Physikalische Konstante | |
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Name | Feinstrukturkonstante |
Formelzeichen | $ \alpha $ |
Wert | |
SI | 7.2973525693(11)e-3 ≈ 1⁄137 |
Unsicherheit (rel.) | 1.5e-10 |
Bezug zu anderen Konstanten | |
$ \alpha ={\frac {e^{2}}{4\pi \,\varepsilon _{0}\,\hbar \,c}} $ | |
Quellen und Anmerkungen | |
Quelle SI-Wert: CODATA 2018 (Direktlink) Der Wert gilt für jedes Einheitensystem, nicht nur SI. |
Die Feinstrukturkonstante $ \alpha $ ist eine physikalische Konstante der Dimension Zahl, die die Stärke der elektromagnetischen Wechselwirkung angibt. Sie wurde 1916 von Arnold Sommerfeld bei der theoretischen Erklärung der Aufspaltung (Feinstruktur) von Spektrallinien im Spektrum des Wasserstoffatoms eingeführt[1], daher wird sie auch Sommerfeldkonstante oder Sommerfeldsche Feinstrukturkonstante genannt.
Sommerfeld definierte sie ursprünglich als das Verhältnis der Bahngeschwindigkeit des Elektrons im Grundzustand des Bohrschen Wasserstoffatoms zur Lichtgeschwindigkeit im Vakuum[2].
In der Quantenelektrodynamik steht die Feinstrukturkonstante für die Stärke, mit der das Austauschteilchen der elektromagnetischen Wechselwirkung, das Photon, an ein elektrisch geladenes Elementarteilchen, zum Beispiel ein Elektron, koppelt. Daher ist sie die elektromagnetische Kopplungskonstante, die bestimmt, wie stark die (abstoßenden oder anziehenden) Kräfte zwischen elektrisch geladenen Teilchen sind und wie schnell die elektromagnetisch verursachten Prozesse, z. B. die spontane Emission von Licht, ablaufen.
Der vom Committee on Data for Science and Technology empfohlene Wert beträgt:[3][4]
wobei die eingeklammerten Ziffern die Unsicherheit in den letzten Stellen des Wertes bezeichnen. Diese Unsicherheit ist als geschätzte Standardabweichung des angegebenen Zahlenwertes vom tatsächlichen Wert angegeben.
Der bisher genaueste Wert (Genauigkeit $ 2\cdot 10^{-10} $) wurde 2018 mit Atominterferometrie bestimmt:[5][6]
Die Feinstrukturkonstante ist mit der Elementarladung $ e $, dem Planckschen Wirkungsquantum $ h $, der Lichtgeschwindigkeit $ c $ und der elektrischen Feldkonstante $ \varepsilon _{0} $ wie folgt verknüpft:
Den Konstanten $ e,h $ und $ c $ wurde im internationalen Einheitensystem (SI) ein fester Wert zugewiesen. Daher ist die Feinstrukturkonstante direkt und mit identischer Messgenauigkeit mit der elektrischen Feldkonstante verknüpft.
Vor der Revision des SI im Jahr 2019 waren $ c $ und $ \varepsilon _{0} $ fest definiert, $ h $ und $ e $ hingegen experimentell zu bestimmende Größen. Für die Messung der Feinstrukturkonstante nutzte man aus, dass $ e^{2}/h $ der Kehrwert des aus dem Quanten-Hall-Effekt bestimmbaren von-Klitzing’schen Elementarwiderstandes ist, der sehr genau gemessen werden konnte.
Direkt kann die Stärke der elektromagnetischen Wechselwirkung nur mit der Gravitation verglichen werden, da beide Kräfte dem gleichen Abstandsgesetz gehorchen: Die Stärke der Kraft nimmt mit dem Quadrat des Abstandes ab.[7]
Will man die durch die Gravitationskonstante angegebene Stärke der Gravitation zwischen zwei Elementarteilchen in einer wie die Feinstrukturkonstante dimensionslosen Zahl angeben, so hängt dieser Wert von der Masse der beiden Elementarteilchen ab. Für die Stärke zwischen zwei relativ massereichen Protonen erhält man eine größere dimensionslose Zahl als für die Stärke zwischen zwei Elektronen. Aber selbst für die Anziehungskraft zwischen zwei Protonen erhält man nur:
Vergleicht man diesen Wert mit der Feinstrukturkonstanten, die die Stärke der elektrischen Abstoßung zwischen den beiden Protonen angibt, sieht man, dass die elektromagnetische Wechselwirkung etwa 1036-mal stärker ist als die Gravitation (Hierarchieproblem).
Die Starke Wechselwirkung hat eine energieabhängige (‚laufende') Kopplungskonstante. Der Vergleichswert für die Kraft zwischen zwei Nukleonen im Atomkern ist
Vergleicht man die Zerfallsraten aus starken und schwachen Zerfällen, so erhält man für die Schwache Kraft eine Kopplungskonstante von
Die Antwort auf die Frage, ob die Feinstrukturkonstante zeitlich variiert oder seit dem Urknall unverändert ist, ist von beträchtlichem theoretischen Interesse. Bisherige Überlegungen und Messungen konnten bislang keine Veränderung signifikant nachweisen.
Experimente und Messungen dazu werden auf ganz unterschiedlichen Zeitskalen durchgeführt:[8][9]
1999 behauptete ein Team unter der Leitung von John K. Webb erstmals eine Variation in α entdeckt zu haben.[15] Im April 2020 bestätigen Wissenschaftler unter der Leitung von Webb vier Messungen der Feinstrukturkonstante mittels Quasar ULAS J1120+0641 und berichteten, dass der Wert der „Konstante“ von anderen Messdaten variiert. Ihre Studie bestärkt die Hypothese, nach der physikalische Gesetze in räumlichen „Richtungen“ des Universums variieren können und es somit anisotropisch ist. Dies hätte Implikationen für Theorien zur Entstehung der Bewohnbarkeit des Alls. Bereits 2011 wurde eine Studie über Indizien zu einem räumlichen Dipol im All veröffentlicht.[16][17][18]
In der Elementarteilchenphysik ist die Feinstrukturkonstante der Limes einer von der Längenskala abhängigen Kopplungskonstante im Grenzfall großer Abstände oder kleiner Energien. Die charakteristische Skala ist dabei die Compton-Wellenlänge oder gleichbedeutend die Ruheenergie $ E_{0}\approx 0,511 $ MeV des Elektrons. Oberhalb dieser Energie wächst die Kopplungskonstante und erreicht z. B. bei der Masse des Z-Bosons (91 GeV) den Wert $ \alpha \approx {\tfrac {1}{128}}. $ Unterhalb dieser Energie erreicht die Kopplungskonstante einen konstanten Wert. Die Feinstrukturkonstante ist in diesem Sinn eine Funktion der Elektronenmasse.
In der Atomphysik, etwa in der Spektroskopie, betragen die Energien nur einige eV, und die Energieabhängigkeit von $ \alpha $ ist vernachlässigbar.[19]
Eine anschauliche Erklärung für das Anwachsen der Kopplungskonstante mit der Energie ist, dass ein Elektron von Elektron-Positron-Paaren umgeben ist (Vakuumfluktuationen, virtuelle Teilchen), die ein polarisierbares Medium darstellen. Bei höherer Stoßenergie kommen sich zwei Teilchen näher und es befinden sich zwischen ihnen weniger Elektron-Positron-Paare, die die Wechselwirkung abschirmen.
“It has been a mystery ever since it was discovered more than fifty years ago, and all good theoretical physicists put this number up on their wall and worry about it.”
„Sie war stets ein Mysterium, seit sie vor über fünfzig Jahren entdeckt wurde, und alle guten theoretischen Physiker hängen sich diese Zahl an die Wand und zerbrechen sich über sie den Kopf.“