Das d’Alembertsche Prinzip (nach Jean-Baptiste le Rond d’Alembert) der klassischen Mechanik erlaubt die Aufstellung der Bewegungsgleichungen eines mechanischen Systems mit Zwangsbedingungen. Das Prinzip beruht auf dem Satz, dass die Zwangskräfte bzw. -momente in einem mechanischen System keine virtuelle Arbeit leisten.[1][2][3]
Der Name „d’Alembertsches Prinzip“ wird von manchen Autoren für das Dynamische Gleichgewicht zwischen äußerer Kraft und d’Alembertscher Trägheitskraft verwendet,[4] während andere Autoren dies mit heftigen Worten als eine unzulässige Verkürzung ablehnen.[5]
Die Bewegungsgleichung für einen Massepunkt wird in einem Inertialsystem formuliert. Sie lautet nach dem zweiten newtonschen Gesetz:
Darin sind
gebracht werden. Der Term
Das dynamische Problem ist auf ein Gleichgewichtsproblem der Statik zurückgeführt. Man bezeichnet die Beziehung deshalb auch als dynamisches Gleichgewicht. Ein Problem der Dynamik kann somit auch mit Methoden der Statik behandelt werden, wenn Trägheitskräfte berücksichtigt werden.[6] Beim d'Alembertschen Prinzip wird im Folgenden das Prinzip der virtuellen Arbeit ausgenutzt, das in der Statik zur Berechnung unbekannter Lagerkräfte eingesetzt werden kann.
Bei einem System von N Massepunkten lautet die Bewegungsgleichung für die Masse i
Dabei ist
Eingesetzt in die Newtonsche Bewegungsgleichung:
Die Zwangskraft berechnet sich somit zu
Man bildet das Skalarprodukt der Zwangskräfte mit den virtuellen Verschiebungen[Anmerkung 1]
Man erhält das d’Alembertsche Prinzip (in der Formulierung von Lagrange):[1][7][8]
In der Gleichung treten die Zwangskräfte nicht mehr auf – nur die eingeprägten Kräfte. Die Zwangsbedingungen verstecken sich noch in den virtuellen Verschiebungen, denn es sind nur solche erlaubt, die mit den Zwangsbedingungen vereinbar sind.
Um daraus Bewegungsgleichungen zu gewinnen, geht man bei
Da sich die neuen Koordinaten unabhängig variieren lassen, ergeben sich
Für holonome Zwangsbedingungen und konservative Kräfte (die sich aus einer Potentialfunktion ableiten lassen) ist das d’Alembert-Prinzip dann äquivalent zu den Lagrangegleichungen erster Art.
Gelegentlich wird schon die eingangs wiedergegebene einfache Umstellung der newtonschen Bewegungsgleichung als das d’Alembertsche Prinzip bezeichnet. Das übersieht aber wesentliche Folgerungen wie die Elimination von Zwangskräften, die keine virtuelle Arbeit leisten und kommt in den Worten von Georg Hamel fast einer Beleidigung von d’Alembert gleich.[9] Es ist zudem zu beachten, dass das verwendete Prinzip der virtuellen Arbeit nicht aus den Newtonschen Axiomen folgt, sondern ein eigenes Grundpostulat darstellt.
Im allgemeinen Fall von Mehrkörpersystemen wird berücksichtigt, dass auch die virtuelle Arbeit der Zwangsmomente auf den virtuellen Verdrehungen verschwindet. Zur Berechnung der Zwangsmomente wird die Eulersche Gleichung verwendet.
Bei N Körpern und k Bindungen ergeben sich
Die virtuellen Verschiebungen bzw. Verdrehungen erhält man aus den partiellen Ableitungen der translatorischen bzw. rotatorischen Lagekoordinaten nach den verallgemeinerten Koordinaten:
Die Beschleunigungen lassen sich in einen Teil, der nur von den zweiten Ableitungen der verallgemeinerten Koordinaten abhängt, und einen Restterm zerlegen:
Damit lässt sich das Differentialgleichungssystem zweiter Ordnung in Matrixform darstellen.
Dabei sind:
Die Elemente der Massenmatrix berechnen sich zu:
Für die Komponenten verallgemeinerten Kräfte bzw. Momente ergibt sich:
Die Berechnung der Massenmatrix sowie der verallgemeinerten Kräfte und Momente kann numerisch im Rechner durchgeführt werden. Das Differentialgleichungssystem kann ebenfalls numerisch mit gängigen Programmen gelöst werden. Die Behandlung großer Mehrkörpersysteme mit kinematischen Bindungen wird so erst möglich.
Beim ebenen Fadenpendel mit der Masse
Die virtuelle Verschiebung ergibt sich zu:
Als eingeprägte Kraft wirkt die Gewichtskraft:
Die Bewegungsgleichung ergibt sich aus der Bedingung, dass die virtuelle Arbeit der Zwangskräfte verschwindet.
Durch Auswertung der Skalarprodukte erhält man schließlich:
Masse und Fadenlänge lassen sich kürzen, so dass man die bekannte Differentialgleichung:
erhält.
Die Vorgehensweise erscheint bei diesem einfachen Beispiel sehr umständlich. Da aber nur Skalarprodukte ausgewertet werden müssen, kann dies bei großen Systemen automatisiert werden und numerisch im Rechner durchgeführt werden. Dies erleichtert die Aufstellung von Bewegungsgleichungen wesentlich.