Unter dem Namen ESTRACK (ESA tracking stations) betreibt die europäische Raumfahrtbehörde ESA ein Netz von Funkstationen, die zur Kommunikation mit Satelliten und Raumsonden dienen. Durch weltweite Verteilung der Stationen ist gewährleistet, dass ein Raumflugkörper stets mit mindestens einer Station Funkverbindung aufnehmen kann.
Zu den Raumfahrtmissionen, die über ESTRACK gesteuert wurden oder noch werden, gehören u.a. Herschel/Planck, Venus Express und Gaia.
ESTRACK besteht aus neun Bodenstationen, die die Raumflugkörper mit dem Europäischen Raumflugkontrollzentrum (ESOC) in Darmstadt verbinden. Sechs Stationen mit Antennendurchmessern von 5,5, 13, 13,5 oder 15 Metern sind zur schnellen Verfolgung von Raumfahrzeugen in der Startphase und in erdnahen Umlaufbahnen. Tracking erfordert vergleichsweise kleine und schnell bewegliche Antennen. Fünf Stationen befinden sich in Europa, eine in Australien, zwei auf dem südamerikanischen Kontinent und eine in Afrika.[1] Das Netzwerk kann die LEOP (Launch and Early Orbit Phase) nach Raketenstarts vom Centre Spatial Guyanais in Kourou überwachen.
Als erste Antenne des Netzwerks wurde 1975 eine 15-m-Antenne in Villafranca gebaut. Die Funktionen der Station in Perth wurden 2015 von der Station New Norcia übernommen, die dafür eine zusätzliche 4,5-m-Antenne für schnelles Tracking bekam.
1998 beschloss ESA ein eigenes Netzwerk für Deep Space Missionen mit 35-m-Parabolantennen aufzubauen, um mit den geplanten zukünftigen interplanetaren Missionen schritt zu halten und nicht mehr abhängig vom Deep Space Network der NASA (DSN) zu sein. Dabei wurden drei 35-m-Antennen im Abstand von jeweils rund 120° Länge über den Globus positioniert, so dass trotz der Erdrotation eine kontinuierliche Kommunikation mit weit entfernten Raumfahrzeugen möglich ist. Die erste Station wurde 2002 gebaut in New Norcia (DSA 1), gefolgt 2005 von Cebreros (DSA 2) und Malargüe (DSA 3) 2012. Alle drei Antennen sind Cassegrain-Beam-Wave-Guide-Antennen neuester Technik, bei denen die empfangenen Signale über ein Loch im Primärspiegel und diverse Reflektoren in den Unterbau der Antenne geleitet werden, wo die entsprechenden Empfänger und Sender bereitgehalten werden. Die Empfangsqualität wurde durch auf −258° Celsius gekühlte Empfänger soweit verbessert, dass die Leistung der 35-m-Antennen der von 40-m-Antennen entspricht. Zur hochpräzisen Zeiterfassung sind die Anlagen mit einer Wasserstoff-Maser-Atomuhr ausgestattet. Alle Stationen unterstützen Delta DOR (Delta Differential One-way Range), eine Technologie zur präzisen Ortsbestimmung eines Raumfahrzeugs, mit der die Position mittels zweier Antennen auf 1 Meter genau und die Geschwindigkeit bis auf 0,1 mm/s bestimmt werden kann. Alle Antennen verfügen über 20-kW-Sendeanlagen. Die Antennenanlagen verfügen über eine unterbrechungsfreie Stromversorgung für den Fall, dass das öffentliche Stromnetz ausfällt.
Mit diesen drei Antennen kann die ESA unabhängig vom DSN interplanetare Missionen unterstützen. Die Gaia-Mission produziert sehr viele Daten, und wäre ohne ein ESA-eigenes Antennenetz nicht möglich gewesen. Die Empfangskapazitäten der Stationen wurden eigens für diese Mission aufgestockt. Im April 2017 wurde bekanntgegeben, dass Malargüe für vier Millionen Euro mit neuer Technik ausgerüstet wird. Die Arbeiten sollen sich über zwei Jahre hinziehen betreffen und bringen eine überarbeitete Signialverarbeitung und zusätzlichen Empfang im 26-GHz-Bereich.[2][veraltet]
Antennen des ESTRACK Netzwerks | ||||||
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Ort | Bezeichnung | Durch-
messer |
Up[3] | Down | Option | Bemerkungen |
Maspalomas, Afrika | 15 m | S | S, X | X up | Sation auf Gran Canaria, Spanien[4] (27° 45′ 46,8″ N, 15° 38′ 2,4″ W ) | |
New Norcia, Australien | NNO1, (DSA 1) | 35 m | S, X | S, X | Ka down | Beam-Wave-Guide-Antenne, Gewicht 580 t[5] (31° 2′ 52,8″ S, 116° 11′ 31,2″ O ) |
NNO2 | 4,5 m | X | X, S | Antenne wurde errichtet, um Aufgaben der Perth-Station zu übernehmen. Die Antenne hat einen erweiterten Sichtbereich, um Objekte in der Startphase zu finden, auch wenn die genaue Position nicht bekannt ist. Sie kann eine Radioquelle lokalisieren, um die große Antenne präzise auszurichten.[5] | ||
Perth, Australien | 15 m | S | S, X | die Station in Perth wurde 2015 vom Netz genommen, die besiedelte Fläche kam der Antenne immer näher, damit kamen zunehmende Probleme durch störende Funksignale. Die Aufgaben wurden in New Norcia übernommen.[1][5] Die 15-Meter-Antenne soll abgebaut werden und die Santa-Maria-Station auf den Azoren soll damit ausgebaut werden.[6] (31° 48′ 10,8″ S, 115° 53′ 6″ O ) | ||
Kiruna, Schweden | KIR-1 | 15 m | S | S, X | (67° 51′ 25,2″ N, 20° 57′ 50,4″ O ) | |
KIR-2 | 13 m | S | S, X | [7] | ||
Redu, Belgien | REDU-1 | 15 m | S | S | Redu verfügt über 43 bewegliche Antennen in den verschiedensten Frequenzbereichen (S, Ku, Ka, L, C Band), einige davon zu Testzwecken. Die Bodenstation kann als Backup für ESOC dienen und untersucht das Weltraumwetter.[8] (50° 0′ 10,8″ N, 5° 8′ 45,6″ O ). | |
REDU-2 | 13,5 m | Ka | Ka | |||
REDU-3 | 2,4 m | S | S | |||
9 m | S | S | ||||
3,8 m | Ku | Ku | Sechs Antennen | |||
9,3 m | C | C | ||||
20 m | L | L | ||||
Pastel Mission Control | Kommunikation mit Satelliten via Laser | |||||
Cebreros, Spanien | (DSA 2) | 35 m | X | X, Ka | Höhe 40 m, Gewicht 450 t, Kosten 30 Mio. Euro.[9] (40° 27′ 10,8″ N, 4° 22′ 4,8″ W ) | |
Villafranca del Castillo, Spanien | VIL-1 | 15 m | S | S | VIL-1 ist vorübergehend außer Betrieb und soll künftig für Cooperation for Education in Science and Astronomy Research (CESAR) für Ausbildung von Studenten an europäischen Universitäten genutzt werden.[10] (40° 26′ 24″ N, 3° 57′ 0″ W ) | |
VIL-2 | 15 m | S | S | VIL-2 ist 2017 die einzige Antenne in Betrieb. Villafranca ist mit entsprechenden Rechenkapazitäten Standort für das ESAC-Missionszentrum für verschiedene Missionen.[10] | ||
VIL-4 | 12 m | C, X | C, X, Ka | Anfänglich für Betrieb im C-Band gebaut, dann für Technologietests für Empfang in X und Ka-Band und Senden in X-band genutzt, 2015 abgebaut. | ||
Santa Maria, Azoren, Portugal | 5,5 m | S | S | X | erste ESTRACK-Station, die vom Weltraumzentrum Guayana startende Raketen mit mittlerer Bahnneigung überwachen kann.[11] Die 15-Meter-Antenne von Perth soll hier neu aufgebaut und damit die Trackingfähigkeiten der Station verbessert werden.[6] (36° 59′ 50,1″ N, 25° 8′ 8,6″ W ) | |
Kourou, Französisch-Guayana | 15 m | S, X | S, X | Zusätzliches MASER-System zur Verfolgung von Flugbahnen von gestarteten Raketen, Überprüfen der Kommunikation mit Satelliten noch vor dem Start[12] (5° 15′ 3,6″ N, 52° 48′ 18″ W ) | ||
Malargüe, Argentinien | (DSA 3) | 35 m | X | X, Ka | Ka up K down |
Standort 1550 m über NN, Höhe 40 m, Gewicht 610 t.[13] Der Standort wurde bewusst auf der Südhalbkugel gewählt, weil auf der Nordhalbkugel bereits eine Vielzahl von großen Antennen bestehen.(35° 46′ 33,6″ S, 69° 23′ 52,8″ W ) |
ESTRACK teilt seine Kapazitäten mit anderen Raumfahrtorganisationen und Netzwerken, die ihrerseits wiederum Kapazitäten für ESA-Missionen bereitstellen. Solche Netzwerke sind z. B. ASI (Italien), CNES (Frankreich), DLR (Deutschland), das DSN der NASA, das Goddard Space Flight Zentrum, die 64-Meter-Antenne des Usuda Deep Space Centers betrieben von JAXA (Japan) und das Telemetry, Tracking and Command Network (ISTRAC) der indischen Raumfahrtbehörde ISRO. ESTRACK unterstützte Missionen von China und Russland und die Landung der NASA-Rover auf dem Mars. Stationen, mit denen Abkommen zur Zusammenarbeit bestehen, befinden sich in Poker Flat, Goldstone, Madrid, Weilheim, Esrange, HBK, Malindi, Kerguelen, Usuda, Masuda, Canberra.[14] ESTRACK kann Funktionen des DSN übernehmen oder umgekehrt. Beide Netzwerke können sich in Notfällen unterstützen, Antennen zusammenschalten und gegenseitig Daten austauschen. Ein Abkommen zur generellen gegenseitigen Unterstützung wurde zwischen NASA und ESA am 21. März abgeschlossen.[15]
Die Zusammenarbeit ermöglicht erhöhte Auslastung, mehr Flexibilität und Erweiterung der wissenschaftlichen Erträge für alle. Um die internationale Zusammenarbeit der Trackingeinrichtungen zu erleichtern, drängt die ESA auf Entwicklung und Anwendung von international anerkannten Standards zum Datenaustausch.[1] Alle Anlagen entsprechen den Bestimmungen des CCSDS.
Lage der ESTRACK-Bodenstationen, Grün: Deep Space Antennen |
Neben den ESA-eigenen Antennen gibt es noch ein ergänzendes Netzwerk von fünf rein kommerziellen Antennen, die über Verträge Dienste für das Netzwerk bereitstellen. Diese Stationen werden hauptsächlich während der LEOP-Phase nach Raketenstarts genutzt, wenn das bestehende Netz nicht ausreicht und sind für Satelliten, die Bahnen über die Pole haben.[1] Diese Stationen werden zu anderen Zeiten von kommerziellen Satellitenbetreibern und anderen Weltraumagenturen genutzt.