-10-05 |abruf=2018-12-05}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Eiichi Fukada, Iwao Yasuda |Titel=On the Piezoelectric Effect of Bone |Sammelwerk=Journal of the Physical Society of Japan |Band=12 |Nummer=10 |Datum=1957 |Seiten=1158–1162 |DOI=10.1143/JPSJ.12.1158}}</ref> Diese [[Piezoelektrischer Sensor#Anwendungen|reagieren piezoelektrisch auf Belastungen]]. 1967 wurde auch für die weichen Gewebsarten Haut, Bindegewebe und Knorpel ein piezoelektrischer Effekt nachgewiesen.<ref>Morris H. Shamos, Leroy S. Lavine, ''Piezoelectricity as a Fundamental Property of Biological Tissues'', Nature, Band 213, S. 267–269, 21. Januar 1967</ref> Insbesondere reagieren [[Kollagen]]­fibrillen und -fasern piezoelektrisch auf Druck, Zug und Torsion.<ref>Hartmut Heine: ''Lehrbuch der biologischen Medizin: Grundlagen und Extrazellutäre Martix'', Haug Verlag, 2015, ISBN 978-3-8304-7544-6. [https://books.google.com/books?id=yKrTBAAAQBAJ&pg=PA42 S. 42].</ref> Die Aorta ist hingegen nach gegenwärtiger Erkenntnis nicht piezoelektrisch.<ref>Thomas Lenz et al, ''Ferroelectricity and piezoelectricity in soft biological tissue: Porcine aortic walls revisited'', Applied Physics Letters (2017), [[doi:10.1063/1.4998228]].</ref> | |||
== {{Anker |Berechnung}}Berechnung == | |||
== {{Anker | Berechnung }}Berechnung == | |||
Im Folgenden wird die makroskopische Beschreibung im Rahmen der [[Kontinuumsmechanik]] gezeigt. Es wird nur eine lineare Näherung zwischen den betrachteten Größen berücksichtigt. Nichtlineare Effekte wie die [[Elektrostriktion]] werden hier vernachlässigt. | Im Folgenden wird die makroskopische Beschreibung im Rahmen der [[Kontinuumsmechanik]] gezeigt. Es wird nur eine lineare Näherung zwischen den betrachteten Größen berücksichtigt. Nichtlineare Effekte wie die [[Elektrostriktion]] werden hier vernachlässigt. | ||
=== Geometrie === | === Geometrie === | ||
[[Datei:Piezoachsen.png|mini|Definition der Achsenrichtungen]] | [[Datei:Piezoachsen.png|mini|Definition der Achsenrichtungen]] | ||
Zur Beschreibung der räumlich unterschiedlichen Eigenschaften wird ein [[Koordinatensystem]] gewählt. Für die Indizierung wird üblicherweise ein x-, y-, z-Koordinatensystem verwendet, dessen Achsen man mit den Ziffern 1, 2, 3 bezeichnet (Achse 3 entspricht der Polarisationsachse). Die [[Scherung (Mechanik)|Scherungen]] an diesen Achsen tragen die Ziffern 4, 5, 6. Basierend auf diesen Achsen werden die piezoelektrischen Eigenschaften mit [[Tensor]]en in Gleichungen gefasst. | Zur Beschreibung der räumlich unterschiedlichen Eigenschaften wird ein [[Koordinatensystem]] gewählt. Für die Indizierung wird üblicherweise ein x-, y-, z-Koordinatensystem verwendet, dessen Achsen man mit den Ziffern 1, 2, 3 bezeichnet (Achse 3 entspricht der Polarisationsachse). Die [[Scherung (Mechanik)|Scherungen]] an diesen Achsen tragen die Ziffern 4, 5, 6. Basierend auf diesen Achsen werden die piezoelektrischen Eigenschaften mit [[Tensor]]en in Gleichungen gefasst. | ||
=== Gleichungen === | === Gleichungen === | ||
Die einfachsten Gleichungen für den Piezoeffekt beinhalten die [[Polarisation (Elektrizität)|Polarisation]] ''P''<sub>pz</sub> (Einheit [C/m²]) und die [[Verformung]] ''S''<sub>pz</sub> ([[dimensionslose Größe]]): | Die einfachsten Gleichungen für den Piezoeffekt beinhalten die [[Polarisation (Elektrizität)|Polarisation]] ''P''<sub>pz</sub> (Einheit [C/m²]) und die [[Verformung]] ''S''<sub>pz</sub> ([[dimensionslose Größe]]): | ||
:<math>P_{pz} = d\cdot T = e\cdot S</math> | :<math>P_{pz} = d\cdot T = e\cdot S</math> | ||
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wobei d,e die piezoelektrischen Koeffizienten, E die [[Elektrisches Feld|elektrische Feldstärke]] (V/m) und T die [[mechanische Spannung]] (N/m²) angibt. Die erste Gleichung beschreibt den direkten, die zweite den inversen Piezoeffekt. | wobei d,e die piezoelektrischen Koeffizienten, E die [[Elektrisches Feld|elektrische Feldstärke]] (V/m) und T die [[mechanische Spannung]] (N/m²) angibt. Die erste Gleichung beschreibt den direkten, die zweite den inversen Piezoeffekt. | ||
Die piezoelektrischen Koeffizienten werden durch dreistufige sog. ''piezoelektrische Tensoren'' beschrieben. Man hat einerseits: | Die piezoelektrischen Koeffizienten werden durch dreistufige sog. ''piezoelektrische Tensoren'' beschrieben. Man hat einerseits: | ||
* piezoelektrische Verzerrungskoeffizienten (Reaktion der [[Verformung|Verzerrung]] auf das elektrische Feld) | * piezoelektrische Verzerrungskoeffizienten (Reaktion der [[Verformung|Verzerrung]] auf das elektrische Feld) | ||
:<math>d_{ij,k} = \frac{\partial S_{ij}}{\partial E_k}</math>; andererseits | :<math>d_{ij,k} = \frac{\partial S_{ij}}{\partial E_k}</math>; andererseits | ||
* piezoelektrische Spannungskoeffizienten (Reaktion der mechanischen Spannung auf das elektrische Feld) | * piezoelektrische Spannungskoeffizienten (Reaktion der mechanischen Spannung auf das elektrische Feld) | ||
:<math>e_{ij,k} = \frac{\partial T_{ij}}{\partial E_k}</math> | :<math>e_{ij,k} = \frac{\partial T_{ij}}{\partial E_k}</math> | ||
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Effekte zweiter Ordnung (inverser Piezoeffekt) werden durch die [[Elektrostriktion|elektrostriktiven]] Koeffizienten beschrieben. | Effekte zweiter Ordnung (inverser Piezoeffekt) werden durch die [[Elektrostriktion|elektrostriktiven]] Koeffizienten beschrieben. | ||
[[Datei:Verkoppelungsmatrix. | [[Datei:Verkoppelungsmatrix.svg|mini|Beispiel für die Struktur der Koeffizientenmatrizen für die [[Tetragonales Kristallsystem|Kristallklasse 4mm]], der auch PZT angehört]] | ||
Die oben angegebenen Tensoren werden normalerweise in [[Matrix (Mathematik)|Matrixform]] umgeschrieben ([[Voigtsche Notation]]). Damit erhält man Matrizen mit sechswertigen Komponenten, welche der oben dargestellten Achsendefinition entsprechen. Die piezoelektrischen Effekte werden dann mittels zweier ''gekoppelter Gleichungen'' beschrieben, in der die [[dielektrische Verschiebung]] D anstelle der Polarisation verwendet wird. | Die oben angegebenen Tensoren werden normalerweise in [[Matrix (Mathematik)|Matrixform]] umgeschrieben ([[Voigtsche Notation]]). Damit erhält man Matrizen mit sechswertigen Komponenten, welche der oben dargestellten Achsendefinition entsprechen. Die piezoelektrischen Effekte werden dann mittels zweier ''gekoppelter Gleichungen'' beschrieben, in der die [[dielektrische Verschiebung]] D anstelle der Polarisation verwendet wird. | ||
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:<math>s^E</math> [[Elastizitätsgesetz|Elastizitätskonstante]] bei konstanter elektrischer Feldstärke | :<math>s^E</math> [[Elastizitätsgesetz|Elastizitätskonstante]] bei konstanter elektrischer Feldstärke | ||
Es ist üblich, die Elemente dieser Gleichungen in der Verkoppelungsmatrix zusammenzufassen. Wichtigster Materialparameter für den inversen Piezoeffekt und damit für Aktoren ist die piezoelektrische Ladungskonstante d. Sie beschreibt den funktionalen Zusammenhang zwischen der angelegten elektrischen Feldstärke und der damit erzeugten Dehnung. Die charakteristischen Größen eines piezoelektrischen Wandlers sind für die verschiedenen Wirkrichtungen unterschiedlich. | Es ist üblich, die Elemente dieser Gleichungen in der Verkoppelungsmatrix zusammenzufassen. Wichtigster Materialparameter für den inversen Piezoeffekt und damit für Aktoren ist die piezoelektrische Ladungskonstante d. Sie beschreibt den funktionalen Zusammenhang zwischen der angelegten elektrischen Feldstärke und der damit erzeugten Dehnung. Die charakteristischen Größen eines piezoelektrischen Wandlers sind für die verschiedenen Wirkrichtungen unterschiedlich. | ||
[[Datei:Aktoreffekte.png|mini|Links: Quereffekt. Rechts: Längseffekt]] | [[Datei:Aktoreffekte.png|mini|Links: Quereffekt. Rechts: Längseffekt]] | ||
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== Anwendungen == | == Anwendungen == | ||
Heute werden piezoelektrische Bauelemente in vielen Branchen eingesetzt: Industrie und Fertigung, Automobilindustrie, Medizintechnik, Telekommunikation. Im Jahr 2010 erzielte der weltweite Markt für piezoelektrische Bauelemente einen Umsatz von rund 14,8 Milliarden US-Dollar.<ref>{{cite web | title = Market Report: World Piezoelectric Device Market | publisher = [http://www.acmite.com Acmite Market Intelligence] | url = http://www.acmite.com/market-reports/materials/world-piezoelectric-device-market-report.html| accessdate=2011-07-27}}</ref> | Heute werden piezoelektrische Bauelemente in vielen Branchen eingesetzt: Industrie und Fertigung, Automobilindustrie, Medizintechnik, Telekommunikation. Im Jahr 2010 erzielte der weltweite Markt für piezoelektrische Bauelemente einen Umsatz von rund 14,8 Milliarden US-Dollar.<ref>{{cite web | title = Market Report: World Piezoelectric Device Market | publisher = [http://www.acmite.com/ Acmite Market Intelligence] | url = http://www.acmite.com/market-reports/materials/world-piezoelectric-device-market-report.html| accessdate=2011-07-27}}</ref> | ||
Generell lassen sich die Anwendungen in drei Bereiche aufteilen: | Generell lassen sich die Anwendungen in drei Bereiche aufteilen: | ||
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=== Sensorik === | === Sensorik === | ||
Das Auftreten der piezoelektrischen Ladung bei mechanischer Verformung wird bei [[Piezoelektrischer Sensor|Kraft-, Druck- und Beschleunigungssensoren]] genutzt. Die dabei entstehende Ladung kann mit einem [[Ladungsverstärker]] in eine elektrische Spannung mit niedriger [[Quellimpedanz]] umgewandelt werden. Bei der anderen Möglichkeit, mit dieser Ladung einen Kondensator aufzuladen und dessen Spannung mit einem möglichst hochohmigen Spannungsmessgerät zu messen, können mangelhafte Isolationswiderstände beispielsweise durch Feuchtigkeit das Ergebnis stark verfälschen und die Registrierung langsamer Verformungen verhindern. | |||
Das Auftreten der piezoelektrischen Ladung bei mechanischer Verformung wird bei [[Piezoelektrischer Sensor|Kraft-, Druck- und Beschleunigungssensoren]] genutzt. Die dabei entstehende Ladung kann mit einem [[Ladungsverstärker]] in eine elektrische Spannung mit niedriger [[Quellimpedanz]] umgewandelt werden. Bei der anderen Möglichkeit, mit dieser Ladung einen Kondensator aufzuladen und dessen Spannung mit einem möglichst hochohmigen Spannungsmessgerät zu messen, können mangelhafte Isolationswiderstände beispielsweise durch Feuchtigkeit das Ergebnis stark verfälschen und die Registrierung langsamer Verformungen verhindern. | |||
[[Datei:Piezoelement.PNG|mini|Piezoelement zur Wandlung von mechanischem Druck in elektrische Spannung.]] | [[Datei:Piezoelement.PNG|mini|Piezoelement zur Wandlung von mechanischem Druck in elektrische Spannung.]] | ||
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=== Aktorik === | === Aktorik === | ||
Piezoaktoren können nach der Betriebsweise (quasistatisch oder resonant) oder nach der Richtung des genutzten Effekts unterschieden werden. Aus der Unterscheidung von Transversaleffekt (Quereffekt, d31-Effekt), Longitudinaleffekt (Längseffekt, d33-Effekt) und Schereffekt (d15-Effekt) ergeben sich drei verschiedene Grundelemente für piezoelektrische Aktoren. Der Schereffekt wird jedoch deutlich seltener als die anderen beiden Effekte in Aktoren genutzt, da d15-Aktoren aufwändiger herzustellen sind. Für mehrdimensionale Bewegungen müssen mehrere Piezo-Elemente so kombiniert werden, dass sie in verschiedene Richtungen wirken. | Piezoaktoren können nach der Betriebsweise (quasistatisch oder resonant) oder nach der Richtung des genutzten Effekts unterschieden werden. Aus der Unterscheidung von Transversaleffekt (Quereffekt, d31-Effekt), Longitudinaleffekt (Längseffekt, d33-Effekt) und Schereffekt (d15-Effekt) ergeben sich drei verschiedene Grundelemente für piezoelektrische Aktoren. Der Schereffekt wird jedoch deutlich seltener als die anderen beiden Effekte in Aktoren genutzt, da d15-Aktoren aufwändiger herzustellen sind. Für mehrdimensionale Bewegungen müssen mehrere Piezo-Elemente so kombiniert werden, dass sie in verschiedene Richtungen wirken. | ||
[[Datei:Piezo Grundelemente.png| | [[Datei:Piezo Grundelemente.png|zentriert|mini|hochkant=2.5|Piezoaktorische Grundelemente]] | ||
[[Datei:Piezo.jpg|mini|[[Summer ( | [[Datei:Piezo.jpg|mini|[[Summer (Elektrik)|Piezo-Summer]], {{enS|Buzzer}}]] | ||
Auch [[Aktor]]en, die im kHz-Bereich betrieben werden, können als quasistatisch betrachtet werden, solange die Betriebsfrequenz deutlich unterhalb der ersten [[Resonanzfrequenz]] des Systems liegt. Die hohe Genauigkeit und die große Dynamik prädestinieren den Piezoaktor für Positionieraufgaben und zur aktiven Schwingungsdämpfung. Typische Längenänderungen und damit Stellwege liegen bei 0,1 % der Aktorlänge und damit bei den größten verfügbaren Aktoren in der Größenordnung von | Auch [[Aktor]]en, die im kHz-Bereich betrieben werden, können als quasistatisch betrachtet werden, solange die Betriebsfrequenz deutlich unterhalb der ersten [[Resonanzfrequenz]] des Systems liegt. Die hohe Genauigkeit und die große Dynamik prädestinieren den Piezoaktor für Positionieraufgaben und zur aktiven Schwingungsdämpfung. Typische Längenänderungen und damit Stellwege liegen bei 0,1 % der Aktorlänge und damit bei den größten verfügbaren Aktoren in der Größenordnung von 100 µm. Begrenzend auf die Stellwege wirken die Spannungsfestigkeit des Materials, die hohen Betriebsspannungen und die in eine Sättigung laufende Kennlinie des Materials. Die kurzen Stellwege von Piezoaktoren lassen sich mit verschiedenen Mitteln vergrößern, z. B. durch Hebel oder durch Sonderbauformen wie das Bimorph-Biegeelement. Dieses ist eine Kombination aus zwei Querdehnelementen. Eine entgegengesetzte Polarisierung oder Ansteuerung der Elemente bewirkt eine Verbiegung des Aktors. | ||
Beispiele für die quasistatische Anwendung von Piezoaktoren sind | Beispiele für die quasistatische Anwendung von Piezoaktoren sind | ||
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* Dieseleinspritzsysteme mit piezoelektrischen Aktoren (keramische Vielschichtbauteile mit Edelmetallinnenelektroden), die die [[Common-Rail-Einspritzung|Common-Rail-Technik]] verbessert haben. Dabei wird die Einspritzung von Diesel über Ventile teilweise ersetzt. Seit 2005 werden auch beim [[Pumpe-Düse-System]] Piezoaktoren eingesetzt. Industrieunternehmen, die derartige Piezoaktoren in großen Stückzahlen fertigen, sind die Firmen [[Epcos]] und [[Robert Bosch GmbH|Bosch]]. | * Dieseleinspritzsysteme mit piezoelektrischen Aktoren (keramische Vielschichtbauteile mit Edelmetallinnenelektroden), die die [[Common-Rail-Einspritzung|Common-Rail-Technik]] verbessert haben. Dabei wird die Einspritzung von Diesel über Ventile teilweise ersetzt. Seit 2005 werden auch beim [[Pumpe-Düse-System]] Piezoaktoren eingesetzt. Industrieunternehmen, die derartige Piezoaktoren in großen Stückzahlen fertigen, sind die Firmen [[Epcos]] und [[Robert Bosch GmbH|Bosch]]. | ||
[[Resonanz|Resonant]] betriebene Piezoaktoren werden überwiegend zur [[Ultraschall]]erzeugung und in [[Piezomotor]]en wie z. B. [[Wanderwellenmotor]]en eingesetzt. In | [[Resonanz|Resonant]] betriebene Piezoaktoren werden überwiegend zur [[Ultraschall]]erzeugung und in [[Piezomotor]]en wie z. B. [[Wanderwellenmotor]]en eingesetzt. In Piezomotoren werden die kleinen Stellwege von Piezoaktoren mittels verschiedener Prinzipien aufaddiert, so dass sehr große Stellwege erreicht werden können. Je nach Motorprinzip arbeiten Piezomotoren quasistatisch oder resonant. | ||
=== Elektrische Bauelemente === | === Elektrische Bauelemente === | ||
Bei diesen Anwendungen wird eine mechanische Schwingung eines piezoelektrischen Festkörpers elektrisch angeregt und wieder elektrisch detektiert. Es wird grundlegend zwischen zwei Typen unterschieden | Bei diesen Anwendungen wird eine mechanische Schwingung eines piezoelektrischen Festkörpers elektrisch angeregt und wieder elektrisch detektiert. Es wird grundlegend zwischen zwei Typen unterschieden | ||
* Volumenresonatoren, bei denen im Wesentlichen das gesamte piezoelektrische Element schwingt. Die wichtigsten Vertreter sind [[Schwingquarz]]e und keramische Filter. | * Volumenresonatoren, bei denen im Wesentlichen das gesamte piezoelektrische Element schwingt. Die wichtigsten Vertreter sind [[Schwingquarz]]e und keramische Filter. | ||
* SAW-Bauelemente basieren auf [[Akustische Oberflächenwelle|akustischen Oberflächenwellen]] (engl. ''surface acoustic wave'', SAW). Beispiele sind [[SAW-Filter]] und Verzögerungsleitungen. | * SAW-Bauelemente basieren auf [[Akustische Oberflächenwelle|akustischen Oberflächenwellen]] (engl. ''surface acoustic wave'', SAW). Beispiele sind [[SAW-Filter]] und Verzögerungsleitungen. | ||
Als Bauelement findet der [[ | Als Bauelement findet der [[Piezoelektrischer Transformator|piezoelektrische Transformator]] Anwendung als eine Form des [[Resonanztransformator]]s zur Erzeugung der Hochspannung im Bereich der [[Resonanzwandler|Inverter]]. Er dient zur Versorgung von [[Leuchtröhre]]n (CCFL), wie sie als Hintergrundbeleuchtung bei [[Flüssigkristallanzeige]]n verwendet werden. | ||
=== Weitere Anwendungen === | === Weitere Anwendungen === | ||
Der piezoelektrische Effekt findet Verwendung in [[Piezofeuerzeug]]en, hier wird in einem Piezozünder ein plötzlicher großer Druck (Hammer) verwendet, um eine kurzzeitige hohe elektrische Spannung zu erzeugen. Die [[Funkenentladung]] zündet dann die Gasflamme. Aufschlagzünder wie in den Gefechtsköpfen von Panzerabwehrwaffen (Panzerfaust/[[RPG-7]]), [[Piezomikrofon]]e (Kristallmikrofone), [[Ferroelektrischer Lautsprecher|Piezo-Lautsprecher]] in Kopfhörern, batterielose Funkschalter, Piezo-Sirenen und -[[Buzzer|Summer]] sind weitere Verwendungen. | |||
Eine Reihe von mikromechanischen Sensoren macht sich Piezoelektrizität zunutze, z. B. [[Beschleunigungssensor]]en, [[Drehratensensor|Drehraten]]-, [[Drucksensor|Druck]]- und [[Kraftsensor]]en sowie Ultraschallsensoren, Mikrowaagen und [[Klopfsensor]]en in Kraftfahrzeugmotoren. | |||
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Auch manche mikromechanische [[Aktor]]en basieren auf Piezoelektrizität: [[Piezomotor]]en (Squiggler), [[Ultraschallmotor]]en, z. B. für die [[Objektivautofokussierung]] oder [[Uhr]]enantriebe, im Bereich der Mikro- und [[Nanopositioniersystem]]e sind | Auch manche mikromechanische [[Aktor]]en basieren auf Piezoelektrizität: [[Piezomotor]]en (Squiggler), [[Ultraschallmotor]]en, z. B. für die [[Objektivautofokussierung]] oder [[Uhr]]enantriebe, im Bereich der Mikro- und [[Nanopositioniersystem]]e sind [[Rastertunnelmikroskop]], [[Rasterelektronenmikroskop]] und das [[Rasterkraftmikroskop]] piezoelektrisch angetriebene Systeme. In der [[Ventil]]technik sind [[Einspritzdüse (Dieselmotor)|Einspritzdüsen]] von Pkw (Serienstart 2000 für Dieselmotoren), Proportional-Druckregler und [[Druckkopf|Druckköpfe]] von [[Tintenstrahldrucker]]n zu erwähnen. [[Tonabnehmer]], elektroakustische [[Verzögerungsleitung]]en wie in älteren [[Phase Alternating Line|PAL]]- oder [[SECAM]]-Farbfernsehgeräten, [[batterielose Funktechnik]] (Schalter) und [[Modulator (Optik)|optische Modulatoren]] sind ebenfalls piezoelektrische Bauteile. Die [[Zuführtechnik]] verwendet viele der genannten Bauteile. Der piezoelektrische Kristall wird zudem zur Erzeugung von kaltem [[Atmosphärendruckplasma]] genutzt, das vor allem für die [[Oberflächenenergie|Oberflächenaktivierung]], [[Keim]]reduktion und [[Geruch]]sreduktion in der Medizin eingesetzt wird.<ref>{{Internetquelle |autor=Dr. Stefan Nettesheim |url=http://www.relyon-plasma.com/wp-content/uploads/2016/06/technical-note-innovative-plasma-generator-29-10-2015.pdf |titel=Innovative plasmagenerator in piezo technology:Applications in medicine and medicaltechnology |werk= |hrsg= |datum=2015-10-29 |format=PDF |sprache=en |abruf=2019-03-05}}</ref> | ||
== | == Ähnliche Effekte == | ||
* [[Pyroelektrizität]] | * [[Pyroelektrizität]] | ||
* | * Piezoresistiver Effekt | ||
== Weblinks == | == Weblinks == | ||
* [http:// | {{Commonscat|Piezoelectricity}} | ||
* [https://piezotransfer.de Piezotransfer.de] | * [http://www.piezomat.eu PiezoMat.eu] – Online-Datenbank zu piezoelektrischen Materialien, ihren Eigenschaften und Anwendungen | ||
* [https://piezotransfer.de/ Piezotransfer.de] – Plattform für gebündeltes Wissen der Piezokeramikbranche | |||
* [http://www.piezoeffekt.de/intro.php Der Piezoeffekt bei Kristallen] | * [http://www.piezoeffekt.de/intro.php Der Piezoeffekt bei Kristallen] | ||
* [http://www.physikinstrumente.de/de/produkte/piezo_tutorium.php?#tutorial Piezo-Tutorium] – Piezoaktorik in der Präzisionsstelltechnik | * [http://www.physikinstrumente.de/de/produkte/piezo_tutorium.php?#tutorial Piezo-Tutorium] – Piezoaktorik in der Präzisionsstelltechnik | ||
* [http://www.keramverband.de/brevier_dt/3/4/2/3_4_2_8.htm Brevier Technische Keramik] | * [http://www.keramverband.de/brevier_dt/3/4/2/3_4_2_8.htm Brevier Technische Keramik] – Bleizirkonattitanat, piezoelektrischer Effekt | ||
* [ | * [https://www.piezosystem.de/piezopedia/piezotheorie/ Piezofibel - Wissenswertes zur Piezomechanik] | ||
*[[:en:Piezoelectric direct discharge plasma|Piezoelectric direct discharge plasma]] – Plasmaerzeugung | |||
== Einzelnachweise == | == Einzelnachweise == | ||
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Die Piezoelektrizität, auch piezoelektrischer Effekt oder kurz Piezoeffekt, (von altgr. {{Modul:Vorlage:lang}} Modul:Multilingual:149: attempt to index field 'data' (a nil value) piezein ‚drücken‘, ‚pressen‘ und {{Modul:Vorlage:lang}} Modul:Multilingual:149: attempt to index field 'data' (a nil value) ēlektron ‚Bernstein‘) beschreibt die Änderung der elektrischen Polarisation und somit das Auftreten einer elektrischen Spannung an Festkörpern, wenn sie elastisch verformt werden (direkter Piezoeffekt). Umgekehrt verformen sich Materialien bei Anlegen einer elektrischen Spannung (inverser Piezoeffekt).
Der direkte Piezoeffekt wurde im Jahre 1880 von den Brüdern Jacques und Pierre Curie entdeckt. Bei Versuchen mit Turmalinkristallen fanden sie heraus, dass bei mechanischer Verformung der Kristalle auf der Kristalloberfläche elektrische Ladungen entstehen, deren Menge sich proportional zur Beanspruchung verhält. Heute werden für Piezoelemente meist PZT-Keramiken (wie Blei-Zirkonat-Titanat) benutzt.
Makroskopisch konnte der Effekt im Rahmen der Kontinuumsmechanik schon Anfang des 20. Jahrhunderts beschrieben werden. Die mikroskopische Beschreibung wurde erst durch ein tiefgehendes Verständnis der diskreten Struktur der kondensierten Materie möglich. Eine genauere mikroskopische Abhandlung wurde von Richard M. Martin 1972 gegeben.[1]
Die ersten Anwendungen waren piezoelektrische Ultraschallwandler und bald darauf Schwingquarze für die Frequenzstabilisierung. Durch das 1950 an Walter P. Kistler erteilte Patent auf den Ladungsverstärker gelang der piezoelektrischen Messtechnik der Durchbruch zur breiten industriellen Anwendung.
Durch die gerichtete Verformung eines piezoelektrischen Materials bilden sich mikroskopische Dipole innerhalb der Elementarzellen (Verschiebung der Ladungsschwerpunkte). Die Aufsummierung über das damit verbundene elektrische Feld in allen Elementarzellen des Kristalls führt zu einer makroskopisch messbaren elektrischen Spannung. Gerichtete Verformung bedeutet, dass der angelegte Druck nicht von allen Seiten auf die Probe wirkt, sondern (beispielsweise) nur von gegenüberliegenden Seiten aus. Umgekehrt kann durch Anlegen einer elektrischen Spannung eine Verformung des Kristalls oder des Piezokeramik-Bauteils erreicht werden.
Im Wesentlichen unterscheidet man drei Effekte[2]:
Alle drei Effekte lassen sich auch umkehren, d. h., durch Einwirkung einer Spannung kann durch Volumenänderung eine Kraft erzeugt werden.
Wie jeder andere Festkörper können auch piezoelektrische Körper mechanische Schwingungen ausführen. Bei Piezoelektrika können diese Schwingungen elektrisch angeregt werden und bewirken ihrerseits wieder eine elektrische Spannung. Die Frequenz der Schwingung ist nur von der Schallgeschwindigkeit (eine Materialkonstante) und den Abmessungen des piezoelektrischen Körpers abhängig. Bei geeigneter Befestigung werden diese Eigenfrequenzen kaum von der Umgebung beeinflusst, wodurch piezoelektrische Bauteile wie Schwingquarze sehr gut für den Einsatz in präzisen Oszillatoren geeignet sind, beispielsweise für Quarzuhren.
Der piezoelektrische Effekt kann zunächst durch die Änderung der Geometrie erklärt werden. Alle ferroelektrischen Materialien und Materialien mit permanentem elektrischen Dipol sind auch piezoelektrisch, beispielsweise Bariumtitanat und Blei-Zirkonat-Titanat (PZT). Jedoch verhält sich nur ein Teil der Piezoelektrika ferroelektrisch.
Bei Kristallen ist die Kristallsymmetrie ein weiteres Kriterium für das Auftreten der Piezoelektrizität. Die piezoelektrische Polarisation tritt nicht auf, wenn der Kristall ein Inversionszentrum besitzt. Bei allen 21 nicht-zentrosymmetrischen Punktgruppen kann Piezoelektrizität auftreten, mit Ausnahme der kubischen Punktgruppe 432. Anders gesagt darf eine Elementarzelle keinen Punkt besitzen, an dem eine Punktspiegelung den Kristall in sich selbst überführt.
Das bekannteste Material mit Piezoeigenschaften ist Quarz (SiO2). Quarzkristalle besitzen die nicht-zentrosymmetrische Punktgruppe 32. Jedes Si-Atom sitzt in der Mitte eines Tetraeders aus vier Sauerstoffatomen. Eine in Richtung Grundfläche-Spitze (Kristallografische Richtung: [111]) wirkende Kraft verformt nun diese Tetraeder derart, dass die zusammengedrückten Tetraeder elektrisch polarisiert sind und so auf den Oberflächen des Kristalls (in [111]-Richtung) eine Nettospannung auftritt.
Technisch genutzte Materialien, die einen stärkeren Piezo-Effekt als Quarz zeigen, leiten sich oft von der Perowskit-Struktur ab, z. B.: Bariumtitanat (BaTiO3). Die kubische Perowskit-Modifikation selbst besitzt die zentrosymmetrische Punktgruppe $ m{\bar {3}}m $ und ist somit nicht-piezoelektrisch, das Material kann aber unterhalb einer kritischen Temperatur – der piezoelektrischen Curie-Temperatur TC – in eine nicht-zentrosymmetrische Perowskit-Struktur übergehen (rhomboedrisch/tetragonal, siehe Blei-Zirkonat-Titanat). Es zeigt dann eine spontane Polarisation und besitzt ferroelektrische Eigenschaften.
Weitere piezoelektrische Kristalle sind Berlinit, Minerale der Turmalingruppe, Seignettesalz und alle Ferroelektrika wie Bariumtitanat (BTO) oder Blei-Zirkonat-Titanat (PZT). BTO und PZT werden jedoch normalerweise nicht als Einkristalle, sondern in polykristalliner Form (Keramiken) verwendet.
Gegenüber piezoelektrischen Kristallen haben piezoelektrische Keramiken wie PZT den Vorteil wesentlich höherer piezoelektrischer Koeffizienten. Vorteile der Kristalle Quarz, Galliumorthophosphat und Lithiumniobat sind höhere Temperaturstabilität, geringere Verluste, eine wesentlich geringere Hysterese und kaum vorhandenes Kriechen (also verzögerte Verformung) nach Änderung der angelegten Spannung.
Industriell hergestellte Piezoelemente sind zumeist Keramiken. Diese Keramiken werden aus synthetischen, anorganischen, ferroelektrischen und polykristallinen Keramikwerkstoffen gefertigt. Typische Basismaterialien für Hochvolt-Aktoren sind modifizierte Blei-Zirkonat-Titanate (PZT) und für Niedervolt-Aktoren Blei-Magnesium-Niobat (PMN).
Der Stoffverbund der PZT-Keramiken (Pb, O, Ti/Zr) kristallisiert in der Perowskit-Kristallstruktur. Unterhalb der piezoelektrischen Curietemperatur bildet sich durch Verzerrungen der idealen Perowskit-Struktur ein Dipolmoment aus.
Bei keramischen Piezoelementen sind die internen Dipole nach dem Sinterprozess noch ungeordnet, weshalb sich keine piezoelektrischen Eigenschaften zeigen. Die Weissschen Bezirke oder Domänen besitzen eine willkürliche räumliche Orientierung und gleichen sich gegenseitig aus. Eine deutlich messbare piezoelektrische Eigenschaft lässt sich erst durch ein äußeres elektrisches Gleichfeld mit einigen MV/m aufprägen, wobei das Material bis knapp unter die Curie-Temperatur erwärmt und wieder abgekühlt wird. Die eingeprägte Orientierung bleibt danach zum großen Teil erhalten (remanente Polarisation) und wird als Polarisationsrichtung bezeichnet.
Gesinterte Piezoelemente zeichnen sich durch Wirkungsgrade von 25 % – 50 % und Permittivitätszahlen εr um 1000 aus[2].
Das Drehen der Weissschen Bezirke durch die Polarisation führt zu einer leichten Verzerrung des Materials sowie einer makroskopischen Längenzunahme in Polarisationsrichtung.
Ein piezoelektrischer Effekt wurde 1957 für Knochen entdeckt.[3][4] Diese reagieren piezoelektrisch auf Belastungen. 1967 wurde auch für die weichen Gewebsarten Haut, Bindegewebe und Knorpel ein piezoelektrischer Effekt nachgewiesen.[5] Insbesondere reagieren Kollagenfibrillen und -fasern piezoelektrisch auf Druck, Zug und Torsion.[6] Die Aorta ist hingegen nach gegenwärtiger Erkenntnis nicht piezoelektrisch.[7]
Im Folgenden wird die makroskopische Beschreibung im Rahmen der Kontinuumsmechanik gezeigt. Es wird nur eine lineare Näherung zwischen den betrachteten Größen berücksichtigt. Nichtlineare Effekte wie die Elektrostriktion werden hier vernachlässigt.
Zur Beschreibung der räumlich unterschiedlichen Eigenschaften wird ein Koordinatensystem gewählt. Für die Indizierung wird üblicherweise ein x-, y-, z-Koordinatensystem verwendet, dessen Achsen man mit den Ziffern 1, 2, 3 bezeichnet (Achse 3 entspricht der Polarisationsachse). Die Scherungen an diesen Achsen tragen die Ziffern 4, 5, 6. Basierend auf diesen Achsen werden die piezoelektrischen Eigenschaften mit Tensoren in Gleichungen gefasst.
Die einfachsten Gleichungen für den Piezoeffekt beinhalten die Polarisation Ppz (Einheit [C/m²]) und die Verformung Spz (dimensionslose Größe):
wobei d,e die piezoelektrischen Koeffizienten, E die elektrische Feldstärke (V/m) und T die mechanische Spannung (N/m²) angibt. Die erste Gleichung beschreibt den direkten, die zweite den inversen Piezoeffekt.
Die piezoelektrischen Koeffizienten werden durch dreistufige sog. piezoelektrische Tensoren beschrieben. Man hat einerseits:
Die beiden Koeffizienten sind über die elastischen Konstanten in einen Zusammenhang zu bringen:
Effekte zweiter Ordnung (inverser Piezoeffekt) werden durch die elektrostriktiven Koeffizienten beschrieben.
Die oben angegebenen Tensoren werden normalerweise in Matrixform umgeschrieben (Voigtsche Notation). Damit erhält man Matrizen mit sechswertigen Komponenten, welche der oben dargestellten Achsendefinition entsprechen. Die piezoelektrischen Effekte werden dann mittels zweier gekoppelter Gleichungen beschrieben, in der die dielektrische Verschiebung D anstelle der Polarisation verwendet wird.
Es ist üblich, die Elemente dieser Gleichungen in der Verkoppelungsmatrix zusammenzufassen. Wichtigster Materialparameter für den inversen Piezoeffekt und damit für Aktoren ist die piezoelektrische Ladungskonstante d. Sie beschreibt den funktionalen Zusammenhang zwischen der angelegten elektrischen Feldstärke und der damit erzeugten Dehnung. Die charakteristischen Größen eines piezoelektrischen Wandlers sind für die verschiedenen Wirkrichtungen unterschiedlich.
Im Bereich der Aktorik sind zwei Haupteffekte relevant. Für diese beiden Effekte vereinfacht sich die Gleichung für die Ausdehnung wie folgt
Heute werden piezoelektrische Bauelemente in vielen Branchen eingesetzt: Industrie und Fertigung, Automobilindustrie, Medizintechnik, Telekommunikation. Im Jahr 2010 erzielte der weltweite Markt für piezoelektrische Bauelemente einen Umsatz von rund 14,8 Milliarden US-Dollar.[8]
Generell lassen sich die Anwendungen in drei Bereiche aufteilen:
Das Auftreten der piezoelektrischen Ladung bei mechanischer Verformung wird bei Kraft-, Druck- und Beschleunigungssensoren genutzt. Die dabei entstehende Ladung kann mit einem Ladungsverstärker in eine elektrische Spannung mit niedriger Quellimpedanz umgewandelt werden. Bei der anderen Möglichkeit, mit dieser Ladung einen Kondensator aufzuladen und dessen Spannung mit einem möglichst hochohmigen Spannungsmessgerät zu messen, können mangelhafte Isolationswiderstände beispielsweise durch Feuchtigkeit das Ergebnis stark verfälschen und die Registrierung langsamer Verformungen verhindern.
Piezoaktoren können nach der Betriebsweise (quasistatisch oder resonant) oder nach der Richtung des genutzten Effekts unterschieden werden. Aus der Unterscheidung von Transversaleffekt (Quereffekt, d31-Effekt), Longitudinaleffekt (Längseffekt, d33-Effekt) und Schereffekt (d15-Effekt) ergeben sich drei verschiedene Grundelemente für piezoelektrische Aktoren. Der Schereffekt wird jedoch deutlich seltener als die anderen beiden Effekte in Aktoren genutzt, da d15-Aktoren aufwändiger herzustellen sind. Für mehrdimensionale Bewegungen müssen mehrere Piezo-Elemente so kombiniert werden, dass sie in verschiedene Richtungen wirken.
Auch Aktoren, die im kHz-Bereich betrieben werden, können als quasistatisch betrachtet werden, solange die Betriebsfrequenz deutlich unterhalb der ersten Resonanzfrequenz des Systems liegt. Die hohe Genauigkeit und die große Dynamik prädestinieren den Piezoaktor für Positionieraufgaben und zur aktiven Schwingungsdämpfung. Typische Längenänderungen und damit Stellwege liegen bei 0,1 % der Aktorlänge und damit bei den größten verfügbaren Aktoren in der Größenordnung von 100 µm. Begrenzend auf die Stellwege wirken die Spannungsfestigkeit des Materials, die hohen Betriebsspannungen und die in eine Sättigung laufende Kennlinie des Materials. Die kurzen Stellwege von Piezoaktoren lassen sich mit verschiedenen Mitteln vergrößern, z. B. durch Hebel oder durch Sonderbauformen wie das Bimorph-Biegeelement. Dieses ist eine Kombination aus zwei Querdehnelementen. Eine entgegengesetzte Polarisierung oder Ansteuerung der Elemente bewirkt eine Verbiegung des Aktors.
Beispiele für die quasistatische Anwendung von Piezoaktoren sind
Resonant betriebene Piezoaktoren werden überwiegend zur Ultraschallerzeugung und in Piezomotoren wie z. B. Wanderwellenmotoren eingesetzt. In Piezomotoren werden die kleinen Stellwege von Piezoaktoren mittels verschiedener Prinzipien aufaddiert, so dass sehr große Stellwege erreicht werden können. Je nach Motorprinzip arbeiten Piezomotoren quasistatisch oder resonant.
Bei diesen Anwendungen wird eine mechanische Schwingung eines piezoelektrischen Festkörpers elektrisch angeregt und wieder elektrisch detektiert. Es wird grundlegend zwischen zwei Typen unterschieden
Als Bauelement findet der piezoelektrische Transformator Anwendung als eine Form des Resonanztransformators zur Erzeugung der Hochspannung im Bereich der Inverter. Er dient zur Versorgung von Leuchtröhren (CCFL), wie sie als Hintergrundbeleuchtung bei Flüssigkristallanzeigen verwendet werden.
Der piezoelektrische Effekt findet Verwendung in Piezofeuerzeugen, hier wird in einem Piezozünder ein plötzlicher großer Druck (Hammer) verwendet, um eine kurzzeitige hohe elektrische Spannung zu erzeugen. Die Funkenentladung zündet dann die Gasflamme. Aufschlagzünder wie in den Gefechtsköpfen von Panzerabwehrwaffen (Panzerfaust/RPG-7), Piezomikrofone (Kristallmikrofone), Piezo-Lautsprecher in Kopfhörern, batterielose Funkschalter, Piezo-Sirenen und -Summer sind weitere Verwendungen.
Eine Reihe von mikromechanischen Sensoren macht sich Piezoelektrizität zunutze, z. B. Beschleunigungssensoren, Drehraten-, Druck- und Kraftsensoren sowie Ultraschallsensoren, Mikrowaagen und Klopfsensoren in Kraftfahrzeugmotoren.
Auch manche mikromechanische Aktoren basieren auf Piezoelektrizität: Piezomotoren (Squiggler), Ultraschallmotoren, z. B. für die Objektivautofokussierung oder Uhrenantriebe, im Bereich der Mikro- und Nanopositioniersysteme sind Rastertunnelmikroskop, Rasterelektronenmikroskop und das Rasterkraftmikroskop piezoelektrisch angetriebene Systeme. In der Ventiltechnik sind Einspritzdüsen von Pkw (Serienstart 2000 für Dieselmotoren), Proportional-Druckregler und Druckköpfe von Tintenstrahldruckern zu erwähnen. Tonabnehmer, elektroakustische Verzögerungsleitungen wie in älteren PAL- oder SECAM-Farbfernsehgeräten, batterielose Funktechnik (Schalter) und optische Modulatoren sind ebenfalls piezoelektrische Bauteile. Die Zuführtechnik verwendet viele der genannten Bauteile. Der piezoelektrische Kristall wird zudem zur Erzeugung von kaltem Atmosphärendruckplasma genutzt, das vor allem für die Oberflächenaktivierung, Keimreduktion und Geruchsreduktion in der Medizin eingesetzt wird.[9]