Das Indexellipsoid, auch Fletcher-Ellipsoid, ist eine Indikatrix zur Beschreibung der Lichtbrechung in einem doppelbrechenden Kristall. Zusammen mit dem Fresnel-Ellipsoid ermöglicht es eine anschauliche Beschreibung der Ausbreitung von Licht in Materie.
Die Menge aller derjenigen Punkte, die von einem punktförmigen Erregungsort ausgehend von einer Welle gleichzeitig erreicht werden, bilden die Wellenfläche einer Elementarwelle. Das Verhalten einer ebenen Wellenfront kann durch das huygenssche Prinzip erklärt werden: Von jedem Punkt der Wellenfront geht eine Elementarwelle aus. Die äußere Einhüllende aller Wellenflächen dieser Elementarwellen bilden die beobachtbare Welle.
In einem optisch isotropen Medium ist die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Lichts in allen Richtungen identisch und die Wellenflächen entsprechen daher Kugelwellen. Auch der Übergang zwischen zwei optisch isotropen Medien kann mit Hilfe des huygenschen Prinzips beschrieben werden und führt auf das snelliussche Brechungsgesetz.
Wird ein Lichtstrahl auf einen Calcitkristall gerichtet, so treten zwei Lichtstrahlen aus. Dieses Phänomen nennt man Doppelbrechung. Während der eine Strahl dem snelliusschen Brechungsgesetz folgt (ordentlicher Strahl), so gilt dies für den zweiten nicht (außerordentlicher Strahl). Ursache dafür ist die Tatsache, dass in Calcit die Lichtgeschwindigkeit von der Ausbreitungsrichtung und der Polarisationsrichtung des Lichtstrahls abhängt. Während die Wellenfläche des ordentlichen Strahls weiterhin Kugelwellen sind, sind die Wellenflächen des außerordentlichen Strahls Ellipsen.
Führt man die huygenssche Konstruktion mit elliptischen Wellen durch, so ergibt sich, dass die Überlagerung der Wellenflächen wieder zu einer ebenen Welle führt. Die Wellenfront dieser ebenen Welle bewegt sich allerdings nicht mehr nur in Richtung ihrer Normalen, sie kann sich auch schräg dazu bewegen: Die Richtung und Geschwindigkeit der Wellennormalen (im Bild: k) und der Strahlrichtung (im Bild: P) stimmen nicht mehr überein.
Die Form der Wellenfläche kann aus dem Fresnel-Ellipsoid hergeleitet werden. Für die Wellennormale gilt weiterhin das snelliussche Brechungsgesetz. Für jeden Strahl können die entsprechenden Brechungsindizes mit Hilfe des Indexellipsoids bestimmt werden.
In einem optisch anisotropen Medium muss der lineare Zusammenhang zwischen dem elektrischen Feld $ {\vec {E}} $ und der dielektrischen Verschiebung $ {\vec {D}} $ in richtungsabhängiger Form geschrieben werden, da diese beiden Vektoren im Allgemeinen nicht mehr parallel zueinander liegen:
wobei die dielektrischen Konstanten $ (\varepsilon _{i,j}) $ einen symmetrischen Tensor 2. Stufe bilden. Entsprechend gilt für den dazu inversen Tensor der dielektrischen Moduln $ \eta _{i,j} $:
Diese Tensoren haben jeweils 3 im Allgemeinen unterschiedliche Eigenwerte und stimmen aber in der Lage ihrer Hauptachsen überein. In Hauptachsenform haben sie folgende Gestalt:
In ihrem Hauptachsensystem (x, y, z) lassen sich Tensoren 2. Stufe mit den Eigenwerten $ h_{1};\;h_{2};\;h_{3} $ als Ellipsoide darstellen:
Die Längen der Halbmesser der Hauptachsen des Ellipsoids betragen:
Das Ellipsoid, das den dielektrischen Modul repräsentiert, ist das Indexellipsoid. Die Eigenwerte des Indexellipsoids hängen mit den Hauptbrechungsindizes folgendermaßen zusammen:
Das den dielektrischen Tensor repräsentierende Ellipsoid heißt Fresnel-Ellipsoid. Die Eigenwerte des Fresnel-Ellipsoids hängen mit den Hauptlichtgeschwindigkeiten folgendermaßen zusammen:
Dabei ist $ c $ die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum.
Legt man einen Wellennormalenvektor in den Ursprung des Indexellipsoids, so schneidet die Ebene, die senkrecht zu diesem Vektor steht und durch den Ellipsenmittelpunkt geht, das Indexellipsoid so, dass als Schnittlinie eine Ellipse entsteht. Die Hauptachsen dieser zu der Wellennormalen gehörenden Schnittellipse geben die Richtungen der D-Vektoren der beiden bei der Doppelbrechung entstehenden Strahlen, und die Achsenabschnitte die dazugehörenden Brechungsindizes der Wellennormale an. Ist die Schnittellipse ein Kreis, so bewegen sich alle Wellennormalen unabhängig von der Polarisation der Welle in dieselbe Richtung. Richtungen mit dieser Eigenschaft nennt man optische Achsen.
Mit demselben Verfahren kann man für jede Strahlrichtung an dem Fresnel-Ellipsoid die zugehörige Schnittellipse konstruieren. Die Hauptachsen dieser Schnittellipse geben die beiden Richtungen des E-Vektors und die Lichtgeschwindigkeiten der beiden Strahlen an. Trägt man die Halbmesser dieser Ellipse in Strahlrichtung auf, und lässt die Strahlrichtung alle Richtungen im Raum einnehmen, so erhält man eine 2-schalige Figur. Die beiden Schalen beschreiben die Wellenfronten der beiden bei der Doppelbrechung entstehenden Strahlen.
Mit Hilfe dieser beiden Konstruktionen kann man die Ausbreitung von Licht in ein Medium beschreiben.
Nach dem neumannschen Prinzip haben alle Eigenschaftstensoren eine durch das Kristallsystem bestimmte Form. Im Falle von Tensoren 2.Stufe gibt es insgesamt drei prinzipiell unterschiedliche Formen.
In einem kubischen Kristall sind die Eigenwerte aller Tensoren 2.Stufe gleich. Sowohl das Indexellipsoid, als auch das Fresnel-Ellipsoid sind daher Kugeln. Folglich sind für alle Strahl- und Wellennormalenrichtungen die zugehörigen Schnittellipsen Kreise. Die beiden Schalen der Strahlfläche fallen auf eine Kugel zusammen. Daher verhalten sich alle Lichtstrahlen unabhängig von ihrer Richtung und Polarisation identisch. Kubische Kristalle sind optisch isotrop.
In den wirteligen Kristallsystemen (trigonal, tetragonal und hexagonal) liegt die Hauptachse des Tensors, die auch als optische Achse bezeichnet wird, in Richtung der kristallographischen c-Achse. Die beiden anderen Hauptachsen liegen senkrecht zur c-Achse. Entsprechend gibt es 2 unterschiedliche Eigenwerte, die mit $ n_{\parallel } $ bzw. $ n_{e} $ und $ n_{\perp } $ bzw. $ n_{o} $ bezeichnet werden, wobei der Index $ e $ für extraordinary (außerordentlich) und der Index $ o $ für ordinary (ordentlich) steht. Im Fall, dass Δn := ne – no < 0 ist, heißt der Kristall optisch negativ (1), für Δn > 0 optisch positiv (2). Sowohl das Indexellipsoid, als auch das Fresnel-Ellipsoid sind ein abgeplattetes (1) bzw. verlängertes (2) Rotationsellipsoid. Zur Beschreibung betrachtet man den Strahl im Hauptschnitt, das heißt, in der Ebene, in der sowohl der einfallende Lichtstrahl, als auch die optische Achse liegen. Für jede Wellennormalenrichtung liegt eine Halbachse der zugeordneten Schnittellipse senkrecht zur Hauptebene, die andere liegt in der Hauptebene. Die Länge der senkrecht zur Hauptebene stehenden Halbachse ist für alle Richtungen gleich no. Die Länge der anderen Halbachse liegt je nach Winkel zwischen Wellennormalenrichtung und optischer Achse zwischen no und ne. Im Fall, dass die Wellennormale in Richtung der optischen Achse liegt, ist die Schnittellipse ein Kreis. Demzufolge sind beide Brechungsindizes gleich.
Die Schnittellipsen des Fresnel-Ellipsoids verhalten sich genauso. Daher besteht die Wellenfläche aus zwei Schalen: einer Kugel mit dem Radius no und einer Rotationsellipse mit den Halbachsenlängen no und ne, wobei die letztgenannte Halbachse die Rotationsachse ist. Dabei liegt, abgesehen von den Berührpunkten, entweder die Ellipse vollständig in der Kugel (1) oder die Kugel vollständig in der Ellipse (2). Dies bedeutet, dass die Wellenfront des ordentlichen Strahls unabhängig von der Strahlrichtung kugelförmig ist, während die Wellenfront des außerordentlichen Strahls elliptisch ist. Nur in Richtung der optischen Achse ist die Strahlgeschwindigkeit beider Strahlen gleich.
Zusammengefasst ergibt sich folgendes: Fällt eine ebene Welle auf einen optisch einachsigen Kristall, so entstehen in der Regel zwei Strahlen.
In optisch zweiachsigen Kristallen erhält man in der Regel 2 Strahlen, die sich wie der außerordentliche Strahl verhalten. Sie können nach demselben Prinzip beschrieben werden. Allerdings sind die Verhältnisse deutlich komplizierter. Hier kann nur ein Überblick über die Ergebnisse und wichtigsten Besonderheiten gegeben werden. Für weitere Informationen wird auf die Fachliteratur verwiesen.
Im orthorhombischen, monoklinen und triklinen Kristallsystem gibt es drei unterschiedliche Hauptbrechungsindizes: $ n_{\alpha };\;n_{\beta };\;n_{\gamma } $. Die Hauptachsen (x,y,z) werden so gewählt das gilt:
Die Lage der Kristallachsen zu den Hauptachsen ist im Artikel neumannsches Prinzip beschrieben.
Das Indexellipsoid und das Fresnel-Ellipsoid sind in diesen Systemen dreiachsige Ellipsoide. Die optischen Hauptachsen findet man folgendermaßen: Dreht man den Wellennormalevektor in der xz – Ebene von der z- in die x- Richtung, so haben alle dabei entstehenden Schnittellipsen eine gemeinsame Hauptachse in y-Richtung mit der Länge nβ. Die zweite Hauptachse liegt in der xz – Ebene und durchläuft alle Werte zwischen nα und nγ. Aufgrund der obigen Achsendefinition muss es daher eine Richtung geben, bei der diese Achse auch die Länge nβ hat. Eine entsprechende Richtung muss es auch zwischen der z und der –x Richtung geben. Diese beiden Richtungen heißen optische Achsen oder Binormalen. Der Winkel zwischen den Binormalen wird sowohl von der x- als auch von der z-Achse halbiert.
Da es zwei optische Achsen gibt heißen diese Kristallsysteme optisch zweiachsig. Ist der Winkel zwischen der z-Achse und der Binormalen kleiner 45°, so heißt der Kristall optisch zweiachsig positiv, ist er größer 45°, so heißt der Kristall optisch zweiachsig negativ und ist er gleich 45° so heißt der Kristall optisch zweiachsig neutral.
Die Wellenfläche ist eine Fläche 4.Ordnung. Sie ist eine spezielle Form einer kummerschen Fläche. Auch hier gibt es 2 Richtungen, in denen sich die beiden Schalen berühren: die Biradialen. Sie liegen zwar auch in der xz-Ebene, aber nicht in Richtung der Binormalen. Daher ist in einem zweiachsigen System die optische Achse keine Richtung optischer Isotropie. Dies ist die Ursache der sogenannten konischen Refraktion.
Vor eine senkrecht zu einer Binormalen geschnittene Kristallplatte wird eine Blende gestellt, so dass nur ein dünner Lichtstrahl senkrecht zur Platte auf den Kristall fallen kann. Wird der Kristall dann mit einem unpolarisierten Lichtstrahl durchstrahlt, so erkennt man auf einem Schirm hinter dem Kristall einen Ring, dessen Radius sich mit der Entfernung von der Kristallplatte nicht ändert. Zwar bleiben die Wellennormalen alle in Richtung der Binormalen, aber die Wellenfronten verschieben sich- abhängig von ihrer Polarisationsrichtung – senkrecht zur Wellennormalen. Da aber alle Wellennormalen parallel zueinander bleiben, treten alle Strahlen senkrecht zur Kristallfläche aus dem Kristall aus und breiten sich dann auch weiter parallel zueinander aus. Dieser Effekt heißt innere konische Refraktion.
Zwischen zwei Lochblenden wird eine Kristallplatte gestellt, die senkrecht zu einer Biradialen geschnitten ist. Die Blenden sind so angeordnet, dass nur die Lichtstrahlen den Kristall verlassen, die sich im Kristall in Richtung der Biradialen fortbewegt haben. Bestrahlt man die Eintrittsblende so mit divergentem Licht, dass alle möglichen Polarisationsrichtungen durch den Kristall wandern, so erhält man auf einem Schirm hinter dem Kristall ebenfalls wieder einen Kreis, dessen Radius sich mit der Entfernung vom Kristall vergrößert. Ursache dafür ist, dass zwar alle Polarisationsrichtungen dieselbe Strahlgeschwindigkeit haben und sich im Kristall auch in dieselbe Richtung bewegen. Da sie aber unterschiedliche Wellennormalen haben, werden sie an den Kristalloberflächen unterschiedlich gebrochen. Daher muss die Eintrittsblende auch mit divergentem Licht bestrahlt werden. Diesen Effekt nennt man äußere konische Refraktion.